TE OGH 1981/4/30 13Os38/81

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Veröffentlicht am 30.04.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.April 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zeitler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hubert A und Maximilian B wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB.

und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Hubert A gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 27.August 1980, GZ. 20 b Vr 10109/79-42, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hartung und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO. wird das angefochtene Urteil dahin ergänzt, daß dem Angeklagten Hubert A gemäß § 38 Abs 1 Z. 1 StGB. auch die in Vorhaft zugebrachte Zeit vom 15.November 1979, 5,25 Uhr, bis zum 16. November 1979, 21,00 Uhr, auf die Strafe angerechnet wird. Der Berufung wird Folge gegeben und die über Hubert A verhängte Strafe unter Anwendung des § 41 StGB.

auf 4 (vier) Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO. fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 3.Oktober 1951 geborene, zuletzt beschäftigungslose Hubert A wurde der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143, erster Fall, StGB. und des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs 1, Abs 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hatte er am 15.November 1979 in Wien in Gesellschaft der (teils nicht verfolgbaren, teils abgesondert verfolgten) Maximilian B und Rudolf C als Beteiligte (§ 12 StGB.) A. dadurch, daß sie auf Josef D einschlugen, ihn hin- und herstießen, ihn auf eine Bank schleuderten und ihn aufforderten: 'Gib den Pfeffer '(= Geld)' her, sonst schlagen wir Dich nieder!' sowie dadurch, daß er und Rudolf C den Josef D zunächst festhielten, während Maximilian B die Taschen des Festgehaltenen durchsuchte und daraus 3,50 S, Zündhälzer und einen Flaschenäffner entnahm, mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und B. dadurch, daß er und Maximilian B die Eingangstür zum Gasthaus des Karl E mit einem Messer bearbeiteten, um das Türschloß aufzubrechen, sowie dadurch, daß sie mehrmals gegen die versperrte Tür rannten und mit den Füßen dagegen traten, während Rudolf C Aufpasserdienste leistete, dem Karl E fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, Lebensmittel, Zigaretten und sonstige Wertgegenstände mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch in ein Gebäude wegzunehmen getrachtet.

Der Schuldspruch erging auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen, welche die Hauptfrage Nr. I nach dem Verbrechen des schweren Raubes und die Hauptfrage Nr. III nach dem Verbrechen des versuchten Gesellschaftsdiebstahls durch Einbruch stimmenmehrheitlich bejaht und die beiden Eventualfragen - die erste davon gerichtet auf das Vergehen der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB.) - gemäß der ihnen erteilten Belehrung unbeantwortet gelassen hatten.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Dem den erstangeführten Nichtigkeitsgrund relevierenden Vorbringen ist zwar einzuräumen, daß bei Verdacht auf Volltrunkenheit an und für sich zunächst eine Zusatzfrage (§ 313 StPO.: für den Fall der Bejahung der Hauptfrage) nach den Voraussetzungen des Schuldausschließungsgrunds des § 11 StGB. und daran anschließend erst - für den Fall der Verneinung der Hauptfrage oder der Bejahung der Hauptund der Zusatzfrage - eine Eventualfrage (§ 314 Abs 1 StPO.) in Richtung des Vergehens nach § 287 StGB. zu stellen sein wird (sogenanntes 'Dreifragenschema'). Da aber hier, den Ergebnissen der Hauptverhandlung zufolge, kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß der Angeklagte die Taten im Zustand unverschuldeter voller Berauschung begangen haben könnte, kann auch das vom Erstgericht gewählte 'Zweifragenschema' - Hauptfrage zur Anklagetat und Eventualfrage nach § 287 StGB. - als hinreichend angesehen werden; hatten doch die Geschwornen auch auf Grund dieser zwei Fragen die Gelegenheit, die auf Volltrunkenheit lautende Verantwortung des Angeklagten zu würdigen und, falls sie dieser Glauben geschenkt hätten, dem durch Bejahung der betreffenden Eventualfrage im Wahrspruch Rechnung zu tragen. Die Überspringung der sonst einzuschiebenden Zusatzfrage vermochte sich mithin nicht zum Nachteil des Angeklagten auszuwirken, weshalb der behauptete Nichtigkeitsgrund der Z. 6 des § 345 Abs 1 StPO.

dem Urteil nicht anhaftet (EvBl 1975 Nr. 285 u.a.). Fehl geht aber auch die auf § 345 Abs 1 Z. 8 StPO.

gestützte Rüge des Angeklagten, in der er vorbringt, die Rechtsbelehrung zeige nicht mit der gebotenen Deutlichkeit auf, daß die Bejahung der Eventualfrage I nicht den Freispruch des Täters zur Folge habe, sondern seinen Schuldspruch wegen Vergehens nach § 287 Abs 1 StGB.

nach sich zäge. Vielmehr habe die die Beantwortung der Eventualfrage I bedingende Verneinung der Hauptfragen I und III die Geschwornen vor die Alternative gestellt, den Angeklagten entweder - durch Verneinung dieser Fragen - scheinbar freizusprechen, wonach sie erst zur Beantwortung der Eventualfrage I und damit verbunden zur Prüfung der Frage der vollen Berauschung gelangt wären, oder aber die beiden Hauptfragen zu bejahen, ohne sich mit dem Problem der vollen Berauschung des Angeklagten befassen zu können.

Dem genügt es zu erwidern, daß die Rechtsbelehrung (S. 8 bis 11) entgegen der Beschwerde unmißverständlich und in rechtlich einwandfreier Weise zum Ausdruck bringt, daß sich die mit der Verneinung der beiden Hauptfragen verbundene Bejahung der Eventualfrage I keineswegs im Freispruch des Angeklagten, sondern in seiner Verurteilung wegen des Vergehens nach § 287 Abs 1 StGB. auswirken würde, in welchem Zusammenhang die Geschwornen übrigens auch hinreichend über den Begriff der vollen Berauschung instruiert wurden.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen.

Aus deren Anlaß hat sich der Obersten Gerichtshof davon überzeugt, daß das Urteil im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung insofern an einer nicht geltend gemachten, sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden Nichtigkeit nach der Z. 13 des § 345 Abs 1 StPO. leidet, als ihm die Vorhaft erst ab 16.November 1979, 21,00 Uhr, angerechnet wurde, obwohl er nach der Aktenlage (S. 17 und 19) bereits am 15.November 1979, 5,25 Uhr, festgenommen worden war. In amtswegiger Wahrnehmung des bezeichneten Nichtigkeitsgrunds war daher gemäß § 290 Abs 1

StPO. dieser Mangel spruchgemäß zu sanieren.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten A gemäß §§ 28, 143, erster Strafsatz, StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren. Dabei wertete es als erschwerend die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen zweier Verbrechen, wogegen es als mildernd die Enthemmung durch Alkoholgenuß und die Tatsache in Betracht zog, daß es hinsichtlich des Diebstahlsfaktums beim Versuch geblieben war.

Die Berufung des Angeklagten mit der er eine Herabsetzung des Strafausmaßes anstrebt, ist - im Ergebnis -

begründet.

Der zur Tatzeit immerhin schon 28jährige Berufungswerber ist wegen des auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 2 Z. 3 StGB. vorbestraft; die Geldstrafe wurde am 3.April 1979 bezahlt (ON. 15 S. 45 b in 11 E Vr 1207/78 des Kreisgerichtes Leoben). Bereits siebeneinhalb Monate später wurde er rückfällig und zwar gleich in eines der schwersten Verbrechen, die unser Strafgesetzbuch kennt. Das zeigt ein erhöhtes spezialpräventives Strafbedürfnis. Dazu kommt der Umfang der Raubkriminalität in Österreich. Das läßt die generalpräventiven Belange unübersehbar hinzutreten. Mag auch die Beute gering gewesen sein, die Tat war es gewiß nicht. Der Angeklagte sieht verständlicherweise nur seine Lage; die Aufgabe des Gerichts ist es, auch die andere Seite zu sehen, das Schicksal des Verbrechensopfers zu bedenken. Tut man das hier, so spricht die ungezügelt rohe Aggressivität der Ausführung des Raubs abermals entscheidend gegen den Berufungswerber, der überdies als Rädelsführer aufgetreten ist (ON. 41 S. 265), war er doch auch der einzige zurechnungsfähige Erwachsene unter den drei Raub- und Diebsgenossen.

Schließlich steht die Annahme der Alkoholisierung als mildernd mit § 35 StGB. nicht im Einklang, zumal der Berufungswerber selbst seine latente Alkoholkrankheit für sich ins Treffen führt. Bei dieser Sachlage den Rauschzustand (der in der Delinquenz des Alkoholikers wohl stets eine größere oder geringere Rolle spielen wird) als mildernd gelten zu lassen, liefe auf die Aushöhlung des erst vor wenigen Jahren im Zug der Strafrechtsreform neu geschaffenen § 35 StGB. hinaus. Der Milderungsgrund der Alkoholisierung hat daher zu entfallen. Das (im Berufungsvortrag hervorgekehrte) Milieu der sogenannten 'Sandler' kann letzten Endes auch nicht mildernd sein; denn in einer Zeit, in der die Menschenrechte auf nationaler und internationaler Ebene - einer zeit- und kulturgemäß verfeinerten Entwicklungstendenz in den zivilisierten Rechtsordnungen gehorchend - derart forciert werden wie in der Gegenwart, kann man niemanden in unserer Rechtsgemeinschaft, auch nicht die sogenannten 'Sandler', 'Stromer' oder 'Strotter', ganz abgesehen vom verfassungsmäßig verankerten Gleichheitsgrundsatz, in einem rechtlichen Ermessensbereich (wie dem der Strafzumessung) gleichsam als mindergeschützte Rechtssubjekte abwerten.

Darnach verbleibt im Hinblick auf den Berufungsantrag die Frage nach der Anwendbarkeit der außerordentlichen Strafmilderung, genauer:

nach den im § 41 StGB.

verlangten, beträchtlich überwiegenden Milderungsgründen. Dazu hat der Senat schließlich erwogen, daß es nach der Lage des Falls ausnahmsweise vertretbar ist, zu berücksichtigen, daß eine Beute von 3 S 50 g nebst einem Flaschenäffner und einigen Zündhälzern in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung dem gesetzlichen Begriff 'keines Schadens' im § 34 Z. 13 StGB. gleich- oder wenigstens so nahekommt, daß eine Heranziehung dieses Umstands als mildernd auf der Unrechtsseite des verbrecherischen Geschehens Platz greifen kann. Hält man dazu, daß einer der beiden Erschwerungsgründe, nämlich die Deliktskonkurrenz, eine zum Teil formalrechtliche Ausprägung aufweist, so kann vom Überwiegen der nunmehr gegebenen beiden mildernden Umstände in ihrem sachlichen Gehalt gesprochen werden.

All das zusammengefaßt, erschien trotz der zahlreichen, dem widerstreitenden und strengste kustodiale Maßnahmen gegen den Berufungswerber herausfordernden Komponenten auf der Schuldseite und im Präventionsbereich eine Strafermäßigung um ein Jahr im Rahmen der gesetzlich vorhandenen Möglichkeiten noch zulässig.

Anmerkung

E03166

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00038.81.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19810430_OGH0002_0130OS00038_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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