Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6. August 1981 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Oberhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Mohammed Salem A und einen anderen wegen des Verbrechens nach §§ 12 Abs 1 SuchtgiftG, 12 dritter Fall und 15 StGB über die von dem Angeklagten Mohammed Salem A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. März 1981, GZ 6 a Vr 7474/80, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten Mohammed Salem A, Rechtsanwalt Dr. Karl Bernhauser und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 7. Oktober 1945 geborene, beschäftigungslose Angeklagte Ali B und der am 23. Oktober 1955 geborene Student Mohammed Salem A - beide pakistanische Staatsangehörige - für schuldig erkannt, wie folgt:
Ali B des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG, begangen dadurch, daß er am 29. Juni 1980 vorsätzlich, den bestehenden Vorschriften zuwider, Suchtgifte in solchen Mengen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, nämlich 224 Gramm Heroin, aus Jugoslawien ausführte und in Spielfeld/Strass nach Österreich einführte (Punkt I/1 des Urteilssatzes);
Mohammed Salem A unter Punkt II/ des Urteilssatzes des in der Beteiligungsform eines sonstigen Tatbeitrages nach § 12 dritter Fall StGB begangenen Verbrechen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG deshalb, weil er zur Ausführung der angeführten strafbaren Handlung des Ali B (Punkt I/1) im Juni 1980 in Wien dadurch beigetragen hat, daß er Ali B ausdrücklich aufforderte, nach Istanbul zu reisen, dort die erwähnte Heroinmenge von 224 Gramm in Empfang zu nehmen, diese per Bahn über Jugoslawien nach Wien zu transportieren, wo er am 29. Juni 1980 am Südbahnhof Ali B, nachdem dieser unter Mitnahme des erwähnten Heroins nach Österreich eingereist war, abholte, um das Suchtgift in seine (A) Wohnung zu verbringen;
unter Punkt I/2 des Urteilssatzes des versuchten Verbrechens nach den §§ 15 StGB; 12 Abs 1
SuchtgiftG, weil er am 29. Juni 1980 in Wien vorsätzlich (weitere) 420 Gramm Heroin, mithin Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr zu setzen versucht hat, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er die genannte Suchtgiftmenge, in kleinen Mengen portioniert, in seiner Wohnung versteckt zur unmittelbar bevorstehenden Weitergabe lagerte.
Der zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren verurteilte Angeklagte Ali B ließ dieses Urteil unbekämpft. Der Angeklagte Mohammed Salem A, über den das Schöffengericht eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von 4 Jahren verhängte, bekämpft die ihn betreffenden Schuldsprüche mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und den Strafausspruch des Urteils mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist in keiner Richtung hin begründet. In Ausführung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes bemängelt der Beschwerdeführer zunächst mit Beziehung auf das Schuldspruchfaktum Punkt I/2) des Urteilssatzes die Urteilsannahme, er habe das in seiner Wohnung sichergestellte Heroin (420 Gramm, in 42 Papierbriefchen abgepackt, in einem Versteck hinter der Kamintür verborgen) mit dem Ziel ehebaldigen Weiterverkaufs (durch ihn) portioniert und nur vorübergehend verwahren wollen, als unzureichend und unvollständig begründet.
Diesem Einwand ist zu erwidern, daß das Erstgericht zu der bekämpften Annahme sowie zu der der Unglaubwürdigkeit der zuletzt vorgebrachten Verantwortung des Angeklagten (sh S 156 f d.A), Ilyas A habe das Heroin, dessen Menge dem Angeklagten nicht bekannt gewesen sei, bereits portioniert in dessen Wohnung gebracht, von wo es, nach fünf bis sechs Tagen, wieder abgeholt werden sollte - woraus der Beschwerdeführer seine mangelnde Verfügungsberechtigung über das Suchtgift ableiten und dartun will, er habe Ilyas A nur gestattet, das Heroin in seiner (des Angeklagten) Wohnung kurzfristig aufzubewahren -, auf Grund einer Reihe von Beweisumständen und Schlußfolgerungen gelangt ist, die keineswegs denkunmöglich sind oder den Lebenserfahrungen geradezu widersprechen.
Es zog nämlich in Betracht, daß der Beschwerdeführer noch in der Hauptverhandlung vom 5. November 1980 - wahrheitswidrig, und im Gegensatz zu seiner abschließenden Darstellung in der Hauptverhandlung vom 4. März 1981 -
jedes Wissen um das Vorhandensein des Heroins in seiner Wohnung überhaupt geleugnet hatte (sh S 137 ff d.A), schloß hieraus - an sich folgerichtig - auf die mangelnde Glaubwürdigkeit seiner (wechselnden) Angaben und erachtete, daß die durch den Schuldspruch zu Punkt I/2 des Urteilssatzes erfaßten Aktivitäten des Angeklagten A bei der Verbringung von 224 Gramm Heroin durch den Angeklagten Ali B im Juni 1980 nach Wien die Richtigkeit seiner seitens des (gleichfalls mit Suchtgift illegal handelnden) Ilyas A erfolgten Qualifizierung, ein ('großer) Dealer (in Wien') zu sein (sh S 8, 45, 46, 60/61 d.A), bestätigen; außerdem zog das Schöffengericht aus der Tatsache, daß die sichergestellte (erhebliche) Heroinmenge von 420 Gramm bereits in (42) Papierbriefchen abgepackt war, wobei das Verpackungsmaterial aus einem dem Angeklagten A gehörigen Heft stammte, den nach Lage des Falles lebensnahen Schluß, daß der als Heroinhändler einzustufende Angeklagte A die Portionierung des Heroins selbst vorgenommen und die Heroinportionen in seiner Wohnung verborgen, nicht aber seine Wohnung dem Ilyas A bloß zur Suchtgiftlagerung zur Verfügung gestellt hatte.
Diese in Würdigung der gesamten - in den Urteilsgründen in keinem wesentlichen Punkt übergangenen - Verfahrensergebnisse erfolgte Beurteilung und die darauf gegründeten Urteilskonstatierungen stellen einen zulässigen Akt freier Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes dar (§ 258 Abs 2 StPO), dessen Ergebnis, mag die Beweisführung des Erstgerichtes auch nicht geradezu zwingend sein, so doch jedenfalls den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus entspricht, wobei die bezüglichen Urteilsannahmen vom Erstgericht durch Bezugnahme auf die angeführten Umstände und Beweisergebnisse mängelfrei begründet wurden. Auch soweit der Beschwerdeführer die betreffenden Urteilsfeststellungen und die hiefür maßgebenden Erwägungen des Gerichtes, ausgehend von seiner indes vom Schöffengericht (als unglaubhaft) abgelehnten Verantwortung sowie von hypothetischen Überlegungen, der Sache nach als unrichtig und unzutreffend beurteilt, ohne diese Behauptungen in bezug auf einen im § 281 Abs 1 Z 5 StPO behandelten formellen Begründungsmangel zu substantiieren, bringt er diesen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, sondern bekämpft - wiederum und insgesamt - bloß in unzulässiger, einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglichen Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes. Soweit der Beschwerdeführer aber die für seinen Schuldspruch wegen Beitragstäterschaft (im Sinne der dritten Alternative des § 12 StGB) zur illegalen Einfuhr von 224
Gramm in Istanbul beschafften und per Bahn über Jugoslawien nach Österreich gebrachten Heroins durch Ali B (Punkt II des Urteilssatzes) wesentliche Urteilsannahme, (auch) er habe B hiezu aufgefordert, und diesen dann am 29. Juni 1980 vom Wiener Südbahnhof abgeholt, um das von B in präparierten Schuhen nach Österreich transportierte Suchtgift in seine (A) Wiener Wohnung zu bringen, mit der Behauptung bekämpft, diese Annahme finde in der vom Erstgericht hiefür vor allem als Feststellungsgrundlage bezogenen Verantwortung des Angeklagten B keine Deckung und entbehre deshalb einer mängelfreien Begründung, genügt es zur Widerlegung dieses Vorbringens auf die in Beantwortung der B konkret gestellten Frage, ob ihn A aufgefordert habe, zwecks Suchtgiftbeschaffung nach Istanbul zu reisen, gemachte Angabe des Ali B in der Hauptverhandlung vom 5. November 1980, S 132 d.A (aufrechterhalten in der Hauptverhandlung vom 4. März 1981 /sh S 155 d.A/) zu verweisen, wonach 'alle' (mithin auch, wie das Erstgericht angenommen hat, der Angeklagte Mohammed A) zu B gesagt haben, daß er, wie dann auch geschehen, fahren solle.
Die bemängelte Urteilsannahme entbehrt mithin entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keineswegs einer entsprechenden Stütze in den Verfahrensergebnissen, sie ist vielmehr durch die Verantwortung des Erstangeklagten, der das Erstgericht in freier Beweiswürdigung mehr Glaubwürdigkeit beimaß als den leugnenden Angaben des Angeklagten A (sh S 171, 172 d.A), gedeckt, wozu noch das vom Schöffengericht durchaus lebensnah und im Einklang mit den forensischen Erfahrungen als zusätzliches Indiz für das Wissen des Beschwerdeführers um die illegale Suchtgifteinfuhr gewertete, sich auf Grund des Polizeiberichtes S 21 d.A ergebende 'auffällige' Verhalten (auch) des Angeklagten A am Wiener Südbahnhof (als er den Erstangeklagten B dort am 29. Juni 1980 abholte), wie auch die Sicherstellung von (weiteren) 420 Gramm Heroin in der Wohnung des Angeklagten A, kommen (S 171 d.A). Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Beschwerdebehauptung aus dem zitierten Polizeibericht ergebe sich nicht, wer - B oder A - sich auffällig verhalten habe, ist aktenwidrig (sh S 21 unten d.A).
Die Mängelrüge erweist sich mithin zur Gänze als unbegründet. Mit der aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen, der Sache nach allein gegen den Schuldspruch Punkt I/2 des Urteilssatzes gerichteten Rechtsrüge negiert der Beschwerdeführer das Vorliegen eines bereits ausführungsnahen Tatverhaltens zwecks Inverkehrsetzen von Suchtgift im Sinne eines strafbaren Versuches des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG.
Er ist auch damit nicht im Recht:
Die Rechtsrüge entbehrt zunächst insoweit einer gesetzmäßigen - nämlich vom festgestellten Urteilssachverhalt ausgehenden - Ausführung, als der Beschwerdeführer urteilsfremd davon ausgeht, er habe lediglich 'die Lagerung des Suchtgiftes in seiner Wohnung geduldet', hiebei aber die vom Schöffengericht - wie dargetan, mängelfrei - begründeten Urteilskonstatierungen übergeht, wonach der dem Kreis der Heroinhändler zuzuzählende Angeklagte A selbst die von ihm besorgte, enorm große Menge von 420 Gramm Heroin in 42 Briefpäckchen abgepackt hat, um das Suchtgift so einem größeren Abnehmerkreis zur Verfügung stellen zu können, weiters, daß der Beschwerdeführer das Heroin zwecks 'ehebaldigsten' Weiterverkaufs (durch ihn) in seiner Wohnung zwischengelagert hat (sh S 172, 173 d. A). Unter Berücksichtigung auch dieser Konstatierungen erweist sich aber die Annahme eines durch § 12 Abs 1 SuchtgiftG, (in Verbindung mit dem § 15 StGB) pönalisierten versuchten Inverkehrsetzens von Suchtgift als rechtlich einwandfrei:
Handlungen, die der Vorbereitung der Weitergabe und der Verteilung von Suchtgift dienen, sind nämlich als (objektiv) ausführungsnahe Betätigung des Tatentschlusses und somit als Versuchsbeginn (zum Suchtgiftverbrechen nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG) zu werten, wenn dadurch der Verteilungsvorgang bereits real eingeleitet und das Inverkehrsetzen der Ware in nach Art und Gepflogenheiten bei Durchführung solcher Geschäfte relativ nahen Zeit erfolgen soll (EvBl 1979/73). Handelt es sich - wie vorliegend -
bei der Verwahrung einer zur Verteilung bestimmten Suchtgiftmenge durch einen Händler (dem der in Betracht kommende Abnehmerkreis, wenn auch allenfalls nicht auch schon der jeweilige Abnehmer, von vornherein bekannt ist, und der das Suchtgift regelmäßig rasch absetzen will) nur um eine durch die Eigentümlichkeiten des Verteilungsvorganges technisch bedingte Zwischenlagerung des Suchtgiftes, nicht indes um eine 'Bevorratung', so liegt darin bereits eine solche ausführungsnahe Handlung (SSt 46/22; sh auch LSK 1981/
33; vgl ferner Erben-Kodek-Pipal, Kommentar zur Suchtgiftgesetzgebung, S 42; Foregger-Litzka, SGG, Anmerkung VIII zu § 12, S 20).
Die dargelegten Kriterien sind in Ansehung der vom Angeklagten - einem Suchtgifthändler - ersichtlich zum Weiterverkauf zugerichteten (portionierten und abgepackten) 420 Gramm Heroin nach den Urteilsfeststellungen gegeben, zumal auch die sehr große Menge dieses Suchtgiftes (dessen 'Grenzmenge' bei 0,3 bis 0,5 Gramm liegt /vgl LSK 1977/149; Machata-Maurer in RZ 1981, 45 ff/) und die dafür bekanntermaßen bestehenden hohen Schwarzmarktpreise (vgl Erben-Kodek-Pipal, aaO, Anmerkung 26, S 45) noch zusätzlich für einen raschen Weiterverkauf sprechen.
Die Zurechnung des vom Schöffengericht als erwiesen angenommenen Verhaltens des Angeklagten Mohammed A als ein nach dem § 15 StGB strafbarer Versuch des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG entspricht mithin dem Gesetz.
Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten war deshalb der Erfolg zu versagen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten Mohammed Salem A nach § 28 StGB, § 12 Abs 1 SuchtgiftG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren und nahm bei der Strafzumessung als erschwerend die überaus große Heroinmenge, die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen der selben Art sowie die Bestimmung des Erstangeklagten Ali B zur Tat an, wertete hingegen als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, die Sicherstellung des Suchtgiftes und den Umstand, daß es in einem Fall beim Versuch geblieben ist.
Die Berufung des Angeklagten A, welche Strafminderung begehrt, ist unbegründet.
Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungswerbers liegt ein Geständnis im Sinne des § 34 Z 17 StGB nicht vor. Der bisherige ordentliche Lebenswandel und der Versuch wurden vom Erstgericht ohnedies als mildernd berücksichtigt. Die Bestimmung des Erstangeklagten zur Tat entspricht den Feststellungen des Urteiles und der Aktenlage (S 132, 165, 167 d.A). Der Angeklagte ist somit nicht in der Lage, zusätzliche, vom Erstgericht nicht angenommene und gewürdigte Milderungsgründe darzutun.
Im Hinblick auf die große Suchtgiftmenge und die dem Gewichte nach bei weitem überwiegenden Erschwerungsgründe ist die vom Erstgericht ausgemessene Strafe als schuldangemessen anzusehen und schon im Hinblick auf das Ansteigen der Suchtgiftkriminalität nicht überhöht. Sie entspricht vielmehr dem hohen Schuld- und Unrechtsgehalt der Straftaten sowie den Erfordernissen der Spezial- und Generalprävention.
Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.
Anmerkung
E03256European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0120OS00082.81.0806.000Dokumentnummer
JJT_19810806_OGH0002_0120OS00082_8100000_000