TE OGH 1981/8/13 12Os91/81

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Veröffentlicht am 13.08.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.August 1981 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Oberhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Brandstiftung nach §§ 169 Abs 1 und Abs 3, 15 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Krems an der Donau vom 15. April 1981, GZ. 11 Vr 986/80-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Cuscoleca und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 31.Dezember 1961 geborene landwirtschaftliche Hilfsarbeiter Karl A des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Brandstiftung nach §§ 169 Abs 1 und Abs 3;

15 StGB. schuldig erkannt, weil er in Reinberg-Heidenreichstein vorsätzlich an einer fremden Sache, nämlich an den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden des landwirtschaftlichen Anwesens seiner Mutter Maria A, ohne deren Einwilligung 1) am 20.November 1980 dadurch eine Feuersbrunst verursachte, daß er mit Streichhälzern in der Scheune dieses Anwesens gelagertes Stroh und Heu entzündete, wodurch das gesamte Anwesen mit Ausnahme des Ausgedingegebäudes verbrannte; die Tat hatte den Tod des Rupert B zur Folge, welcher während des Brandes versuchte, die Rinder aus dem Stall zu retten;

2) am 21.November 1980 versuchte, an dem noch unversehrt gebliebenen Ausgedingegebäude des Anwesens der Maria A dadurch eine Feuersbrunst zu verursachen, daß er mit Streichhälzern im Dachboden dieses Gebäudes aufgehängte Wäschestücke und einen darunter befindlichen Holzkorb entzündete.

Dieser Schuldspruch beruht auf dem Wahrspruch der Geschwornen, welche die (anklagekonform) auf das Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Brandstiftung (mit tödlichem Ausgang) lautenden Hauptfragen I und II sowie die (im Sinne des § 316 StPO. gestellte) Zusatzfrage I, ob die in der Hauptfrage I bezeichnete Tat den Tod des Rupert B zur Folge gehabt habe, der während des Brandes versucht hatte, die Rinder aus dem Stall zu retten, bejaht, hingegen die (im Sinne des § 313 StPO.) auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 StGB. (Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten, laut den Hauptfragen I und II) gestellten Zusatzfragen II und III verneint hatten.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer (allein) auf die Z. 8 des § 345 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Einen diesen Anfechtungsgrund verwirklichenden Mangel der den Geschwornen erteilten (schriftlichen) Rechtsbelehrung erblickt der Beschwerdeführer darin, daß diese hinsichtlich der angesichts der 'hervorgekommenen schweren geistigen Behinderung des Angeklagten' besonders erörterungsbedürftigen Voraussetzungen strafrechtlicher Zurechnungsunfähigkeit (: Zusatzfragen II und III) sowie bezüglich des subjektiven Sorgfaltsmaßstabes, bezogen auf die Vorhersehbarkeit des Eintrittes des Todes des Rupert B (: Zusatzfrage I) als Folge der Brandstiftung vom 20.November 1980 (: Hauptfrage I), 'nicht erschöpfend' sei.

Rechtliche Beurteilung

Mit keinem dieser Einwände vermag der Beschwerdeführer das Vorliegen einer unrichtigen Rechtsbelehrung in der Bedeutung des § 345 Abs 1 Z. 8 StPO. aufzuzeigen.

Die Rechtsbelehrung zum (Rechts-)Begriff und hinsichtlich der Erfordernisse einer (schuldausschließenden) Zurechnungsunfähigkeit im Rahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Täters im Tatzeitpunkt - die betreffenden, auf das Vorliegen dieses Ausnahmezustandes im Sinne des § 11 StGB. gerichteten Zusatzfragen II und III waren durch die Verfahrensergebnisse, insbesondere das psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Prim. Dr. Heinrich C (ON. 17 und S. 257 ff.) hinreichend indiziert - entsprach inhaltlich vollauf den im § 321

StPO. angeführten Voraussetzungen; die Erfordernisse und Begriffsmerkmale der Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB. bewirkenden die Diskretions- oder die Dispositionsfähigkeit des Täters ausschließenden Ausnahmezustände werden in der Rechtsbelehrung klargelegt und, soweit erforderlich, erläutert (vgl. S. 5 der Rechtsbelehrung /erliegend im Beilagenumschlag zu ON. 26

/).

Gegenstand der schriftlichen Rechtsbelehrung sind rechtliche Umstände, eine Bezugnahme auf konkrete Beweisergebnisse, etwa vorliegend auf den Inhalt des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen, auf die erst bei der gemäß § 323 Abs 2 StPO. mit den Geschwornen abzuhaltenden Besprechung einzugehen war, ist daher zutreffend unterblieben.

Aber auch in der im gegenständlichen Fall zu erörternden Frage der Bedeutung der vom psychiatrischen Sachverständigen beim Angeklagten Karl A konstatierten Verstandesschwäche (im Sinne einer höhergradigen Debilität) und Persönlichkeitsstärung (vgl. S. 201, 203, 207;

257) für die Beurteilung seiner Fähigkeit, die Tatfolge des Todes eines Menschen auch subjektiv voraussehen zu können, nimmt die Rechtsbelehrung, der Meinung des Beschwerdeführers zuwider, zureichend Stellung, und zwar - systematisch richtig - im Zusammenhang mit der auf das Vorliegen der qualifizierenden (strafsatzerhöhenden) Voraussetzungen des § 169 Abs 3 StGB. (erster Fall) abstellenden Zusatzfrage I (§ 316 StPO.).

Für die subjektive Zurechnung einer solchen 'Erfolgsqualifikation' gilt § 7 Abs 2 StGB., d.h., der Täter muß die (Todes-)Folge seines (vorsätzlichen) Handelns fahrlässig herbeigeführt haben (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.

zum StGB.2, RN. 25 und 29 zu § 169 und RN. 32 zu § 7). Hiebei läuft die Prüfung, ob den Täter des Vorsatzdeliktes (vorliegend: einer Brandstiftung im Sinne des § 169 StGB.) auch der Vorwurf der Fahrlässigkeit in bezug auf den strafsatzqualifizierenden Erfolg trifft, und ihm daher dieser als Folge seiner Tat auch strafrechtlich zuzurechnen ist, in der Regel auf die Beurteilung der Voraussehbarkeit solcher Folgen hinaus, wobei es im allgemeinen darauf ankommt, ob sie nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eintreten konnten (vgl. EvBl. 1976/201 u.a.); ergeben sich aber nach Lage des konkreten Falls Anhaltspunkte dafür, daß der Täter die betreffenden Tatfolgen allenfalls (nur) infolge seiner individuellen (geistigen) Verhältnisse (und Unzulänglichkeiten) nicht voraussehen konnte, so ist auch diese Frage näher zu prüfen (vgl. Burgstaller im Wiener Kommentar zum StGB., RZ 22 zu § 7 Abs 2 und RZ 93, 94 zu § 6), auch insoweit ist allerdings - bei gegebenem Adäquanz- und Risikozusammenhang - die Voraussehbarkeit des konkreten Kausalverlaufes (oder des letztlich betroffenen Opfers) nicht erforderlich.

Auf die Bedeutung dieser (rechtlichen) Umstände wurden die Geschwornen im gegebenen Fall zunächst schon durch die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. C - auf dessen Gutachten sich die Laienrichter in der Niederschrift ihrer Wahrspruchserwägungen ausdrücklich bezogen haben - anläßlich der Erörterung der Frage, ob und inwieweit 'die Möglichkeit des Angeklagten, die Bedeutung und Tragweite seiner Vorgangsweise zu überblicken bzw. einzusehen', gegeben, gänzlich aufgehoben oder aber, wie dann vom Sachverständigen bejaht, nur eingeschränkt war, hingewiesen (S. 257, 258).

Im Zusammenhang damit erweist sich aber die den Geschwornen zur Zusatzfrage I erteilte Rechtsbelehrung (vgl. deren S. 3, 4) als zutreffend und ausreichend. Darin wird nämlich zunächst ausgeführt, daß für die besonderen Tatfolgen des Todeseintrittes eines Menschen (vorliegend des Großvaters des Angeklagten, Rupert B, der zu Tode kam, als er während des Brandes versuchte, Rinder aus dem brennenden Stall zu retten), Fahrlässigkeit genüge, und anläßlich der anschließenden Erläuterung des Fahrlässigkeitsbegriffes im Sinne des § 6 StGB., der auch bei fahrlässiger Herbeiführung einer Erfolgsqualifikation im Sinne der §§ 7 Abs 2; 169 Abs 3 StGB. von Bedeutung ist, hinsichtlich der Täterbefähigung auf dessen individuelle geistige und körperliche Verhältnisse, sowie auf die konkrete Tätersituation Bezug genommen und abschließend ausgeführt, daß Fahrlässigkeit - (auch) im gegebenen Zusammenhang, unter dem Aspekt des § 169 Abs 3 StGB. -

darin bestehe, daß der Täter 'das eingegangene Risiko nicht richtig einschätzt und sich in leichtfertigem Vertrauen auf den Nichteintritt des Erfolges zur Tat entschließt'.

Diese Rechtsbelehrung versetzte mithin die Geschwornen durchaus in die Lage, unter Berücksichtigung der Beweisergebnisse, vor allem des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen und Einbeziehung des vom Angeklagten Karl A - der zugab gewußt zu haben, daß zur Tatzeit 'Menschen zu Hause' waren (vgl. S. 247 d.A.) -

in der (mehrstündigen) Hauptverhandlung (ON. 26) gewonnenen persönlichen Eindruckes, die Fahrlässigkeitskomponente in bezug auf die eingetretene, qualifizierende Tatfolge (: Tod des Rupert B) verläßlich zu beurteilen.

Sie erweist sich mithin weder als unrichtig noch in einem Maße als unvollständig, daß die Geschwornen über die für ihren Wahrspruch wesentlichen Rechtsbegriffe und Zusammenhänge im Unklaren gelassen wurden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 41, 169 Abs 3, erster Strafsatz, StGB. zu drei Jahren Freiheitsstrafe und ordnete zugleich gemäß § 21 Abs 2 StGB. seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an. Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen zweier Verbrechen und den relativ hohen Schaden (von ca. 2 Millionen S) als erschwerend, als mildernd nahm es hingegen das Alter von unter 21 Jahren, den bisher ordentlichen Lebenswandel, das Geständnis und den Umstand an, daß es in einem Fall beim Versuch blieb.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt (gleichfalls) keine Berechtigung zu. Das Geschwornengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig erfaßt und gewertet. Von einem Erziehungsnotstand (im Sinne einer sehr vernachlässigten Erziehung) kann angesichts der dem Angeklagten zuteil gewordenen intensiven Heimerziehung (vgl. S. 157 ff., 203 f.) nicht die Rede sein. Ebensowenig kann dem Berufungswerber eine Verführung (Bestimmung) zur Tat (Faktum 2) durch seinen Bruder Herbert A als Milderungsgrund zugute gehalten werden, zumal der Aktenlage - von der vom Angeklagten erstmals in der Hauptverhandlung aufgestellten derartigen Behauptung abgesehen - hiefür nicht der geringste Anhaltspunkt zu entnehmen ist. Demgegenüber ist dem Berufungswerber zwar einzuräumen, daß das Geschwornengericht een abnermen Geisteszustand (Schwachsinn und Persönlichkeitsstärung) des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessungsgründe nicht ausdrücklich erwähnt hat. Es hat jedoch diesen vom Sachverständigen (auch) in der Hauptverhandlung vorgetragenen Umstand (vgl. S. 207 f., 257 f.) ersichtlich durch die (weitgehende) Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung des § 41 StGB. ohnedies Rechnung getragen. Die zwei kurz hintereinander gesetzten Angriffe des Angeklagten verbieten jedenfalls eine weitere Herabsetzung der vom Erstgericht erheblich unter der gesetzlichen Strafuntergrenze (von 5 Jahren) ausgemessenen Strafe. Es war mithin auch der unbegründeten Berufung ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E03292

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0120OS00091.81.0813.000

Dokumentnummer

JJT_19810813_OGH0002_0120OS00091_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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