TE OGH 1981/4/22 3Ob9/81

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Veröffentlicht am 22.04.1981
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Norm

EO §§231 ff
ZPO §233 Abs1

Kopf

SZ 54/59

Spruch

Die Leistungsklage des Gläubigers und die Widerspruchsklage des Schuldners nach den §§ 231 ff. EO stehen zueinander nicht im Verhältnis der Streitanhängigkeit

OGH 22. April 1981, 3 Ob 9/81 (LGZ Graz 5 R 337/80; BG Hartberg 3 C 125/80)

Text

Auf Grund des Schuldscheines vom 3. April 1978, mit welchem Erich und Rosa P bekannten, von Anton Z am 17. März 1978 ein Darlehen von 226 000 S zugezählt erhalten zu haben und aufrecht zu schulden, ist in der EZ 205 KG P das Pfandrecht für die Darlehensforderung des Anton Z im Betrage von 226 000 S samt Zinsen und einer Nebengebührensicherstellung einverleibt.

Am 13. Juni 1979 erhob Anton Z zu 18 Cg 176/79 des Landesgerichtes für ZRS Graz gegen Erich und Rosa P die Klage auf Zahlung der aus dem Schuldschein vom 3. April 1978 aushaftenden Forderung von 226 000 S samt Zinsen und beantragt, die Klage bei dem Pfandrecht anzumerken. Erst am 27. August 1979 konnte die Klage den Beklagten zugestellt werden, die Abweisung des Klagebegehrens mit der Behauptung begehrten, sämtliche Forderungen des Anton Z seien aus dem Verkaufserlös der Liegenschaft EZ 12 KG P beglichen worden. Überdies habe Anton Z die Forderung der Raiffeisenbank A registrierte Genossenschaft mbH am 14. August 1979 abgetreten.

Anton Z stellte die Forderungsabtretung außer Streit und modifizierte sein Begehren dahin, daß Erich und Rosa P den Betrag von 226 000 S bei Exekution in die Liegenschaft EZ 205 KG P an die Raiffeisenbank A registrierte Genossenschaft mbH zu leisten hätten. Die Forderung sei nicht getilgt. Als die am 23. November 1979 verfügte Ladung der Rosa und des Erich P zu ihrer Vernehmung als Parteien am 9. Jänner 1980 nicht zugestellt werden konnte, weil sie nach dem Bericht des Postzustellers verzogen waren, wurde die Verhandlungstagsatzung abberaumt. Die Rechtsvertreter der Parteien wurden von den Fehlberichten verständigt und ihnen die weitere Antragstellung anheimgestellt. Der Rechtsstreit hat keinen Fortgang genommen.

Bei der zu E 9040/79 des Bezirksgerichtes Hartberg am 18. Dezember 1979 durchgeführten Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 205 KG P wurde diese um das Meistbot von 77 220 S den Erstehern zugeschlagen.

Bei der Verteilungstagsatzung meldete die Raiffeisenbank A registrierte Genossenschaft mbH die ihr mit dem Abtretungsvertrag vom 14. August 1979 zedierte Hypothekarforderung von 226 000 S, die Zinsen von 23 447.49 S und Kosten von 16 831.33 S in der bücherlichen Rangordnung an. Gegen die Berücksichtigung dieser angemeldeten Forderung haben die Verpflichteten Erich und Rosa P Widerspruch erhoben. Sie hätten von Anton Z nie ein Darlehen erhalten. Bei Unterfertigung des Schuldscheins seien sie getäuscht worden.

Das Exekutionsgericht hat Erich und Rosa P mit ihrem Widerspruch auf den Rechtsweg verwiesen.

Sie brachten am 6. Juni 1980 gegen die Raiffeisenbank A registrierte Genossenschaft mbH die auf Feststellung, daß die Zuweisung des nach Berichtigung des Vorzugspostens verbliebenen Meistbotsrestes von 76 164 S an die Bank nicht zu Recht bestehe, gerichtete Widerspruchsklage ein.

Die Beklagte wendete dagegen u. a. auch Streitanhängigkeit ein, weil der Rechtsstreit 18 Cg 176/79 des Landesgerichtes für ZRS Graz fortzusetzen sei.

In beiden Rechtsstreiten gehe es um den aufrechten Bestand der Darlehensforderung aus dem Schuldschein vom 3. April 1980.

Das Erstgericht wies mit Urteil das Klagebegehren wegen Streitanhängigkeit ab. Es ging von dem bereits dargelegten Sachverhalt aus und meinte, es liege Identität der Parteien und der Ansprüche vor. Daß die im Verfahren 18 Cg 176/79 des Landesgerichtes für ZRS Graz streitverfangene Forderung von Anton Z nach der Erhebung der Klage der Raiffeisenbank A registrierte Genossenschaft mbH abgetreten wurde, habe nach § 234 ZPO auf den Prozeß keinen Einfluß. Beide Klagen verfolgten das Ziel, den Bestand der Darlehensforderung darzutun oder zu widerlegen, wenn auch in einem Fall eine Leistungsklage, im anderen eine Feststellungsklage vorliege. Der Klagsanspruch werde in beiden Fällen auf die gleichen rechtserzeugenden Tatsachen gestützt. Daß die Kläger der Widerspruchsklage behaupten, sie hätten ein Darlehen von 226 000 S nie erhalten, als Beklagte im Leistungsprozeß aber einwendeten, die Forderung des Anton Z aus dem Schuldschein sei bezahlt, ändere daran nichts.

Gegen dieses "Urteil" erhoben die Widerspruchskläger "Berufung". Sie machten unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend, bestritten, daß vor der Abtretung der Forderung durch Anton Z an die Beklagte am 14. August 1979 Streitanhängigkeit vorlag und § 234 ZPO zur Anwendung komme, weil die Zustellung der Klage erst am 27. August 1979 erfolgt sei, und führten aus, es fehle an der Identität des Streitgegenstandes und des Rechtsschutzanspruches. Ihre frühere Einwendung habe sich nun anders gestaltet, die Widerspruchsklage sei darauf gerichtet, daß die im Meistbotsverteilungsbeschluß GZ E 9040/79-59 des Bezirksgerichtes Hartberg angeordnete Zuweisung des Betrages von 76 164 S an die Beklagte aufgehoben werde.

Das Rekursgericht behandelte die "Berufung" als Rekurs, weil das Erstgericht über die von der Beklagten erhobene Einrede der Streitanhängigkeit nach § 261 Abs. 1 ZPO mittels Beschluß zu entscheiden gehabt hätte, gab diesem Rekurs Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß die von der Beklagten erhobene Einrede verworfen werde. Daß in dem noch anhängigen, nur zum Stillstand gekommenen Rechtsstreit vor dem Landesgericht für ZRS Graz Anton Z hier aber die Raiffeisenbank A registrierte Genossenschaft mbH den Klägern gegenüberstehe, hindere wegen der durch Abtretung der Forderung eingetretenen Einzelrechtsnachfolge die Annahme der Streitanhängigkeit nicht. Die Umkehrung der Parteirollen hebe die Wirkung der Streitanhängigkeit nicht auf. Die Verschiedenheit der Begehren schließe Streitanhängigkeit nur aus, wenn diese zueinander in einem solchen Verhältnis stunden, daß die Sachentscheidung über die weitere Klage zwingend die erschöpfende Lösung der gesamten Rechtsfrage des früher anhängig gewordenen Rechtsstreites zur Folge haben müsse. Da Anton Z in der am 13. Juni 1979 gerichtshängig gewordenen Klage den Rechtsgrund seiner Forderung nicht genannt habe, sondern sich nur auf den Schuldschein vom 3. April 1978 berufe, liege diese Voraussetzung nicht vor. Von der Hingabe eines Darlehens sei im Vorbringen des Anton Z nicht die Rede.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rechtsmittelwerberin meint, die Rechtsansicht, der Vorprozeß begrunde deshalb keine Streitanhängigkeit, weil die Hingabe eines Darlehens nicht ausdrücklich als Rechtsgrund des Leistungsbegehrens bezeichnet wurde, sei zu eng. Beiden Verfahren sei gemeinsam, daß es sich um den Anspruch aus dem Schuldschein vom 3. April 1978 handle. Aus den vorgebrachten rechtserzeugenden Tatsachen und den daraus abgeleiteten Begehren ergebe sich, daß die Sachanträge in beiden Verfahren dasselbe Rechtsschutzziel anstreben und daher eindeutig auch die Gleichheit des Anspruches besteht. Es liege daher die von der Beklagten eingewendete Streitanhängigkeit vor.

Der allein darauf gegrundeten Ansicht des Rekursgerichtes, Anton Z habe in seiner zu 18 Cg 176/79 des Landesgerichtes für ZRS Graz erhobenen Klage nicht die Hingabe eines Darlehens als Rechtsgrund seiner Klage auf Zahlung von 226 000 S samt Zinsen genannt, schon daraus ergebe sich, daß die Sachentscheidung in diesem Rechtsstreit nicht zwingend die erschöpfende Lösung der Rechtsfrage im ersten Rechtsstreit bringe, kann allerdings nicht gefolgt werden. Es ist nicht zu verkennen, daß in beiden Rechtsstreiten der Bestand der in dem Schuldschein vom 3. April 1978 umschriebenen, durch die Einverleibung des Pfandrechtes auf der versteigerten Liegenschaft sichergestellten Darlehensforderung des Anton Z Gegenstand der Entscheidung sein muß.

Dennoch ist für die Rekurswerberin daraus nichts zu gewinnen.

Zunächst ist schon von Bedeutung, daß die für die negative Prozeßvoraussetzung der Streitanhängigkeit im Sinne des § 233 Abs. 1 ZPO wesentliche Identität der Parteien, wenn auch in unterschiedlichen Parteirollen, zwar auch gegeben ist, wenn der Einzelrechtsnachfolger der Partei im Vorprozeß deren Gegner im zweiten Rechtsstreit gegenübersteht (SZ 49/87 u. a.), vorliegend aber der Übergang der Forderung des Anton Z auf die beklagte Partei mit dem Abtretungsvertrag vom 4. August 1979 bereits vor der erst am 27. August 1979 bewirkten Zustellung der Klage 18 Cg 176/79-1 an die dort Beklagten (hier Kläger) stattfand. Erst mit der Zustellung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache (Streitanhängigkeit) ausgelöst. Die Bestimmung des § 234 ZPO, wonach die Veräußerung einer in Streit verfangenen Forderung auf den Prozeß keinen Einfluß hat, ist nur anwendbar, wenn der Rechtsübergang nach Eintritt der Streitanhängigkeit erfolgt (Fasching III, 96; Petschek - Stagel, 270). Nur dann kann die aus § 234 ZPO abgeleitete Irrelevanztheorie durchgreifen, wonach die zur Zeit der Klagszustellung gegebene Sachlegitimation für den Prozeß perpetuiert wird und die später erfolgte Veräußerung des Streitgegenstandes in diesem außer Betracht bleibt (Pollak, System[2], 188; Neumann, Kommentar[4] II, 903). Tritt der Rechtsübergang aber schon vor Klagszustellung ein, kann ihr der Kläger noch Rechnung tragen. Da der Erwerber der Forderung seinen Eintritt in den Rechtsstreit nicht erzwingen kann (§ 234 2. Satz ZPO) und ihm im Falle des Beitrittes nur die Stellung eines einfachen Nebenintervenienten zukommt (Petschek - Stagel, Zivilprozeß, 271; Petschek, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen nach österreichischem Rechte, Wien 1901, 238), könnte ihm - zumindest im hier vorliegenden Falle der vor Begründung der Streitanhängigkeit stattgefundenen beachtlichen Einzelrechtsnachfolge als Gläubiger der Forderung - die Klagsführung gegen den Schuldner nicht verwehrt werden. Der Vorprozeß hingegen müßte mit abweisender Sachentscheidung enden, weil der Zedent nach erfolgter Forderungsabtretung nicht mehr zur Klagsführung berechtigt ist (SZ 42/105 u. a.).

Abgesehen davon hindert der noch anhängige (und nur zum Stillstand gekommene) Vorprozeß die Erhebung der Widerspruchsklage vor allem deshalb nicht, weil aus nachstehenden Gründen keine Identität der Begehren besteht. Wie das Rekursgericht richtig erkannte, kann wohl auch bei Verschiedenheit der Urteilsbegehren das hier eingewendete Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit vorliegen, falls diese in ihrem Inhalt in einem solchen Verhältnis stehen, daß die Sachentscheidung über die weitere Klage die erschöpfende Lösung der gesamten Rechtsfrage des bereits anhängigen Rechtsstreites zwingend einschließt (Fasching III, 93). Betrachtet man nun unter diesem Gesichtspunkt Urteilsbegehren und Ziel der beiden gegenständlichen Rechtsstreite, deren Verhältnis im Sinne des § 223 Satz 1 ZPO strittig ist, so fällt entscheidend ins Gewicht, daß das Gesetz erstens die Entscheidung über die auf den Rechtsweg verwiesenen Widersprüche dem Exekutionsgericht zuweist (§ 232 Abs. 1 EO), zweitens die Wirksamkeit des Urteils auf sämtliche beteiligten Gläubiger und Berechtigten ausdehnt (§ 232 Abs. 2 EO) und drittens vorsieht, daß in dem Urteile, durch welches einem erhobenen Widerspruch stattgegeben wird, auch ohne ein darauf gerichtetes Begehren auf Grund des Verteilungsbeschlusses und der Akten des Verteilungsverfahrens zu bestimmen ist, welchem Gläubiger und in welchem Betrage der streitige Teil der Masse auszuzahlen ist (§ 233 Abs. 1 EO), also nur ausnahmsweise in dem Urteil ein neuerliches Verteilungsverfahren anzuordnen ist (§ 233 Abs. 2 EO).

Die Rechtsprechung hat zwar Streitanhängigkeit zwischen der Leistungsklage und der später angebrachten Klage, die auf Feststellung des Nichtbestehens des zur Begründung der Leistungspflicht vorgetragenen Rechtsverhältnisses gerichtet ist, angenommen (SZ 26/204). Die aufgezeigten Besonderheiten der Widerspruchsklage führen aber zu der Erkenntnis, daß hier Streitanhängigkeit zu verneinen ist. Die Kläger haben sich in ihrer Widerspruchsklage an die übliche Formulierung des Begehrens gehalten (vgl. Heller - Berger - Stix, 1587; Heller - Trenkwalder[3], 376 f.), das nicht auf Feststellung des Nichtbestehens der Forderung, die Gegenstand des Schuldscheines vom 3. April 1978 war; gerichtet ist, sondern ausschließlich eine andere Meistbotsverteilung ohne Berücksichtigung der von der Beklagten angemeldeten durch Zession auf sie übergegangenen Darlehensforderung anstrebt. Wenn auch als Vorfrage über Bestand der Forderung des Anton Z zu befinden sein wird, spricht doch das Urteil im Widerspruchsprozesse nicht über diese mit Rechtskraftwirkung ab, weil hier Gegenstand des Rechtsstreites nur der Teilnahmeanspruch der Beklagten an der Meistbotsverteilung sein kann und der Widerspruchsprozeß auf die Prüfung der strittig gebliebenen, im Widerspruch vorgetragenen Tatsachen beschränkt bleibt (Heller - Berger - Stix, 1586).

Die bei Annahme der zur Zurückweisung der Widerspruchsklage nach § 233 Abs. 1 ZPO führenden Streitanhängigkeit notwendige Folge wäre, daß die ausschließliche Zuständigkeit des Exekutionsgerichtes (Heller - Berger - Stix, 1586) umgangen und die Entscheidung über den Widerspruch in einen Rechtsstreit verlagert würde, in welchem die Widerspruchswerber in der Beklagtenrolle stehen, keinen Einfluß auf das Begehren und die Urteilsgestaltung nehmen könnten und in dem hier überdies ohne Einwilligung beider Prozeßparteien der vom Widerspruche betroffene betreibende Gläubiger nur als Nebenintervenient verfahrensbeteiligt sein könnte.

Zieht man einen Vergleich mit den gleichfalls den Teilnahmeanspruch regelnden Vorschriften der Konkursordnung (§§ 102 ff. KO), so kann der hier vorliegende Fall dort gar nicht eintreten, weil bei Anhängigkeit der Leistungsklage und Anmeldung der nicht titulierten Forderung im Konkurs deren Bestreitung den Forderungsberechtigten zur Fortsetzung des Rechtsstreites als Feststellungsprozeß zwingt. Selbst hier ist die Möglichkeit vorgesehen, daß das Konkursgericht den Rechtsstreit an sich zieht (§ 113 Abs. 2 KO). Daß der Bestreitende einen vom Gegner angestrengten Leistungsprozeß in der Beklagtenrolle fortsetzen muß, ist beim Streit über den Konkursteilnahmeanspruch nicht denkbar.

Aus den vorstehenden Erwägungen muß - selbst ohne die hier noch vor Streitanhängigkeit im Vorprozeß erfolgte Abtretung der Forderung an die Beklagte - die Widerspruchsklage beim Exekutionsgericht zulässig geführt werden können, ohne daß ihr die Anhängigkeit des Leistungsrechtsstreites hindernd entgegensteht, weil sich die Begehren so deutlich unterscheiden, daß Streitanhängigkeit nicht anzunehmen ist.

Anmerkung

Z54059

Schlagworte

Streitanhängigkeit, keine - bei Leistungsklage und Widerspruchsklage, (§§ 231 ff. EO), Widerspruchsklage (§§ 231 ff. EO), keine Streitanhängigkeit bei, Leistungsklage und

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0030OB00009.81.0422.000

Dokumentnummer

JJT_19810422_OGH0002_0030OB00009_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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