TE OGH 1981/9/1 9Os104/81

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Veröffentlicht am 01.09.1981
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Der Oberste Gerichtshof hat am 1. September 1981

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Gerstberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Bernd A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 2. Feber 1981, GZ 20 w Vr 5112/80-40, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Stern und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO hat der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde der am 2. Oktober 1954

geborene Vertreter Bernd A des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf (in zwei Fällen) nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er in Wien seinen Entschluß, die nachgenannten Personen weiblichen Geschlechtes mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen, durch der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlungen betätigt hat, indem er 1. am 29. Mai 1980 Silvia B einen Arm um den Hals schlang und mit der anderen Hand einen Pfadfinderdolch mit einer Klingenlänge von 15 cm gegen die Brust hielt, ihr sodann mit Leukoplast die Augen verklebte, mit einem Gürtel die Hände am Rücken fesselte und äußerte: 'Wenn du schreist, geschieht etwas';

2. am 30. Mai 1980 Renate C von hinten mit der linken Hand den Mund zuhielt und mit der rechten Hand ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 7 cm an der Hüfte ansetzte.

Bernd A wurde hiefür nach §§ 202 Abs 1, 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 (zwei) Jahren verurteilt; außerdem wurde gemäß § 21 Abs 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Die Geschwornen hatten die (anklagekonform /ON 31, P 1/) auf schweren (bewaffneten) Raub an Silvia B gerichtete Hauptfrage 1, ob Bernd A schuldhaft am 29. Mai 1980 in Wien unter Verwendung einer Waffe dadurch, daß er Silvia B einen Arm um den Hals schlang und mit der anderen Hand einen Pfadfinderdolch mit einer Klingenlänge von 15 cm vor die Brust hielt, ihr mit Leukoplast die Augen verklebte, mit einem Gürtel die Hände am Rücken fesselte und äußerte: 'Wenn du schreist, geschieht etwas', wonach er einen auf dem Schreibtisch versteckten Geldbetrag von 500 S an sich nahm, der Genannten mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich unrechtmäßig zu bereichern, verneint. Die für diesen Fall gestellte Eventualfrage, ob Bernd A durch die in der Hauptfrage 1 beschriebene Gewalt und Drohung versucht habe, Silvia B zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen, wurde von ihnen bejaht, die weitere Eventualfrage in der Richtung eines Bedrängnisdiebstahles hinsichtlich 500 S zum Nachteil der Silvia B verneint und schließlich die (anklagekonform /ON 31, P 2/) auf versuchte Nötigung der Renate C zum außerehelichen Beischlaf gerichtete Hauptfrage 2 bejaht.

Bei der Strafbemessung berücksichtigte das Geschwornengericht unter anderem, daß der Angeklagte die Taten 'unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustandes' begangen habe. Im Rahmen der Gefährlichkeits- und Zukunftsprognose im Zusammenhang mit der angeordneten Anstaltsunterbringung des Angeklagten gemäß § 21 Abs 2 StGB brachte das Gericht seine Überzeugung zum Ausdruck, daß die Gefahr, der Angeklagte werde unter dem Einfluß 'seiner Sexualneurose' weitere gleichartige strafbare Handlungen (sexualdeliktische Verhaltensweisen) begehen, äußerst groß sei. Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil in den Schuldsprüchen mit einer auf die Z 5, 6 und 8 des § 345 Abs 1

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Den erstzitierten Nichtigkeitsgrund verwirklichende Verfahrensmängel erblickt der Beschwerdeführer in der Nichtaufnahme der von der Verteidigung in der Hauptverhandlung beantragten Beweise. Die Abweisung der bezüglichen Beweisanträge (S 343 d. A) durch den Schwurgerichtshof erfolgte jedoch zu Recht. Der zutreffenden Argumentation des Gerichtes (S 343, 344 d. A) ist mit Beziehung auf das Beschwerdevorbringen lediglich folgendes beizufügen:

Rechtliche Beurteilung

Die Ladung und Einvernahme des Primarius Dr. D wurde - inhaltlich des bezüglichen Beweisantrages (S 342 d. A) - deshalb beantragt, weil 'nach Ansicht der Verteidigung gewisse Widersprüche des Gutachtens Dris. D und des Gutachtens des Sachverständigen Dr. E vorliegen'. Worin diese (behaupteten) Widersprüche gelegen sein sollen, wurde im Beweisantrag nicht dargetan. Widersprüche in den beiden in Betracht kommenden Gutachten, welche die Befragung des Sachverständigen Dr. D in der Hauptverhandlung erforderlich machen könnten, liegen - unter Berücksichtigung der von den genannten beiden Sachverständigen vertretenen unterschiedlichen Fachgebiete (s S 287 d.A) und der sich schon hieraus ergebenden verschiedenen Begutachtungsthemen (vgl S 3 a und 3 c verso d.A) - nach der Aktenlage jedenfalls nicht vor. Die Anträge der Verteidigung auf Ladung und Einvernahme 'der Zeugin Christine F und der Polizeibeamten, welche die erste Einvernahme des Angeklagten durchführten und von einem, schwer sexuell gestörten Menschen gesprochen haben' (Punkte 2 und 3 der Beweisanträge), entbehren der Angabe eines Beweisthemas, womit schon aus prozessualen Gründen die wirksame Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs 1 Z 5 StPO ausgeschlossen ist (Mayerhofer-Rieder, StPO, Nr 4 zu § 345 Z 5). Im übrigen war der 'Vorfall F' (s ON 8, insbesondere S 126, 128; 135 ff d.A) nicht mehr Anklage- und Verhandlungsgegenstand (s die Einstellungserklärung der Staatsanwaltschaft laut ON 1 S 3 e d.A), er fand aber im Gutachten des Sachverständigen Dr. E entsprechende Berücksichtigung (s S 275, 276 d.A) und wurde auch im Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. D erwähnt (S 209 d.A).

Daß der Angeklagte die ihm zur Last liegenden Sexualdelikte unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustandes, einer 'Sexualneurose', begangen hat, wurde vom erkennenden Gericht, wie dargetan, ohnedies angenommen, weshalb sich das Unterbleiben einer allenfalls in diese Richtung zielenden (weiteren) Beweisaufnahme auch in merito nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

Auf die in der Verfahrensrüge behauptete Notwendigkeit von Beweisaufnahmen 'im Zusammenhang mit dem Standort der Dose, in der sich das Geld befunden hat' (s Punkt 4 der Beweisanträge), ist angesichts des Umstandes, daß die Geschwornen die auf Raub- bzw Bedrängnisdiebstahl gerichtete Hauptfrage 1 bzw Eventualfrage 2 verneint haben und insoweit daher gar kein Schuldspruch erfolgte, nicht einzugehen.

Aus denselben Erwägungen - Verneinung der auf Raub bzw Bedrängnisdiebstahl gerichteten Schuldfragen durch die Geschwornen - gehen aber auch die auf den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Beschwerdeausführungen, wonach in der schriftlichen Rechtsbelehrung (gemeint offenbar zur Hauptfrage 1 und zur Eventualfrage 2) weitere Ausführungen zum Tatbestandserfordernis der (wie der Beschwerdeführer formuliert) 'Bereicherungsabsicht' erforderlich gewesen wäre, ins Leere. Die Geschwornen haben nämlich durch Verneinung der bezüglichen Fragen zum Ausdruck gebracht, daß sie die nunmehr auch in der Nichtigkeitsbeschwerde vertretene Darstellung des Angeklagten (vgl S 326, 327 d.A), er habe im Falle Silvia B 'mangels Gegenleistung' (:Durchführung eines Geschlechtsverkehrs) seine 500 S wieder an sich genommen, nicht als widerlegt angesehen haben; sie sind daher insoweit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zuwider einem Irrtum infolge angeblich unvollständiger Rechtsbelehrung ersichtlich nicht unterlegen. Eine Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z 5 oder der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO liegt mithin nicht vor.

Eine Verletzung der Bestimmungen über die Fragestellung (§§ 312 ff StPO) erblickt der Beschwerdeführer schließlich im Unterbleiben einer Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten im jeweiligen Tatzeitpunkt. Auch diese, auf den Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1

StPO gestützte Rüge erweist sich als unbegründet:

Zusatzfragen im Sinne des § 313 StPO dürfen nur gestellt werden, wenn sie durch (in der Hauptverhandlung vorgebrachte) Tatsachen, welche auf das Vorliegen eines Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrundes hinweisen, indiziert sind.

Eine allfällige Zurechnungsunfähigkeit des Täters ist daher im geschwornengerichtlichen Verfahren nur dann zum Gegenstand einer Zusatzfrage zu machen, wenn Verfahrensergebnisse Anlaß zu Zweifeln an der biologischen Schuldfähigkeit des Angeklagten, seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit im konkreten Fall, geben, wenn also im Beweisverfahren für das Vorliegen eines im § 11 StGB beschriebenen, die Dispositions- oder Diskretionsfähigkeit des Angeklagten ausschließenden Ausnahmezustandes konkrete (objektive) Anhaltspunkte hervorgekommen sind, die, wenn sie als erwiesen angenommen werden, die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten in Frage stellen.

An diesem Erfordernis mangelt es aber im gegebenen Fall. Weder aus den gerichtspsychiatrischen Gutachten der Sachverständigen Dr. D und Dr. G noch aus dem psychologischen Gutachten des Sachverständigen Dr. E ergeben sich hinsichtlich des Vorliegens eines solchen Ausnahmezustandes konkrete Hinweise (vgl ON 16, insbesondere S 239 ff d.A; ON 27, insbesondere S 287 ff d.A; ON 39

S 341 d.A). Gleiches gilt für den polizeiärztlichen Befund samt Gutachten vom 30. Mai 1980, S 25 d.A, und für die detaillierten Tathergangs- und Motivationsschilderungen des Angeklagten (S 324 ff d. A), der übrigens auch angegeben hat, es sei ihm 'klar, daß seine Handlungen strafbar sind' (S 330 d.A).

Deviantes Sexualverhalten an sich (vorliegend als Ausfluß besonderer Triebstärke /vgl Sachverständigengutachten Dr. E, S 285 d.A/), wie es ersichtlich den schuldspruchmäßig erfaßten Tathandlungen zugrundeliegt (vgl Sachverständigengutachten Dr. D, S 345 d.A), stellt entgegen der Meinung des Beschwerdeführers auch keine Zurechnungsunfähigkeit bewirkende schwere seelische Störung im Sinne des 4. Anwendungsfalles des § 11 StGB dar (SSt 44/28; vgl Melnizky, 'Grenzen strafrechtlicher Verantwortlichkeit', 12. österr. Jugendrichtertagung 1978, 136 ff, und Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 13 ff, insbesondere RN 16 zu § 11).

Zur Stellung einer - im Verfahren erster Instanz übrigens von keiner Seite beantragten (vgl S 344 d.A) -

Zusatzfrage in der Richtung des § 11 StGB bestand demnach kein Anlaß.

Da mithin keiner der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Nichtigkeitsgründe gegeben ist, war der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde der Erfolg zu versagen.

Aber auch der Berufung des Angeklagten, mit welcher er die Herabsetzung der Strafe, die Gewährung bedingter Strafnachsicht und die Ausschaltung des Ausspruchs über seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB begehrt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt, aber auch zutreffend gewürdigt, wobei es alle jene Umstände - zugunsten des Berufungswerbers - berücksichtigt hat, auf welche die Berufung hinweist. Die verhängte Strafe von zwei Jahren ist auch nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes tatschuldangemessen und täterpersönlichkeitsgerecht.

Schon der hohe Grad der Schuld des Täters verbietet es vorliegend, die verhängte Strafe bedingt nachzusehen. Dazu kommt, daß im gegebenen Fall eine bedingte Strafnachsicht nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 43 Abs 2

StGB in Betracht käme, also nur dann, wenn aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten ist, daß der Berufungswerber keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Eine solche Gewähr ist angesichts der Persönlichkeitsartung des Berufungswerbers nicht gegeben.

Soweit sich die Berufung aber gegen die vom Geschwornengericht bejahte Gefährlichkeitsprognose, wie sie die Einweisung eines geistig abnormen Rechtsbrechers in eine Anstalt gemäß § 21 Abs 2 StGB voraussetzt, wendet, läßt sie außeracht, daß die Befürchtung, der Berufungswerber werde nach seiner Person, seinem Zustand und der Art der Taten sonst, nämlich ohne Einweisung in die bezeichnete Anstalt, unter dem Einfluß seiner geistigen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen, in den Gutachten der beigezogenen Sachverständigen ihre Deckung findet (vgl Gutachten Dris. D S 245 d.A, Gutachten Dris. G S 341 d.A). Liegt aber eine solche Befürchtung vor, so ist der Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Straftäter einzuweisen. Im Zuge dieser Anhaltung wird sodann das Gericht ohnedies gemäß § 25 Abs 3 StGB alljährlich zu prüfen haben, ob die Unterbringung des Berufungswerbers in der Anstalt noch notwendig ist.

Es mußte demnach auch der Berufung zur Gänze ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E03278

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0090OS00104.81.0901.000

Dokumentnummer

JJT_19810901_OGH0002_0090OS00104_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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