Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Oktober 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Oberhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Georg A wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB. (§§ 107 Abs 1 und Abs 2; 109
Abs 1; 125 StGB.) und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 23.April 1981, GZ. 18 Vr 2939/80- 23, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Blume und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe (unter Ausschaltung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 StGB.) auf fünf Jahre erhöht; mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5.August 1934 geborene Kfz-Mechaniker Georg A des Vergehens der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB. in bezug auf die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1
und Abs 2 StGB., des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs 1 StGB. und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. (Punkte 1 a bis c des Urteilsspruchs) sowie des Verbrechens des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB. (Punkt 2) schuldig erkannt. Mit seiner auf die Z. 5 und 9 lit a (sachlich auch Z. 10) des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte das Urteil im Schuldspruch zu Punkt 2. des Urteilssatzes, in Ansehung dessen Punkt 1. jedoch nur bezüglich der an Irina B am 29. Oktober 1980 durch die Äußerung 'Ich bring dich noch um und hau dir die Wohnung zusammen' im Zustand voller Berauschung begangenen gefährlichen Drohung.
Inhaltlich des letztgenannten Schuldspruchs liegt ihm zur Last, am 18. November 1980 die Irina B (vorsätzlich) zu töten versucht zu haben, indem er ihr mit einem zirka 1 kg schweren, 51 mm langen vierkantigen Eisenstück bewaffnet auflauerte, aus einem Versteck hervorsprang und mit diesem Eisenstück von hinten einen Schlag gegen ihren Kopf führte, sie sodann zu Boden riß, ihr mit der einen Hand den Mund zuhielt und sie mit der anderen Hand würgte, wobei er sich zu dieser Tat in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütserregung (wegen der Auflösung der Lebensgemeinschaft durch sie) hinreißen ließ.
Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund behauptet der Beschwerdeführer, der Ausspruch des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen sei unvollständig, es seien für diesen Ausspruch nur offenbar unzureichende Gründe angegeben, und es bestünden zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt wesentlicher Verfahrensergebnisse erhebliche Widersprüche.
Die Mängelrüge versagt. Soweit sich diese nicht bloß in der allgemeinen (nicht näher substantiierten) Behauptung einer dem angefochtenen Urteil anhaftenden Unvollständigkeit, offenbar unzureichenden Begründung bzw. Aktenwidrigkeit (ohne in der für eine gesetzmäßige Ausführung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes erforderlichen Weise die einen derartigen Begründungsmangel verwirklichenden Umstände konkret aufzuzeigen) und in der Bemängelung der aus den Vorstrafakten getroffenen, mithin für die Lösung der Schuldfrage nicht wesentlicher Feststellungen erschöpft, ist ihr folgendes entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
Die Überzeugung des Schöffengerichtes, daß der Angeklagte auch noch in dem Augenblick als er den Schlag mit einem Eisenstück gegen den Kopf der Irina B führte, vom Vorsatz geleitet war, seine frühere Lebensgefährtin zu töten, wogegen die Verantwortung des Angeklagten, er habe noch im letzten Moment im Bewußtsein, die zunächst geplante Tat nicht vollbringen zu können, seinen Tätungsvorsatz aufgegeben und deshalb den Schlag nicht mit voller Wucht geführt, unglaubwürdig erscheine, beruht auf - auch aktenmäßig gedeckten - denkrichtigen und lebensnahen Erwägungen. Hiezu wird in den Urteilsgründen insbesondere auf das zunächst uneingeschränkte Geständnis des Angeklagten bei dem seiner niederschriftlichen Vernehmung vorangegangenen Vorgespräch mit dem Zeugen Konrad C, auf die fast gleichzeitig mit der Ausführungshandlung erfolgte Androhung des Übels ('jetzt bring ich dich um, du Luder!') und auf die dieser Tat nachfolgenden, gegen Irina B gerichteten weiteren Angriffshandlungen verwiesen.
In diesem Zusammenhang ging das Erstgericht auch ausdrücklich auf den Einwand des Beschwerdeführers ein, er hätte mit dem für einen lebensgefährlichen Angriff geeigneten Werkzeug die (Mord-)Tat, hätte er sie noch gewollt, ohne weiteres ausführen können; es führte jedoch den Umstand, daß der Mordanschlag mißlang, weil der Angeklagte nur die linke Seite des Kopfes seines Opfers traf, und die Tat letztlich nur eine leichte (stark blutende) Kopfverletzung der Irina B zur Folge hatte, nicht auf eine verminderte Wucht des vom Angeklagten geführten Schlages, sondern schlüssig darauf zurück, daß der tätliche Angriff zufolge einer Reflexbewegung des Opfers in Verbindung mit der Tatsache, daß sich Täter und Opfer in Bewegung befanden, ungünstige Beleuchtungsverhältnisse herrschten und der Angeklagte alkoholisiert - ohne daß dadurch seine Zurechnungsfähigkeit ausgeschlossen gewesen wäre - und erregt war, sein Ziel nicht voll getroffen hat (vgl. S. 212 f., 215 ff.). Daß sich die Zeugin Irina B ihrer spontanen Abwehrreaktion bei ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung - entgegen ihren Angaben vor der Gendarmerie - nicht bewußt war (vgl. S. 28, 73, 175), liegt schon im Wesen einer (unbewußt gesteuerten, ohne bewußten Willensakt ausgelösten und vom Willen nicht beherrschbaren) Reflexbewegung begründet.
Das Gericht ist sohin seiner Verpflichtung, die Erkenntnisquellen anzugeben, aus denen es seine Überzeugung geschäpft hat, und die Beweismittel einzeln und in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen (§ 258 Abs 2 StPO.), voll nachgekommen. Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber darzutun versucht, das Erstgericht hätte auf Grund der im Urteil verwerteten Beweisergebnisse - insbesondere im Hinblick auf den tatsächlich eingetretenen (leichten) Verletzungserfolg, das Fehlen äußerer Hindernisse, die Tat plangemäß auszuführen und sein nachfolgendes Verhalten (sein Bestreben, Irina B am Schreien zu hindern; langsames Entfernen vom Tatort) - auch zu anderen, für ihn günstigeren Schlußfolgerungen gelangen und demnach einen im Zeitpunkt der inkriminierten Tathandlungen noch vorliegenden Tätungsvorsatz verneinen müssen, zieht er nur in einer im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden unzulässigen und daher unbeachtlichen Weise die - nach dem Gesagten mängelfrei begründete - schöffengerichtliche Beweiswürdigung in Zweifel, ohne einen formellen Begründungsmangel des Urteils im Sinn des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.
Gleiches gilt für den gegen den Schuldspruch wegen § 287 Abs 1 StGB. in bezug auf § 107 Abs 1 und Abs 2
StGB. gerichteten Teil der Mängelrüge, in dem lediglich auf diesen Vorfall betreffende Widersprüche in den Angaben der Irina B verwiesen wird. Mit deren Zeugenaussage hat sich jedoch das Erstgericht im gegebenen Zusammenhang ebenfalls ausführlich auseinandergesetzt und begründet, warum es ihr trotz gewisser (Details betreffenden) Divergenzen Glauben geschenkt hat (vgl. S. 217).
Ein formeller Begründungsmangel liegt daher auch insoweit nicht vor. In Bekämpfung dieses (letztgenannten) Schuldspruches bestreitet der Beschwerdeführer mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO.
die objektive Eignung der Drohung, Irina B in Furcht und Unruhe zu versetzen. Diese Eignung wurde indes unter Zugrundelegung der getroffenen Tatsachenfeststellungen (vgl. S. 206, 218 ff.) vom Erstgericht frei von Rechtsirrtum bejaht, wenngleich bei dieser Beurteilung, bei der von der Situation zur Tatzeit auszugehen war, dem einige Zeit nach dem bezüglichen Vorfall (vom 29.Oktober 1980) erfolgten Totschlagversuch (vom 18.November 1980) keine entscheidende Bedeutung zukommt: Daß die Bedrohte die - den Urteilsannahmen zufolge auch als solche ernst gemeinte - Todesdrohung des Angeklagten tatsächlich ernst genommen hat und durch sie auch tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde, setzt der Tatbestand der gefährlichen Drohung nicht voraus (vgl. ÖJZ-LSK 1976/192 u.v.a.), soferne die Bedrohte nur, wie das Erstgericht unter Hinweis auf die ihr bekannte Neigung des Angeklagten zu Aggressionen in betrunkenem Zustand, in dem sein Verhalten auch nicht mehr kalkulierbar ist, richtig erkannt hat, bei unbefangener Betrachtung der Situation die Verwirklichung des angedrohten Übels erwarten konnte.
In Ansehung seines Schuldspruchs wegen versuchten Totschlages reklamiert der Beschwerdeführer, damit sachlich den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs 1
StPO. geltend machend, Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB.) und demzufolge die rechtliche Beurteilung seines Tatverhaltens bloß als Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB.; dies jedoch zu Unrecht.
Der in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck gebrachten Ansicht, dem Angeklagten könnte Freiwilligkeit der Abstandnahme vom Tätungsversuch auch dann nicht zugebilligt werden, wenn man von seinen eigenen Angaben ausgehe, kann zwar nicht ohne weiteres beigepflichtet werden, weil sich der Angeklagte dem Sinne nach wohl dahin verantwortet hat, psychisch nicht in der Lage gewesen zu sein, den geplanten Mordanschlag auszuführen (vgl. S. 25, 163) und daher auf Grund eines inneren Handlungsimpulses, mithin in freiwilliger Abkehr von seinem ursprünglichen Tatplan, die Wucht des Schlages entsprechend vermindert zu haben, um einen tödlichen Erfolg zu vermeiden. Diese Verantwortung hat das Erstgericht aber, wie schon an anderer Stelle dargelegt, als unglaubwürdig abgelehnt und als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte seinen Tätungsvorsatz nicht aufgegeben hat und seine frühere Lebensgefährtin noch im Zeitpunkt des Zuschlagens mit dem Eisenstück (wie auch bei den nachfolgenden Gewaltakten) töten wollte. Wenn daher aus dieser Tathandlung der angestrebte Deliktserfolg nicht eingetreten ist, so lag insoweit ein fehlgeschlagener Versuch vor, bei dem die Möglichkeit eines Rücktritts vom Versuch von vornherein ausschied. In diesem Belang geht die Beschwerde daher nicht von den im Urteil getroffenen Tatsachenfeststellungen aus, wie dies für eine gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich gewesen wäre. Ausgehend von den Konstatierungen des angefochtenen Urteils hat der Angeklagte jedenfalls den Tatbestand des versuchten Totschlags (und nicht bloß jenen der Körperverletzung) zu vertreten.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 41, 76 StGB. zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es das Teilgeständnis, den Umstand, daß es (beim Totschlag) beim Versuch blieb, und die durch die Konfliktsituation bedingte Alkoholisierung des Angeklagten als mildernd, hingegen das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, die Verwirklichung mehrerer Tatbestände im Zustand der vollen Berauschung und die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, während die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung eine Erhöhung des Strafmaßes unter Ausschaltung der außerordentlichen Strafmilderung begehrt.
Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Die vom Angeklagten ins Treffen geführten (weiteren) Milderungsgründe liegen in Wahrheit nicht vor, zumal in der (bloßen) Bereitschaft zur Schadensgutmachung ein ernstliches Bemühen, den verursachten Schaden gutzumachen (§ 34 Z. 15 StGB.), noch nicht erblickt werden kann (vgl. Leukauf-Steininger2, RN. 23 zu § 34 StGB. und die dort zitierte Judikatur). Demgegenüber wurde dem Angeklagten vom Erstgericht die Alkoholisierung bei der Tatbegehung (versuchter Totschlag) zu Unrecht als Milderungsgrund zugebilligt, weil angesichts der Tatsache, daß der zum Alkoholmißbrauch neigende Berufungswerber unter der Einwirkung von Alkohol bereits wiederholt Aggressionsdelikte begangen hat, die Voraussetzungen des § 35 StGB. fehlen.
Da sohin nach Lage des Falles von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe keine Rede sein kann und angesichts des (durch drei einschlägige Vorverurteilungen) belasteten Vorlebens des Angeklagten zudem keine begründete Aussicht auf sein künftiges Wohlverhalten besteht, fehlen sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB. Zur Erfassung der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB.) des Angeklagten war daher eine Erhöhung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe auf die Dauer von fünf Jahren geboten. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E03357European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0120OS00134.81.1022.000Dokumentnummer
JJT_19811022_OGH0002_0120OS00134_8100000_000