TE OGH 1981/7/23 10Os118/81

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Veröffentlicht am 23.07.1981
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Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Reissig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB. und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 29.Jänner 1981, GZ. 11 b Vr 393/77-60, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen nach den Punkten A.I. sowie A.IV.

des Urteilssatzes und im Strafausspruch aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz A (jun.) - außer anderen Delikten auch - (IV.) des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z. 1 und 2 StGB. sowie (I.) des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3

StGB. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er (A.) als Geschäftsführer der Unternehmen des Franz A sen. und der A. B Ges.m.b.H. & Co. KG.

(zu IV.) in Retz (1.) in der Zeit von 1974 bis zum 31.August 1975 (fahrlässig) die Zahlungsunfähigkeit dieser Unternehmen (gemeint: Unternehmensinhaber, die Schuldner mehrerer Gläubiger waren,) herbeiführte, indem er insbesondere leichtsinnig und unverhältnismäßig Kredit benutzte, sowie (2.) ab dem 31.August 1975 bis Ende 1975 in fahrlässiger Unkenntnis jener Zahlungsunfähigkeit und ab Ende 1975

in deren Kenntnis fahrlässig die Befriedigung der Gläubiger, und zwar bis zum 13.Juli 1977 des erstbezeichneten sowie bis zum 8. August 1977 des zweitbezeichneten Unternehmens (gemeint: Unternehmensinhabers) schmälerte, indem er insbesondere neue Schulden einging und die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte, sowie (zu I.) im Jahr 1976 in Retz und an anderen Orten mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder (die genannten Unternehmensinhaber, also) Dritte unrechtmäßig zu bereichern, insgesamt sechs Geschäftspartner durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung, er sei (gemeint: die von ihm Vertretenen seien) zahlungsfähig und zahlungswillig, zur Lieferung von Waren, zu Dienstleistungen und zu Zahlungen verleitete, die sie um zusammen 652.849,75 S (im Tenor infolge fehlerhafter Addition unrichtig: 685.824,65 S) am Vermögen schädigten.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z. 4, 5 und 9 lit a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diese Schuldsprüche kommt Berechtigung zu.

Nach den Denkgesetzen gleichwie nach allgemeiner Lebenserfahrung völlig verfehlt sind die Schlußfolgerungen des Erstgerichts, daß sich aus der Weiterführung eines Unternehmens in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit seines Inhabers allein (vgl. S. 154) 'zwangsläufig' auch schon eine Zahlungsunwilligkeit des Täters ergebe (S. 155) und daß gleichermaßen bereits aus dem Vortäuschen der Zahlungsfähigkeit zwingend ein betrugsessentieller Schädigungs- (und Bereicherungs-) Vorsatz abzuleiten sei (S. 156). Bei Krediten, die im Rahmen eines Geschäftsbetriebes aufgenommen werden, ist vielmehr auch in solchen Fällen zu prüfen, ob dies in dem (obgleich allenfalls leichtfertigen - § 159 Abs 1 Z. 2 StGB.) Vertrauen darauf geschah, Verluste kompensieren und (damit) die Zahlungsunfähigkeit beheben sowie den (Geld- oder Waren-) Kredit ohne Schädigung des betreffenden Geschäftspartners zurückzahlen zu können, oder ob sich der Täter, wobei er den wirtschaftlichen Mißerfolg und dementsprechend einen Schaden des Kreditgebers ernstlich für möglich hielt, also als naheliegend ansah, von vornherein damit abfand, mithin vorsätzlich auf dem Rücken seiner Gläubiger spekulierte; dazu bedarf es jedenfalls einer eingehenden Erörterung seiner objektiven wirtschaftlichen Lage zur Zeit der Kreditaufnahme sowie insbesondere seiner subjektiven Erwartungen in bezug auf den künftigen Geschäftsgang und der Gründe für die spätere tatsächliche Entwicklung; ein Täuschungsgehaben des Täters (in Ansehung seiner Zahlungsfähigkeit) ist auch bei (bloß) fahrlässiger Krida durchaus denkbar (EvBl. 1972/137, 1973/22, 10 Os 119/80;

Leukauf-Steininger, Komm.2, RN. 53 zu § 146, Liebscher im WK., RN. 2 zu § 159).

Da sich das Schöffengericht mit diesen Fragen im Urteil überhaupt nicht beschäftigt hat, ist die Begründung für die Annahme, daß der Angeklagte bei der Kreditaufnahme in den Fakten A.I.1.-6. eine daraus resultierende Schädigung der Kreditgeber ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, nur offenbar unzureichend geblieben (§ 281 Abs 1 Z. 5 StPO.).

Im Hinblick auf das Fehlen jeglicher Feststellung über das Unternehmenskonzept des Angeklagten ist aber in weiterer Folge auch eine rechtliche Beurteilung seines Tatverhaltens in Ansehung der Frage, ob er bei der ihm als leichtsinnig und unverhältnismäßig angelasteten Kreditaufnahme oder sonst bei seiner für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Franz A sen. und der A. B Ges.m.b.H. & Co. KG.

ursächlichen Geschäftsführung (§ 159 Abs 1 Z. 1 StGB.) sowie bei der Schmälerung der Befriedigung von deren Gläubigern durch die Weiterführung ihrer Unternehmen - vorerst in (fahrlässiger) Unkenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit und später in Kenntnis hievon (§ 159 Abs 1 Z. 2 StGB.) - fahrlässig (§ 6 StGB.) gehandelt hat, nicht möglich (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO.); aus der (rückblickend betrachtet) objektiven Unzweckmäßigkeit und aus dem wirtschaftlichen Mißerfolg einer Geschäftsführung allein, ohne Kenntnis des (damit zu vergleichenden) Konzepts des Geschäftsführers und der Gründe für dessen Scheitern, kann die Annahme einer derartigen Fahrlässigkeit nicht abgeleitet werden (vgl. Liebscher im WK., RN. 19 zu § 159).

Schon diese vom Beschwerdeführer der Sache nach (obgleich vorwiegend unter ziffernmäßig unrichtiger Bezeichnung) zutreffend geltend gemachten Begründungs- (Z. 5) und Feststellungsmängel (Z. 9 lit a) zur subjektiven Tatseite einerseits des § 146 StGB. sowie anderseits des § 159 StGB.

machen eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz in Ansehung der Urteilsfakten A.I. und A.IV. unumgänglich, sodaß nach Anhörung der Generalprokuratur bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO.), ohne daß es einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedarf.

Anmerkung

E03264

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0100OS00118.81.0723.000

Dokumentnummer

JJT_19810723_OGH0002_0100OS00118_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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