Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Garai als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernst Friedrich A und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ernst Friedrich A gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 18.Februar 1981, GZ. 22 Vr 2582/80-62, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt I/2 des Schuldspruches und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an die erste Instanz zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderem der am 18.Oktober 1947 geborene beschäftigungslose Angeklagte Ernst Friedrich A des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. und des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§ 136 Abs. 1) StGB.
schuldig erkannt.
Inhaltlich des Schuldspruches liegt ihm zur Last, er hat in Innsbruck I. nachangeführte fremde bewegliche Sachen in einem 5.000
S übersteigenden Werte nachgenannten Personen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:
1. In Gesellschaft des bereits rechtskräftig abgeurteilten Harald Josef B in Gesellschaft als Beteiligten (§ 12 StGB.) in der Nacht zum 2.Juli 1980 Schibindungen in unerhobenem, jedoch 5.000 S übersteigendem Werte dem Harald C durch Einbruch in einem abgeschlossenen Raum, 2. in Gesellschaft des außer Verfolgung gesetzten Klaus D als Beteiligten (§ 12 StGB.) am 30.April 1980 ein Farbfernsehgerät der Marke 'Körting-Color', eine Taschenuhr, Manschettenknöpfe in unerhobenem, jedoch 5.000 S übersteigendem Werte dem Julius E, 3. als Alleintäter am 11.Juli 1980 dem Sebastian F eine Geldtasche mit Bargeld in der Höhe von 1.800 S.
II. am 15.Juli 1980 sich wenn auch nur fahrlässig durch den Genuß von Alkohol in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW. mit dem Kennzeichen T 21.796 der Fa. Hugo G ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, somit eine Handlung begangen, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB. zugerechnet würde. Von einem Teilfaktum wegen Diebstahls wurde er rechtskräftig freigesprochen.
Während der Mitangeklagte Harald Josef B den ihn betreffenden Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ließ, bekämpft der Angeklagte Ernst Friedrich A allein den zu den Punkten I/1 und 2 ergangenen Schuldspruch mit einer auf die Z. 4, 5 und 9 lit. b gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, im Strafausspruch mit Berufung. Unberechtigt ist die Nichtigkeitsbeschwerde zum Urteilsfaktum I/1 des Schuldspruches, sofern sie einen Verfahrensmangel in der Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 18.Februar 1981 gestellten Beweisantrages auf Einvernahme der Kellnerin 'Anni' des Gasthauses 'Roter Adler' zur Frage des Alkoholkonsums im Hinblick auf das (behauptete) Vorliegen einer vollen Berauschung durch das Erstgericht erblickt (S. 317, 318 d.A.).
Rechtliche Beurteilung
Dieses hat nämlich die Urteilsannahmen, daß der Angeklagte und sein Mittäter Harald Josef B bei der Tat zwar alkoholisiert, aber nicht betrunken (gemeint: voll berauscht) waren (S. 339 d.A.) darauf gegründet, daß die detaillierte Tatschilderung des Beschwerdeführers und seines Komplizen vor der Polizei und das Tatverhalten selbst eine volle Berauschung ausschließen (S. 331 d.A.).
Demgemäß ist die Frage des Alkoholkonsums von keiner entscheidungswesentlichen Bedeutung, weil nach Lage des Falles keine typischen Merkmale für eine volle Berauschung vom Erstgericht festgestellt wurden (vgl. Leukauf-Steininger2, RN. 9 zu § 287 StGB.), sodaß durch das abweisende Zwischenerkenntnis Verteidigungsrechte des Angeklagten A nicht verletzt wurde. Unter dem Gesichtspunkte einer Unvollständigkeit im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. bringt der Beschwerdeführer vor, das Erstgericht setze sich nicht mit seiner Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter (S. 73 f. d.A.) und in der Hauptverhandlung (S. 314 d.A.) auseinander, welche auf das Vorliegen einer vollen Berauschung im Sinne des § 287 StGB. hinauslaufe, obgleich nach den Angaben des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. H eine solche bei ihm bei einem Blutalkoholspiegel von 2,5 %o anzunehmen sei (S. 316 d. A.).
Diesen Einwendungen ist entgegenzuhalten, daß sich das Erstgericht sehr wohl mit der Verantwortung des Angeklagten im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung auseinandergesetzt hat und nicht nur seine Verantwortung, sondern auch die ihn belastenden Angaben des Mitangeklagten B vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter wie auch dessen entlastenden Angaben in der Hauptverhandlung in den Kreis seiner Erwägungen gezogen hat (S. 330, 331 d. A.). Wenn es den belastenden Angaben des B vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter im Zusammenhalte mit der detaillierten Tatschilderung des Beschwerdeführers vor der Polizei mehr Glauben schenkte, als den in der Hauptverhandlung vorgebrachten Verantwortungen und daraus den lebensnahen und denkfolgerichtigen Schluß gezogen hat, daß der Angeklagte bei der in Rede stehenden Tat nicht voll berauscht war, so stellt dies einen Akt freier Beweiswürdigung dar, der einer Bekämpfung im Wege einer Mängelrüge nach der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. entzogen ist.
Berechtigung hingegen muß der Beschwerde zuerkannt werden, soferne diese eine Verletzung von Verteidigungsrechten in Beziehung auf die Abweisung der gleichfalls in der Hauptverhandlung vom 18.Februar 1981 zum Urteilsfaktum I/2 gestellten Beweisantrages auf Einvernahme der Zeugen Franz I, Christa J und Ernst K zum Beweise dafür, daß die verstorbene Mutter immer wieder kurz vor ihrem Tod erklärt hätte, daß das gesamte Inventar dem Angeklagten zustehe und lediglich der PKW.
dem Lebensgefährten Julius E gehöre, reklamiert (S. 318 d.A.). Der Angeklagte hat sich im wesentlichen dahin verantwortet (S. 314 d. A.), seine Mutter habe vor ihrem Tode erklärt, daß ihre gesamte, in der Wohnung befindliche Habe nach ihrem Tode ihm gehören solle, sodaß er sich für berechtigt hielt, die unter Pkt. I/2 des Urteilssatzes angeführten Gegenstände abzuholen, zumal er in seiner Ansicht noch durch die Erklärungen der Zeugin Adolfine L bestärkt wurde (S. 35, 36, 314 d.A.).
Das Erstgericht hat diesen Beweisantrag in der Hauptverhandlung als unerheblich abgewiesen (S. 317 d.A.) und im Urteil nachgetragen, daß ein redliches Verhalten des Beschwerdeführers deswegen auszuschließen sei, weil sich dieser ansonsten vor Abholung der Gegenstände mit dem Lebensgefährten der Verstorbenen, dem Zeugen Julius E, ins Einvernehmen gesetzt hätte (S. 332 d.A.). Diese Begründung des abweisenden Zwischenerkenntnisses vermag nicht zu überzeugen.
Der vom Erstgericht hervorgehobene Umstand, daß der Angeklagte den genannten Zeugen von seiner Absicht, Gegenstände aus der Wohnung abzuholen, nicht unterrichtet hat, schließt allein nicht aus, daß sich der Angeklagte möglicherweise doch in einem Irrtum über seine Anspruchsberechtigung befunden hat, zumal das Verhältnis zwischen ihm und dem Lebensgefährten der Mutter ersichtlich gespannt war und der Beschwerdeführer im übrigen auch die Meinung vertritt, daß selbst jene Gegenstände, an denen der genannte Zeuge sein Eigentum behauptet oder sogar den Kauf in seinem Namen nachweisen konnte, vom Gelde seiner Mutter bezahlt worden und daher ihr Eigentum geblieben seien, zumal sie als Vollentmündigte selbst keine Rechtsgeschäfte tätigen konnte. Beweismittel, die der Wahrheitsfindung in einem für den Beschwerdeführer entscheidenden Punkte dienen, dürfen aber nicht ungenützt bleiben, da erst durch ihre Aufnahme mit Sicherheit überprüft werden kann, ob und inwieweit die Verantwortung des Angeklagten den Tatsachen entspricht, oder aus welchen Gründen sie als widerlegt angesehen werden kann. Im Ergebnis läuft demnach die Abweisung des gestellten Antrages auf eine vorwegnehmende Beweiswürdigung hinsichtlich der subjektiven Tatseite hinaus, wodurch Verfahrensgrundsätze, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten waren, verletzt sind.
Da infolge des aufgezeigten Verfahrensmangels (§ 281 Abs. 1 Z. 4 StPO.) eine neue Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war der teilweise begründeten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Folge zu geben, das Ersturteil im Punkte I/2 des Schuldspruches und demgemäß auch im Strafausspruch nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und die Sache im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen, ohne daß es in diesem Punkte eines Eingehens auf den weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. bedurfte (§ 285 e StPO.).
Im übrigen war die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO. gleichfalls schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.
Anmerkung
E03153European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0120OS00053.81.0514.000Dokumentnummer
JJT_19810514_OGH0002_0120OS00053_8100000_000