Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Juni 1981 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mischer als Schriftführers in der Strafsache gegen Alois A wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 3, 129 Z. 2 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 15.Jänner 1981, GZ. 25 Vr 935/80-35, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. E. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. K. Schneider und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Gehart, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 8 (acht) Monate herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.November 1952 geborene Hilfsarbeiter Alois A des (in zwei Fällen begangenen) Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 3, 129
Z. 2 StGB. mit einem Gesamtschadensbetrag von ca. 3.500 bis 3.800 S schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Von einem (weiteren) Anklagepunkt wurde der Angeklagte - rechtskräftig - freigesprochen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten richtet sich nach dem Inhalt ihrer Ausführung nur gegen den - die Einbruchsqualifikation (§ 129 Z. 2 StGB.) begründenen - Punkt 1 des Schuldspruchs, wonach dem Beschwerdeführer zur Last liegt, am 16.Mai 1978 in Innsbruck der Maria B nach Aufbrechen versperrter Behältnisse (in einer Gemeinschaftsküche) ein viertel Kilogramm Speck, ein Stück Braunschweigerwurst, Eier, eine Tafel Schokolade, ein viertel Kilogramm Butter, vier Dosen Gulasch, ein Kilogramm Zucker und drei Dosen Fisch im Gesamtwert von ungefähr 160 S gestohlen zu haben; dagegen macht er mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO. geltend, es sei ihm (insoweit) Notstand im Sinne des § 10 StGB. zuzubilligen, weil er vor der Tat seit Tagen nichts mehr zu essen gehabt habe und zur Erhaltung seiner Arbeitsfähigkeit gezwungen gewesen sei, mit den rechtswidrig angeeigneten Lebensmitteln seinen Hunger zu stillen.
Rechtliche Beurteilung
Diesem Beschwerdevorbringen kann nicht gefolgt werden. Durch Notstand ist nach dem § 10 Abs 1 StGB. entschuldigt, wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um einen unmittelbar drohenden Nachteil von sich oder einem anderen abzuwenden, wenn der aus der Tat drohende Schaden nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt als der Nachteil, den sie abwenden soll, und in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hatte der Angeklagte, der erst kurze Zeit in Innsbruck beschäftigt war, den erhaltenen Lohnvorschuß für die Miete seines Zimmers benötigt und möglicherweise nicht einmal mehr genug Gald, um sich entsprechend verkästigen zu können (S. 171).
Weder diese Tatsachenannahmen des Erstgerichtes noch die darüber hinausgehende, zum Teil in den Verfahrensergebnissen gar nicht gedeckte Sachverhaltsdarstellung in der Rechtsmittelschrift vermögen eine Anwendung des § 10 StGB. auf den vorliegenden Fall zu rechtfertigen. Dazu fehlt es schon am Primärerfordernis eines unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteiles, dem das (zeitweilige) Ertragen eines Hungergefühles noch nicht entspricht. Hatte der Angeklagte aber seinen (gesamten) Lohnvorschuß für andere Zwecke verwendet und war er deshalb ohne bares Geld, das ihm den Erwerb von Nahrungsmitteln auf redliche Weise ermöglicht hätte, wäre es seine Sache gewesen, rechtzeitig auf eine rechtlich zu billigende Art für die Befriedigung des (die Tat ausläsenden) von ihm vorhersehbaren Bedürfnisses vorzusorgen.
Daß er dies vergeblich versucht hätte oder daß es ihm an solchen Möglichkeiten gefehlt hätte, wurde nicht einmal behauptet. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 129 StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr. Bei der Strafbemessung wertete es die (sechs) auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen des Angeklagten, die (einmalige) Wiederholung der Straftaten und die zweifache Diebstahlsqualifikation als erschwerend, hingegen das Teilgeständnis und die Notlage im Schuldspruchfaktum 1 als mildernd. Der vom Angeklagten gegen diesen Strafausspruch erhobenen Berufung kommt im Ergebnis Berechtigung zu:
Das Schöffengericht stellte zwar die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig fest - ein nur vorübergehendes Wohlverhalten kann entgegen dem Berufungsvorbringen nicht als mildernd ins Gewicht fallen, die übrigen vom Angeklagten reklamierten Milderungsumstände wurden vom Erstgericht ohnehin (zutreffend) angeführt -, es bewertete aber den Unrechtsgehalt der, wie schon einleitend festgehalten, einen Schaden von rund 3.500 bis 3.800 S verursachenden Taten etwas zu hoch. Auf der Basis der vom Schöffengericht angenommenen besonderen Strafzumessungsgründe und der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Normen (§ 32 StGB.) erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von acht Monaten für angemessen. In diesem Sinn war der Berufung Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03218European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00082.81.0625.000Dokumentnummer
JJT_19810625_OGH0002_0130OS00082_8100000_000