Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. November 1981
unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schlögl als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A und andere wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 21. April 1980, GZ 18 E Vr 2723/79-47, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:
Spruch
Im Verfahren zu AZ 18 E Vr 2723/79 des Landesgerichtes Salzburg wurde durch das Urteil des Einzelrichters vom 21. April 1980, ON 47, insoweit es zu Pkt II des Schuldspruches Franz A, Peter B, Johann C und Franz D deshalb, weil sie es unterlassen haben, dem Simon E, dessen Körperverletzung sie verursacht hatten, die erforderliche Hilfe zu leisten, obwohl ihnen die Hilfeleistung zumutbar gewesen wäre, des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB schuldig erkannte, das Gesetz in der Bestimmung des § 94 Abs 4 StGB verletzt.
Dieses Urteil, das im übrigen (Pkt I und II, soweit dieser Schuldspruch wegen des zum Nachteil des Simon E verübten Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs 1
StGB erfolgte) unberührt bleibt, wird hinsichtlich der Verurteilten Franz A, Johann C und Franz D in seinem (weiteren) zu II ergangenen Schuldspruch (auch) wegen Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben, ferner werden alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen, insbesondere die Punkte 2, 5, 6 und 8 der Endverfügung vom 11. Dezember 1980, ON 51, 53 und 54, aufgehoben und es wird gemäß §§ 288 Abs 2 Z 3 und 292
StPO in der Sache selbst erkannt:
Es werden für die ihnen nach den unbekämpft bleibenden Teilen des Schuldspruches zur Last fallenden Vergehen, und zwar Franz A zu I der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB und zu II des Raufhandels nach § 91 Abs 1 StGB, Johann C und Franz D zu II des Raufhandels nach § 91 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 91 Abs 1 StGB, Franz A unter Bedachtnahme auf § 28 StGB, zu Geldstrafen verurteilt, wie folgt:
Franz A zu 140 (einhundertundvierzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit 70 (siebzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, Johann C zu 80 (achtzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit 40 (vierzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und Franz D zu 90 (neunzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 45 (fünfundvierzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe.
Der einzelne Tagessatz wird bei Franz A mit S 112,-- (einhundertzwälf Schilling), bei Johann C mit S 89,-- (neunundachtzig Schilling) und bei Franz D mit S 71,-- (einundsiebzig Schilling) bestimmt.
Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht der Angeklagten und die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche werden aus dem Ersturteil übernommen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Salzburg vom 21. April 1980, GZ 18 E Vr 2723/79-47, wurden der am 24. Mai 1956 geborene Franz A, der am 26. Juni 1950 geborene Peter B, der am 2. August 1958 geborene Johann C und der am 25. September 1955 geborene Franz D ua zu II./ (abweichend von dem die Zufügung der nachangeführten Verletzungen als Vergehen der schweren Körperverletzung als Beteiligte (im Sinn einer Mittäterschaft) nach §§ 12, 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB inkriminierenden Anklagevorwurf) der Vergehen des Raufhandels nach § 91 Abs 1 StGB und (anklagekonform - vgl S 221 f) des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß sie am 30. April 1978 in Hintersee an einer Schlägerei tätlich teilgenommen haben, wobei Simon E mit Biergläsern, Bierflaschen, gläsernen Aschenbechern und einem eisernen Kerzenständer beworfen wurde sowie Faustschläge gegen den Körper erhielt, wodurch der Genannte eine Schädelprellung mit Hautabschürfungen im Gesicht, einen Bluterguß im Bereich des rechten Auges, eine leichtgradige Gehirnerschütterung, eine Brustkorbprellung links und eine 7 cm lange Schnittverletzung an der linken Handkante erlitt, welche eine Nervenverletzung bzw - trennung, somit eine schwere Verletzung, zur Folge hatte, und sie es unterlassen haben, Simon E, dessen Körperverletzung sie verursacht haben, die erforderliche Hilfe zu leisten, obwohl ihnen die Hilfeleistung zumutbar gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Der Schuldspruch der genannten Personen zu Pkt II des Urteilsspruches auch wegen des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 94 Abs 4 StGB ist ein Täter nach Abs 1
und 2 dieser Gesetzesstelle nicht zu bestrafen, wenn er schon wegen der Verletzung mit der gleichen oder einer strengeren Strafe bedroht ist.
Ohne sich mit dieser, einen Schuldspruch auch in der Richtung des § 94 Abs 1 StGB neben einem wegen desselben Tatgeschehens ergangenen Schuldspruch nach § 91 Abs 1
StGB ausschließenden Subsidiaritätsklausel - beide Vergehen sind mit der gleichen Strafe bedroht - ausdrücklich im Urteil auseinanderzusetzen, ging der Einzelrichter des Landesgerichtes Salzburg, wie aus der darauf bezüglichen Begründung hervorgeht (S 248 unten), ersichtlich davon aus, daß jeder der Beschuldigten - wenn auch nicht nachgewiesen werden könne von wem die leichten Verletzungen zugefügt wurden - diese 'verursacht' habe, was ungeachtet des (nur) in der Richtung des § 91 Abs 1 StPO ergangenen Schuldspruchs, der lediglich die schwere Verletzung des Simon E abdecke, die zusätzliche Anwendung des § 94 Abs 1 StGB bedinge.
Abgesehen davon, daß das Erstgericht vorliegend die leichten Verletzungen des Opfers keinem der einzelnen Beschuldigten ursächlich zuzuordnen und auch keine, Kollektivhaftung begründende Tätergemeinschaft zu konstatieren vermochte (S 246, 248), womit die Anwendbarkeit des § 94 Abs 1 StGB schon deshalb fraglich erscheint, weil Subjekt dieses Vergehens nur der sein kann, dessen (Einzel-)Verhalten für die Verletzung eines anderen kausal ist, kann der Rechtsansicht des Einzelrichters jedenfalls und auch, wenn man einen strafrechtlich relevanten Verursachungszusammenhang zwischen der vorsätzlichen Teilnahme an der Schlägerei und dem dadurch verursachten Erfolg als gegeben erachtete, nicht gefolgt werden, weil dann, wenn der Verletzte bei einem Raufhandel neben der - als objektive Bedingung der Strafbarkeit den Tatbestand nach § 91 StGB konstituierenden - schweren auch leichte Verletzungen erlitt, diese nach dem gleichen Grundsatz unter den im § 94 Abs 4 StGB genannten (Gesamt-)Begriff der 'Verletzung' fallen, wie bei vorsätzlicher Zufügung mehrerer, an sich teils leichter, teils schwerer Verletzungen im Zuge eines einheitlichen Geschehens nicht ein (wegen schwerer und wegen leichter Verletzungen geteilter) Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 83 Abs 1 StGB und nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB zulässig ist, und zwar unabhängig davon, ob eine der Verletzungen an sich schwer ist oder ob nur das Zusammentreffen aller eine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als 24-tägiger Dauer bewirkte.
Der rechtsirrige Schuldspruch auch wegen des Vergehens nach § 94 Abs 1 StGB gereicht den Verurteilten A, C und D zum Nachteil, weshalb in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes neben der Konstatierung des Gesetzesverstoßes gemäß § 292 StPO bei diesen Personen auch dieser verfehlte Schuldspruch und der Strafausspruch zu beheben war. Bei der Strafneubemessung konnte der Oberste Gerichtshof unter Ausschaltung des Erschwerungsgrundes des Zusammentreffens von zwei (C und D) bzw drei (A) Vergehen die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe übernehmen und erachtete auf dieser Basis die verhängten Strafen für tat- und tätergerecht. Bezüglich des Verurteilten Peter B konnte es mit der Feststellung der Gesetzesverletzung sein Bewenden haben, weil der Genannte in der Zwischenzeit (am 7. September 1981) verstorben ist.
Anmerkung
E03421European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0090OS00158.81.1110.000Dokumentnummer
JJT_19811110_OGH0002_0090OS00158_8100000_000