Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 1981
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schramm als Schriftführer in der Strafsache gegen Eduard A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs 1 und 2 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7. Mai 1981, GZ 12 Vr 3.231/80-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Adam und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Nurscher zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 14. Februar 1956 geborene Hilfsarbeiter Eduard A des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs 1 (richtig: auch Abs 2) StGB schuldig erkannt; ihm liegt zur Last, am 3. November 1980 in Graz dem Peter B dadurch, daß er ihm mit einem Taschenmesser drei Stiche gegen den Oberkörper versetzte, eine schwere Verletzung (§ 84 Abs 1), nämlich eine Eröffnung der Brust- und Bauchhöhle mit Stichverletzung der Milz, absichtlich zugefügt zu haben, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge (§ 85 StGB), und zwar eine erhebliche Verstümmelung durch Verlust der Milz (die operativ entfernt werden mußte) nach sich zog.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Eduard A mit einer ausdrücklich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er sachlich allerdings auch jenen der Z 10 der genannten Gesetzesstelle geltend macht. Unter - insoweit ziffernmäßig zutreffender - Beziehung auf den erstgenannten Nichtigkeitsgrund bringt der Beschwerdeführer vor, das Schöffengericht sei ohne hinreichende Begründung davon ausgegangen, er habe den Zeugen B schwer zu verletzen beabsichtigt und nicht in einer Notwehrsituation oder aus bloßer Furchtreaktion auf ihn eingestochen.
Unbestritten sei nämlich, daß der ihm körperlich überlegene Zeuge B ca zwei bis drei Wochen vor der Tat eine tätliche Auseinandersetzung provoziert habe, was mit der Feststellung, beim Angeklagten sei eine Furchtsituation nicht in Frage gekommen, in einem unläsbaren Widerspruch stehe. Bei der Feststellung, der Angeklagte würde nicht im Aufenthaltsraum der Dienstgeberfirma geschlafen haben, wenn er sich vor dem gleichfalls dort beschäftigten Zeugen B gefürchtet hätte, lasse das Erstgericht außer acht, daß er etwa drei Monate vor der Tat das Quartier bei seiner Schwester verloren und es für ihn gar keine andere Möglichkeit gegeben habe, als im Aufenthaltsraum zu übernachten.
Einander widersprechend seien auch die Feststellungen, daß es (schon früher) zu Auseinandersetzungen zwischen Peter B und dem Angeklagten gekommen sei, es sich beim Vorfall vom 3. November 1980 aber um einen völlig grundlosen Angriff des Angeklagten auf den Zeugen gehandelt habe.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Beschwerdeführer damit der Sache nach geltend gemachte Unvollständigkeit und Widersprüchlichkeit der Entscheidungsgründe ist jedoch nicht gegeben.
Das Erstgericht lehnte die vom Angeklagten erst in der Hauptverhandlung vorgebrachte Verantwortung, in einer Notwehrsituation zugestochen zu haben, als unglaubwürdig ab und schloß, gestützt auf die Angaben des Beschwerdeführers im Vorverfahren und die Aussage des Zeugen Peter B, vor allem aus der Art der Stichführung (heftiger Messerstich gegen den Oberkörper, der zur Eröffnung des Brustkorbs und der Bauchhöhle führte) sowie aus den Äußerungen des Angeklagten unmittelbar vor und nach der Tat auch auf seine Absicht, seinem Widersacher eine schwere Verletzung zuzufügen. Daß sich der Angeklagte damals in einer Furchtoder Notwehrsituation befunden hätte, wurde vom Erstgericht deshalb nicht angenommen, weil der Angeklagte sich vor der Tat mit einem aufgeklappten Messer bewaffnete und dann auf Peter B wartete, den er, ohne von ihm angegriffen worden zu sein, von hinten anfiel. In diesem Zusammenhang wird in den Entscheidungsgründen auch die Auffassung vertreten, daß für den Angeklagten das Zusammentreffen mit Peter B vermeidbar gewesen wäre, hätte er sich wirklich vor ihm gefürchtet, wozu der etwa zwei bis drei Wochen zurückliegende Vorfall, bei dem er von Peter B lediglich eine Ohrfeige oder einen Stoß versetzt erhielt, auch gar keinen Anlaß bot.
Diese Begründung steht mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens in Einklang und enthält weder Widersprüche noch läßt sie sonst einen der behaupteten, nach dem § 281 Abs 1 Z 5 StPO zu beurteilenden Fehler erkennen. Ob der Angeklagte wieder von seiner Schwester aufgenommen worden wäre, konnte unerörtert bleiben, weil das Beweisverfahren nicht ergab, daß für den Angeklagten - auch im Notfall -
keine Möglichkeit bestanden hätte, sich eine andere Unterkunft zu suchen.
Die vom Erstgericht getroffene Sachverhaltsfeststellung deckt aber die rechtliche Würdigung der Tat als absichtliche schwere Körperverletzung mit schwerer Dauerfolge nach dem § 87 Abs 1 und Abs 2 StGB.
Daß es dem Angeklagten darauf ankam, seinem Widersacher eine schwere Verletzung zuzufügen, und er somit absichtlich im Sinn des § 5 Abs 2 StGB handelte, ergibt sich ohnehin eindeutig aus den Gründen des angefochtenen Urteils (s S 189, 191 f d.A).
Soweit sich der Beschwerdeführer jedoch gegen die Annahme einer erheblichen Verstümmelung und einer Dauerfolge (§§ 85 Z 2, 87 Abs 2 StGB) wendet und dabei bemängelt, daß das Gutachten des medizinischen Sachverständigen auf diese Fragen nicht eingehe, haftet dem Urteil auch in diesem Zusammenhang weder ein Begründungsmangel im Sinn des angerufenen Nichtigkeitsgrundes der Z 5, noch ein Rechtsirrtum im Sinn des damit der Sache nach gleichfalls geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO an.
Die Qualifikation nach dem § 87 Abs 2 StGB setzt voraus, daß die Tat eine schwere Dauerfolge im Sinn des § 85 StGB (oder den Tod des Geschädigten) nach sich zieht.
Auch eine erhebliche Verstümmelung stellt aber gemäß dem § 85 Z 2 StGB eine schwere Dauerfolge dar.
In seinem Gutachten erwähnte der ärztliche Sachverständige ausdrücklich, daß die Milz ein sehr blutreiches Organ ist (S 165); die durch ihre Verletzung entstehende massive Blutung in die Bauchhöhle machte die an sich schwere Verwundung lebensgefährlich und eine operative Entfernung der verletzten Milz erforderlich (S 188). Auch der Verlust eines inneren Organes, der naturgemäß nicht ins Auge fällt, kann als erhebliche Verstümmelung im Sinn des § 85 Z 2 StGB zu beurteilen sein (Kienapfel, BT I, RN 370 zu § 85 StGB), wofür - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - anders als im Fall einer auffallenden Verunstaltung (§ 85 Z 2 StGB) eine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Opfers nicht erforderlich ist. Bedenkt man die notorische und deshalb keines Beweises bedürftige Tatsache, daß die Entfernung der Milz ua zu strukturellen Veränderungen der roten Blutkörperchen und zur Verkürzung ihrer Lebensdauer führt (Brockhaus Enzyklopädie, 17. Auflage, 'Milz'), so zeigt es sich, daß das Erstgericht zu Recht eine (für immer dauernde) erhebliche Verstümmelung im Sinn des § 85 Z 2 StGB des zur Tatzeit erst etwa 30jährigen Peter B annahm und die Tat zutreffend als absichtliche schwere Körperverletzung mit schwerer Dauerfolge im Sinn des § 87 Abs 1 und Abs 2 StGB qualifizierte.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 87 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend, hingegen das im Vorverfahren abgelegte Geständnis als mildernd.
Der Angeklagte bekämpft mit seiner Berufung lediglich das Strafausmaß.
Die Berufung ist unbegründet.
Ausgehend von den in erster Instanz richtig und vollständig angenommenen Strafzumessungsgründen und unter Berücksichtigung der allgemeinen für die Strafbemessung geltenden Grundsätze (§ 32 StGB) entspricht die verhängte Freiheitsstrafe dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schwere der Schuld des Täters. Sie kann jedenfalls nicht als überhöht bezeichnet werden.
Mithin konnte auch der Berufung kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03337European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0110OS00102.81.0923.000Dokumentnummer
JJT_19810923_OGH0002_0110OS00102_8100000_000