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20/05 Wohnrecht Mietrecht;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der WEG E-Straße in M, vertreten durch Dr. Udo Elsner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 10. Februar 2005, Senat-AB-04-0176, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: J in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft M (BH) vom 7. Juli 2004, mit dem der mitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Änderung ihrer Betriebsanlage durch die Umwidmung der Servicebox zu einer Kfz-Reparaturwerkstätte einschließlich Aufstellung neuer Maschinen erteilt wurde, zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe gegen den Bescheid der BH "als Eigentümerin der Liegenschaft EZ 3360, KG M (Grundstück Nr. 105/12)" Berufung erhoben und darin ausgeführt, dass die im Rahmen der Änderung der Betriebsanlage neu herzustellende Abluftleitung offenbar in den der Nachbarliegenschaft EZ 3360 zugeordneten Kamin eingeleitet werden solle. Die Eigentümer der EZ 3360 hätten zur Nutzung dieses Kamins keine Zustimmung erteilt, vielmehr sei einer Nutzung dieses Kamins durch die Hausverwalterin der Nachbarliegenschaft (als Vertreterin der Beschwerdeführerin) in der Betriebsanlagengenehmigungsverhandlung ausdrücklich widersprochen worden. Bei der Beschwerdeführerin handle es sich offensichtlich um die Eigentümergemeinschaft aller Wohnungseigentümer. Aus dem Grundbuch ergebe sich, dass die Liegenschaft EZ. 3360 im Wohnungseigentum einer Vielzahl von Eigentümern stehe. Nach Wiedergabe der §§ 2 Abs. 5, 18 Abs. 1, 28 Abs. 1 und 29 Wohnungseigentumsgesetz 2002 (WEG 2002) führte die belangte Behörde weiter aus, bei der Erhebung von rechtserheblichen Einwendungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 und Z 2 GewO 1994 handle es sich nicht um Maßnahmen, die mit der Verwaltung der Liegenschaft zusammenhängen würden und geeignet seien, von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als solcher im Gesamten geltend gemacht zu werden. Der Betrieb einer Betriebsanlage könne sich auf jeden einzelnen Nachbarn, je nach Exponiertheit seiner Wohnung, anders auswirken. Bei einer weitläufigen Wohnhausanlage könne es durchaus vorkommen, dass unterschiedliche Wohnungseigentümer unterschiedliche Interessen betreffend den Betrieb einer Betriebsanlage haben und daher auch unterschiedliche Einwendungen erheben könnten. So könne z.B. eine Entlüftung einer Betriebsanlage, die zum Vorteil eines Wohnungseigentümers als Nachbarn geändert werde, einen anderen Wohnungseigentümer als Nachbarn massiv durch Lärmbelästigung beeinträchtigen. Da keine Maßnahme der Verwaltung der Liegenschaft vorliege, komme auch die im § 18 Abs. 2 WEG genannte Vertretungsbefugnis der Eigentümergemeinschaft durch den Verwalter im vorliegenden Fall nicht in Frage. Mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin sei die Berufung daher zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof wie folgt erwogen hat:
1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung sowie in ihren subjektiven gewerberechtlichen Nachbarrechten verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, es sei unstrittig, dass die Hausverwaltung als befugter Parteienvertreter und mangels Anrainereigenschaft nicht im eigenen Namen eingeschritten sei und Zustellungen erhalten habe, sondern ausschließlich in ihrer Funktion als Verwalterin der Beschwerdeführerin. Von Anfang an sei die Hausverwaltung seitens der BH im erstinstanzlichen Verfahren beteiligt worden, deren Einwendungen seien auch bei der mündlichen Verhandlung am 5. Mai 2003 protokolliert worden, ihr sei ebenso das Protokoll der Verhandlung und der erstinstanzliche Bescheid zugestellt worden. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde sei die Beschwerdeführerin gemäß § 18 Abs. 1 WEG 2002 im Rahmen der ihr zukommenden eingeschränkten Teilrechtspersönlichkeit sehr wohl berufungslegitimiert gewesen. So komme der Beschwerdeführerin gemäß § 18 WEG 2002 iVm § 74 Abs. 2 Z 1 und 2 GewO 1994 Parteistellung zu. Die Beschwerdeführerin - vertreten durch die Hausverwaltung - sei von Anfang an durch Zustellung und Protokollierung der rechtzeitigen Einwendungen in der mündlichen Verhandlung am 5. Mai 2003 als Partei des Verfahrens gemäß § 8 AVG durch die BH anerkannt worden. Durch diese Vorgangsweise der Behörde sei die Beschwerdeführerin "eindeutig" Partei des Verfahrens geworden, dies ungeachtet der rechtlichen Überlegungen der belangten Behörde. Auch gehe es im vorliegenden Fall um die fehlende Zustimmung aller Wohnungseigentümer zur Zentralheizungskaminnutzung sowie um Schallemissionen, durch welche alle Wohnungseigentümer nachteilig betroffen seien, sodass auch aus diesem Grund die Berufungslegitimation der Beschwerdeführerin gegeben sei.
2. Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen oder Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerinnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, ...
Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes sind gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1994 alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind.
Die Betriebsanlage ist gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat, sind den Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage die im § 74 Abs. 1 Z 1 und 2 GewO 1994 genannten Rechte gewährleistet (vgl. hiezu ausführlich das hg. Erkenntnis vom 15. September 2004, Zl. 2004/04/0142, 0143, mwN). Eine juristische Person kann nicht in ihrem Leben oder in ihrer Gesundheit gefährdet oder im Sinn des § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 belästigt sein (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO2 (2003), 548, Rz. 10 zu § 75 GewO wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Nach dieser Rechtslage käme eine gewerberechtliche Nachbarstellung und (hierauf gegründete) Parteistellung einer juristischen Person allenfalls als Eigentümerin oder sonst dinglich Berechtigte im Sinn des § 75 Abs. 2 erster Satz GewO 1994 in Frage. Bei der Beschwerdeführerin ist eine darauf gestützte Parteistellung aus folgenden Gründen ausgeschlossen:
3. Gemäß § 2 Abs. 5 Wohnungseigentumsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 70 (WEG 2002), bilden alle Wohnungseigentümer zur Verwaltung der Liegenschaft die Eigentümergemeinschaft; diese ist eine juristische Person mit Rechtsfähigkeit in dem durch § 18 Abs. 1 WEG 2002 umschriebenen Umfang.
Gemäß § 18 Abs. 1 WEG 2002 kann die Eigentümergemeinschaft in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden.
Nach dieser Rechtslage kommt der Eigentümergemeinschaft nur eine eingeschränkte Rechtspersönlichkeit zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. August 2004, Zl. 2003/17/0318).
Die Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft ist jedoch ausdrücklich auf Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung beschränkt. Über die Verwaltungsrechte hinaus sind der Eigentümergemeinschaft keine Eigentümerrechte zugeordnet (vgl. hiezu etwa den Beschluss des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom 2. September 2003, 1 Ob 163/03g, mwN). Die Durchsetzung petitorischer Rechtschutzansprüche - wie etwa ein Entfernungs- und Unterlassungsbegehren, das auf das Eigentumsrecht der Mitglieder der Wohnungseigentumsgemeinschaft gestützt ist - ist keine Angelegenheit der Liegenschaftsverwaltung. Diese Ansprüche können nur die einzelnen Wohnungseigentümer erheben (vgl. den Beschluss des OGH vom 29. Oktober 2004, 5 Ob 88/04h, mwN). Ebenso gehören nicht zur Verwaltung der Liegenschaft die Abwehr von Besitzstörungen oder überhaupt von Eingriffen Dritter (vgl. Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 (2004), 918, Rz 11 zu § 18 WEG).
Nach dieser Rechtslage kommt die Geltendmachung gewerbebehördlicher Nachbarrechte gemäß § 75 Abs. 2 erster Satz, zweiter Satzteil GewO 1994 nicht der Eigentümergemeinschaft, sondern den einzelnen Wohnungseigentümern zu.
4. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführerin keine gewerberechtliche Nachbarstellung und somit keine Parteistellung im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren zukommt.
Daran ändert auch nichts, dass die Beschwerdeführerin - wie in der Beschwerde vorgebracht - von der Erstbehörde im Betriebsanlagenverfahren beigezogen worden sein mag, weil sich die Parteistellung ausschließlich aus dem Gesetz und nicht aus einer allfälligen Beiziehung durch die Behörde ergibt.
Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 18. Mai 2005
Schlagworte
Gewerberecht Nachbar RechtsnachfolgerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005040065.X00Im RIS seit
23.06.2005Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008