TE OGH 1981/9/10 13Os129/81

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Veröffentlicht am 10.09.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.September 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Larcher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang A wegen des Verbrechens des versuchten Menschenhandels nach den §§ 15, 217 Abs 2 StGB.

und anderer Delikte über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 9.Juni 1981, GZ. 26 Vr 944/81-46, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 12.April 1960 geborene Gelegenheitsarbeiter Wolfgang A wurde der Verbrechen des versuchten Menschenhandels nach §§ 15, 217 Abs 2 StGB. (I und II) sowie der Geldfälschung nach § 232 Abs 2 StGB. (III - Tatobjekt: 6.000 DM und 50 US-Dollar), weiters der Vergehen der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs 1 StGB. (IV - zwei PKW.- Kennzeichenmanipulationen) und des Betrugs nach § 146 StGB. (V - Tankstellenbetrug, Schaden: 529,20 S) schuldig erkannt. Dem mit Nichtigkeitsbeschwerde allein bekämpften Schuldspruch wegen Verbrechens des versuchten Menschenhandels liegt zugrunde, daß Wolfgang A mit dem Ziel, die nachgenannten Personen weiblichen Geschlechts der gewerbsmäßigen Unzucht im Vorderen Orient (Syrien) zuzuführen, wo nach der Vorstellung des Angeklagten hiedurch bis zu 1.000 DM pro Nacht verdient werden könnten, von welchen Einkünften der Angeklagte seine Schulden zahlen und seinen aufwendigen Lebenswandel bestreiten wollte, I. Ende November 1980 die in Kulmbach (BRD.) wohnhafte deutsche Staatsangehörige Angelika B mit Gewalt (indem er ihr Limonade mit beigemischtem Schlafmittel zu trinken gab) und unter Ausnützung ihres Irrtums über sein als Urlaubsfahrt deklariertes Vorhaben mit seinem Personenkraftwagen von der Bundesrepublik Deutschland über Österreich, Italien, Jugoslawien und Bulgarien in die Türkei beförderte;

II. Ende Februar/Anfang März 1981 die in Biberwier (Bezirk Reutte/Tirol) wohnhafte österreichische Staatsbürgerin Cornelia A - seine Schwester - durch Täuschung über sein wahres Vorhaben zu verleiten und durch gefährliche Drohung (mit Schlägen) zu nötigen suchte, mit ihm in seinem Personenkraftwagen über die Türkei nach Syrien zu fahren, und sie unter Ausnützung ihres Irrtums über sein Vorhaben in einen anderen Staat zu befördern trachtete. Den bezüglichen Urteilsfeststellungen zufolge veranlaßte der Angeklagte, der darauf aus war, als Zuhälter im Ausland zu Geld zu kommen, seine 19-jährige Schwester Cornelia A (Faktum II) unter der Vorgabe, er wisse für sie in Innsbruck eine günstige Arbeitsstelle, ihren Arbeitsplatz als Kindermädchen in Garmisch-Partenkirchen (BRD.) aufzukündigen und nach Innsbruck zu kommen. Unter der weiteren Vorspiegelung, er müsse noch schnell in Südtirol und später in Triest etwas besorgen, brachte er seine Schwester sodann mit seinem Kraftwagen nach Jugoslawien, wo er Cornelia A eröffnete, daß er sie in die Türkei und nach Syrien bringen wolle, wo sie, bei einer Verdienstmöglichkeit bis zu 1.000 DM pro Nacht, für ihn eine Zeitlang 'auf den Strich gehen' müsse, damit er seine Schulden abzahlen könne. Nach Androhung von Schlägen gab Cornelia A ihren Widerstand - vorläufig - auf. In der Türkei (Istanbul) angelangt, wo der Angeklagte eine Woche bleiben wollte (und wo Cornelia A 'auf den Strich gehen sollte': siehe ihre Zeugenaussage S. 449, 450) geriet er in Schwierigkeiten mit der türkischen Polizei;

seine Abwesenheit ausnützend, verließ Cornelia A mit Hilfe von zwei Persern Istanbul, reiste zunächst nach Damaskus und von dort per Flugzeug nach Österreich, wo sie von ihrem Vater in Empfang genommen wurde (S. 468 ff.).

Vorher schon (Faktum I) hatte der Angeklagte seine ehemalige Freundin Angelika B, die Mutter eines von ihm gezeugten außerehelichen Kindes, gleichfalls bis in die Türkei gebracht, wo er jedoch Schwierigkeiten bei der beabsichtigten Einreise nach Syrien hatte. Da er außerdem kein Geld mehr hatte, ging er, wie das Erstgericht als erwiesen annahm (siehe auch S. 309), für Angelika B 'auf Kundenfang'. Zur Ausübung der Prostitution durch B kam es deshalb nicht, weil die türkischen Männer nicht bereit waren, mehr als 20 DM für einen Geschlechtsverkehr mit Angelika B zu bezahlen. In der Folge überließ der Angeklagte - für einen vermeintlich handgewebten Teppich - Angelika B einem ihm unbekannten Türken und kehrte allein nach Österreich zurück (siehe S. 465 ff.). In beiden Fällen beurteilte das Schöffengericht das Tatverhalten des Angeklagten anklagekonform - offenbar, weil es zur Ausübung der Prostitution im Ausland durch Angelika B und Cornelia A nicht gekommen war -

als versuchten Menschenhandel gemäß §§ 15, 217 Abs 2 StGB.

Der Angeklagte stützt seine Nichtigkeitsbeschwerde auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO. und macht geltend, ihm sei freiwillige Aufgabe des ursprünglichen Vorsatzes und mithin strafbefreiender RfcKtritt vom Versuch zuzubilligen, weil er im Fall Angelika B im Hinblick auf das zu geringe Entgelt davon Abstand genommen habe, daß die Genannte der Prostitution nachgehe und er sich damit einverstanden erklärt habe, daß B, ohne die Prostitution auszuüben, in der Türkei bleibe. Aber auch im Fall der Cornelia A habe er seine ursprüngliche Absicht, das Mädchen im Orient der Prostitution zuzuführen, dadurch aufgegeben, daß er sich in der Türkei von seiner Schwester entfernte, sie allein ließ und ihre Willensbildung nicht weiter beeinflußte, weshalb er auch diesfalls wegen freiwilligen Rücktritts vom Versuch straffrei bleiben müsse.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich als unbegründet. Was zunächst das Faktum II (Cornelia A) anlangt, so entbehrt die vom Angeklagten erhobene Rechtsrüge überhaupt einer gesetzmäßigen Ausführung. Eine solche setzt nämlich einen Vergleich des urteilsmäßig konstatierten Sachverhalts mit dem darauf angewandten Strafgesetz voraus. Der Beschwerdeführer läßt hingegen bei seinen Ausführungen unberücksichtigt, daß nach den maßgebenden Urteilsfeststellungen (S. 469/470) Cornelia A sich eine infolge Abwesenheit des Angeklagten entstandene günstige Gelegenheit zunutze machte, um mit zwei Persern, die ihr behilflich waren, die Türkei fluchtartig zu verlassen und in ihre Heimat zurückzukehren. Von einem freiwilligen Abstandnehmen des Angeklagten von der Vollendung der in Aussicht genommenen Tat aus einem autonomen Motiv, frei von äußeren Hinderungsgründen, kann unter diesen, vom Erstgericht festgestellten - vom Beschwerdeführer indes negierten - Umständen keine Rede sein.

Der Beschwerde kommt aber auch deshalb Berechtigung nicht zu, weil das dem Angeklagten zur Last liegende Tatverhalten in beiden Fällen (I und II) richtigerweise als das Verbrechen des vollendeten Menschenhandels nach dem zweiten Absatz des § 217 StGB. zu beurteilen ist, womit der vom Beschwerdeführer reklamierte Strafaufhebungsgrund (§ 16 Abs 1 StGB.) begrifflich nicht mehr in Betracht kommt.

Wann ein Delikt vollendet ist, bestimmt sich grundsätzlich nach dem in dem betreffenden Tatbestand verwendeten Tätigkeitswort. Daraus folgt hier: Für die Vollendung des Verbrechens des Menschenhandels ist nur im ersten Anwendungsfall des § 217 Abs 1 StGB. der Beginn der gewerbsmäßigen Unzuchtshandlungen in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit das Tatopfer besitzt oder in dem es seinen gewÄhnlichen Aufenthalt hat, erforderlich (arg. '...dieser Unzucht in einem anderen Staat... zuführt'). Im zweiten Anwendungsfall des § 217 Abs 1 StGB. und im § 217 Abs 2 StGB. hingegen werden durchwegs Fälle pönalisiert, in welchen die Prostitutionsausübung in einem 'anderen Staat' nicht mehr in den objektiven Tatbestand einbezogen ist. Die Tätigkeitswärter im § 217 Abs 2 StGB. sind: 'verleitet', 'nötigt', 'befördert'.

Darnach sind die Tathandlungen das Verleiten, Nötigen und Befördern einer Person und zwar das Verleiten und Nötigen, sich in einen 'anderen Staat' zu begeben bzw. das Befördern dorthin. Mit der Ausführung der im Gesetz beschriebenen Tathandlung ist jedweder Tatbestand objektiv erfüllt, das Delikt 'technisch vollendet'. Freilich muß der Täter auch in den Fällen des § 217 Abs 2 StGB. mit dem auf die Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht seitens der von ihm verleiteten, genötigten oder beförderten Person gerichteten Vorsatz handeln. § 217 Abs 2 StGB. vertypt demnach ein Absichtsdelikt (Delikt mit überschießender Innentendenz) und zwar ein kupiertes Erfolgsdelikt (siehe dazu Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB.2, RN. 21 bis 24 zu § 7): Bereits mit dem Eintritt des tatbildmäßigen Zwischenerfolgs, nämlich mit der Verbringung des Schutzobjekts ohne dessen Einverständnis in einen 'anderen Staat' zwecks Prostitutionsausübung (erster Akt des Absichtsdelikts), ist der Tatbestand des § 217 Abs 2 StGB. vollendet. Der vom Täter gewollte, jenseits des Zwischenerfolgs liegende Enderfolg (zweiter Akt des Absichtsdelikts) wird beim kupierten Erfolgsdelikt (im Gegensatz zum verkümmert zweiaktigen Absichtsdelikt) nicht vom Täter gesetzt, sondern tritt ohne dessen Zutun ein, wird allenfalls vom Opfer selbst herbeigeführt;

hier (§ 217 Abs 2 StGB.) ist dieser Enderfolg die Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht im 'anderen Staat', also ein Verhalten des Opfers selbst. Die Verwirklichung des zweiten Akts ist für die technische Vollendung des Absichtsdelikts, wie bereits aus dem oben Gesagten hervorgeht, nicht erforderlich. Lediglich der 'Vorsatz' (§ 217 Abs 2 Anfang StGB.) des Täters muß auf die sogenannte materielle Vollendung des Absichtsdelikts (zweiter Akt oder 'Vollbringung') gerichtet sein; es genügt bei dieser schlichten Ausdrucksweise des Gesetzes bedingter Vorsatz (Absichtsdelikt 'im weiteren Sinn'; Leukauf-Steininger2 RN. 25 zu § 7, wenngleich ohne Anführung des § 217 Abs 2).

Dem Wortlaut des § 217 Abs 2 StGB. kann nicht entnommen werden, daß der Täter mit seinem Opfer das angestrebte Ziel der 'Beförderung' (das Land, in welchem die Prostitution ausgeübt werden soll) erreichen muß: Das ist nach der Gesetzesdiktion im Zusammenhalt mit der oben vorgenommenen Abgrenzung der Vollendungsstufe des Tatbestands des § 217 Abs 2 StGB. belanglos; es reicht hin, daß die verleitete oder genötigte Person sich in einen anderen Staat als den, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie sich gewÄhnlich aufhält, begeben hat oder daß die Person, der Gewalt angetan oder deren Irrtum ausgenützt wurde, in einen solchen Staat befördert worden ist. Allein diese Auslegung trägt auch der ratio der Gesetzesstelle Rechnung (siehe dazu ausführlich Dokumentation S. 198 rechts).

Zusammenfassend: Dem Erstgericht unterlief mit der Beurteilung als Verbrechen des versuchten Menschenhandels nach dem zweiten Absatz des § 217 StGB. ein unangefochten gebliebener und sich nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkender Subsumtionsirrtum. Richtigerweise fällt dem Angeklagten sowohl im Faktum Angelika B als auch im Faktum Cornelia A jeweils das Verbrechen des vollendeten Menschenhandels nach § 217 Abs 2 StGB. zur Last (a.M., jedoch undifferenziert hinsichtlich § 217 Abs 1

und Abs 2 StGB. und nicht in Konsequenz zu seinen Ausführungen in den beiden ersten Sätzen der Rz. 7: Pallin im Wiener Kommentar, Rz. 8 zu § 217). Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch kann damit gar nicht aktuell werden.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 217 Abs 2 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren. Es wertete das Zusammentreffen von drei (richtig: zwei) in Realkonkurrenz begangenen Verbrechen mit zwei Vergehen, (drei) Vorstrafen einschlägiger Art (vgl. dazu LSK 1979/145), wobei hinsichtlich der Eigentumsdelinquenz auch rascher Rückfall vorliege, und die mehrfache Qualifikation beim Tatbestand nach § 217 Abs 2 StGB. als erschwerend, hingegen das Teilgeständnis, den bloßen Versuch (auch beim Täuschungsdelikt) und das Alter des Angeklagten (über 18 jedoch) unter 21 Jahren (mit Ausnahme des Faktums IV 2) als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Er verweist auf Geldnot, Unbesonnenheit, nachteilige charakterliche Veranlagung der Opfer des Menschenhandels und Abstammung aus schlechtem Milieu.

Der Berufung kommt Berechtigung nicht zu.

Das Schöffengericht stellte nämlich die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig fest und unterzog sie auf der Basis der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB.) einer zutreffenden Würdigung. Die ausgemessene Freiheitsstrafe ist daher gerecht.

Die vom Berufungswerber hervorgehobene Geldnot vermächte selbst dann einen Milderungsumstand nicht zu rechtfertigen, wenn sie unverschuldet wäre; denn angesichts des (vom Erstgericht zutreffend betonten) dem Menschenhandel - hier an der Schwester und der Mutter seines Kindes begangen - zugrundeliegenden Unrechtsgehalts fallen Geldschwierigkeiten des Täters überhaupt nicht ins Gewicht. Dazu sei, um Wiederholungen zu vermeiden, auf den in LSK 1979/54 abgedruckten Rechtssatz aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 19.April 1978 verwiesen.

Auch Unbesonnenheit kommt dem Angeklagten nicht als mildernd zugute, weil keine der vom Schuldspruch erfaßten Taten auf eine augenblickliche Eingebung, auf einen Willensimpuls zurückzuführen ist, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters unterdrückt worden wäre (Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB.2, RN. 13

zu § 34). Schließlich sind auch Charakter- und Milieuhinweise nicht geeignet, bei Delikten wie Menschenhandel und Geldfälschung einen Milderungsgrund herzustellen.

Anmerkung

E03308

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00129.81.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19810910_OGH0002_0130OS00129_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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