Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 1981
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schramm als Schriftführer in der Strafsache gegen Jürgen A wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach den §§ 12, dritter Fall, und 15 StGB, 12 Abs 1 SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Schöffengericht vom 13. Mai 1981, GZ 12 b Vr 45/81-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Nurscher und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Wagner, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4. Juni 1958 geborene Schlosser Jürgen A des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach den §§ 12 (dritter Fall) und 15 StGB, § 12 Abs 1 SuchtgiftG sowie des Vergehens nach dem § 16 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG schuldig erkannt (Punkte I und II des Schuldspruches).
Ihm liegt zur Last, in Pottendorf I) Ende August/Anfang September 1980 dadurch, daß er sich zur Übernahme und Aufbewahrung von Morphin bereit erklärte, zur Ausführung der strafbaren Handlung des abgesondert verfolgten Alfred B beigetragen zu haben, welcher am 14. November 1980 ein Suchtgift in solchen Mengen (nach Österreich) einzuführen versuchte, daß daraus eine Gefahr in größerer Ausdehnung für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er einen Brief mit 10 Gramm Morphin aus Indien an die Adresse des Jürgen A sandte;
II) in der Zeit von März 1980 bis 4. Dezember 1980
unbefugt Suchtgift, nämlich Cannabisharz im Gesamtwert von 4.500 S erworben und besessen zu haben.
Von der weiteren Anklage, Ende August/Anfang September 1980 in Pottendorf sich mit Alfred B zur Begehung weiterer im § 12 SuchtgiftG genannter strafbarer Handlungen verbunden und hiedurch auch das Vergehen nach dem § 14 Abs 1 SuchtgiftG begangen zu haben, wurde Jürgen A gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Während der Schuldspruch unbekämpft blieb, wendet sich die Staatsanwaltschaft in ihrer auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Freispruch. Sie bringt im wesentlichen vor, es sei nicht bloß die Übersendung eines einzigen Briefes mit Suchtgift - der am Postamt Pottendorf abgefangen wurde - vereinbart gewesen, sondern es hätten mehrere solche Briefe nach Österreich geschickt und hier vom Angeklagten für den Absender Alfred B aufbewahrt werden sollen. Teile man den Standpunkt des Erstgerichtes, das die Strafbarkeit des Verhaltens nach dem § 14 Abs 1 SuchtgiftG für erloschen hielt, weil die vereinbarte Tat bereits ins Versuchsstadium getreten sei, so komme man zu dem Ergebnis, daß Jürgen A für die geplante Übersendung weiterer Suchtgiftbriefe überhaupt nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. Ein solches Ergebnis könne aber, weil es den Unrechtsgehalt der Straftat des Angeklagten nicht voll erfasse, nicht den Intentionen des Gesetzgebers entsprechen.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Auffassung kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Ein Rechtsirrtum unterlief dem Erstgericht nur insofern, als es bloßen Versuch des Delikts wider die Volksgesundheit annahm. Durch die mit Gefährdungsvorsatz verübte Ausfuhr des Suchtmittels (aus Goa) und dessen Einfuhr nach Österreich wurde nämlich das Delikt nach dem § 12 Abs 1
SuchtgiftG nicht bloß versucht, sondern bereits vollendet. Diese unrichtige rechtliche Beurteilung wurde nicht gerügt und kann, da sie sich nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkt, auch nicht zum Anlaß einer Maßnahme gemäß dem § 290 Abs 1 StPO genommen werden.
Der als bloßer Qualifikationsfreispruch an sich zwar prozessual verfehlte (dem Angeklagten dadurch aber gleichfalls nicht zum Nachteil gereichende) Freispruch von der Anklage nach dem § 14 Abs 1 SuchtgiftG ist jedoch materiell-rechtlich frei von Irrtum. Auf Grund der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellung und der dieser zugrunde liegenden Verfahrensergebnisse muß nämlich - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - davon ausgegangen werden, daß der Angeklagte Jürgen A und Alfred B die Begehung eines sogenannten fortgesetzten Deliktes verabredeten, welches - rechtlich - nur ein einziges (einheitliches) Delikt bildet. Durch mehrere gleichartige Einzelhandlungen (Briefsendungen) sollte dasselbe Rechtsgut, nämlich der mit dem Verbot der Aus- und Einfuhr von Suchtgift verfolgte Schutzzweck, verletzt werden, wobei nach dem Tatplan auch ein gewisser zeitlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausführungshandlungen vorlag. Die Täter ließen sich dabei von einem einheitlichen, bereits vor der Abreise des Alfred B nach Indien gefaßten Willensentschluß leiten, handelten also mit 'Gesamtvorsatz', in welchem Zusammenhang auch ein bestimmtes Endziel, nämlich die Befreiung des Alfred B von seinen Schulden in der Höhe von 30.000 S bis 40.000 S mit Hilfe des beim Verkauf des Rauschgiftes zu erzielenden Erlöses (S 41, 156), ins Auge gefaßt worden war. Die Tat entspricht somit allen Erfordernissen eines fortgesetzten Deliktes (Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN ff 29 zu § 28).
Bei der in Rede stehenden Verabredung handelt es sich um ein Komplott im Sinn -
des § 14 Abs 1 SuchtgiftG (§ 287 Abs 1 StGB). Wird aber das von den Komplottanten verabredete Verbrechen gegen die Volksgesundheit nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG in der Folge tatsächlich versucht oder (gar) vollendet, so erlischt die Strafbarkeit des bezüglichen Komplotts nach dem § 14 Abs 1 SuchtgiftG und der oder die Täter sind wegen der Haupttat zu bestrafen (Foregger-Litzka, SuchtgiftG, Erl II zu § 14). Dies gilt auch für den Angeklagten Jürgen A, der in der Folge im Rahmen des dem ursprünglichen Komplott zugrunde gelegenen Tatplans als Beitragstäter nach den §§ 12 (dritter Fall), 15 StGB, 12 Abs 1 SuchtgiftG straffällig wurde.
Was aber schließlich die von der Staatsanwaltschaft gegen die Annahme der Subsidiarität des Tatbestandes nach dem § 14 Abs 1 SuchtgiftG vorgebrachten - der Sache nach vor allem rechtspolitischen - Einwendungen anlangt, so ist darauf hinzuweisen, daß der § 12 Abs 1 SuchtgiftG einen (ersten) Strafsatz von einem bis zu fünf Jahren, der § 14 Abs 1 SuchtgiftG aber nur einen solchen bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe vorsieht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Anmerkung
E03327European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0110OS00107.81.0916.000Dokumentnummer
JJT_19810916_OGH0002_0110OS00107_8100000_000