TE OGH 1981/11/3 10Os103/81

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Veröffentlicht am 03.11.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Gerstberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Jose Ivan A wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Februar 1981, GZ 6 e Vr 9840/80-36, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24. Mai 1952 geborene Musiker Jose Ivan A, ein peruanischer Staatsangehöriger, des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG (Punkt 1) und des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG (Punkt 2) schuldig erkannt, weil er (zu 1) zusammen mit der abgesondert verfolgten Renate B am 19. September 1980 vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen aus Peru ausführte und in Zürich-Kloten in die Schweiz einführte, daß daraus in gräßerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte (indem die Genannten unter Mitnahme von 190 Gramm Kokain in einer Segeltuchtasche in Peru ein Flugzeug bestiegen und damit in die Schweiz einreisten, 'um diese Suchtgiftmenge in die Schweiz einzuführen') und (zu 2) außerdem im September/Oktober 1980 in Wien unberechtigt (anderes) Suchtgift (nämlich Kokain in geringen Mengen) erwarb und besaß.

Die inländische Gerichtsbarkeit erachtete das Erstgericht in bezug auf das Verbrechen (Faktum 1), in Ansehung dessen (der Sache nach allein) der Angeklagte den Schuldspruch unter Anrufung der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO bekämpft, gemäß § 64 Abs 1 Z 4 StGB deshalb für gegeben, weil der Angeklagte - wie es als erwiesen annahm - vorhatte, das Suchtgift (über die Schweiz) zum Zweck der Veräußerung im Inland nach Österreich weiterzuschmuggeln (S 352, 361 f), und darum durch die Tat österreichische Interessen verletzt wurden.

Lediglich dagegen wendet sich die Nichtigkeitsbeschwerde, welche die der Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit zugrundeliegende obige Feststellung mit der Argumentation als (i.S. Z 5) unzureichend und unvollständig begründet rügt, daß die Verfahrensergebnisse in keiner Weise auf Österreich, wohl aber (und ausschließlich) auf die Bundesrepublik Deutschland als Bestimmungsort für das Suchtgift hinweisen, weshalb es - so vermeint der hieran geknüpfte, als Rechtsrüge (Z 9 lit a) deklarierte Einwand - in Wahrheit an einer derartigen Gerichtsbarkeit fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Inwieweit dem Urteil im fraglichen Punkt die behaupteten Begründungsmängel anhaften, kann unerärtert bleiben. Die inländische Gerichtsbarkeit greift nämlich nach § 64 Abs 1 Z 4 StGB - originär (vgl Liebscher, ZfRV 1978 S 148) - bei im Ausland begangenen Verbrechen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG nicht nur unter der vom Erstgericht als gegeben angesehenen Voraussetzung Platz, sondern unabhängig davon auch dann, wenn der Täter nicht ausgeliefert wird.

Es genügt, daß eine Auslieferung aus welchem Grund immer, nicht erfolgt (EBRV 1971 S 175 aE; Liebscher im Wiener Kommentar, RN 16 zu § 64 StGB; derselbe in ZfRV 1978, S 149;

Linke-Epp-Dokoupil-Felsenstein, Internationales Strafrecht, Erl. Nr 6 zu § 64 StGB; SSt 47/66). Die an sich gegebene Möglichkeit einer Auslieferung allein steht daher der Ahndung der Auslandstat durch die österreichischen Gerichte in keiner Weise entgegen; Erfordernis hiefür ist (schon) nach der nunmehrigen (materiellen) Rechtslage auch nicht mehr, daß - wie dies noch das (außer Kraft getretene) StG (1945) verlangte - 'der auswärtige Staat die Übernahme verweigert' (§ 40 StG). Ferner 'hat man sich' nicht mehr 'sogleich mit demjenigen Staate, wo der Fremde das Verbrechen begangen hat, über die Auslieferung desselben ins Vernehmen zu setzen' (§ 39 StG); nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften des seit 1. Juli 1980 geltenden Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1979, BGBl 529, über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen (ARHG) obliegt die Prüfung der Frage, ob einem Tatortstaat die Auslieferung anzubieten ist ( § 28 Abs 1: 'ob Anlaß zu einer Auslieferung besteht'), dem Staatsanwalt, der erst - sobald er diese Frage bejaht - nach Vernehmung der auszuliefernden Person durch den Untersuchungsrichter bei diesem die Berichterstattung an den Bundesminister für Justiz zu beantragen hat (siehe neuerlich die zitierte Gesetzesstelle). Auf die betreffende Beurteilung durch die Verwaltungsbehörde und auf die (sich daran anschließende) etwaige Einleitung des vorerwähnten Verfahrens (vgl § 26 Abs 1 ARHG) aber hat das Gericht - anders als beispielsweise anläßlich der Beschlußfassung über die Zulässigkeit einer Auslieferung (§ 33 ARHG) - keinerlei Ingerenz. Aus den obigen materiell- wie auch verfahrensrechtlichen Vorschriften, namentlich aber aus der diesen beiden Normengruppen im Zusammenhalt zu entnehmenden Regelung folgt, daß im Falle der - auch hier vorliegenden - Anklageerhebung wegen eines von einem Ausländer im Ausland verübten Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG durch den Staatsanwalt bei einem österreichischen Gericht (ohne Einleitung eines Verfahrens zum Anbot einer Auslieferung) dieses sich mit der Frage der Auslieferung (ob der Angeklagte nicht ausgeliefert werden könnte oder gar sollte und warum dies nicht geschieht) in keiner Weise zu befassen braucht;

es hat vielmehr davon auszugehen, daß der Angeklagte - wie vom (zur Einleitung jenes Verfahrens allein kompetenten) öffentlichen Ankläger mittels seiner Vorgangsweise objektiv (unmißverständlich und durch das Gericht unkorrigierbar) zum Ausdruck gebracht - nicht ausgeliefert wird und demnach die vom Staatsanwalt solcherart in Anspruch genommene) inländische Gerichtsbarkeit (entsprechend der zweiten Alternative des § 64 Abs 1 Z 4 StGB) gegeben ist. Inwieweit ein zwar später, aber jedenfalls noch vor Urteilsrechtskraft (nach deren Eintritt eine Auslieferung vollkommen ausgeschlossen wäre - § 16 Abs 3 ARHG) doch noch (sei es auf Grund eines Auslieferungsersuchens, sei es auf Grund eigener inländischer Initiative) eingeleitetes Auslieferungs- oder Auslieferungsanbotsverfahren (oder gar eine bereits in Gang gesetzte Durchführung der Auslieferung) nachträglich mit Wirkung ex nunc ein (vorerst temporäres und sodann allenfalls in ein dauerndes übergehendes) Verfolgungshindernis begründen und dadurch die inländische Gerichtsbarkeit wiederum in Frage stellen (sowie letztlich beseitigen) könnte, ist gegenständlichenfalls nicht zu erärtern, weil es an derartigen Voraussetzungen vällig fehlt. Denn die Schweiz als einer der Tatortstaaten hat Österreich (als Staat, in welchem der Beschwerdeführer betreten wurde) um Übernahme der Strafverfolgung ersucht (und dadurch eindeutig auf seine Auslieferung verzichtet).

Aus Peru (als zweitem Tatort- sowie Heimatstaat des Beschwerdeführers) liegt jedoch bisher weder ein Auslieferungsersuchen vor, noch kann der Aktenlage ein Hinweis auf ein (von Seiten der Staatsanwaltschaft begehrtes) Auslieferungsanbotverfahren entnommen werden.

Die inländische Gerichtsbarkeit gemäß § 64 Abs 1 Z 4 StGB wurde sohin wegen der Erfüllung der Voraussetzungen des zweiten Anwendungsfalles (unabhängig davon, inwieweit jene des - vom Schöffensenat herangezogenen - ersten verwirktlicht sind) im Ergebnis vom Urteil zutreffend bejaht. Demnach betrifft die ausschließlich gegen die Annahme der ersten Alternative (in tatsachenmäßiger Beziehung) gerichtete Mängelrüge keine entscheidungswesentlichen Umstände.

Damit erledigt sich gleichzeitig jener als Rechtsrüge (Z 9 lit b) deklarierte Vorwurf, der auf die Mängelrüge zurückgreift und (daher) nicht von den Urteilsfeststellungen ausgeht, auf welche das Beschwerdevorbringen zwar formell, nicht aber auch sachlich abstellt. Der angerufene materielle Nichtigkeitsgrund wird überdies nicht nur darum zu keiner prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht, sondern auch deshalb, weil die Bezugnahme auf ein zu einem anders gelagerten Sachverhalt ergangenes Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes (12 Os 154/80) und das daran geknüpfte Argument 'im Lichte dieser Entscheidung erhebe sich ein Fehlen der inländischen Gerichtsbarkeit', nicht ausreichend substantiiert ist (§§ 281 Abs 1, 285 a Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als teils nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 a Z 2, 285 d Abs 1 Z 1 StPO), teils offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen wird hingegen abgesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden sein (§ 296 Abs 3 StPO).

Anmerkung

E03418

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0100OS00103.81.1103.000

Dokumentnummer

JJT_19811103_OGH0002_0100OS00103_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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