Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juli 1981
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Garai als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf A und andere wegen der Finanzvergehen nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und b, 44 Abs 1 lit c FinStrG. und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 10. Dezember 1980, GZ. 15 Vr 208/80-78, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:
Spruch
'Durch das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 10. Dezember 1980, GZ. 15 Vr 208/80-78, ist insoweit, als dem Angeklagten Rudolf A die im Verfahren 6 c Vr 5021/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erlittene Vorhaft nicht auf die Strafen angerechnet wurde, obwohl die Voraussetzungen für eine gemeinsame Führung der bezeichneten Strafverfahren gemäß § 56 StPO. vorlagen, das Gesetz in den Bestimmungen des § 38 Abs 1 StGB. und des § 23 Abs 4 FinStrG.
verletzt.
Gemäß § 292 StPO. wird dieses Urteil dahin ergänzt, daß gemäß §§ 38 Abs 1 Z. 2 StGB. und 23
Abs 4 lit b FinStrG. dem Angeklagten Rudolf A die Vorhaft vom 29. Juni 1976, 11 Uhr 15, bis zum 23. Juli 1976, 11 Uhr, und vom 26. Jänner 1979, 16 Uhr, bis zum 11. März 1980, 14 Uhr 30, auf die Strafen angerechnet wird.'
Text
Gründe:
Mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. April 1980, GZ. 6 c Vr 5021/79-132, wurde (u.a.) Rudolf A wegen der Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG. und des vorsätzlichen Eingriffes in Monopolrechte nach § 44 Abs 1 lit c FinStrG. zu einer Geldstrafe von 8,000.000 S (für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Monaten), zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und zu einer Wertersatzstrafe von 2,141.983,50 S (für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von zweieinhalb Monaten) verurteilt. Auf diese Strafe(n) wurde ihm die Verwahrungsund Untersuchungshaft angerechnet, in der er sich in (verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen) Verfahren wegen der (sohin) vom Strafurteil umfaßten Finanzvergehen in der Zeit vom 29. Juni 1976, 11 Uhr 15, bis zum 23. Juli 1976, 11 Uhr, und vom 26. Jänner 1979, 16 Uhr, bis zum 11. März 1980, 14 Uhr 30, befunden hatte.
Mit dem Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 10. Dezember 1980, GZ. 15 Vr 208/80-78, wurde (abermals u.a.) Rudolf A wegen (anderer) Finanzvergehen des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels nach den §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und b FinStrG. und des Eingriffes in Monopolrechte nach § 44 Abs 1 lit c FinStrG. sowie wegen Vergehens nach § 24 Abs 1 lit b DevisenG. - welche Taten er in der Zeit von Dezember 1977
bis Dezember 1978 begangen hatte - verurteilt, und zwar für die Finanzvergehen zu einer Geldstrafe von 5,000.000 S (für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten), zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Monaten und zu einer Wertersatzstrafe von 1,800.000 S (für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von eineinhalb Monaten) als Zusatzstrafen (§ 21 Abs 3 FinStrG.), für das Vergehen nach dem Devisengesetz hingegen (gesondert) zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat und zu einer Verfallsersatzstrafe in der Höhe von 135.208,78 S (für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen). Das (ebenfalls rechtskräftige) Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau steht mit dem Gesetz insofern nicht im Einklang, als darin die Anrechnung der eingangs angeführten Verwahrungs- und Untersuchungshaft des Rudolf A unterblieb.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß den (insoweit übereinstimmenden) Anordnungen des § 38 Abs 1 StGB. und des § 23 Abs 4 FinStrG.
ist (vom Gericht) eine Vorhaft (: verwaltungsbehördliche und/oder gerichtliche Verwahrungshaft und Untersuchungshaft) auch dann auf Freiheitsstrafen, Geldstrafen und Wertersatzstrafen anzurechnen, wenn der Täter diese Haft nach der Begehung jener Tat(en), für die er bestraft wird, in einem anderen Verfahren wegen des Verdachtes einer mit Strafe bedrohten Handlung erlitten hat, soweit die Haft nicht bereits auf eine andere Strafe angerechnet oder der Verhaftete dafür entschädigt worden ist.
Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, daß die prozessuale Tatsache der getrennten Führung mehrerer Strafverfahren gegen dieselbe Person, die gemäß § 56
StPO. hätten vereinigt werden können, den (schließlich) Verurteilten bei der Anrechnung der Vorhaft nicht benachteiligen darf; deshalb ist (über den Wortlaut der vorangeführten Gesetzesstellen hinaus in / hier / zulässiger / Gesetzes- /Analogie) dann, wenn die Voraussetzungen einer gemeinsamen Führung der Verfahren nach § 56 StPO. gegeben waren, die Vorhaft aus einem anderen derart zusammentreffenden Verfahren auch dann anzurechnen, wenn sie zeitlich vor der (nunmehr bestraften) Tat gelegen war (SSt 48/90; Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB.2 § 38 RN. 1).
Dabei ist eine Vorhaft grundsätzlich in jedem der im Verhältnis des § 56 StPO. stehenden Strafverfahren, das zu einer Verurteilung führt, zur Gänze anzurechnen. Die Anrechnung hat somit unter Umständen mehrmals zu geschehen; erst die faktische Anrechnung bei der Vollstreckung eines Urteils macht die spruchgemäße Anrechnung in den anderen Urteilen (insoweit) gegenstandslos (ÖJZ-LSK 1976/122). Allerdings untersagt der jeweils letzte Halbsatz des § 38 Abs 1 StGB. und des § 23 Abs 4
erster Satz FinStrG. die Vorhaftanrechnung u.a. dann, wenn die Haft bereits auf eine andere Strafe angerechnet worden ist. Dieses Anrechnungsverbot ist aber auf Fälle beschränkt, in denen eine (anderweitige) urteilsmäßige Vorhaftanrechnung bereits zu einer (effektiven) Verkürzung der Strafhaft oder Ermäßigung der Geld- (bzw. Wertersatz-) strafe geführt hat (ÖJZ-LSK 1977/94). In entsprechenden Fällen ist bei der Beurteilung, ob die Anrechnung der Vorhaft auf eine andere Strafe bereits auf die vom Gesetz intendierte Weise wirksam geworden ist, auch die Vorschrift des § 23 Abs 4
zweiter Satz FinStrG. zu beachten: Darnach hat, wenn auf mehrere Strafen erkannt wird, die Anrechnung zunächst auf diejenigen Strafen zu erfolgen, die nicht bedingt nachgesehen werden, im übrigen zunächst auf die Freiheitsstrafe, sodann auf die Geldstrafe und schließlich auf den Wertersatz.
Im gegenständlichen Fall waren die Voraussetzungen zu einer gemeinsamen Führung beider in Rede stehender Strafverfahren gegen Rudolf A nach dem § 56 StPO. gegeben; dem wurde vom Kreisgericht Krems an der Donau, dessen Urteil später erging, durch die Verhängung von Zusatzstrafen im Sinne des § 21 Abs 3 FinStrG. für die dort abgeurteilten Finanzvergehen dieses Angeklagten - nicht auch für das damit noch zusammentreffende Vergehen anderer Art, welches auch bei gemeinsamer Aburteilung gesondert zu bestrafen gewesen wäre (§ 22 Abs 1 FinStrG.) - (zutreffend) Rechnung getragen.
In weiterer Konsequenz der vorstehend dargelegten Rechtslage hätte aber auch die von Rudolf A wegen der strafbedrohten Handlungen, die den Gegenstand des Verfahrens beim Landesgericht für Strafsachen Wien bildeten, erlittene Vorhaft auf die im Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau verhängten Strafen (gleichfalls) angerechnet werden müssen, und zwar ungeachtet dessen, daß eine der beiden betreffenden Haftzeiten bereits vor den Tatzeiten der vom Kreisgericht Krems an der Donau abgeurteilten Delikte lag. Denn diese (von insgesamt mehr als 14 Monaten) überstieg das Ausmaß der vom Landesgericht für Strafsachen Wien über Rudolf A verhängten Freiheitsstrafe (von acht Monaten);
darüber hinaus hätte sie diesem Angeklagten im Verfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (effektiv) nur mehr auf die Geldstrafe und (schließlich) auf den Wertersatz angerechnet werden können. Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 23 Abs 4 zweiter Satz FinStrG. hat aber die Vorhaftanrechnung, wenn auf mehrere Strafen erkannt wird, von denen - wie hier - keine bedingt nachgesehen wird, zunächst auf die Freiheitsstrafe, sodann (erst) auf die Geldstrafe und schließlich auf den Wertersatz zu erfolgen. Dieser Grundsatz muß auch dann gewahrt bleiben, wenn auf die mehreren Strafen - wie hier - in mehreren im Verhältnis des § 56 StPO. stehenden Verfahren erkannt wird. Darnach wäre die in Rede stehende Vorhaft des Rudolf A diesem Angeklagten urteilsmäßig auch vom Kreisgericht Krems an der Donau auf die Strafen anzurechnen gewesen, weil nur so gewährleistet ist, daß - dem § 23 Abs 4 zweiter Satz FinStrG. entsprechend - die Anrechnung der (hiefür ausreichenden) Vorhaft primär auf sämtliche in den beiden zusammentreffenden Urteilen über den genannten Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen (in der Gesamtdauer von elfeinhalb Monaten) - welche sohin als verbüßt gelten würden - und erst mit ihrem (die Summe dieser Freiheitsstrafen übersteigenden) Rest nach weiterer Maßgabe des § 23 Abs 5 FinStrG. auf die sonst hiefür in Betracht kommenden Strafen erfolgt.
Anders verhält es sich - wie der Vollständigkeit halber zu bemerken ist - im Fall des wie Rudolf A mit beiden Erkenntnissen abgeurteilten Maximilian B, dessen im Verfahren 6 c Vr 5021/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erlittene Vorhaft das Ausmaß der über ihn dort verhängten (unbedingten) Freiheitsstrafen nicht erreicht, sodaß bei ihm im Verfahren des Kreisgerichtes Krems an der Donau das oben erwähnte Anrechnungsverbot zum Tragen kommen konnte. Dem Angeklagten Rudolf A gereicht hingegen das gesetzwidrige Unterbleiben der Vorhaftanrechnung im Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau zum Nachteil, weshalb gemäß § 292 StPO. dieses Urteil durch den fehlenden Ausspruch zu ergänzen war. Wegen der sich aus dieser Entscheidung ergebenden Konsequenzen für die Einhebung der von Rudolf A zu entrichtenden Geld- und Wertersatzstrafen werden die beteiligten Gerichtshäfe das Einvernehmen miteinander herzustellen haben.
Anmerkung
E03261European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0120OS00105.81.0716.000Dokumentnummer
JJT_19810716_OGH0002_0120OS00105_8100000_000