Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5.November 1981
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Gerstberger als Schriftführers in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg als Schöffengerichts vom 24.Juni 1981, GZ. 11 b Vr 99/81-23, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Bruckner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 8.Mai 1956 geborene Werkzeugmacher Franz A wurde des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG. schuldig erkannt.
Ihm liegt zur Last, in Wien, in Niederkreuzstetten und im Raum Wolkersdorf 1. zwischen Jänner 1977 und 3.Februar 1981 vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte, und zwar rund 4600 Gramm Haschisch, rund 150 Gramm Marihuana und eine geringere Anzahl LSDTrips (jeweils guter Qualität), in solcher Menge in Verkehr gesetzt zu haben, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte; 2. zwischen 1973 und 3.Februar 1981
unberechtigt Suchtgifte, nämlich weitere rund 1200 Gramm Haschisch erworben bzw. besessen zu haben. Er wurde hiefür unter Anwendung des § 28 StGB. gemäß § 12 Abs 1
und 2 SuchtgiftG. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und zu einer Geldstrafe von 50.000 S (im Nichteinbringungsfall 2 Monate Ersatzfreiheitsstrafe) sowie gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG. zu einer Verfalls- (Wertersatz)strafe von 332.500 S (im Nichteinbringungsfall 10 Monate Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Schließlich erging - u.a. hinsichtlich des sichergestellten Suchtgiftrests - ein auf § 12 Abs 3 SuchtgiftG. gestütztes Verfallserkenntnis.
Den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. (1) und die gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG. verhängte Verfallsersatzstrafe bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 4, 5 bzw. 11
StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Einen Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seiner Beweisanträge auf Einvernahme der Zeugin Theresia B, der Mutter des ihn belastenden Zeugen Josef B, und auf Beischaffung eines ärztlichen Attests über den psychischen Zustand des Zeugen Josef B bei seiner Einvernahme durch die Gendarmerie, der zumindest damals drogenabhängig gewesen sei. Bei Durchführung dieser Beweisanträge wäre nach Meinung des Beschwerdeführers hervorgekommen, daß Josef B im Zeitpunkt seiner sicherheitsbehördlichen Vernehmung entweder unter erheblichem Drogeneinfluß stand oder aber unter Entzugserscheinungen litt, was Rückschlüsse auf die (fehlende) Verläßlichkeit seiner den Beschwerdeführer belastenden, vom Erstgericht aber als glaubwürdig angesehenen Angaben zugelassen hätte; dies wäre wiederum von Einfluß auf das Strafausmaß gewesen.
Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor:
Das Schöffengericht wies den Antrag auf Einvernahme der Zeugin Theresia B (S. 156, 164) im wesentlichen mit der im Akteninhalt gedeckten (S. 160 unten;
162 oben) Begründung ab (S. 165), daß sowohl Josef B wie auch der ihn vernehmende Gendarmeriebeamte Johann C angaben, jener sei bei seiner Vernehmung durch die Sicherheitsbehörden nicht unter Drogeneinfluß gestanden.
Die Beischaffung des ärztlichen Attests hielt das Erstgericht deshalb für entbehrlich, weil die Vernehmungsfähigkeit des Zeugen B schon aus den Angaben des Zeugen C hervorging, der bei dem Genannten weder Entzugserscheinungen noch einen Drogenrausch feststellte; B wies auch keine Einstichstellen auf und hatte unverdächtige Leberwerte.
Dieser Argumentation ist beizupflichten. Ihr ist noch beizufügen, daß der Zeuge Josef B auch bei seinen späteren gerichtlichen Vernehmungen die den Angeklagten belastenden Angaben im wesentlichen aufrechterhielt (S. 146 f.; 160). Daß der Zeuge auch bei diesen Aussagen unter Drogeneinfluß gestanden wäre oder seine Aussageverläßlichkeit mindernde Abstinenzerscheinungen aufgewiesen hä Aes behauptet der Beschwerdeführer nicht.
In seiner Mängelrüge wirft der Beschwerdeführer dem Urteil inneren Widerspruch, Unvollständigkeit, Undeutlichkeit und unzureichende Begründung vor.
Die Mangelhaftigkeit der Urteilsbegründung liegt nach Meinung des Nichtigkeitswerbers im wesentlichen darin, daß das Schöffengericht auf Grund der Gendarmerieerhebungen und von Zeugenaussagen davon ausging, er habe zwischen Jänner 1977 und dem 3.Februar 1981 rund 4600 Gramm Haschisch, etwa 150 Gramm Marihuana und eine geringere Anzahl LSD-Trips jeweils guter Qualität in Verkehr gesetzt. Keiner der Zeugen habe aber angegeben, noch nach dem 1.Oktober 1980 Drogen vom Beschwerdeführer erhalten zu haben. Dieser habe selbst erklärt, ab Oktober 1980 (aus Angst vor Entdeckung) den Drogenhandel eingestellt zu haben. Verkürze man aber den Tatzeitraum, verringere sich auch die von ihm verkaufte Haschischmenge von 4600 auf 4500 Gramm.
Damit zeigt der Beschwerdeführer keinen Umstand auf, der den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z. 5 StPO.
oder sonst einen mit Nichtigkeit bedrohten Fehler des Urteils verwirklichen würde, sondern bekämpft lediglich in unzulässiger und damit unbeachtlicher Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichts. Dieses hat auf Grund der Angaben des Angeklagten und der vernommenen Zeugen vor der Gendarmerie die Menge des von A erworbenen Haschisch mit 5800 Gramm festgestellt, wovon ca. 4600 Gramm weitergegeben wurden, eine Menge, von der auch die Berechnung des Angeklagten in seiner Rechtsmittelschrift nur unwesentlich abweicht. Sowohl der Beschwerdeführer wie auch einige Zeugen versuchten später, von ihren ursprünglichen Mengenangaben abzurücken, was das Erstgericht in Ausübung freier Beweiswürdigung mit einwandfreier Begründung als unglaubhaft beurteilte (S. 173). Der Zeitraum, in dem der Angeklagte mit Haschisch handelte, ergibt sich aus der Aussage der Zeugen; insbesondere erklärte Josef B vor der Gendarmerie, der Angeklagte (und auch andere Personen) hätten bis Anfang Februar 1981 Rauschgift an ihn weitergegeben (S. 63). Zuzugeben ist dem Beschwerdeführer, daß er dem genannten Zeugen nach dessen Angaben erst ab Herbst 1979 (S. 63, 65) Suchtgift verkaufte und nicht, wie im Urteil angenommen (S. 172), mit diesen Lieferungen schon im Herbst 1977 begann. Dies trifft jedoch keinen entscheidungswesentlichen Umstand, weil der Rechtsmittelwerber selbst einräumte, seit Anfang 1977 Suchtgift verkauft zu haben (S. 13, 22) und es gleichgültig ist, an wen er dieses im einzelnen weitergab.
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ist dem Ersturteil auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, wie es - gedeckt durch die eigenen Angaben des Angeklagten - zu der von diesem verhandelten Menge von 4600 Gramm Haschisch kam: Es ist dies jene Menge, die der Angeklagte nach seinen Angaben vor der Gendarmerie (S. 11) erwarb (5800 Gramm), abzüglich seines von ihm mit 1200 Gramm bezifferten Eigenverbrauchs (S. 13). Daß das Erstgericht bei diesen Mengenannahmen von den Angaben des Angeklagten vor der Gendarmerie ausging und nicht von späteren Bekundungen, in denen versucht wurde, die Mengen kleiner erscheinen zu lassen, stellt (abermals) einen Akt freier Beweiswürdigung dar und kann im Nichtigkeitsverfahren nicht bekämpft werden. Im übrigen betrifft die vom Beschwerdeführer relevierte Mengendifferenz auch keinen für den Schuldspruch zu Punkt 1 wesentlichen Umstand.
Eine den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z. 11
StPO. verwirklichende Überschreitung der Strafbefugnis erblickt der Beschwerdeführer schließlich darin, daß neben der gemäß § 12 Abs 1 und 2 SuchtgiftG. auferlegten Geldstrafe von 50.000 S auch nach Abs 4 leg. cit. eine Verfallsersatz-Geldstrafe von 332.500 S gleich dem Wert der von ihm verkauften Suchtmittel auferlegt wurde.
Hier sei nämlich nur vom gemeinen Wert (dem Einkaufspreis) des Suchtgifts in der Höhe von 60 S je Gramm auszugehen, weil der vom Beschwerdeführer vorgenommene und vom Erstgericht in Anschlag gebrachte Gewinnaufschlag von 10 S je Gramm bereits mit der Geldstrafe nach § 12 Abs 1 und 2
SuchtgiftG. abgeschöpft worden sei und ihm nicht doppelt angerechnet
werden dürfe.
Auch dieses Argument schlägt nicht durch:
Die Verfallsersatzstrafe nach § 12 Abs 4 SuchtgiftG. ist in der Höhe des für das Suchtgift wirklich erzielten Erlöses zu bestimmen; ist dieser nicht festzustellen oder entspricht er offenbar nicht dem wahren Wert, so ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes vom Wert des Suchtgifts auszugehen. So gesehen erweist sich angesichts des nach den Urteilsannahmen von den Suchtgiftabnehmern des Angeklagten bezahlten und von ihm verlangten Grammpreises (für Haschisch und Marihuana) von 70 S die mit 332.500 S bestimmte Verfallsersatzstrafe als richtig bemessen.
Im übrigen droht § 12 Abs 1 SuchtgiftG., und zwar unabhängig davon, ob eine Verfallsersatzstrafe ausgesprochen wurde oder nicht, neben einer Freiheitsstrafe auch eine Geldstrafe bis zu 225.000 S an. Bei der Bemessung dieser Geldstrafe, deren Verhängung dem Ermessen des Gerichts überlassen bleibt, ist gemäß § 12 Abs 2
SuchtgiftG. auf den Nutzen Bedacht zu nehmen, der durch die Tat erzielt worden ist oder erzielt werden sollte;
um den Nutzen auszumitteln, sind die Gestehungskosten abzuziehen. Unter Zugrundelegung des vom Angeklagten selbst angegebenen Gewinns von 10 S pro verkauftem Gramm Suchtgift bestimmte das Erstgericht diese Geldstrafe zutreffend mit 50.000 S. Von einer - wie der Beschwerdeführer meint - gesetzwidrigen Doppelbestrafung oder einer unrichtigen Berechnung der ausgesprochenen Verfallsersatzstrafe kann daher keine Rede sein.
Eine Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 StPO. in Ansehung des nach § 12 Abs 3 SuchtgiftG. für verfallen erklärten Pfeifenkopfs (S. 171) unterblieb nur deshalb, weil der Verteidiger im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof erklärt hat, 'auf die Ausfolgung des Pfeifenkopfs' zu verzichten, womit ein 'Nachteil des Angeklagten' (§ 290 Abs 1 StPO.) durch das Verfallserkenntnis entfällt. Ungeachtet dessen hält der Oberste Gerichtshof an seiner zu § 26 StGB. (auch in Verbindung mit §§ 12 und 16 - früher: §§ 6 und 9 - je Abs 3
SuchtgiftG.) entwickelten Rechtsprechung fest (vgl. dazu LSK 1977/5 und 1978/227; EvBl 1980/9), wonach der Verfall oder die Einziehung von Gegenständen, die nur dem Genuß eines Suchtmittels dienen (der Genuß ist nicht strafbar), gemäß § 281 Abs 1 Z. 11 StPO. nichtig ist. Hinzugefügt sei, daß der Angeklagte seinerzeit den Pfeifenkopf ('die Pfeife') den Erhebungsbeamten - offenbar zu Untersuchungszwecken - freiwillig übergeben, aber nicht auf sein Eigentumsrecht verzichtet hat (S. 15). In dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht wurde erst mit dem nichtigen Verfallserkenntnis eingegriffen.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, den Umstand, daß diese durch längere Zeit fortgesetzt wurden, und die relativ große Suchtgiftmenge als erschwerend, hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und das Geständnis vor der Gendarmerie, welches zur Überführung wesentlich beitrug, als mildernd.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe, der Geldstrafe und 'vorsichtshalber' auch der Wertersatzstrafe an.
Der Berufung kommt Berechtigung nicht zu:
Das Schöffengericht stellte nämlich die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig fest und unterzog sie auf der Basis der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Normen (§ 32 StGB.) einer zutreffenden Beurteilung. Mit Recht hob das Erstgericht auch die (u.a.) bei Suchtgiftverbrechen besonders zu berücksichtigenden generalpräventiven Erwägungen hervor. Die gemäß § 12 Abs 1 SuchtgiftG. verhängte Freiheitsstrafe ist somit angemessen. Aber auch die nach dieser Gesetzesstelle verhängte Geldstrafe von 50.000 S ist nicht überhöht. § 12 Abs 2
SuchtgiftG. ordnet nämlich - wie bereits vorstehend angeführt - an, die Geldstrafe sei so zu bemessen, daß sie den Nutzen übersteige, der durch die strafbare Handlung erzielt wurde oder erzielt werden sollte. Ausgehend von einem (festgestellten) Gewinn von 10 S pro Gramm des - im Ausmaß von 4600 Gramm Haschisch und 150 Gramm Marihuana - verkauften Suchtgifts wurde die Geldstrafe richtig bemessen.
Auf die gegen die Verhängung der Verfallsersatz-Geldstrafe erhobene Rüge wurde, zumal es sich bei der abermaligen Anfechtung dieser Strafe in der Berufung nur um ein Vergreifen im Rechtsmittel handelt, bei Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde eingegangen; ist doch der Ausspruch gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG. nur aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z. 11 StPO. anfechtbar, weil für Ermessenserwägungen kein Raum bleibt (vgl. u.a. LSK 1975/108 und 1981/16).
Abschließend ist dem Berufungswerber zu erwidern, daß die Umstände, wonach es sich bei den von ihm belieferten Kunden größtenteils um Bekannte handelte, die ihn um den Verkauf von Suchtgift ersuchten, ferner, daß er in der letzten Zeit seine Verkaufstätigkeit einschränkte und seinen Haschischkonsum abzubauen und überhaupt einzustellen trachtete, im Rahmen des § 32 StGB. Berücksichtigung fanden. Der zusätzlich reklamierte Milderungsumstand des § 34 Z. 10 StGB. kann dem Angeklagten keinesfalls zukommen, weil selbst eine unverschuldete drückende Notlage, die nach dem fkteninhalt beim Angeklagten gar nicht gegeben war, den Schuldgehalt eines kriminellen Suchtgifthandels nicht zu mildern vermächte.
Anmerkung
E03409European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00143.81.1105.000Dokumentnummer
JJT_19811105_OGH0002_0130OS00143_8100000_000