Norm
ABGB §871Kopf
SZ 54/88
Spruch
Unrichtige Angaben des Verpächters über die Ertragsfähigkeit des Pachtunternehmens geben dem Pächter einen Zinsminderungsanspruch, der sowohl im Wege der besonderen Gewährleistungsbestimmung des § 1096 ABGB als auch durch Vertragsanpassung nach § 872 (§ 871 Fall 1) ABGB geltend gemacht werden kann
OGH 9. Juni 1981, 5 Ob 768/80 (LG Innsbruck 1 R 531/80; BG Lienz C 309/79)
Text
Der in München wohnende Beklagte ist Eigentümer der am nördlichen Stadtrand von L gelegenen Frühstückspension. Der in den Jahren 1971/72 mit einem Kapitaleinsatz von etwa 1.5 bis 2 Mill. S ausgebaute Beherbergungsbetrieb umfaßt zwölf Gästezimmer mit insgesamt 25 Betten, ist zentralbeheizt, voll ausgestattet und - von nicht nennenswerten, gelegentlich auftretenden kleineren Gebrechen, etwa der Sanitäranlagen, abgesehen - in einwandfreiem Zustand. Die Gästezimmer sind zeitgemäß eingerichtet, mit Kalt- und Warmwasser versorgt und haben zum Teil (7 Zimmer) Duschanlagen. In der Mansarde befindet sich eine aus drei Räumen, einem Bad und einem WC bestehende Wohnung. Der Betrieb weist ferner ein Büro, einen Frühstücksraum, einen Keller, Autoabstellplätze und einen Garten auf.
Im Herbst 1976 verhandelte der Kläger mit Franz W, der damals als bevollmächtigter Vertreter des Beklagten das Unternehmen führte, über die Pachtung des Unternehmens ab Beginn des Jahres 1977. Vor Unterfertigung eines im wesentlichen von Franz W als Bevollmächtigten des Beklagten formulierten Pachtvertrages, der einen monatlichen Pachtschilling von 7 000 S, wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex 1976, vorsah, ließ sich der Kläger von Gernot M. beraten, der in einem Steuerberatungsbüro angestellt war. Gernot M hielt einen monatlichen Pachtschilling von 7 000 S für überhöht und riet dem Kläger, Einsicht in die Buchhaltungsunterlagen und Steuerbescheide des Beklagten zu fordern. Franz W verweigerte jedoch die vom Kläger geforderte Einsichtnahme mit dem Hinweis, daß der Kläger davon ohnedies nichts verstunde. Auf einem "Schmierzettel" rechnete er dem Kläger vor, daß bei entsprechendem Einsatz ohne weiteres ein monatlicher Reinertrag von 10 000 S verbleiben würde. Er unterstellte einen jährlichen Bruttoumsatz von 275 000 S und brachte davon die mit 66 000 S pauschalierten Regien und den Pachtzins von 84 000 S in Abzug; so ermittelte er einen jährlichen Reinertrag von 125 000 S. Daraufhin erklärte sich der Kläger mit dem vorgeschlagenen Pachtzins von monatlich 7 000 S wertgesichert ausdrücklich einverstanden, ohne vorher noch den Rat eines Fachmannes eingeholt zu haben.
Seit 1. Jänner 1977 führt die Ehefrau des Klägers mit großem persönlichen Einsatz die Frühstückspension. Die Zahl der Nächtigungen in der Pension stieg von 2084 im Jahre 1976 auf 2406 im Jahre 1977, auf 2423 im Jahre 1978 und erreichte 1979 nahezu 2500.
Im März 1977 erlangte der Kläger davon Kenntnis, daß Franz W im August 1976 für den Beklagten einen Vertrag mit der Reisegesellschaft T GesmbH & Co. KG geschlossen hatte, demzufolge für die Sommersaison 1977 ein Kontingent von 18 Betten bis 14 Tage vor dem jeweiligen Ankunftstermin reserviert zu halten war; die Erlöse pro Bett sollten jeweils 95 S bis 130 S betragen. Der Kläger erklärte sich, von Franz W darum gebeten, aus Entgegenkommen, aber auch in der Hoffnung, auf diese Weise schlechte Buchungszeiten zu überbrücken, zur Übernahme der Pflichten des Beklagten aus diesem Vertrag bereit. Da diese vertragliche Bindung jedoch eine weitgehende Behinderung der freien Verfügung über die Betten bewirkte, löste der Kläger den Vertrag mit der genannten Reisegesellschaft einvernehmlich zum 18. Juli 1977 auf.
Nach der vom Verkehrsverband mit bindender Wirkung aufgelegten Preisliste betrugen die Pensionspreise im Jahre 1976 75 S bis 95 S und im Jahre 1977 85 S bis 105 S. Zur Zeit des Vertragsschlusses zwischen den Parteien war nicht vorhersehbar, daß im Winter 1977/78 ein ermäßigtes Winterpauschale eingeführt wird.
Nach Ablauf der Sommersaison beauftragte die Frau des Klägers das Wirtschaftsförderungsinstitut der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol mit einer betriebswirtschaftlichen Beratung. Das Institut ermittelte bei Unterstellung von rund 220 000 S an jährlichen Gesamteinnahmen einen verfügbaren und zumutbaren Pachtschilling von nur 30 000 S jährlich ohne Bedachtnahme auf die beigestellte Wohnung. Es erachtete vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt die Verpachtung eines Beherbergungsbetriebes dieser Art nur mit Einschränkungen als sinnvoll. Der Kläger nahm dieses Gutachten zum Anlaß, vom Beklagten eine Herabsetzung des Pachtschillings zu begehren. Bis einschließlich März 1978 entrichtete er jedoch weiterhin den vereinbarten monatlichen Pachtzins von 7 000 S. Für die Zeit vom 1. April 1978 bis zum 31. Dezember 1978 hinterlegte er monatlich 4 320 S bei Gericht. Der Beklagte beantragte schließlich die Ausfolgung der bei Gericht hinterlegten Zinsbeträge und vereinnahmte am 8. Jänner 1979 aus der vom Kläger bei einer L Sparkasse in Form einer Bankgarantie gestellten vertraglichen Kaution einen weiteren Betrag von 33 120 S. Ab 1. Jänner 1979 bezahlte der Kläger wieder monatlich 7 000 S mit dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung. Nach der vereinbarten Wertsicherung betrug der monatliche Pachtzins allerdings ab April 1978 7 350 S und ab Oktober 1979 7 717.50 S. Der Kläger begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 118 880 S samt stufenweise berechneter Verzugszinsen in der Höhe von 4% p.a. mit der Begründung, daß ihm der Beklagte diesen Betrag infolge Empfanges ungerechtfertigt überhöhten Pachtzinses und unberechtigter Inanspruchnahme der Haftungsgarantie schulde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein allenfalls überhöhter Pachtzins sei nicht auf eine von vornherein vorhanden gewesene oder später hinzugetretene teilweise Unbrauchbarkeit der Bestandsache zurückzuführen, sondern einzig und allein auf das Ergebnis der Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien und damit auf ihre freie Willensbildung, der Kläger hätte sich nicht auf die laienhaften Ausführungen Franz W verlassen dürfen, er hätte vielmehr einen Fachmann zu den Verhandlungen beiziehen sollen. Dieses Versäumnis könne er nicht im Wege der Bestimmung des § 1096 ABGB korrigieren. Das Pachtobjekt sei zumindest von mittlerer Brauchbarkeit, seine örtliche Lage sei ein gegebener Umstand gewesen und nicht als Mangel im Sinne der Bestimmung des § 1096 ABGB zu qualifizieren. Den Vertrag mit der Reisegesellschaft T GesmbH. & Co. KG habe der Kläger freiwillig übernommen und dann alsbald ohne nachweisbar ins Gewicht fallenden Nachteil gelöst. Ein Anspruch auf Zinsminderung bestehe nicht. Für die Zeit nach Vorliegen des Gutachtens des Wirtschaftsförderungsinstituts könne der Kläger mangels Irrtums allenfalls zu Unrecht bezahlte Pachtzinsbeträge nicht zurückfordern. Infolge der wirksam gewordenen Wertsicherungsvereinbarung sei der Beklagte jedenfalls berechtigt gewesen, für die Zeit vom 1. April 1978 bis 31. Dezember 1978 8 000 S aus der Kaution des Klägers zu vereinnahmen.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sei im Verfahren nicht hervorgekommen, daß Franz W als Bevollmächtigter des Beklagten dem Kläger gegenüber irgend eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Überschlagsrechnung übernommen habe. Die Kalkulation Franz W sei auch nicht in erkennbarer Weise dem schriftlichen Bestandvertrag zugrunde gelegt worden. Sie sei für den Kläger als eine recht optimistische Einschätzung der Ertragslage zu erkennen gewesen. Eine Überprüfung der von Franz W genannten Ertragszahlen und der für das Jahr 1976 veröffentlichten Zimmerpreise sei dem Kläger ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen. Franz W habe beim Kläger keine ausreichend gesicherte Vorstellung über einen künftigen durchschnittlichen Nettogewinn und damit auch keinen wesentlichen Irrtum, sondern nur eine sich später nicht verwirklichende Hoffnung über einen günstigenfalls zu erzielenden Ertrag hervorrufen können. Der Irrtum des Klägers wandle sich deshalb zu einem Motivirrtum, denn Franz W habe keine Umsatz- oder Ertragsgarantie gegeben. Eine solche Zusicherung sei auch nicht Gegenstand des Pachtvertrages geworden. Deshalb sei die Äußerung Franz W ohne Einfluß auf die Gültigkeit des Vertrages. Es erscheine aus zwei Gründen unzutreffend, Franz W Arglist gegen den Kläger vorzuwerfen: Franz W habe noch immer die Vorstellung, daß die von ihm in Aussicht gestellten Umsätze und Erträge zu erzielen seien; der Kläger habe trotz Kenntnis der Umstände den Pachtvertrag fortgesetzt und sich gegen eine Räumungsklage des Beklagten zur Wehr gesetzt. Er sei auch trotz der Unsicherheit des Prozeßausganges bisher nicht bereit gewesen, den Pachtvertrag mit dem Beklagten aufzulösen. Er habe bisher keine Einkommensteuererklärung und keinen Einkommensteuerbescheid für die Jahre 1977 und 1978 vorgelegt, so daß nicht erkennbar sei, welche Erträge er aus dem Pensionsbetrieb erzielt habe. Zur behaupteten Irreführung (§ 871 ABGB) sei zu bemerken, daß vom Irrenden ein wesentlicher Irrtum nur dann wie ein unwesentlicher behandelt und deshalb eine angemessene Vergütung gefordert werden könne, wenn auch dem Gegner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der hypothetische Wille unterstellt werden dürfe, gegebenenfalls zu den Bedingungen abzuschließen, welche der Irrende nunmehr durchzusetzen bestrebt sei. Aus den Tatsachenfeststellungen ergebe sich jedoch nicht, daß der Beklagte oder sein Vertreter W bei Vertragsschluß einen derartigen Willen gehabt hätten. Zu dieser Annahme fehle im Vorbringen des Klägers und in den Ergebnissen des Beweisverfahrens jeder Hinweis. Da es an den Voraussetzungen für die Annahme einer schuldhaften Irreführung des Klägers durch Franz W fehle, sei auch die Grundlage für einen Schadenersatzanspruch des Klägers nicht vorhanden. Gewährleistungs- und Zinsminderungsansprüche nach der Bestimmung des § 1096 ABGB setzten voraus, daß das Pachtobjekt die ausdrücklich bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften nicht besessen habe. Die überschlägige Kalkulation des möglichen Gewinns bei Festsetzung eines Pachtzinses von 7 000 S monatlich stelle jedoch keine ausdrücklich bedungene Eigenschaft dar. Nur im Falle einer dem Vertragsschluß zugrunde gelegten gefälschten Inventur oder Bilanz, also bei Arglist, könne von einem Qualitätsmangel gesprochen werden, der einen Minderungsanspruch begrunden könne. Davon könne hier aber nicht die Rede sein. Den Vertrag des Beklagten mit der Reisegesellschaft T GesmbH & Co. KG habe der Kläger freiwillig übernommen, so daß es an den gesetzlichen Voraussetzungen für einen Schadenersatz- oder Gewährleistungsanspruch auf Zinsminderung fehle. Die Frage, ob der Kläger einen unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleisteten Zins gemäß § 1431 ABGB zurückfordern könne, sei zu bejahen, wenn der Kläger einen Zinsminderungsanspruch besäße. Im allgemeinen sei neben dem Fehlen der vorausgesetzten Schuld auch ein Irrtum des Leistenden über das Bestehen der Verbindlichkeit zu fordern. Hier werde man die rechtliche Bedeutsamkeit des Vorbehalts bejahen müssen, weil der dem Kläger vorliegende Sachverhalt zweifelhaft erscheinen mußte. Auch das Rückforderungsbegehren des Klägers bezüglich jener 8 000 S, die der Beklagte aus der Kaution vereinnahmt habe, sei nicht berechtigt, weil der Beklagte zumindest in dieser Höhe Forderungen aus der vereinbarten Wertsicherung habe, die von ihm erkennbar als Gegenforderungen geltend gemacht worden seien.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die gehörig ausgeführte Rechtsrüge verpflichtet das Revisionsgericht, die Sache in jeder rechtlichen Hinsicht, also auch in kollisionsrechtlicher, zu überprüfen. Dabei fällt auf, daß keine der Vorinstanzen die Staatsbürgerschaft des in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Beklagten geprüft und in Hinblick auf die immerhin naheliegende Möglichkeit, daß der Beklagte Ausländer ist, auch nicht die Frage gestellt hat, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Anwendung der tatsächlich herangezogenen Bestimmungen des materiellen österreichischen Privatrechtes vorhanden sind.
Der Sachverhalt, auf den sich der Klageanspruch grundet, hat sich freilich noch vor dem Inkrafttreten der Kollisionsnormen des IPR-Gesetzes verwirklicht, so daß für den Fall der Ausländereigenschaft des Beklagten zur Zeit des Zustandekommens des Pachtvertrages mit dem Kläger nicht diese Normen, sondern das vordem von den Gerichten angewendete Kollisionsrecht heranzuziehen ist. Weder die Parteienbehauptungen noch der festgestellte Sachverhalt geben einen Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien bei Vertragsschluß eine ausdrückliche Rechtswahl getroffen haben. Der gemäß den §§ 36 und 37 ABGB, die hier noch anzuwenden wären, unter gewissen Bezugspunkten zulässigen Rechtswahl steht die schlüssig getroffene und, wie der Gesetzestext deutlich macht (arg "auf ein anderes Recht Bedacht genommen" und "nicht offenbar ein anderes Recht zugrunde gelegt"), selbst die in die Geschäftsvoraussetzungen aufgenommene gleich (Spielbüchler, Zur sogenannten Rechtswahl im internationalen Privatrecht, ZfRV 1976, 47, 53 f.). Die Rechtsprechung des OGH hat zwar vereinzelt (etwa ÖBl. 1972, 116) die von den Parteien getroffene Rechtswahl ausdrücklich als Vertrag bezeichnet. Im übrigen findet sich aber häufig die von der Lehre stark kritisierte Anknüpfung an das "Wirkungsstatut" (Heller, "Wirkungsstatut" als Anknüpfungsbegriff? ZfRV 1969, 1; Schwind, Handbuch des Österreichischen Internationalen Privatrechts, 296 ff.), die jedoch, wie Schwind (a.a.O., 297 f.) überzeugend nachgewiesen hat, der hypothetischen Rechtswahl, dem Zugrundelegen einer bestimmten Rechtsordnung ohne Bewußtmachen des Bezugspunktes, sehr nahe steht. In der Sache geht es darum, daß der objektiv festgestellte Sachverhalt vermuten läßt, die Parteien hätten die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung vorausgesetzt, weil ihre Rechtsbeziehungen privatautonom so ausgestaltet sind, daß nur der Bezug auf eine bestimmte Rechtsordnung eine sinnvolle Regelung der Parteibeziehungen erwarten läßt (Schwind a.a.O., 295 ff., insbesondere 297 f.). Der vorliegende Sachverhalt ließe für den Fall der Ausländereigenschaft des Beklagten vermuten, die Parteien hätten die Anwendung österreichischen materiellen Privatrechts vorausgesetzt. Selbst wenn man dies aber nicht unterstellte, käme man auf Grund des in Österreich gelegenen Vertragsabschlußortes nach der Anordnung des § 36 ABGB zur Verweisung auf dasselbe materielle Privatrecht. Im Ergebnis haben deshalb die Vorinstanzen mit Recht österreichisches Sachrecht angewendet.
Die zur Abweisung des Klagebegehrens von den Vorinstanzen geäußerten Rechtsansichten können jedoch nicht gebilligt werden. Entscheidend ist, welche Bedeutung man der Erklärung beimißt, die Franz W unmittelbar vor Abschluß des Pachtvertrages, als es um die Festlegung der Höhe des Pachtzinses ging, über den für den Pächter aus der Frühstückspension erzielbaren Reinertrag dem Kläger gegenüber abgab, d. h. wie diese Erklärung unter den besonderen Umständen des Falles nach der Verkehrsauffassung und den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs vom Kläger zu verstehen war. Es ist dabei vorauszusetzen, daß diese Erklärung des Franz W und ihre rechtlichen Folgen dem Beklagten voll zuzurechnen sind, weil Franz W als sein direkter Stellvertreter gehandelt hat (dies gilt auch im Bereich des Irrtumsrechtes, denn Stellvertreter sind nicht "Dritte" im Sinne der Bestimmung des § 875 ABGB: Koziol - Welser, Grundriß I, 117; SZ 44/59; 5 Ob 524/79; 5 Ob 573/80).
Die Ertragsfähigkeit eines Unternehmens ist eine Eigenschaft der Sache, die Gegenstand einer Qualitätszusage sein kann, denn der Ertrag ist ein, wenn nicht überhaupt der den wirtschaftlichen Wert des Unternehmens charakterisierende Faktor, an dem sich Käufer und Pächter mit ihren Vorstellungen über die Kauf- bzw. Pachtwürdigkeit des Unternehmens und die Angemessenheit des Kaufpreises bzw. Pachtzinses zu orientieren pflegen (zum Problem Eigenschaftszusage bei Unternehmenserträgnissen vgl. Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 504 f.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts[5] II, 36; Gelhaar im BGB-RGRK[12] II/1, Anm. 25 zu § 537; Soergel - Kummer im Kohlhammer-Kommentar[11] III, Anm. 25 zu § 537, Staudingers Kommentar zum BGB[9] II/2, 425; Schlegelberger - Hefermehl, HGB[4] III, 2089 Anm. 35 zu § 377; Brüggemann im Großkommentar HGB[3] IV, 419). Diese Unternehmenseigenschaft ist durch eine Reihe von objektiven Gegebenheiten bedingt (bei Beherbergungsunternehmen etwa durch Lage, Umgebung, Ausstattung, Ruf, Geschäftsverbindungen zu Reiseunternehmen, Funktionstüchtigkeit der Anlagen, aber auch durch die Konkurrenzverhältnisse, die Höhe der Betriebsregien u.v.a.) und ist im allgemeinen nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten unter Zugrundelegung einer durchschnittlich mittleren Intensität unternehmerischen Einsatzes einigermaßen sicher bestimmbar, besonders dann, wenn das Unternehmen schon längere Zeit besteht, weil dann aus den Ergebnissen mehrerer Geschäftsjahre ein die Schwankungen einzelner Jahre ausgleichender Durchschnittserfolg ermittelt und so, annähernd gleichbleibende Verhältnisse vorausgesetzt, auf den zu erwartenden künftigen Geschäftserfolg geschlossen werden kann. Angaben des Verkäufers oder Verpächters eines Unternehmens über die Ertragsfähigkeit und die Grundlagen ihrer Berechnung sind deshalb wegen ihrer den wirtschaftlichen Wert des Unternehmens charakterisierenden Beschreibung und ihrer entsprechende Wertvorstellungen beim Käufer bzw. Pächter auslösenden Wirkung in aller Regel für den Käufer bzw. Pächter von nicht unmaßgeblicher Bedeutung. Sie sind dann als zum Vertragsinhalt zählende bindende Qualitätszusagen des Verkäufers bzw. Verpächters und nicht bloß als rechtsfolgenlose allgemeine Anpreisungen des Unternehmens zu beurteilen, wenn der Verkäufer bzw. Verpächter ihren maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidung des Käufers bzw. Pächters erkennen mußte und der Käufer bzw. Pächter unter den besonderen Umständen des Falles nach der Verkehrsauffassung und den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs sie in diesem Sinne verstehen durfte. Diese Voraussetzungen sind nach Ansicht des OGH in dem hier zur Entscheidung gestellten Fall gegeben. Dem in Stellvertretung des Beklagten handelnden Franz W war das Bedürfnis des Klägers nach Kenntnis der bis dahin in der Frühstückspension erzielten Umsätze und Erträgnisse auf Grund seines Verlangens, ihm Einsicht in die Geschäftsunterlagen und Steuerbescheide zu gewähren, bekannt; es mußte ihm in Anbetracht der Verweigerung der begehrten Informationsmöglichkeit bekannt gewesen sein, daß der Kläger deshalb in Ermangelung einer anderen Erkenntnisquelle auf die ihm nun erteilte Information über die Umsätze, Betriebsregien und Reinerträgnisse angewiesen war und die Richtigkeit dieser Erklärungen und der daran geknüpften Zusicherung, es sei bei entsprechendem Einsatz ohne weiters ein monatlicher Reinertrag von 10 000 S für den Pächter zu erzielen, für seinen Entschluß bestimmend sein werde, einen monatlichen Pachtzins von 7 000 S zu bezahlen. Unter diesen besonderen Umständen durfte der Kläger nach der Verkehrsauffassung und den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs die dargestellten Erklärungen des Stellvertreters des Beklagten als eine zum Vertragsinhalt gehörige bindende Qualitätszusage verstehen, für die der Beklagte einstehen werde. Es hieße, das für die Funktionstüchtigkeit des auf dem freien Willen der Vertragsparteien beruhenden Geschäftsverkehrs notwendige gegenseitige Vertrauen auf den Wahrheitsgehalt derartiger Zusagen zu leugnen, wenn man den Erklärungsempfänger zwänge, die Richtigkeit solcher Zusagen in Frage zu stellen, die, wie hier, ganz offensichtlich als auf den Erfahrungen des Zusagenden beruhend und durch geeignete Prämissen begrundet erscheinend dargeboten wurden.
Der Beklagte hat dem Kläger für die zugesagte Ertragsfähigkeit des verpachteten Unternehmens einzustehen, wenn sich diese Zusage als unrichtig herausstellen sollte. Für die Unrichtigkeit dieser Zusage ist der Kläger behauptungs- und beweispflichtig. Das zur Feststellung der vom Kläger behaupteten Unrichtigkeit der Qualitätszusage notwendige Beweisverfahren, bei dem die Beiziehung eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigen für Beherbergungsbetriebe unvermeidlich erscheint, ist infolge der unrichtigen Rechtsansichten der Vorinstanzen bisher unterblieben und muß deshalb im fortgesetzten Verfahren in erster Instanz nachgeholt werden. Dabei wird ein unternehmerischer Einsatz durchschnittlich mittlerer Intensität zugrunde zu legen sein. Sollte sich dann herausstellen, daß die Ertragsfähigkeit erheblich unter dem zugesicherten Betrag liegt, könnte der dadurch bewirkten Störung der subjektiven Äquivalenz (Koziol - Welser a.a.O., 110, 211) zur Herbeiführung des vom Kläger angestrebten Prozeßerfolges, nämlich der Zurückzahlung von Geldbeträgen, die ohne rechtliche Schuldverpflichtung als Pachtzins bezahlt bzw. vom Beklagten aus der ihm gegebenen Kaution vereinnahmt wurden, sowohl im Wege der besonderen Gewährleistungsbestimmung des § 1096 ABGB als auch durch Vertragsanpassung nach der Anordnung des § 872 (§ 871 Fall 1) ABGB abgeholfen werden. Die beiden auf den gleichen Erfolg, nämlich der Minderung des Pachtzinses nach der auch hier anzuwendenden "relativen Berechnungsmethode" (Koziol - Welser a.a.O., 110, 216), ausgerichteten Behelfe des materiellen Rechtes stehen in echter Konkurrenz dem Kläger, der sein Begehren nicht individualisiert hat, zur Verfügung (vgl. Koziol - Welser a.a.O., 221 f. und die in FN 47 angegebenen Bezüge). Unzweifelhaft handelt es sich nämlich bei der zugesagten Eigenschaft des verpachteten Unternehmens um eine, die im abgeschlossenen Geschäft wertbildend, also für die Bestimmung der Gegenleistung (Pachtzins) maßgebend war und deshalb zum Inhalt des Geschäfts gehört, weshalb der beim Kläger dadurch - die Unrichtigkeit der Zusicherung einmal vorausgesetzt - ausgelöste Irrtum als Geschäftsirrtum anzusehen ist. In diesem Falle müßte allerdings geprüft werden, ob der Geschäftsirrtum des Klägers ungeachtet seiner Wesentlichkeit ein unwesentlicher in dem Sinne war, daß beide Vertragsparteien den Vertrag ohne Irrtum ebenfalls, wenngleich mit einem anderen Inhalt, nämlich einem niederen Pachtzins, geschlossen hätten, wozu in erster Linie der hypothetische Wille der Parteien ermittelt und, wenn auf diese Weise kein Ergebnis erzielt werden könnte, die Frage beantwortet werden müßte, wie normale Parteien redlicherweise gehandelt hätten (5 Ob 573/80 vom 2. September 1980); wäre dies der Fall, so würde den Parteien durch die Korrektur des Vertrages nicht ein neuer Vertrag aufgezwungen, den sie gar nicht schließen wollten und auch nie geschlossen hätten (Koziol, Zur Anwendbarkeit des § 872 ABGB bei wesentlichem Irrtum, JBl. 1967, 64 ff. insbesondere 66 rechte Spalte; SZ 50/35; 5 Ob 573/80). In den Fällen echter Anspruchskonkurrenz, bei der in Ermangelung einer Individualisierung des Begehrens der angestrebte Prozeßerfolg auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist vom Prozeßgericht der einfachere und für die Erreichung des Prozeßzieles für den Anspruchsberechtigten weniger risikoreiche und damit auch kostensparende Weg zu beschreiten. Es sind deshalb die einfacheren Voraussetzungen für die Pachtzinsherabsetzung nach der besonderen Gewährleistungsbestimmung des § 1096 ABGB zu prüfen. Nach der dabei - ebenso wie bei der Vertragsanpassung wegen Irreführung (§ 872 ABGB) - anzuwendenden "relativen Berechnungsmethode" ist, wenn der Beweis für die vom Kläger behauptete Unrichtigkeit der Ertragszusage erbracht wurde, der vereinbarte Pachtzins in demselben Verhältnis herabzusetzen, in dem der verkehrsübliche angemessene Pachtzins für ein Pensionsunternehmen vergleichbarer Art mit einem durchschnittlichen monatlichen Nettoertrag von rund 10 000 S zum verkehrsüblichen angemessenen Pachtzins für die Frühstückspension, der unter Zugrundelegung ihrer bei einer durchschnittlich mittleren Intensität unternehmerischen Einsatzes tatsächlich erzielbaren Erträgnisse zu ermitteln ist, steht. Der Einwand des Beklagten, der vereinbarte Pachtzins sei schon in Hinblick auf die mit der Pension verbundene und vom Kläger und seiner Frau benützte Wohnung angemessen, ist unbeachtlich, weil es in diesem Rechtsstreit nicht um die unrichtige Meinung der Vertragsparteien über die wertbildende Eigenschaft der Wohnung, die Bestandteil des Pachtobjektes ist, sondern um die Richtigkeit der verbindlich zugesagten Ertragsfähigkeit des Pensionsunternehmens geht. Der Beklagte kann nicht die durch eine allfällige unrichtige Ertragszusage ausgelöste Pachtzinsminderung durch "Aufwertung" der Wohnung ausgleichen.
Andererseits ist auch nicht auf die vom Kläger behaupteten einzelnen angeblichen Mängel des Unternehmens - auf den Umsatz nachteilig fortwirkende frühere Unzukömmlichkeiten im Umgang des Franz W mit den Gästen; ungünstige örtliche Lage des Unternehmens; infolge bestehender bindender Nächtigungspreise nicht erzielbare, aber von Franz W in Aussicht gestellte Durchschnitts-Nächtigungspreise von 100 S; Nachteile aus den Vorbuchungen der Reisegesellschaft T GesmbH & Co. KG; Winterpauschalpreise - einzugehen, weil sie insgesamt nur als Ursachen für die Nichterzielung der zugesagten Unternehmenserträgnisse in Betracht kommen können und als solche für das Einstehenmüssen des Beklagten für die Unrichtigkeit der Ertragszusage bedeutungslos sind. Ihre Darstellung in der Klage kann deshalb auch nur in diesem Sinne als illustrativ verstanden werden. Sollten die zugesagten Erträgnisse ohnedies erzielbar sein, wären diese einzelnen Mängel schon deshalb unbeachtlich. Im übrigen haben die Vorinstanzen mit Recht darauf hingewiesen, daß die vertragliche Bindung des Verpächters an den Buchungsvertrag mit der Reisegesellschaft T GesmbH & Co. KG für den Kläger nicht fortwirkte und er deshalb den Nachteil, den er allenfalls durch den freiwilligen Eintritt in diesen Vertrag erlitten haben sollte, selbst tragen müßte.
Für die Geltendmachung des Rückforderungsanspruches aus dem speziellen Gewährleistungsfall nach der Anordnung des § 1096 ABGB kommt die durch die Bestimmung des § 933 ABGB angeordnete Beachtung der dort angeführten Fallfristen nicht in Betracht (Gschnitzer a. a.O., 514; Klang in Klang[2] V, 44; MietSlg. 26 098 u.a.). Sollte sich der Zinsminderungsanspruch des Klägers als gerechtfertigt erweisen, dann steht ihm - in dem erst festzustellenden Ausmaß - der Anspruch auf Rückforderung des ohne Rechtsgrund zu viel bezahlten Betrages zu (MietSlg. 28 131 u.a.): solange der Kläger nicht sicher die Höhe des tatsächlich geschuldeten Pachtzinses bestimmen kann, befindet er sich bei der Bezahlung des Betrages, der sich nachher als nicht geschuldet herausstellen sollte, in einem Irrtum über seine Leistungspflicht (§ 1431 ABGB). Da dies bisher der Fall ist, kann ihm nicht mit Erfolg das Rückforderungshindernis der wissentlichen Zahlung einer Nichtschuld (§ 1432 letzter Fall ABGB) entgegengesetzt werden.
Abschließend ist noch zu bemerken, daß der Beklagte die ihm zur Sicherung aller Verpflichtungen des Klägers aus dem Pachtvertrag gegebene Kaution auch zur Befriedigung seines durch die vereinbarte Wertsicherung entstandenen Anspruches auf Bezahlung eines aufgewerteten Pachtzinses heranziehen durfte. Die Feststellung des dem Kläger im Falle der gänzlichen oder teilweisen Berechtigung seines Zinsminderungsanspruches zustehenden Betrages wird ein Abrechnungsproblem darstellen.
Anmerkung
Z54088Schlagworte
Ertragsfähigkeit, unrichtige Angaben über - eines Pachtunternehmens:, Zinsminderungsanspruch, Pachtunternehmen, unrichtige Angaben über Ertragsfähigkeit:, Zinsminderungsanspruch, Zinsminderung bei unrichtigen Angaben über Ertragsfähigkeit des, Pachtunternehmens: Gewährleistung oder VertragsanpassungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0050OB00768.8.0609.000Dokumentnummer
JJT_19810609_OGH0002_0050OB00768_8000000_000