Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Oktober 1981
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Oberhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.Mai 1981, GZ. 4 c Vr 3720/81-34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Philip und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2.November 1953 geborene Hilfsarbeiter Gerhard A des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB. schuldig erkannt, weil er am 1. Oktober 1980 in Wien dem Peter B durch einen mit einem Fixiermesser gegen den rechten Unterbauch geführten (kräftigen) Stich, der einen oberflächlichen Anschnitt des sogenannten Netzes sowie eine oberflächliche Verletzung des Dickdarms, Zwälffingerdarms und der Gallenblase zur Folge hatte, absichtlich eine schwere, mit einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsstörung und Berufsunfähigkeit verbundene Körperverletzung zufügte. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In seiner Mängelrüge macht er dem Ersturteil zum Vorwurf, die Angaben der Zeugen Peter und Hedwig B über den Grad seiner Alkoholisierung zur Tatzeit, ferner den Hinweis des dem Verfahren beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen Prim. Dr. C über seine zur Tatzeit infolge des vorangegangenen Alkoholgenusses vorgelegene Enthemmung, aber auch die Angaben des Verletzten (Peter B), der die ihm sinnlos erscheinende Tat einer Affekthandlung (des Angeklagten) zuschrieb, bei der Urteilsfeststellung, er (der Beschwerdeführer) habe beim Zustechen in der Absicht gehandelt, Peter B am Körper schwer zu verletzen, mit Stillschweigen übergangen zu haben. Eine Berücksichtigung dieser Verfahrensergebnisse hätte - so meint der Beschwerdeführer - die Annahme einer auf Zufügung einer schweren Körperverletzung gerichteten Absicht nicht zugelassen. Im Rahmen der Rechtsrüge vertritt der Beschwerdeführer den Standpunkt, daß infolge seiner im Ersturteil festgestellten erheblichen Alkoholisierung zur Tatzeit die von ihm (in diesem Zustand verübte) Tat bei rechtsrichtiger Beurteilung (bloß) dem Tatbestand der schweren Körperverletzung nach '§ 84 StGB.' und nicht jenem der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB zu unterstellen gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rügen versagen.
Entgegen dem Vorbringen zur Mängelrüge blieben im Ersturteil die Aussagen der Zeugen Peter und Hedwig B über die von ihnen wahrgenommene Alkoholisierung des Angeklagten ebensowenig unberücksichtigt, wie seine im Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. C aufgezeigte (alkoholisierungsbedingte) Enthemmung zur Tatzeit; wird doch im Ersturteil ausdrücklich auf die von sämtlichen Zeugen bekundeten deutlichen Alkoholisierungsmerkmale, die sie beim Angeklagten wahrgenommen hatten, bezug genommen (S. 207) und darauf gestützt eine beim Angeklagten zur Tatzeit vorgelegene erhebliche, den Zustand einer Volltrunkenheit allerdings nicht erreichende Alkoholisierung als erwiesen angenommen (S. 205 und 207), andererseits aber eine durch den vorangegangenen Alkoholgenuß bewirkte und von dem vorerwähnten Sachverständigen in seinem Gutachten aufgezeigte, die Tatbegehung begünstigende Enthemmung des Angeklagten (vgl. S. 196) festgestellt (S. 205).
Mit dem Hinweis, den vom Angeklagten gegen ihn geführten Messerstich für eine Affekthandlung gehalten zu haben (S. 194), brachte der Verletzte Peter B in der Hauptverhandlung als Zeuge nur seine persönliche Meinung über einen außerhalb seines sinnlichen Wahrnehmungsbereiches gelegenen Umstand zum Ausdruck. Die Wiedergabe des subjektiven Eindrucks eines Zeugen fällt aber nicht in den Rahmen seines gerichtlichen Zeugnisses, denn Gegenstand einer Zeugenaussage sind nur sinnliche Wahrnehmungen des Zeugen über Tatsachen (vgl. Mayerhofer/
Rieder, Das österreichische Strafrecht, II. Teil, StPO., 1. Halbband, Nr. 1, 2, 7, 7 a und 8 zu § 150 StPO.). Die Nichterörterung des vom Zeugen B in seiner Aussage wiedergegebenen subjektiven Eindrucks im Urteil vermag daher eine Unvollständigkeit in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO. nicht zu begründen.
Dem Erstgericht war es ferner im Rahmen der ihm gemäß § 258 Abs 2 StPO. zukommenden freien Beweiswürdigung keineswegs verwehrt, aus den näheren, im Ersturteil festgestellten (äußeren) Tatumständen, wonach der Angeklagte seinem Opfer nach einem kurzen Wortwechsel unter den Worten 'so macht man das, das nächste ist der Hals' mit einem Fixiermesser mit einer Klingenlänge von etwa 6 bis 7 cm einen kräftigen und gezielten Stich in den Unterbauch, sohin gegen einen Körperteil mit lebenswichtigen Organen, versetzte, den durchaus denkrichtigen und lebensnahen Schluß auf ein beim Angeklagten in diesem Zeitpunkt vorgelegenes, auf die Zufügung einer schweren Körperverletzung gerichtetes absichtliches Handeln im Sinne des § 5 Abs 2 StGB. zu ziehen (vgl. S. 206 und 208), sodaß der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung zuwider die Feststellung seiner auf die Herbeiführung einer schweren Verletzung seines Opfers gerichteten Absicht im Ersturteil eine durchaus mängelfreie Begründung findet.
Die im Ersturteil festgestellte erhebliche Alkoholisierung des Angeklagten im Zeitpunkt der Tatbegehung schließt entgegen der in der Rechtsrüge vertretenen Auffassung ein absichtliches Handeln des Angeklagten (§ 5 Abs 2 StGB.) keineswegs aus, kann es doch gerade einem erheblich alkoholisierten und dadurch enthemmten Täter, dessen Diskretionsund Dispositionsfähigkeit aber - so wie nach den Urteilsannahmen beim Beschwerdeführer - mangels Volltrunkenheit weiterhin gegeben ist, im Zustand der Enthemmung darauf ankommen, einem (wirklichen oder vermeintlichen) Widersacher durch einen Messerstich eine schwere Verletzung zuzufügen. Die im Ersturteil als erwiesen angenommene erhebliche Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit steht demnach der Feststellung seines absichtlichen Handelns gegenüber Peter B nicht entgegen, sodaß dem Erstgericht bei der rechtlichen Wertung des Urteilssachverhaltes als Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB. kein Rechtsirrtum unterlaufen ist.
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 87 Abs 1 StGB. unter Berücksichtigung der Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 21.November 1980, GZ. 7 U 2704/80-2, (40 Tagessätze zu je 100 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe wegen § 83 Abs 1 StGB.) gemäß §§ 31, 40 StGB. zu drei Jahren (Zusatz-) Freiheitsstrafe.
Bei der Strafbemessung wertete es das Geständnis als mildernd, die Vorstrafe wegen Raubes, die Tatsache, daß die Verletzung mehrfach als schwer qualifiziert ist sowie die Begehung zweier strafbarer Handlungen derselben Art (in Ansehung der gemäß §§ 31, 40 StGB. berücksichtigten Verurteilung) dagegen als erschwerend. Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.
Nicht zielführend ist jenes Berufungsvorbringen, mit dem der Angeklagte geltend macht, er habe die Tat aus Unbesonnenheit bzw. in einer heftigen Gemütsbewegung begangen; denn insoweit setzt er sich in Widerspruch zu den gegenteiligen Feststellungen des Schöffengerichts (S. 208). Die Alkoholisierung des Angeklagten bei der Tatbegehung hinwieder scheidet als Milderungsgrund schon deshalb aus, weil der Angeklagte unter der Einwirkung von Alkohol bereits (auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende) strafbare Handlungen begangen hat, sodaß insoweit die Voraussetzungen des § 35 StGB. fehlen.
Bei sachgemäßem Abwägen der gegebenen Strafzumessungsgründe unter Bedacht auf die Erfolglosigkeit des (wegen Raubes) über ihn verhängten längerdauernden Freiheitsentzuges, wird die über den Angeklagten in erster Instanz verhängte Freiheitsstrafe seiner tatund persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB.) durchaus gerecht.
Seiner Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03358European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0120OS00139.81.1022.000Dokumentnummer
JJT_19811022_OGH0002_0120OS00139_8100000_000