Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 1981
unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schramm als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 (erster und zweiter Deliktsfall) StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 26. Feber 1981, GZ 20 s Vr 11.477/80-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Bernhauser und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23. April 1960 geborene, zuletzt beschäftigungslose Kraftfahrzeugmechaniker Peter A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 (erster und zweiter Deliktsfall) StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 25. November 1980 in Wien in Gesellschaft des (abgesondert verfolgten Jugendlichen) Rudolf B als Beteiligten dadurch, daß er gemeinsam mit dem Genannten in seinem PKW zur 'M***'-Tankstelle in Wien 12., Altmannsdorferstraße 94, fuhr, vor der Tankstelle wartete, während Rudolf B eine Schreckschußpistole gegen den Tankwart Christian C richtete und diesen mit den Worten 'Gibs Geld her' zur Herausgabe des gesamten Geldes aufforderte, worauf ihm der Tankwart seine Geldtasche zuwarf, und der Angeklagte sodann (seinen Komplizen) Rudolf B mit dem PKW vom Tatort wegbrachte, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, dem Christian C fremde bewegliche Sachen, nämlich etwa 33.000 S Bargeld, sieben Schecks über einen Betrag von insgesamt
2.425 S, einen Taschenrechner im Werte von etwa 1.000 S und eine lederne Geldtasche mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Raub unter Verwendung einer Waffe verübt wurde.
Mit der auf den Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde rügt der Angeklagte Peter A, der Schwurgerichtshof habe es unterlassen, in Ansehung der dem Tankwart Christian C weggenommenen ledernen Geldtasche und des (darin befindlichen) Taschenrechners an die Geschwornen Eventualfragen in Richtung einer Nötigung (im Sinne des § 105 Abs 1 StGB) und einer dauernden Sachentziehung (im Sinne des § 135 Abs 1 StGB) zu stellen. Seiner Meinung nach wäre eine solche weitere Fragestellung angesichts der Verfahrensergebnisse indiziert gewesen; sei doch - wie schon aus der an den Tankwart gerichteten Aufforderung seines Komplizen ('Gibs Geld her') hervorgehe - ihr Tätervorsatz nur auf die Wegnahme von Geld gerichtet gewesen und sowohl die Geldtasche als auch der Taschenrechner nach der Tat von Rudolf B weggeworfen worden. Diese Tatumstände wiesen darauf hin, daß bezüglich der Geldtasche und des Taschenrechners ein - für die Tatbeurteilung als Raub erforderlicher - Bereicherungsvorsatz nicht vorgelegen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge versagt jedoch.
Gemäß § 314 Abs 1 StPO sind Eventualfragen unter anderem dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, die - falls sie als erwiesen angenommen werden - eine Tatbeurteilung nach einem milderen Strafgesetz zur Folge hätten. Diese Voraussetzungen zur Stellung der vom Beschwerdeführer angestrebten Eventualfragen lagen aber nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung nicht vor:
Nach der Verantwortung des Angeklagten Peter A wurde vor der Tat zwischen ihm und seinem Komplizen Rudolf B bloß vereinbart, 'eine Tankstelle zu machen' (S 96 d.A); eine konkrete Absprache darüber, daß sie sich ausschließlich Geld aneignen wollten, behauptete der Angeklagte nicht (S 95-101 d.A). Angaben in diese Richtung machte auch sein in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommener Komplize Rudolf B nicht (vgl S 101 bis 104 d. A). Dieser forderte zwar, wie er angab, aus Anlaß der Tatausführung den Tankwart mit vorgehaltener Schreckpistole und den Worten 'Geld her' zur Herausgabe seiner Barschaft auf, brachte dann aber die erwähnte Tasche, in der sich die gesamte Raubbeute befand, an sich und überließ in der Folge bei der fernab vom Tatort vorgenommenen Aufteilung der Beute dem Angeklagten einen Teil des in der Tasche verwahrten Geldes und die weiters darin befindlichen sieben Schecks (S 98, 100, 102 d.A), während er sich selbst das restliche Bargeld behielt und sich im übrigen, ohne darüber vorher mit dem Beschwerdeführer das Einvernehmen hergestellt zu haben (vgl die Verantwortung des Angeklagten A vor dem Untersuchungsrichter S 56/57 d.A), der Tasche mit dem noch darin befindlichen Taschenrechner entledigte, indem er sie über einen Zaun warf (Angeklagter A, S 97, 98 und 104 d.A; Zeuge Rudolf B, S 102 d.A). Es deutete aber auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung, es sei sein persönlicher Wunsch gewesen, die Tasche (samt Rechner) verschwinden zu lassen, weil er befürchtet habe, durch sie überführt zu werden und ihn der Taschenrechner nicht interessiert habe (S 104 d.A), keineswegs auf eine Beschränkung des bei der Wegnahme der Tasche bestehenden Vorsatzes hin, sich aus der beim Überfall erzielten Beute speziell nur durch die Zueignung von Bargeld unrechtmäßig zu bereichern; denn es kann diese Angabe bei lebensnaher Betrachtung des damit Vorgebrachten insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Beschwerdeführer - im Sinne seines Vorbringens vor dem Untersuchungsrichter (S 56/57 d.A) - betonte, das Wegwerfen der Tasche über den Zaun sei 'so schnell' vor sich gegangen, nur dahin verstanden werden, daß er nachträglich zumindest stillschweigend mit der Derelinquierung der (zuvor) mit räuberischem Vorsatz erworbenen Tasche samt Taschenrechner durch Rudolf B einverstanden war.
Entscheidende Bedeutung kommt nur dem beim Angeklagten zur Tatzeit vorgelegenen Vorsatz zu. War dieser - auch nur als dolus alternativus (siehe dazu Kienapfel in RZ 1981, S 134) - auf unrechtmäßige Bereicherung durch Zueignung von verwertbaren Sachen schlechthin, sohin auch der (zunächst für den Beschwerdeführer als Raubbeute allein erkennbar gewesenen) Tasche samt (unbekanntem) Inhalt gerichtet, lag sohin ein globaler Bereicherungsvorsatz in bezug auf die Tasche samt deren Inhalt (welcher Art auch immer) vor, vermag ein späteres Wegwerfen der Tasche (mit dem darin befindlichen Taschenrechner) durch den Mittäter Rudolf B, sei es auch mit dem Einverständnis des Beschwerdeführers, weil er (und sein Mittäter) mit diesen Gegenständen nicht betreten werden wollten, an der Strafbarkeit wegen (vollendeten) Raubes nichts zu ändern. Eine der (gewaltsamen) Sachwegnahme nachfolgende Aufgabe des ursprünglichen, auf unrechtmäßige Bereicherung durch Sachzueignung abzielenden Vorhabens und ein erst nachträglich an dessen Stelle tretender auf dauernde Sachentziehung im Sinne des § 135 Abs 1 StGB gerichteter Vorsatz heben die bereits eingetretene Strafbarkeit wegen Raubes nicht mehr auf. Die spätere Derelinquierung einer mit Bereicherungsvorsatz einem anderen weggenommenen Sache stellt sich vielmehr als eine straflose (vorbestrafte) Nachtat zum Raub dar (EvBl 1980/94; 11 Os 44/81; Kienapfel, RZ 1981, S 134). Da weder der Angeklagten noch sein (abgesondert verfolgter und in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommener) Komplize Rudolf B in der Hauptverhandlung behauptet hatten, daß die Tasche und der darin verwahrte Taschenrechner im Zeitpunkte der Verübung der Raubtat von ihrem Bereicherungsvorsatz ausgenommen waren, und auch den sonstigen Ergebnissen des Beweisverfahrens ein in diese Richtung weisendes Tatsachensubstrat nicht zu entnehmen ist, war die Stellung der vom Beschwerdeführer hinsichtlich der weggenommenen Geldtasche und des Taschenrechners vermißten Eventualfragen in Richtung der Vergehen der Nötigung und der dauernden Sachentziehung nach der Bestimmung des § 314 Abs 1 StPO nicht geboten.
Der vom Angeklagten Peter A geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO haftet demnach dem angefochtenen Urteil nicht an, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war. Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach dem 1. Strafsatz des § 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Es nahm bei der Ausmessung dieser Strafe das Geständnis des Angeklagten, seinen bisher untadeligen Wandel, das Alter unter einundzwanzig Jahren zur Tatzeit und die Sicherstellung des überwiegenden Teiles der Beute als mildernd an. Als erschwerend wertete es dagegen die zweifache Qualifikation zum Verbrechen des schweren Raubes im Sinne des § 143 StGB.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 StGB an. Der +erufung kommt keine Berechtigung zu.
Es bedürfen zwar die oben angeführten Strafzumessungsgründe insoferne einer Korrektur, als dem Angeklagten auch zugute gehalten werden muß, daß er darnach trachtete, die aus der Verwendung einer Waffe für das Leben bzw die Gesundheit des Raubopfers resultierende Gefahr möglichst gering zu halten; weitere Milderungsgründe liegen aber, dem Vorbringen des Berufungswerbers zuwider, nicht vor. Insbesondere ist eine Verleitung durch den abgesondert verfolgten Jugendlichen Rudolf B nicht anzunehmen; zum einen läßt sich nach der Aktenlage gar nicht sagen, von wem der Vorschlag, einen Raub zu begehen, wirklich stammte (S 19, 29, 96, 101 und 103 d.A); zum anderen hatte es der Angeklagte als der Ältere und Fahrzeugbesitzer jederzeit in der Hand, den jugendlichen Mittäter von der Vollbringung des (mehrmals versuchten) Verbrechens abzuhalten, für dessen Begehung in der vorgeschlagenen Form die Verwendung eines Kraftfahrzeuges Voraussetzung war.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen, bei denen von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe keine Rede sein kann, und auch von der Tatsache, daß die Schuld des Angeklagten, der den Tatplan gemeinsam mit seinem Komplizen mit großer Beharrlichkeit verfolgte, besonders schwer wiegt, läßt sich vorliegend - auch in Berücksichtigung generalpräventiver Gründe, die bei dem derzeitigen Überhandnehmen von Raubtaten für eine strenge Bestrafung der Täter sprechen - die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 StGB nicht mehr vertreten, zumal diese nach der ratio des Gesetzes auf atypisch leichte Fälle beschränkt ist (siehe dazu Leukauf-Steininger2 RN 4
zu § 41 und die dort zitierte Judikatur).
So besehen kann in der Verhängung der mit der gesetzlichen Untergrenze identen Freiheitsstrafe ein Fehler der Strafzumessung nicht erblickt werden. Der mithin unbegründeten Ierufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03362European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0090OS00113.81.1013.000Dokumentnummer
JJT_19811013_OGH0002_0090OS00113_8100000_000