Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. November 1981
unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schlögl als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A und andere wegen des Verbrechens des gemeinschaftlichen Angriffes auf militärische Vorgesetzte nach § 20 MilStG und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Friedrich B gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 18. Februar 1981, GZ 8 Vr 7/80- 25, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift des Angeklagten und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 9. Dezember 1959 geborene Polizeischüler Friedrich B, der am 2. Februar 1959 geborene Landwirt Josef A und der am 20. Juli 1953 geborene Kraftfahrer Josef C 1.) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und 2.) des Verbrechens des gemeinschaftlichen Angriffs auf militärische Vorgesetzte nach § 20 MilStG schuldig erkannt, weil sie 1.) in der Zeit vom 3. September bis 8. September 1979 im Gemeindegebiet Rohrau - als sie dort an Truppenübungen des österreichischen Bundesheeres teilnahmen - ihren Gruppenkommandanten Wolfgang D wiederholt durch die Äußerung, sie würden ihm einen 'Denkzettel verpassen', sohin mit einer Verletzung am Körper, gefährlich bedroht haben, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;
2.) sich am 8. September 1979 in Bruckneudorf als Soldaten miteinander zusammengerottet und mit vereinten Kräften, mit Beziehung auf den Dienst, gegen ihren Gruppenkommandanten Zugsführer Wolfgang D, sohin gegen einen militärischen Vorgesetzten und Ranghöheren, eine gerichtlich strafbare Handlung gegen Leib und Leben, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, begangen haben, indem sie den Genannten durch Versetzen von Schlägen und durch Zubodenstoßen, sodaß Wolfgang D Nasenbluten und Zerrungen des linken inneren Kniegelenks-Seitenbandes und des vorderen Kreuzbandes erlitt, vorsätzlich am Körper verletzten, wobei die Tat eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Berufsunfähigkeit zur Folge gehabt hat und von drei Personen in verabredeter Verbindung begangen worden ist.
Diese Schuldsprüche bekämpft nur der Angeklagte Friedrich B mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO stützt. Die Beschwerde erweist sich jedoch in keiner Richtung hin als begründet.
Mit dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Abweisung des von seinem Verteidiger - ersichtlich mit Beziehung auf den Anklagevorwurf in der Richtung des § 20 MilStG - in der Hauptverhandlung nach 'einverständlicher Verlesung' der Zeugenaussage Johann E (vgl ON 8 und S 23 d.A) gestellten Antrages auf Einvernahme dieses Zeugen zum Beweis dafür, 'daß es falsch ist, daß die drei Angeklagten hinter E und D am Parkplatz nachgegangen sind' (S 107 d.A).
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge versagt.
Die persönliche Vernehmung eines Zeugen, dessen im Vorverfahren abgelegte Aussage 'einverständlich' (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) verlesen wurde, kann grundsätzlich nur dann mit Erfolg begehrt werden, wenn nach der erfolgten Verlesung Umstände hervorgekommen sind oder doch vom Antragsteller behauptet werden, die eine persönliche Vernehmung des Zeugen vor dem erkennenden Gericht im Interesse der Wahrheitsfindung erforderlich erscheinen lassen (sh Mayerhofer/Rieder, StPO, Nr 94 zu § 281 Z 4; SSt 36/31); hievon kann aber vorliegend keine Rede sein.
Abgesehen davon bedurfte es der begehrten Beweisaufnahme auch deshalb nicht, weil der Frage, ob die Angeklagten 'hinter D gingen', wie das Erstgericht richtig erkannt hat (sh S 112, 120 d.A), keine rechtliche Bedeutung zukommt, zumal weder E noch D (S 112 oben d.A) oder einer der Angeklagten im Verfahren ein solches 'Nachgehen' behaupteteten und auch in der Anklageschrift (ON 15) sowie im angefochtenen Urteil eine solche Situation nicht angenommen worden ist. Nach den Urteilskonstatierungen (S 118 unten d.A) sind die Angeklagten vielmehr innerhalb eines Zeitraumes von etwa einer Minute zum PKW des D gekommen und haben diesen gestellt. Durch die Abweisung des Beweisantrages wurden daher Verteidigungsrechte des Angeklagten B nicht beeinträchtigt. Einen den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO verwirklichenden Begründungsmangel erblickt der Beschwerdeführer zunächst im Fehlen zureichender Gründe für die Urteilsannahme der Absicht der Angeklagten Wolfgang D (nachhaltig) in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Dem genügt es jedoch zu erwidern, daß das Schöffengericht diese Absicht aus den von den Angeklagten in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken geäußerten Worten, dem Wolfgang D 'einen Denkzettel zu verpassen' - worunter nach Annahme des Erstgerichts die Androhung einer Verletzung am Körper zu verstehen war - abzuleiten vermochte, ohne mit den Denkgesetzen oder der forensischen Erfahrung in Konflikt zu geraten. Wenn der Angeklagte B jedoch - damit der Sache nach einen Feststellungsmangel iS der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO relevierend - behauptet, das Urteil enthält keine klaren Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, weil die Absicht, einzuschüchtern, nicht genüge, neglegiert er die zusätzliche Annahme des Schöffengerichtes, die Angeklagten - also auch der Beschwerdeführer -
hätten die zitierte drohende Äußerung getan, um Wolfgang D in Furcht und Unruhe zu versetzen (S 120), weshalb es diesbezüglich an einer gesetzmäßigen Darstellung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes mangelt. Da endlich - entgegen der Beschwerde, welche die inkriminierten Worte lediglich als 'milieubedingte Unmutsäußerung' beurteilt haben will - das Inaussichtstellen eines 'Denkzettels', unter den festgestellten Umständen also eines körperlichen Übels, an das der Betroffene noch lange denken soll, nachdem er es erlitten hat, die objektive Eignung besaß, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzufläßen (§ 74 Z 5 StGB) und es im übrigen zur Erfüllung des Tatbestandes nach § 107 StGB nicht erforderlich ist, daß der beabsichtigte Erfolg - Furcht und Unruhe - beim Opfer wirklich eintritt (EvBl 1967/41 ua), erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde zu diesem Faktum insgesamt als verfehlt. In Ansehung des Schuldspruches wegen des Verbrechens nach § 20 MilStG (Punkt 2) des Urteilssatzes) releviert der Beschwerdeführer in der Mängelrüge, zum Teil auch im Rahmen der Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, daß im angefochtenen Urteil weder eine auf Zufügung von Körperverletzungen (des Wolfgang D) gerichtete 'Absicht' der seiner Meinung nach bloß mit Mißhandlungsabsicht handelnden Angeklagten festgestellt wird, noch Gründe für die erfolgte Annahme einer darauf gerichteten verabredeten Verbindung oder Zusammenrottung der Angeklagten angegeben werden.
Dieses Vorbringen erweist sich jedoch ebenfalls als nicht stichhaltig.
Zunächst wird übersehen, daß auch die einem militärischen Vorgesetzten anläßlich eines tätlichen Angriffes mit Mißhandlungsvorsatz (§ 83 Abs 2 StGB) zugefügte schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs 1 StGB als Grunddelikt (§§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB) für den Verbrechenstatbestand des § 20 MilStG durchaus in Betracht kommt, weil dieses mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren pönalisierte Vergehen den im § 20 MilStG bezeichneten vorsätzlichen Straftaten gegen Leib und Leben zuzuordnen ist (vgl Kienapfel, BT I RN 271, 317; Foregger-Kunst, Militärstrafgesetz2, Erl.B. 3 zu § 20, S 96). Daß aber die Angeklagten bei ihren Attacken auf Wolfgang D mit dem (zumindest bedingten) Vorsatz gehandelt haben, D durch Mißhandlungen am Körper in seinem Wohlbefinden nicht unerheblich zu beeinträchtigen, kann nach Art der festgestellten Tätlichkeiten der Angeklagten (sh S 117; 118/119
d. A) überhaupt nicht zweifelhaft sein und wird ja auch in der Nichtigkeitsbeschwerde gar nicht in Frage gestellt. Die daraus für Wolfgang D entstandenen (für seine Gesundheit und für seine Berufsausübung nachteiligen) Folgen lagen keineswegs außerhalb des Risiko- oder des Adäquanzzusammenhanges eines derartigen Vorgehens und wurden daher den Angeklagten auch unter dem Gesichtspunkt des § 84 Abs 1 StGB (: länger als 24 Tage dauernde Berufsunfähigkeit des Verletzten als Folge der dem § 83 Abs 2 StGB zu unterstellenden Tat) ohne Rechtsirrtum zugerechnet. So gesehen bedurfte es auch nicht der vom Beschwerdeführer vermißten Urteilskonstatierung einer 'mit Verletzungsabsicht' erfolgten Zusammenrottung der Angeklagten. Die Urteilsannahme aber, daß die drei Angeklagten, die seit längerer Zeit beabsichtigt und dies auch vereinbart hatten, ihrem militärischen Vorgesetzten D einen 'Denkzettel zu verpassen', bei dem dann am 8. September 1979 unternommenen gemeinschaftlichen tätlichen Angriff auf den Genannten im bewußten und gewollten Zusammenwirken agiert haben (S 119-121 d.A), konnte das Schöffengericht mängelfrei sowohl auf das gemeinsame Vorgehen der Angeklagten gegen ihren Vorgesetzten als auch auf die eigene Verantwortung des Angeklagten B vor der Gendarmerie (sh S 31 d.A) und in der Hauptverhandlung (sh S 98, 99 d.A) stützen, wonach er und die beiden Mitangeklagten beschlossen hatten, sich an D nach Beendigung der Truppenübung zu revanchieren. Hiebei deutet die vom Erstgericht festgestellte Art und Weise, wie die drei Angeklagten innerhalb eines Zeitraumes von nur etwa einer Minute sich am Tatort (Parkplatz) einfanden und dort - um sich, wie vorher angekündigt, an
D zu rächen - diesen umstellten und mißhandelten (sh S 118 unten, 119 d.A), insbesondere in Verbindung mit den vorangegangenen Drohungen der Angeklagten zureichend die dem Urteil zugrundeliegende Annahme einer Zusammenrottung der Angeklagten (im Sinne einer räumlichen Verbindung von mindestens drei Personen zum Zwecke gemeinsamen tätlichen Vorgehens gegen den militärischen Vorgesetzen /sh Foregger-Kunst, MilStG2, S 96; vgl auch Leukauf/ Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 3 zu § 274/-), wie sie im § 20 MilStG (ua) als Tatbestandserfordernis normiert wird (vgl Zeugenaussagen D, S 101; 21 d.A;
Heribert G, S 105 d.A, und Johann E, S 23
unten d.A und ON 8).
Auch insoweit haften dem angefochtenen Urteil mithin weder
Feststellungs- noch Begründungsmängel an.
Soweit der Beschwerdeführer mit Berufung auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO die Tatsubsumtion unter § 20 MilStG mit der Behauptung bekämpft, es fehle an Urteilskonstatierungen, 'daß die Angeklagten in verabredeter Verbindung sich zusammenrotteten', geht er nicht von dem das Vorliegen dieser Tatbestandserfordernisse bejahenden Urteilssachverhalt aus und bringt solcherart den geltendgemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Dem sachlich unter den Nichtigkeitsgründen der Z 9
lit a und lit b des § 281 Abs 1 StPO vorgebrachten Einwand schließlich, das Erstgericht habe sich in Ansehung des Anklagevorwurfes nach § 20 MilStG nicht mit der Frage eines (deliktsspezifisch-vorsatzausschließenden) Tat- oder eines (schuldausschließenden) Rechtsirrtums der Angeklagten hinsichtlich ihrer (vermeintlich fehlenden) Soldateneigenschaft im Tatzeitpunkt befaßt, ist mit dem Hinweis darauf zu begegnen, daß sich keiner der Angeklagten, auch nicht der Beschwerdeführer B (sh S 98 ff d.A), vor dem erkennenden Gericht in dieser Richtung verantwortet hat, weshalb, zumal die Angeklagten (ebenso wie der von ihnen tätlich angegriffene Wolfgang D) zur Tatzeit (: 8. September 1979, ca 13 Uhr 30) noch ihre Soldatenuniform trugen, für das Erstgericht - das die tatsächlich noch bestehende Soldatenqualifikation der Angeklagten im Tatzeitpunkt zutreffend (vgl §§ 1 und 2 Z 1 MilStG, in Verbindung mit dem § 1 Abs 3 WehrG idF der WehrGNov BGBl Nr 221/1962 und 96/1969 /sh Foregger-Kunst, MilStG2 S 38/39/) bejahte (S 118 unten d. A) - kein Anlaß zu urteilsmäßigen Erörterungen darüber bestand, ob die Angeklagten nicht etwa der Meinung waren, daß sie 'bereits wieder Zivilisten seien'.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Friedrich B war mithin zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28 StGB, 20 MilStG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.
Hiebei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, wogegen es als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand in Betracht zog, daß die Tathandlungen durch ein gewisses Unverständnis des Wolfgang D begünstigt wurden.
Die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Reduzierung der Freiheitsstrafe auf ein die Anwendbarkeit des § 37 Abs 2 StGB ermöglichendes Maß anstrebt, ist nicht begründet.
Daß sich der Berufungswerber während des Strafverfahrens - also ab September 1979 - wohlverhalten hat, vermag den Milderungsgrund nach § 34 Z 18 StGB noch nicht herzustellen; hingegen ist der Berufung darin beizupflichten, daß dem Angeklagten angesichts seines Alters von unter 21 Jahren im Tatzeitpunkt der Milderungsgrund nach § 34 Z 1 StGB zusätzlich zustatten kommt.
Auch dies rechtfertigt aber mit Rücksicht auf den relativ hohen Schuld- und Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verfehlungen und auf die keineswegs untergeordnete Rolle des Angeklagten eine Unterschreitung der Mindeststrafe bzw die Anwendbarkeit des § 41 StGB nicht. Der Berufung mußte mithin ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03468European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0090OS00111.81.1110.000Dokumentnummer
JJT_19811110_OGH0002_0090OS00111_8100000_000