Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.September 1981
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Gerstberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich A und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 (erster Fall) StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Franz B sowie über die Berufung des Angeklagten Friedrich A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 23.März 1981, GZ. 20 w Vr 10.801/80-59, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Mährenhorst und Dr. Mirecki sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtggbeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird Folge gegeben; die Freiheitsstrafen werden unter Anwendung des § 41 StGB. herabgesetzt, und zwar beim Angeklagten Friedrich A unter weiterer Berücksichtigung gemäß §§ 31, 40 S G". der Strafverfügung des Bezirksgerichtes Melk vom 20.Februar 1981, GZ. 1 U 395/80-7, auf 2 1/4 Jahre und beim Angeklagten Franz B auf drei Jahre.
Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem - auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden - angefochtenen Urteil wurden der am 21.September 1959 geborene Friedrich A und der am 23.April 1957 geborene Franz B des Verbrechene des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Fall StGB. schuldig erkannt, weil sie im Mai 1980 in Wien in Gesellschaft weiterer abgesondert verfolgter Personen, nämlich der Margarete C (verehelichte D) und des Günther A sowie der noch nicht in Verfolgung gezogenen Roswitha A als Beteiligte (§ 12 StGB.) einem (bislang) unbekannten betrunkenen Mann mit Gewalt gegen seine Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegnahmen, sich und Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem ihm alle fünf im Prater nachgingen, ihn erfaßten und in eine Toiletteanlage zerrten, wo ihn Friedrich A, Franz B sowie Roswitha und Günther A festhielten und seine goldfarbene Armbanduhr, ein Taschenmesser und eine Geldbärse mit 30 S Inhalt an sich brachten.
Die vom Verteidiger des Angeklagten Friedrich A ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde wurde beim Gerichtstag angesichts dessen zurückgezogen, daß der genannte Angeklagte nach der Urteilsverkündung am 23.März 1981
ausdrücklich bloß das Rechtsmittel der Berufung (nicht aber - auch - jenes der Nichtigkeitsbeschwerde) angemeldet (S. 224) und dementsprechend außerdem in seiner - vom Gesetz (§ 294 Abs 1 StPO.; vgl. auch § 284 Abs 3) lediglich für diesen Fall vorgesehenen - Erklärung vom 3.April 1981 (ON. 64), die Strafe einstweilen antreten zu wollen, ebenfalls nur das Rechtsmittel der Berufung erwähnt, das allein sohin in Ansehung dieses Angeklagten noch den Gegenstand des Gerichtstags bildet.
Der Angeklagte Franz B bekämpft das Urteil mit einer nur auf die Z. 6 des § 345 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Mit Beziehung auf den angerufenen Nichtigkeitsgrund rügt er die unterbliebene Stellung von Eventualfragen 'in Richtung der §§ 83 und 128 StGB.' (wegen einer gegen das Opfer zunächst - im Zuge eines Raufhandels - ohne Raubvorsatz ausgeübten Gewalt - mit einer hieraus resultierenden Körperverletzung - nach § 83 StGB. und eines hierauf an dem am Boden liegenden Betrunkenen verübten Bedrängnisdiebstahls im Sinne der §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 1 StGB.) an die Geschwornen als Verstoß gegen § 314 StPO.
Die Rüge versagt, weil nach der vom Beschwerdeführer auch in der Hauptverhandlung - trotz gewisser (die Tatbestandsmäßigkeit der Deliktshandlung jedoch in keiner Weise in Frage stellender) Abschwächungsversuche - im wesentlichen weiterhin aufrecht erhaltenen geständigen Verantwortung aus dem Vorverfahren (S. 39, 96, 220 f.) und den damit übereinstimmenden Angaben des Mitangeklagten Friedrich A (S. 33, 98, 213 f.), des bereits rechtskräftig freigesprochenen Renee A (S. 37, 100, 216 f.) und der abgesondert verfolgten Margarete D (S. 27 ff., 102 f.) die Gewaltanwendung (oder zumindestens ein Teil derselben) entsprechend dem jedenfalls vorher bestandenen gemeinschaftlichen Tatentschluß (auch der beiden Angeklagten) deshalb erfolgte, um dem alkoholisierten unbekannten Mann dessen Habseligkeiten, insbesondere die (goldfarbene) Armbanduhr, gewaltsam wegzunehmen. Weder die eigene Verantwortung des Beschwerdeführers B noch die sonstigen Verfahrensergebnisse enthalten sohin - dem weitgehend nicht aktengetreu sowie zum Teil darüber hinaus nicht ausreichend substantiierten (§§ 285 Abs 1, 285 a Z. 2, 344 StPO.) Beschwerdevorbringen zuwider - Tatsachenbehauptungen, welche die relevierte Tatbeurteilung indiziert hätten. Es mangelte darum an den Voraussetzungen des § 314 StPO. zur Stellung der vermißten Eventualfragen.
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen. Das Geschwornengericht verurteilte die beiden Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB., und zwar Friedrich A unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB. auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.Dezember 1980, AZ. 2 d E Vr 10548/80 - womit er wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB. zu zweieinhalb Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war - zu vier Jahren, neun Monaten und 15 Tagen (Zusatz-) Freiheitsstrafe und Franz B zu sieben Jahren Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es bei beiden Angeklagten die einschlägigen Vorstrafen sowie beim Angeklagten B überdies den raschen Rückfall und die Tatverübung innerhalb einer offenen Probezeit nach gnadenweiser bedingter Entlassung als erschwerend; als mildernd nahm es hingegen bei beiden Angeklagten das reumütige Geständnis an, wodurch sie wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrugen, und bei Friedrich A außerdem die Tatbegehung (zwar) nach Vollendung des 18., jedoch (noch) vor Vollendung des 21. Lebensjahres.
Den Berufungen, mit welchen die Angeklagten eine Strafherabsetzung anstreben, kommt Berechtigung zu.
Im Gegensatz zu der vom Erstgericht vertretenen Auffassung ist im vorliegenden Fall die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB. (noch) gerechtfertigt. Diese Bestimmung stellt unter anderem darauf ab, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Dabei kommt es aber nicht allein auf die im § 34 StGB. beispielsweise aufgezählten 'besonderen' Milderungsgründe an; es sind vielmehr auch der Unrechtsgehalt der Tat und alle sonst nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung gemäß § 32 Abs 2 und 3
StGB. bedeutsamen Momente zu berücksichtigen, welche die Tat als überdurchschnittlich schwer oder als überdurchschnittlich leicht und damit schon für sich allein allenfalls als derart weit unter der Norm liegend ausweisen können, daß selbst die gesetzliche Mindeststrafe als überhöht angesehen werden müßte (LSK 1979/338 = EvBl 1980/39;
vgl. auch EBRV. 1971 S. 135 und 136, wonach die außerordentliche Strafmilderung für atypisch leichte Fälle vorgesehen ist und die überwiegenden Milderungsgründe vor allem stets das Gewicht der Tat als solche betreffen werden). Im gegebenen Fall wurde der Raub offenkundig nicht nur an Sachen geringen Werts begangen, sondern es bedurfte außerdem (schon angesichts der schweren Alkoholisierung des Opfers) keiner erheblichen Gewalt, um ihn erfolgreich auszuführen. Läge nicht wegen der Gesellschaft mehrerer Beteiligter ein schwerer Raub (§ 143, erster Fall, StGB.) vor, würde die Handlungsweise der Angeklagten dem Tatbestand des - durch § 142 Abs 2 StGB. mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren pönalisierten - sogenannten 'minder schweren Raubes' entsprechen oder sich zumindestens weitestgehend annähern. Wird ferner die vorliegend auf Grund der Art des Verhaltens der einzelnen Tatbeteiligten zu Tage getretene qualitativ verhältnismäßig schwache deliktische Intensität des - für die erhöhte Strafbarkeit den Ausschlag gebenden - Gesellschaftsverhältnisses berücksichtigt, so ist bereits der Unrechtsgehalt der strafbaren Handlung im Rahmen des Tatbildes des § 143 (erster Fall) StGB. als unter der Norm liegend charakterisiert. Nun kommt aber noch hinzu, daß den Angeklagten die vorliegende Raubtat, deren Opfer unbekannt blieb, letztlich nur auf Grund ihres exzessiven Geständnisses nachgewiesen werden konnte, wodurch sie nicht nur volle Schuldeinsicht zeigten und in hohem Maße zur Wahrheitsfindung beitrugen, sondern überdies deutlich ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Aufgabe des bisherigen - durch Vorstrafen wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Taten und (wiederholte) Rückfälligkeit gekennzeichneten - Lebenswandels zum Ausdruck brachten. Somit zeigt sich außer dem hiedurch noch weiter verminderten, von der Schuld umfaßten Tatunwert (der nicht zuletzt auch aus dem Unterbleiben einer Anzeigeerstattung durch den Geschädigten erschlossen werden kann) überdies die Berechtigung einer Prognose dahin, daß beide Angeklagten, die, wiewohl einschlägig vorbestraft, das Strafübel eines längerdauernden Freiheitsentzuges bisher noch nicht verspürten und in Anbetracht ihres Alters (von derzeit 21 bzw. 24 Jahren) noch keine abgeschlossene Persönlichkeitsstruktur aufweisen, schon durch die Vollstreckung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden - nach der besonderen Lagerung des Falles nur unter diesen Umständen ihrerseits ebenfalls als gerecht ansehbaren und solcherart zu einer günstigen Einflußnahme auf sie geeigneten - Freiheitsstrafe von entsprechender Dauer dazu verhalten werden könnten, zukünftig nicht straffällig zu werden. Der Oberste Gerichtshof erachtete mithin die Voraussetzungen des § 41 StGB. als erfüllt.
Die aus den obigen Erwägungen vom Erstgericht der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld der Angeklagten nach (§ 32 StGB.) weit überhöht festgesetzten Strafen waren daher spruchgemäß zu mildern, wobei hinsichtlich des Angeklagten Friedrich A gemäß §§ 31, 40 StGB.
zusätzlich noch auf die weitere Verurteilung durch das Bezirksgericht Melk vom 20.Februar 1981, GZ. 1 U 395/80-7, (wegen des Vergehens nach § 88 Abs 1 StGB. zu dreißig Tagessätzen zu je 100 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 15 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) Rücksicht zu nehmen war.
Anmerkung
E03315European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0100OS00135.81.0911.000Dokumentnummer
JJT_19810911_OGH0002_0100OS00135_8100000_000