TE OGH 1981/11/4 6Ob790/81

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Veröffentlicht am 04.11.1981
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Norm

CMR Allgemein
HGB §413
HGB §§425 ff

Kopf

SZ 54/160

Spruch

Hat ein Spediteur gemäß § 413 HGB ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers, so finden auf das Rechtsverhältnis nicht nur die Bestimmungen der §§ 425 ff. HGB, sondern bei Vorliegen der Voraussetzungen auch jene des Sonderfrachtrechtes wie z. B. der CMR-Anwendung

OGH 4. November 1981, 6 Ob 790/81 (OLG Wien 2 R 116/81; HG Wien 24 Cg 140/80)

Text

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Bezahlung des der Höhe nach unbestrittenen Betrages von 76 919.75 S samt 5% Zinsen seit 21. Juli 1979. Sie habe die Beklagte mit dem Transport von 270 t Hüttenweichblei zu "fixen Sätzen" beauftragt. Die Beklagte, die als Spediteur und Frachtführer aufgetreten sei, habe am 4. Juli 1979 als Transportgut 18 801 kg Hüttenweichblei übernommen, bei der Empfängerin, der Firma Ö-GesmbH, aber nur 15 005 kg abgeliefert. Die Menge von 3769 kg Weichblei sei nicht abgeliefert worden, weshalb die Beklagte darüber auch keine Empfangsbestätigung vorweisen könne. Da diese Ware im Zuge des Transportes in Verlust geraten sei, hafte die Beklagte dafür. Die Klägerin habe ihr hierüber Rechnung in Höhe von 91 100.40 S gelegt. Nach CMR stehe der Klägerin der Anspruch auf Ersatz in Höhe von 70 919.75 S zu.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein: Sie sei nicht als Frachtführer, sondern nur als Spediteur aufgetreten. Auf das Vertragsverhältnis der Streitteile fänden die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) Anwendung. Die Beklagte hafte nicht für den behaupteten Schaden, da sie ihn nicht verschuldet habe. Sie wäre auch als Frachtführer nicht schadenersatzpflichtig, weil das Transportgut vollständig bei der Empfängerin abgeliefert worden sei. Diese habe das Fehlen eines Teiles der ihr angekundigten Lieferung nicht sofort gerügt.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Bezahlung eines Betrages von 76 919.75 S samt 5% Zinsen seit 1. August 1979 und wies das Zinsenmehrbegehren für die Zeit vom 21. Juli bis 31. Juli 1979 ab.

Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Die Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen hat 1979 begonnen. Die Klägerin beauftragte die Beklagte, für sie Blei aus Deutschland nach Wien zu transportieren. Die Beklagte ist Spediteur; sie besitzt auch vier Lastzüge, hat jedoch keine Fernzüge, die für die Bleitransporte geeignet gewesen wären. Mit der Klägerin wurde nicht darüber gesprochen, ob die Beklagte die Transporte selbst durchführen würde; die Klägerin ist davon auch nicht ausgegangen. Bei Aufnahme der Geschäftsverbindung wurde nicht erörtert, ob die AÖSp anwendbar sein sollten. Mit Telex vom 6. April 1979 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß jeder von ihr ausgestellten Rechnung eine Spediteurbescheinigung laut dem Muster der Klägerin beigeschlossen sein würde. Sie wies darauf hin, daß sich von ihr verrechnete Sätze "excl. SVS" verstunden. Mit Schreiben vom 25. Juni 1979 nahm die Beklagte auf ein Gespräch mit der Klägerin Bezug, in der ihr eine Erhöhung auf 570 S/Tonne inklusive Verzollung und aller Spesen frei Haus exklusive "SVS/RVS" zugestanden worden war. In diesem Zusammenhang verwies sie darauf, daß sämtliche für sie fahrenden Frächter bereits ab 1. Juni 1979 ihre Preise erhöht hätten. Für die Transporte wurden fixe Frachtraten vereinbart. Diese Frachtraten sollten inklusive Verzollung und aller Spesen frei Haus, jedoch exklusive "SVS/RVS" gelten. Die Beklagte hat die Speditionsversicherung eingedeckt und den dafür aufgewendeten Betrag in den Fakturen gesondert ausgewiesen. Auf den der Klägerin zugegangenen Fakturen findet sich der Vermerk, daß die Beklagte ausschließlich "aufgrund der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen in der nach der jeweiligen Kundmachung in der Wiener Zeitung geltenden und bei uns zur Einsicht aufliegenden Fassung" arbeitet. Am 4. Juli 1979 wurde die Klägerin von ihrer deutschen Lieferfirma verständigt, daß die Beklagte für sie in Hamburg 15 005 und 3796 kg Blei übernommen habe. Die 3796 kg Blei stammten aus jener Menge, die für Juni vorgesehen gewesen war. Sie wurden zusätzlich zur blauen Markierung mit einem roten Kreuz versehen. Auf Grund dieses Avisos sandte die Klägerin ihrem Abnehmer, der Ö-GesmbH, Lieferscheine und Rechnungen. Die Beklagte hat den Auftrag an die Firma K weitergegeben, die ihrerseits die Firma Sebastian O aus Salzburg eingeschaltet hat. Die Firma Sebastian O war für die Klägerin vorher nie als Frachtführer tätig geworden. Der Fahrer dieser Firma, Josef K, nahm für die Beklagte in Hamburg zirka zwei Tonnen Sammelladegut und das für die Ö-GesmbH bestimmte Blei auf. Die Ladung wurde auf dem Zollamt Hamburg plombiert. In Wien wurde das Sammelladegut bei der Firma T abgeladen; das Blei wurde verzollt. Sämtliche Güter, die auf der Ladeliste angeführt sind, waren vorhanden. Das unter den Positionen 6 und 7 der Ladeliste genannte Blei wurde auf dem LKW belassen. Auf dem Frachtbrief ist mit der Stampiglie der Firma T und einer unleserlichen Unterschrift der Empfang des Gutes bestätigt. Josef K fuhr mit dem unter den Positionen 6 und 7 der Ladeliste angegebenen Blei zur Ö-GesmbH. Er unterbrach seine Fahrt nicht. Das Blei war auf Paletten geladen, die über Motorwagen und Anhänger verteilt waren. Josef K kam um zirka 11.45 Uhr bei der Ö-GesmbH an. Raimund M, der als Werkmeister bei der Ö-GesmbH beschäftigt ist, gab einem Staplerfahrer den Auftrag, den LKW zu entladen. Der LKW wurde zur Gänze entladen. Als die Bleibarren abgeladen waren, wurden sie von Raimund M gezählt. Bei der Ö-GesmbH werden Lastwagen zwar normalerweise gewogen; man begnügte sich jedoch, die Barren abzuzählen, wenn die Waage besetzt oder der für das Abwiegen zuständige Portier nicht da ist. Mit der Begründung, daß auf dem Frachtbrief auch das Sammelladegut angegeben sei, weigerte sich Raimund M, den Frachtbrief zu unterschreiben. Auf der Ladeliste zeichnete er die Position 6 ab. Als Position 7 sind "76 Brr. NA Feinblei BRD 3798" angegeben. Diese Position ist nicht abgezeichnet. Da Raimund M kein Frachtbrief zur Verfügung stand, mit dem er den Erhalt des Bleis in der Buchhaltung melden hätte können, hielt er auf einem Zettel "am 6. 7. 1979 15 009 kg 299 ..." fest. Das Gewicht wurde nach den Angaben in der Rechnung auf 15 005 berichtigt. Raimund M gab diesen Zettel in der Buchhaltung ab. Das Gelände der Ö-GesmbH ist nicht frei zugänglich. Es ist nicht so angelegt, daß die beiden Bleimengen an verschiedenen Stellen abgeladen hätten werden können. Raim- und M war nicht während des gesamten Abladevorganges anwesend. Er wird firmenintern nicht davon verständigt, welche Ladung zu erwarten ist. Die Ö-GesmbH erhält monatlich etwa 40 bis 50 LKW-Ladungen Blei. Ein paar Tage danach wurde der Klägerin von der Ö-GesmbH mitgeteilt, daß die ihr fakturierten und mit Lieferschein avisierten 3796 kg Blei nicht eingelangt seien. Die Klägerin fragte sofort bei der Beklagten nach. Ihr wurde erklärt, man könne nicht sagen, was mit dem Blei los sei, man müsse erst beim Frächter rückfragen. Als sich nach mehreren erfolglosen Urgenzen herausstellte, daß die Beklagte zwar eine Übernahmsbestätigung über die 15 005 kg Blei, nicht aber eine Bestätigung über die Übernahme der 3796 kg Blei vorweisen konnte, sandte ihr die Klägerin am 31. Juli 1979 eine Schadensrechnung über 91 100.40 S. Am 2. August 1979 erstattete die Beklagte Strafanzeige wegen Verdachtes des Diebstahls von 3796 kg Blei. Die zu 35 St 11218/80 der Bundespolizeidirektion Wien geführten Erhebungen blieben ohne Ergebnis. Auch private Nachforschungen der Beklagten auf dem Gelände der Ö-GesmbH waren erfolglos. Der Wert der 3796 kg Blei am Ort und zur Zeit der Übernahme der Beförderung zuzüglich anteiliger Fracht- und Zollspesen beträgt 76 919.75 S.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, es seien beide im § 413 HGB geregelte Fälle verwirklicht, in welchen dem Spediteur die Rechte und Pflichten eines Frachtführers zukämen. Allerdings habe sich die Beklagte den AÖSp unterworfen. Auf die vorliegende Beförderung finde aber das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) Anwendung, dessen Art. 41 abweichende Vereinbarungen ausschließe. Dies gelte auch für einen Spediteur, der nach den §§ 412 und 413 HGB die Rechte und Pflichten eines Frachtführers habe. Nach Art. 17 CMR hafte der Frachtführer für Verlust des Gutes, sofern er zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme und der Ablieferung eintrete. Die Ablieferung sei ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, das vorliege, wenn der Frachtführer den am Gut zum Zweck der Beförderung erlangten Besitz aufgebe und auf den Empfänger oder auf den von diesem Bestimmten übertrage. Der Empfänger müsse das Gut übernehmen. Weder das einseitige Aufgeben des Gewahrsams durch den Frachtführer noch die Übergabe an einen unrichtigen Empfänger sei eine ordnungsgemäße Ablieferung. Eine Ablieferung in diesem Sinne habe die Beklagte für die 3796 kg Weichblei nicht nachgewiesen. Demnach sei davon auszugehen, daß die Ware zwar vom Erfüllungsgehilfen der Beklagten übernommen, nicht aber abgeliefert worden sei. Folglich hafte die Beklagte für diesen Verlust. Eine Verletzung der Rügepflicht nach Art. 30 CMR liege nicht vor. Zinsen stunden gemäß Art. 27 CMR erst ab schriftlicher Reklamation zu.

Der gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und wies das Klagebegehren ab. Es legte seiner Entscheidung die unbekämpft gebliebenen Tatsachenfeststellungen zugrunde und führte in rechtlicher Hinsicht aus: Die Haftung der Kläger sei auch unter Annahme ihrer Frachtführerstellung zu verneinen. Nach Art. 17 CMR hafte der Frachtführer für gänzlichen oder teilweisen Verlust des Gutes, sofern der Verlust zwischen der Übernahme des Gutes und seiner Ablieferung eintrete. Entscheidend sei, ob der festgestellte Verlust vor oder nach der Ablieferung erfolgt sei. Unter Ablieferung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 CMR verstehe man den Vorgang, durch den der Frachtführer die Gewahrsame an dem beförderten Gut im Einvernehmen mit dem Empfänger aufgebe und diesen in den Stand setze, tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben. Die Ablieferung sei also nicht erst mit dem Übergang der tatsächlichen Sachherrschaft auf den Empfänger, sondern bereits dann abgeschlossen, wenn ein Verhältnis hergestellt werde, das dem zur Entgegennahme bereiten Empfänger die Einwirkungsmöglichkeit auf das Gut einräume (Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach der CMR, 65; Ratz in GroßkommHGB[2] V, 416; Schlegelberger - Gessler, HGB[5] VI, 756, 757). Diese Zugriffsmöglichkeit habe der Empfänger regelmäßig bereits dann, wenn das beladene Transportfahrzeug den vom Absender oder vom Empfänger bestimmten Abladeort erreicht habe und die Ladeflächen zugänglich gemacht worden seien. Die Entladung des Fahrzeuges liege also grundsätzlich zeitlich später als die Ablieferung und demnach außerhalb des Haftungszeitraumes (Heuer a. a.O., 66; Muth, "Leitfaden zur CMR", 88). Das Erstgericht habe festgestellt, daß die später abhanden gekommene Bleimenge auf dem von Josef K geführten LKW aufgeladen gewesen sei, mit dem dieser ohne Fahrtunterbrechung bei der Empfängerin angekommen sei. Dort sei der LKW über Weisung eines Werkmeisters der Empfängerin von einem ihrer Arbeiter, einem Staplerfahrer, zur Gänze entladen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei das umstrittene Blei vorhanden gewesen und abgeladen worden. Da aber der LKW mit dem Ladegut auf dem Gelände der Empfängerin eingelangt und über Weisung des hiezu zweifellos befugten Werkmeisters entladen worden sei, sei das Gut abgeliefert und vom Empfänger angenommen worden. Der erst nach diesem Zeitpunkt eingetretene Verlust der 3796 kg Blei liege somit außerhalb des Haftungszeitraumes der Beklagten. Hafte die Beklagte aber nicht einmal als Frachtführerin, dann sei es entbehrlich, auf die Frage einzugehen, ob die Beklagte nicht nur die geringere Haftung eines Spediteurs nach den AÖSp treffe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Klägerin rügt, das Erstgericht habe einen - in der Revisionsschrift näher ausgeführten - wichtigen Teil der Aussage des Zeugen Raimund M übergangen und dadurch die unrichtige Feststellung getroffen, die gegenständliche Menge Blei sei bei der Ö-GesmbH eingelangt und auch abgeladen worden. Sie bekämpft damit die Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Dies ist entgegen der von der Beklagten in der Revisionsbeantwortung vertretenen Auffassung zulässig, weil die Klägerin in erster Instanz obsiegt hatte - das teilweise Unterliegen im Zinsenbegehren muß hier unberücksichtigt bleiben - und deshalb nicht verpflichtet war, die ihr nachteilige, von ihr für unrichtig gehaltene Feststellung im Berufungsverfahren zu bekämpfen. Wenn das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Fall - eine derartige Feststellung als unbekämpft seinen Entscheidungen zugrunde gelegt hat und infolge einer anderen rechtlichen Beurteilung zu einer Abänderung des Urteiles erster Instanz in einem für die in erster Instanz siegreiche Partei ungünstigen Sinn gelangt ist, kann diese Feststellung noch im Revisionsverfahren bekämpft werden, vorausgesetzt, daß sie für die rechtliche Beurteilung wesentlich ist (SZ 26/262; MietSlg 22 636/27; 6 Ob 511/77 u. a.) und das Berufungsgericht nicht ausgesprochen hat, daß es der Beweiswürdigung des Erstgerichtes jedenfalls beitrete (7 Ob 779/79). Unter welchem Revisionsgrund die Ausführungen zur Bekämpfung der Feststellungen des Erstgerichtes erstattet werden, spielt keine Rolle (5 Ob 505/79; 8 Ob 105, 106/80).

Die nunmehr bekämpfte Feststellung über das Einlangen und Abladen der Ware bei der Ö-GesmbH ist bei Subsumierung des Vertrages unter die Bestimmungen der CMR von Bedeutung. Ob sie auch für den Fall entscheidungswesentlich wäre, daß die Haftung der Beklagten nach den AÖSp zu beurteilen wäre, kann auf sich beruhen, weil - wie noch zu zeigen sein wird - die Beklagte gegenüber der Klägerin jedenfalls nur die Rechte und Pflichten eines Frachtführers hatte und diese zur Anwendung der CMR-Bestimmungen führen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Feststellungen, wonach die Beklagte - ihrer Firmenbezeichnung nach eine Speditions- und TransportgesmbH - von der Klägerin beauftragt worden ist, 270 t Blei "für sie aus Deutschland nach Wien zu transportieren", nicht zur Beurteilung führen muß, daß von Anfang an ein Frachtvertrag abgeschlossen wurde, auf den zumindest deshalb, weil der Transport mit Kraftfahrzeugen von Deutschland nach Österreich erfolgte, die Bestimmungen der CMR anzuwenden wären. Wie schon das Erstgericht zutreffend dargelegt hat, muß die im vorliegenden Fall jedenfalls zur Anwendung kommende Bestimmung des § 413 HGB - die Parteien hatten sich nach den Feststellungen auf einen festen Satz der Beförderungskosten geeignet (§ 413 Abs. 1 HGB) und die Versendung wurde als Sammelladung bewirkt (§ 413 Abs. 2 HGB) - zur Anwendung der CMR-Bestimmungen und damit zur Unwirksamkeit einer allfälligen Vereinbarung über die Geltung der AÖSp führen. Auch wenn daher davon ausgegangen wird, daß die Parteien keinen Frachtvertrag, sondern einen Speditionsvertrag geschlossen hatten, hatte die Beklagte, soweit aus § 413 HGB nichts anderes hervorgeht, nur die Rechte und Pflichten eines Frachtführers (Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3] III, 314; Schlegelberger, HGB VI[5], 570). Diesbezüglich ist allerdings strittig, ob nur die frachtvertraglichen Bestimmungen der §§ 425 ff. HGB zur Anwendung zu kommen haben oder auch die Normen des Sonderfrachtrechtes (vgl. dazu die von Helm im GroßKomm. HGB[3] in Anm. 2 zu Art. 41 CMR, Anhang III zu § 452, wiedergegebene Rechtsprechung und Literatur; Helm a. a.O., Anm. 5 zu § 412 und Anm. 7 zu § 413; Schlegelberger a.a.O., 565, 570, 574 ff.). Der erkennende Senat gibt der Auffassung den Vorzug, nach welcher unter den nach § 413 HGB zur Anwendung gelangenden Bestimmungen nicht nur jene der §§ 425 ff. HGB, sondern, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, auch die Bestimmungen des Sonderfrachtrechtes, z. B. der CMR zu verstehen sind (VersR 1972, 873; BGHZ 65, 343; Schlegelberger a.a.O., 570, 574; so jetzt auch offensichtlich Helm in GroßKomm. a.a.O., Anm. 7 zu § 413 bezüglich der Spedition zu festen Kosten; derselbe a.a.O., Anm. 2 zu Art. 41 CMR, Anhang III zu § 452 HGB).

Nach dem im vorliegenden Fall somit zur Anwendung kommenden Art. 41 CMR sind Vereinbarungen, soweit diese von den Bestimmungen der CMR abweichen, nichtig. Da die CMR eine Beschränkung der Haftung im Sinne der §§ 2, 51 ff. AÖSp nicht kennt, wäre die von der Beklagten diesbezüglich behauptete Vereinbarung über die Anwendung der AÖSp ebenfalls nichtig, weshalb gar nicht darauf eingegangen werden braucht, ob eine solche Vereinbarung zustande gekommen ist.

Sind aber nach diesen Erwägungen die Bestimmungen der CMR anzuwenden, dann kommt es für die Haftung nach Art. 17 CMR darauf an, ob der Verlust der Ware zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme und ihrer Ablieferung eingetreten ist.

Soweit die Klägerin die Beurteilung des Berufungsgerichtes, wonach der festgestellte Sachverhalt als Ablieferung zu beurteilen sei, bekämpft, kann ihr nicht gefolgt werden. Unrichtig ist die Behauptung der Klägerin, das Berufungsgericht habe die einseitige Aufgabe der Gewahrsame am Frachtgut als Ablieferung angesehen. Das Berufungsgericht hat vielmehr ausdrücklich davon gesprochen, daß der Frachtführer im Einverständnis mit dem Empfänger die Gewahrsame aufgibt und diesen in den Stand setzt, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben. Diese - wie auch die weiteren diesbezüglichen Ausführungen - entsprechen der Rechtsprechung (2 Ob 51/80) und Lehre (vgl. außer den vom Berufungsgericht zitierten Belegstellen noch Hämmerle - Wünsch a.a.O., 179; Helm a.a.O., Anm. 12 zu § 429). Mit dem in diesem Zusammenhang gegebenen Hinweis auf die Ablieferung als zweiseitiges Rechtsgeschäft ist für die Klägerin schon deshalb nichts gewonnen, weil im vorliegenden Fall gar nie behauptet wurde, daß es den an der Ablieferung beteiligten Personen an der Berechtigung hiezu gefehlt hätte, und diese hinsichtlich der 15 t Blei vielmehr zweifellos als gegeben angesehen worden ist.

Da sich das Berufungsgericht mit einer nach den vorstehenden Ausführungen für die Entscheidung wesentlichen Tatsachenfeststellung, die im Revisionsverfahren zulässigerweise bekämpft worden ist, nicht auseinandergesetzt hat, mußte sein Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Anmerkung

Z54160

Schlagworte

Spediteur als Frachtführer, Anwendbarkeit des (Sonder-)Frachtrechtes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0060OB00790.81.1104.000

Dokumentnummer

JJT_19811104_OGH0002_0060OB00790_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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