Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hochleithner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang A wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Wolfgang A gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 2.Juni 1981, GZ. 6 a Vr 2187/81-8, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 30.April 1958 geborene Wolfgang A des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB.
schuldig erkannt, weil er im Oktober 1980 mit dem am 27.März 1965 geborenen Christian B durch Vornahme masturbatorischer Handlungen gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben hat.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 4, 5 und 9 lit a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Den Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung (S. 48) gestellten Antrags auf Einvernahme des Zeugen Ernst C darüber, daß im Lokal 'E' eine sorgfältige Kontrolle der Gäste hinsichtlich ihres Alters stattfinde. Das Beweismittel hätte den Nachweis für die Richtigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers erbracht, daß in diesem Lokal nur Personen über 18 Jahre eingelassen werden. Die Verfahrensrüge scheitert an den Urteilsüberlegungen. Es besteht denkfolgerichtig kein Grund zur Annahme, daß die Aussage des beantragten Zeugen den Beschwerdeführer hätte entlasten können. Nach den Urteilskonstatierungen hatte der Angeklagte vor der Tat sowohl auf der Tanzfläche des Lokals als auch (bei guter Beleuchtung) im Stiegenhaus und in seiner Wohnung Gelegenheit, den Christian B genau anzusehen und Rückschlüsse auf sein Alter zu ziehen. Durch eine Aussage des beantragten Zeugen können diese Tatsachen aber, wie das Erstgericht, das ein solches Beweisergebnis in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen hat (S. 58 und 54 oben), dazu ausführte, nicht berührt werden. Dem ist noch hinzuzufügen, daß es durchaus der Lebenserfahrung entspricht, daß ungeachtet solcher Kontrollen Personen unter 18 Jahren in öffentlich zugängliche Lokale gelangen können. Es ist daher unzweifelhaft erkennbar, daß die Ablehnung des Beweisantrags auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte.
Warum es der Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe das jugendliche Alter des Zeugen Christian B nicht gekannt, keinen Glauben schenkte, hat das Erstgericht mängelfrei dargelegt. Daraus, daß der genannte Zeuge vor Gericht einen Eindruck hinterließ, der seinem tatsächlichen Alter entsprochen hat, eine Kontaktaufnahme unter Homosexuellen eine optische Einschätzung des Partners (und damit auch seines Alters) mit sich bringt, der Angeklagte dazu aber vor der Tat sowohl auf der hellen Tanzfläche des Lokals 'E' als auch im beleuchteten Stiegenhaus und in seinem Zimmer (das normal beleuchtet war und in dem der Angeklagte mit dem Zeugen Kaffee trank) Gelegenheit hatte, gewann das Schöffengericht in freier Beweiswürdigung die Überzeugung (§ 258 Abs 2 StPO.), daß der Angeklagte es für möglich hielt und sich damit abgefunden hat, daß Christian B das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Diese Beweisführung entspricht durchaus den Denkgesetzen und forensischer Erfahrung.
Soweit die Mängelrüge behauptet, es sei von Bedeutung, ob und wann B dem Angeklagten sein Alter mitgeteilt habe und dazu auch auf die Aussage des Zeugen Alfred D (dem der Angeklagte erzählte, er habe erst nach der Tat einen Ausweis des B gefunden und damit dessen Alter erfahren und der nach seiner Aussage das Alter des genannten Zeugen mit 17, 18 Jahre schätzte) verweist, erschöpft sie sich in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung. Keineswegs aktenwidrig ist die Ablehnung der Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe in seiner Wohnung kein Licht gemacht, sondern diese völlig abgedunkelt gelassen. Mit dem Urteilshinweis auf Seite 39
(und die dortige eigene Angabe des Rechtsmittelwerbers, zu Hause mit B Kaffee getrunken zu haben) ist die Annahme einer normalen Wohnungsbeleuchtung ausreichend begründet und verfahrensmäßig gedeckt.
Im Interesse einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO.) war das Erstgericht auch nicht verhalten, sich mit jeder Einzelheit der Verantwortung des Angeklagten auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund geht ein erheblicher Teil des weitwendigen Mängelvorbringens ins Leere. Wenn sich der Beschwerdeführer schließlich dagegen wendet, daß das Gericht seine Verantwortung durch die Aussage des Zeugen B für widerlegt hält und darauf verweist, daß der genannte Zeuge im Gegensatz dazu bestätigt habe, daß der Nichtigkeitswerber erst nach der Tat von ihm über sein Alter informiert worden sei, so ist zu erwidern, daß sich die kritisierte Urteilsausführung betreffend die Widerlegung der Verantwortung nur auf die vom Zeugen angeführten Beleuchtungsverhältnisse der Tanzfläche, des Stiegenhauses und des Zimmers bezieht.
Der Gerichtshof war zu einer Begründung des persönlichen Eindrucks, den er vom Zeugen B vor allem hinsichtlich dessen Alters gewonnen hat, nicht verpflichtet, weil sich dieser Eindruck in Worten nicht wiedergeben läßt (RiZ. 1964 S. 38 u.v.a.).
Die Rechtsmittelschrift enthält somit kein Vorbringen, welches sachlich als eine gegen entscheidungswesentliche Tatsachenfeststellungen (§ 281 Abs 1 Z. 5 StPO.) gerichtete Mängelrüge gewertet werden könnte.
Soweit in der Rechtsrüge behauptet wird, das Urteil enthalte in den gesamten Entscheidungsgründen keine Begründung dafür, ob der Angeklagte hinsichtlich des Alters seines Geschlechtspartners mit bedingtem Vorsatz oder bloß mit bewußter Fahrlässigkeit gehandelt habe, geht die Rüge nicht vom Urteilssachverhalt aus. Nach den Urteilskonstatierungen hat der Angeklagte es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, daß sein Partner das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (Seite 59). Freilich gebrauchte das Schöffengericht die in Judikatur und Literatur (siehe hiezu nur SSt. 36/2, LSK 1978/142 u.v.a. sowie Leukauf-Steininger2, RN. 18 zu § 5 StGB.) seit jeher als zur Dartuung eines bedingten Vorsatzes absolut ungeeignet bezeichneten Formulierungen, daß dem Angeklagten das jugendliche Aussehen und damit das jugendliche Alter seines Opfers auffallen mußte und er es ernstlich für möglich halten mußte, daß B unter 18 Jahre alt ist. Damit wollte aber der aus Berufsund Laienrichtern zusammengesetzte Senat im Zusammenhalt mit der oben angeführten, verbal einwandfreien Feststellung des bedingten Vorsatzes erkennbar bloß beweiswürdigend zum Ausdruck bringen, daß der Angeklagte das jugendliche Alter des Knaben ernstlich für möglich gehalten (d.h. als naheliegend angesehen: EvBl 1975 Nr. 192, 1975 Nr. 282) und sich damit abgefunden hat.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO., teils als nicht dem Gesetz entsprechend zur Darstellung gebracht gemäß § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Für die Verhandlung und Entscheidung über die Berufung wird ein Gerichtstag anberaumt werden (§ 296 Abs 3 StPO.).
Anmerkung
E03387European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00144.81.1008.000Dokumentnummer
JJT_19811008_OGH0002_0130OS00144_8100000_000