Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Mai 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ruiter-Birnbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian A und andere wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 129 Z 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Christian A gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengerichtes vom 12. September 1980, GZ 3 a Vr 1.007/80-23, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Scheed-Wiesenwasser und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die jugendlichen Angeklagten Christian A, Robert B und Franz C des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 129 Z 2 StGB (Punkt A des Urteilsspruches) und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs 1 StGB (Punkt B des Urteilsspruches) sowie Christian A überdies des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB (Punkt C des Urteilsspruches) schuldig erkannt.
Dieses Urteil wird lediglich vom Angeklagten Christian A - der Sache nach nur in den Schuldsprüchen zu den Punkten A und C des Urteilsspruches - mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der 'Z 5, 9 und 10' des § 281 Abs 1
StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft; in Ansehung der beiden übrigen Angeklagten wurde das Urteil rechtskräftig.
Rechtliche Beurteilung
Soweit der Angeklagte A in seiner Mängelrüge geltend macht, es sei aus den Urteilsfeststellungen zum Schuldspruch zu Punkt A des Urteilsspruches nicht zu erkennen, welche Handlungen er begangen hätte und in welcher Absicht sie verübt worden seien, übergeht er die im Urteil getroffene Feststellung des Bereicherungsvorsatzes (aller drei Angeklagten) bei der vorsätzlichen Wegnahme der Sache (S 97 f d.A) sowie des arbeitsteiligen Zusammenwirkens bei der Tatausführung (S 95 f d.A). Die der Sache nach eingewendete Undeutlichkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen liegt nicht vor.
Ebensowenig haftet dem Ersturteil, entgegen der Beschwerdeansicht, eine widersprüchliche oder unzureichende Begründung an, wenn es den Angeklagten einerseits den durch Einbruch begangenen vollendeten Diebstahl eines Geldbetrages von 2.000 S anlastet und anderseits die Verantwortung der Angeklagten, sie hätten vom Vorhandensein des Geldes im Etui nichts gewußt, als nicht unglaubwürdig bezeichnet. Denn es schließt die Annahme mangelnder Kenntnis der Täter davon, daß eine bestimmte Summe Bargeldes in dem ihrem diebischen Zugriff unterlegenen Etui enthalten war, ihren auch auf einen solchen Inhalt dieses Behältnisses bezogenen Bereicherungswillen nicht aus, der sich nach allgemeiner Erfahrung, weil wesensmäßig auf eine Vermögensvermehrung gerichtet, in der Regel geradezu typisch insbesondere auf Geld oder Geldeswert erstreckt (vgl hiezu die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe 'gehofft, verwertbare Gegenstände zu finden' /S 82 d.A/).
Auch der Vorwurf einer in sich widersprechenden und unzureichenden Begründung geht daher fehl.
Mit dem weiteren Einwand einer unvollständigen Begründung der Feststellungen zum Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung (Punkt C des Urteilsspruches) sucht die Beschwerde lediglich in unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise die der Anfechtung entzogene freie Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (§ 258 Abs 2
StPO) zu bekämpfen, welches die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe nur aus Spaß mit D gerauft, durch die als glaubwürdig befundene Aussage des Zeugen Dr. E, aber auch durch die Wahrnehmungen des Polizeibeamten, welcher bei seinem Einsatz den Beschwerdeführer und D noch streitend antraf (S 5 f in ON 4 d.A), sohin auf Grund schlüssiger Überlegungen, als widerlegt ansah. Entgegen der Beschwerdeansicht hatte sich das Erstgericht dabei mit dem (angeblichen) Vorhandensein geparkter PKW am Tatort zu beiden Seiten der Straße und der Tatsache, daß der Zeuge Dr. E sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand, nicht zu befassen. Denn einerseits ergaben sich weder aus der Verantwortung des Beschwerdeführers noch aus sonstigen Verfahrensergebnissen Anhaltspunkte für eine durch geparkte Kraftfahrzeuge bedingte Sichtbehinderung, welche die Verläßlichkeit der Wahrnehmungen des Zeugen Dr. E über das Tatgeschehen hätte in Frage stellen können. Anderseits läßt die Beschwerde außer acht, daß der Zeuge Dr. E nach den auf dessen Aussage gestützten Feststellungen des Erstgerichtes versucht hatte, den Raufhandel durch 'Zureden' zu beenden (S 86, 97 d. A), und sich demnach zu den Raufenden begeben und solcherart seine Wahrnehmungen aus nächster Nähe gemacht hatte.
Unter Anrufung der Nichtigkeitsgründe der Z 9 bzw 10 (der Sache nach der Z 9 lit a) des § 281 Abs 1 StPO wendet sich der Beschwerdeführer gegen die rechtliche Annahme vollendeten Einbruchsdiebstahls in Ansehung von 2.000 S mit dem Hinweis, daß er gleich den übrigen Angeklagten diesen Geldbetrag bis zur Derelinquierung des Etuis nicht bemerkt habe.
Auch diese Rechtsrüge versagt.
Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist sie mit ihrem Einwand, der Diebstahlsvorsatz der Täter sei nur auf die Wegnahme des Etuis gerichtet gewesen. Sie übergeht in diesem Zusammenhang die bei Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes bindende Feststellung des schon bei der Wegnahme des Etuis vorhandenen Bereicherungsvorsatzes der Angeklagten, der sich keineswegs nur auf das Behältnis, sondern auch auf einen allfälligen üblicherweise in einem solchen Etui enthaltenen Inhalt, somit auch auf Bargeld, erstreckte. Daß die Täter vom Vorhandensein des Bargeldes wußten, ist für den spezifizierten Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung im Sinn des Diebstahlstatbestandes (Zueignungsvorsatz und Bereicherungstendenz; vgl Kienapfel BT II RN 137 zu § 127 StGB) nicht erforderlich, weil dafür der Eventualvorsatz (A 5 Abs 1 zweiter Fall StGB) genügt, daß der Täter das Vorhandensein von Bargeld in einem mit Bereicherungsvorsatz an sich gebrachten Behältnis auch nur ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet.
Ebensowenig ist, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, die Kenntnis des Inhaltes eines mit dem eben bezeichneten Vorsatz zugeeigneten Behältnisses für die Frage der Diebstahlsvollendung von Bedeutung. Denn diese tritt mit dem Wechsel des Gewahrsams ein. Begriffswesentlich für den strafrechtlichen Gewahrsam ist in objektiver Hinsicht die faktische Sachherrschaft, di das unmittelbare tatsächliche Naheverhältnis zur Sache, wie es vorliegend von den Tätern mit dem Ansichbringen des Etuis, also einer kleineren, am Körper oder in der Kleidung leicht zu verbergenden Sache, unter Beseitigung der tatsächlichen Sachherrschaft des Bestohlenen begründet wurde, sowie in subjektiver Beziehung der natürliche Herrschaftswille (Kienapfel aaO RN 54-73 zu § 127 StGB). Diese subjektive und nach der Verkehrsauffassung zu interpretierende Komponente des Gewahrsamsbegriffs setzt keine Individualisierung nach Art einer Bezugnahme auf eine ganz bestimmte Sache voraus, sondern es genügt ein, in den Gepflogenheiten des Lebens angepaßter Weise zu beurteilender genereller Herrschaftswille (Kienapfel aaO RN 72). Im vorliegenden Fall bezog sich bei einer der Verkehrsauffassung und den konkreten Umständen Rechnung tragenden Betrachtung der generelle Herrschaftswille der Täter, ihrem spezifizierten Bereicherungsvorsatz gemäß, auch auf in dem Etui allenfalls enthaltenes Bargeld.
Ausgehend von diesen Kriterien kann aber der Übergang des Gewahrsams auf die Angeklagten und damit die Vollendung des Diebstahls nicht bezweifelt werden.
Auch die spätere den Voraussetzungen tätiger Reue (§ 167 Abs 2 Z 1 StGB) nicht entsprechende Derelinquierung des Etuis durch die Angeklagten, die mit ihrer Beute nicht betreten werden wollten, vermag, der Beschwerde zuwider, an der Strafbarkeit wegen des vollendeten Einbruchsdiebstahls nichts zu ändern.
Da das Erstgericht sohin die Wegnahme des Geldbetrages von 2.000 S rechtsrichtig dem Tatbestand des vollendeten Einbruchsdiebstahls nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 129 Z 2 StGB unterstellte, schlägt die der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a (teils auch lit b) des § 281 Abs 1 StPO erhobene Rechtsrüge fehl.
Ebensowenig begründet ist das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers zum Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 83 Abs 1 StGB, mit welchem er der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit c des § 281 Abs 1
StPO die Tat als bloße Beleidigung durch öffentliche körperliche Mißhandlung nach dem § 115 StGB gewertet wissen will, und anderseits der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO die Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit nach dem § 42 StGB in Anspruch nimmt.
In seinen die Subsumtion unter § 83 Abs 1 StGB bestreitenden Einwendungen übersieht der Beschwerdeführer die ausdrückliche Feststellung seines Verletzungsvorsatzes (S 101 d.A) und bringt daher, weil er nicht an den tatsächlichen Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite festhält, einen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Entgegen seiner Ansicht ist aber in dem durch den Faustschlag verursachten (starken - s S 6 in ON 4 d.A) Nasenbluten, weil es in einem Platzen von Blutgefäßen im Naseninneren besteht, selbst wenn es nur kurzfristig gedauert hätte, eine Verletzung am Körper im Sinn des ersten Deliktsfalles des § 83 Abs 1 StGB zu erblicken (Leukauf-Steininger2, RN 5
zu dieser Gesetzesstelle).
In Ansehung der sohin ohne Rechtsirrtum dem § 83 Abs 1 StGB unterstellten Körperverletzung des Zeljko D liegen, entgegen dem insoweit gar nicht näher substantiierten Beschwerdeeinwand, aber auch nicht die Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit nach dem § 42 Abs 1
StGB vor.
Zunächst fehlt es schon an der Bedingung einer bloß geringen Schuld des Täters (§ 42 Abs 1 Z 1 StGB), weil bei der konkreten Fallgestaltung, insbesondere dem Fehlen jeder schuldmildernden Umstände hinsichtlich der Zufügung der Körperverletzung, von einem erheblichen Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens des Beschwerdeführers hinter dem in der Strafdrohnung des § 83 Abs 1 StGB typisierten Unrechtsund Schuldgehalt nicht die Rede sein kann. Darüber hinaus erscheint bei dem zur Tatzeit zwar noch jugendlichen Beschwerdeführer im Hinblick auf seine, in wiederholter Diebstahlsdelinquenz und in der Vorsatztat gegen die körperliche Unversehrtheit zum Ausdruck kommenden verschiedenartigen kriminellen Neigungen eine Bestrafung auch wegen des Vergehens der Körperverletzung aus spezialpräventiven Gründen erforderlich, sodaß es auch an der weiteren Voraussetzung des § 42 Abs 1 Z 3 StGB mangelt.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten A nach dem § 129 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB und unter Anwendung des § 11 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten. Es wertete bei diesem Angeklagten bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, einen raschen Rückfall, den Umstand, daß er die Mitangeklagten zum Diebstahl anstiftete, und die Fortsetzung strafbaren Verhaltens auch während eines anhängig gewordenen Strafverfahrens, als mildernd ein Teilgeständnis, minder günstige Erziehungsverhältnisse und ein Schadensanerkenntnis. Die Gewährung bedingter Strafnachsicht lehnte das Erstgericht bei diesem An- geklagten ausdrücklich ab. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte A die Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an.
Der Berufung war Erfolg zu versagen.
Der Argumentation, daß bei einem Jugendlichen 'drei Monate soviel zählen wie bei einem Erwachsenen ein Jahr' und daher kein rascher Rückfall gegeben sei, vermag der Oberste Gerichtshof nicht näherzutreten. Daß die strafbaren Handlungen, die zu der Vorverurteilung des Berufungswerbers führten, innerhalb kurzer Zeit verübt wurden, läßt den raschen Rückfall - entgegen der Meinung der Berufung -
nicht in anderem Licht erscheinen.
Die Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht im wesentlichen richtig festgestellt, ausgenommen der Umstand, daß ein (bloßes) Schadensanerkenntnis nicht mildernd ist.
Die Strafe wurde im Ergebnis zutreffend ausgemessen, wobei dem (nicht allzu hohen) Wert der Diebsbeute hinreichend Rechnung getragen wurde.
Zutreffend versagte das Erstgericht auch die Gewährung bedingter Strafnachsicht. Sie wurde dem Berufungswerber bereits einmal gewährt; auch im vorliegenden Verfahren delinquierte er trotz der Kenntnis eines gegen ihn anhängig gewordenen Strafverfahrens neuerlich. In Schwebe bleibende Maßnahmen erwiesen sich somit als wirkungslos. Es bedarf daher eines Strafvollzuges, um allenfalls eine Besserung herbeizuführen.
Für die Möglichkeit der Verhängung einer (unbedingten) Geldstrafe blieb dem Obersten Gerichtshof mangels eines in diese Richtung gehenden Berufungsantrages kein Raum.
Die Kostenentscheidung beruht auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03188European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0110OS00044.81.0520.000Dokumentnummer
JJT_19810520_OGH0002_0110OS00044_8100000_000