Norm
AußstrG §§229 ffKopf
SZ 54/166
Spruch
Der Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff. EheG kann nach dem Tode des anderen Ehegatten auch gegen dessen Verlassenschaft im außerstreitigen Verfahren geltend gemacht werden
Die Frist des § 95 EheG ist eine materiellrechtliche Fallfrist; wird sie nicht eingehalten, ist der Antrag nicht zurückzuweisen, sondern sachlich abzuweisen
OGH 11. November 1981, 6 Ob 719/81 (LGZ Wien 44 R 62/81; BG Favoriten 1 F 2/80)
Text
In dem am 21. November 1979 beim Bezirksgericht Döbling eingelangten Antrag führte die Antragstellerin aus, die Ehe mit dem Antragsgegner Michael F sei mit Urteil vom 15. Juni 1979, rechtskräftig seit 4. Juli 1979, aus dessen Alleinverschulden geschieden worden. Der Antragsgegner sei nicht bereit gewesen, sich mit ihr über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse zu einigen. Der Antragsgegner habe in Wien 19, H-Straße 140, die Wohnung Tür Nr. 4, bei welcher es sich um eine Eigentumswohnung handle, während des aufrechten Bestandes der Ehe erworben. Sie stellte den Antrag, das Gericht "wolle im Sinne des § 87 Abs. 1 EheG ein schuldrechtliches Rechtsverhältnis zu ihren Gunsten begrunden, wobei dem Antragsgegner aufgetragen werde, die Hälfte des Wertes dieser Wohnung an sie auszuzahlen".
Nach der Überweisung des Aktes an das Bezirksgericht Favoriten beantragte der Antragsgegner die Abweisung des Antrages. In der Folge wurde vom Vertreter des Antragsgegners nachgewiesen, daß der Antragsgegner am 29. Feber 1980 gestorben ist.
Mit Schriftsatz vom 19. Juni 1980 brachte die Antragstellerin vor, der Antragsgegner habe für die Wohnung einen Finanzierungsbeitrag in der Höhe von 71 900 S erbracht. Dabei habe es sich um aufzuteilende Ersparnisse gehandelt. Sie stellte den Antrag, hinsichtlich dieses Finanzierungsbeitrages das Verfahren fortzusetzen und über diesen Anspruch zu entscheiden.
Im Schriftsatz vom 1. September 1980, bei Gericht eingelangt am 4. September 1980, behauptete die Antragstellerin, der Antragsgegner habe kurz vor seinem Ableben von seinem Dienstgeber aus Anlaß der Pensionierung einen erheblichen Abfertigungsbetrag erhalten und beantragte diesbezüglich Erhebungen.
Das Erstgericht wies unter Punkt 1 seines Beschlusses vom 16. Oktober 1980 den Antrag auf Begründung eines schuldrechtlichen Verhältnisses gemäß § 87 Abs. 1 EheG an der Ehewohnung als Eigentumswohnung ab. Unter Punkt 2 des genannten Beschlusses wies es den Antrag auf Teilung eines Betrages von 71 900 S und einer Lohnabfertigung von mehr als 100 000 S zurück und verpflichtete unter Punkt 3 die Antragstellerin zum Kostenersatz.
Es begrundete die Zurückweisung der Anträge gemäß Punkt 2 seines Beschlusses damit, daß Ansprüche gegen die Verlassenschaft nach einem geschiedenen Gatten im streitigen Verfahren geltend zu machen seien.
Infolge Rekurses der Antragstellerin hob das Rekursgericht den angefochtenen Beschluß, der in seinem Punkt 1 als unbekämpft unberührt blieb, in seinem Punkt 2, also hinsichtlich der Zurückweisung der Anträge vom 19. Juni 1980 und 1. September 1980, auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf.
Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, die mit Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses zurückgewiesenen Anträge seien im Zuge eines anhängigen Verfahrens nach den §§ 81 ff. EheG gestellt worden. Es handle sich nicht um einen Antrag auf Nachtragsaufteilung, der innerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG gestellt werden müßte, sondern um weitere, während des laufenden Aufteilungsverfahrens gestellte Anträge. Die Stellung eines förmlichen Antrages könne einer Partei nicht zum Schaden gereichen, weil sie einen solchen Antrag jederzeit im Zuge des Verfahrens stellen könne. Da sogar die amtswegige Berücksichtigung nicht geltend gemachter Umstände gestattet sei, könne neues Vorbringen im anhängigen Verfahren bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung, und zwar in Form eines Antrages oder in anderer Form, erstattet werden.
Der Oberste Gerichtshof erachtete den Revisionsrekurs der Verlassenschaft nach Michael F als zulässig, obwohl das Rekursgericht keinen Rechtskraftvorbehalt im Sinne des § 232 Abs. 1 AußStrG beigesetzt hatte. Diese Bestimmung betrifft nämlich ebenso wie § 231 AußStrG nach ihrem Wortlaut und den Gesetzesmaterialien (916 BlgNR, XIV. GP, 32) nur die Sachentscheidung (Ent - Hopf, Das neue Eherecht, 214; JBl. 1981, 429; 1 Ob 751, 754/80). Für andere Entscheidungen, jedenfalls soweit sie das Verfahren aus formellen Gründen beenden, also etwa über die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens oder über die Zuständigkeit, gelten die allgemeinen Bestimmungen über das Außerstreitverfahren. Gegen eine abändernde Entscheidung des Rekursgerichtes ist also der Rekurs nach § 14 Abs. 1 AußStrG zulässig (JBl. 1980, 601; 1 Ob 751, 754/80). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht eine Sachentscheidung bezüglich der im Punkt 2 seines Beschlusses genannten Anträge abgelehnt, das Rekursgericht hat ihm eine solche Entscheidung aufgetragen. Damit liegt kein Fall des § 232 AußStrG vor. Mit Recht haben die Vorinstanzen die Gleichschrift des Revisionsrekurses nicht zugestellt und eine Rekursbeantwortung nicht abgewartet (1 Ob 751, 754/80 u. a.). Der OGH gab jedoch dem Revisionsrekurs nicht folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Soweit die Antragsgegnerin eine Sachentscheidung durch den OGH anstrebt, ist dies verfehlt. Wenn der angefochtene Beschluß sich nach seinem Wortlaut auch als Aufhebungsbeschluß darstellt, handelt es sich in Wahrheit doch um eine abändernde Entscheidung (vgl. Fasching IV, 442). Diese betrifft jedoch ebenso wie die erstgerichtliche Entscheidung lediglich die verfahrensrechtliche Frage der Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens. Eine meritorische Entscheidung liegt noch nicht vor. Durch eine Entscheidung in der Sache selbst würde daher der Instanzenzug geändert. In einem solchen Fall ist dem OGH die Entscheidung in der Sache selbst verwehrt.
Der Rekurs ist aber auch insoweit unberechtigt, als er die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebt. Die Rekurswerberin vertritt die Auffassung, die Anträge seien vom Erstgericht zu Recht zurückgewiesen worden, weil sie längst nach dem Ableben des Antragsgegners erfolgt seien. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Es findet sich keine gesetzliche Bestimmung, aus welcher entnommen werden könnte, daß ein geschiedener Ehegatte den Anspruch nach den §§ 81 ff. EheG nicht auch gegen die Verlassenschaft nach dem anderen Ehegatten im außerstreitigen Verfahren geltend machen könnte. Es kann daher ein auf die §§ 81 ff. EheG gestützter Antrag nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil der andere Ehegatte bereits verstorben ist. Dabei ist es allerdings entgegen der offensichtlichen Auffassung des Rekursgerichtes auch ohne Bedeutung, ob zum Zeitpunkt des Todes des Ehegatten das Verfahren gemäß den §§ 81 ff. EheG bereits anhängig war oder in welcher Form der Antrag gestellt wurde. Auch der Umstand, daß allenfalls die Antragstellung erst nach der im § 95 EheG bestimmten Jahresfrist nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe erfolgt, bildet keinen Zurückweisungsgrund. Bei dieser Frist handelt es sich um eine materiellrechtliche Fallfrist, bei deren Nichteinhaltung der Antrag sachlich abzuweisen, nicht aber zurückzuweisen ist.
Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels, die nicht als Kosten im Sinne des § 234 AußStrG angesehen werden können (JBl. 1980, 601), hat die Antragstellerin selbst zu tragen.
Anmerkung
Z54166Schlagworte
Aufteilungsverfahren nach dem Tod des anderen Ehegatten, Ehegatte, Aufteilungsverfahren nach Tod des anderen, Frist (§ 95 EheG), materiellrechtliche Fallfrist, Verlassenschaft, Inanspruchnahme durch AufteilungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0060OB00719.81.1111.000Dokumentnummer
JJT_19811111_OGH0002_0060OB00719_8100000_000