TE OGH 1981/11/12 7Ob46/81

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Veröffentlicht am 12.11.1981
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Norm

AMB Art7
ABS Art11 Abs1
VersVG §64 Abs1

Kopf

SZ 54/167

Spruch

Die Parteien können sich auf ein Abweichen von den in allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Regeln für ein Sachverständigenverfahren einigen; dessen Ergebnis bindet wie ein Verfahren nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen

Eine Sachverständigenfeststellung weicht von der Wirklichkeit nur dann im Sinne des § 64 Abs. 1 VersVG offenbar ab, wenn sich ihre Unrichtigkeit dem Sachkundigen aufdrängt; die Abweichung von anderen Gutachten genügt nicht. Im Rahmen der verbindlichen Sachverständigenfeststellung muß eine Beweiswürdigung des Gerichtes unterbleiben

OGH 12. November 1981, 7 Ob 46/81 (OLG Innsbruck 5 R 184/81; LG Innsbruck 12 Cg 729/78)

Text

Der Kläger kaufte im Jahre 1971 von der Firma L für sein Sägewerk in F ein Sägegatter, Type ES 30/28, Nr. 4999, und nahm es im November dieses Jahres in Betrieb. Mit Wirkung vom 1. Jänner 1972 schloß er für dieses Sägegatter bei der Beklagten eine Maschinenbruchversicherung mit einer ab 14. Jänner 1974 auf 900 000 S herabgesetzten Versicherungssumme ab. Dem Versicherungsvertrag wurden die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS), die Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von maschinellen Einrichtungen und Apparaten (Maschinenbruchversicherung = AMB) und die Zusatzbedingungen für diese Versicherung zugrunde gelegt. Die für den vorliegenden Rechtsstreit wesentlichen Bestimmungen der AMB und ABS lauten wie folgt:

"Art. 2 AMB (Versicherte Gefahren und Schäden).

1) Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz gegen unvorhergesehen und plötzlich eintretende Beschädigungen oder Zerstörungen der versicherten Sachen durch a) Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit, Fahrlässigkeit oder Böswilligkeit; b) unmittelbare Wirkungen der elektrischen Energie infolge von Erdschluß, Kurzschluß, übermäßige Steigerung der Stromstärke, Überschläge, Bildung von Lichtbögen u. dgl., mögen sie auch durch Isolationsfehler, Überspannungen, mittelbare Einwirkung atmosphärischer Elektrizität, wie Induktion, Influenz, hervorgerufen worden sein; c) Konstruktions-, Berechnungs- , Guß-, Material- und Herstellungsfehler; d) Zerbersten infolge von Zentrifugalkraft; e) Wassermangel in Dampfkesseln und Apparaten; f) Implosion oder sonstige Wirkungen von Unterdruck; g) Überdruck mit Ausnahme von Explosion gemäß Abs. 2 lit. a); h) Versagen von Meß-, Regel- oder Sicherheitseinrichtungen; i) Sturm, Frost und unmittelbare Wirkung von Eisgang; k) von außen mechanisch einwirkende Ereignisse.

(2) Der Versicherungsschutz erstreckt sich ohne Rücksicht auf die Entstehungsursache nicht auf Schäden, die eingetreten sind, a) - d) ... e) ... durch Abnützungs- und Alterserscheinungen, auch vorzeitige ...

Art. 11 Abs. 1 und 2 ABS (Sachverständigenverfahren).

(1) Jeder Vertragspartner kann verlangen, daß Ursache und Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden. Die Feststellungen, die die Sachverständigen im Rahmen ihrer Zuständigkeit treffen, sind verbindlich, wenn nicht nachgewiesen wird, daß sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen.

(2) Für das Sachverständigenverfahren gelten, soweit im folgenden nichts Abweichendes bestimmt wird, die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über Schiedsgerichte: a) Jeder Vertragspartner ernennt einen Sachverständigen. Jeder Vertragspartner kann den anderen unter Angabe des von ihm gewählten Sachverständigen zur Ernennung des zweiten Sachverständigen schriftlich auffordern. Erfolgt diese Ernennung nicht binnen zwei Wochen nach Empfang der Aufforderung, wird auf Antrag des anderen Vertragspartners der zweite Sachverständige durch das für den Schadenort zuständige Bezirksgericht ernannt. In der Aufforderung ist auf diese Folge hinzuweisen.

Beide Sachverständige wählen vor Beginn des Feststellungsverfahrens einen dritten als Obmann. Einigen sie sich nicht, wird der Obmann auf Antrag eines Vertragspartners oder beider Vertragspartner durch das für den Schadenort zuständige Bezirksgericht ernannt. b) Die Sachverständigen reichen ihre Feststellungen gleichzeitig dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer ein. Weichen die Ergebnisse der Feststellungen voneinander ab, übergibt der Versicherer sie unverzüglich dem Obmann. Dieser entscheidet über die strittig gebliebenen Punkte innerhalb der Grenzen beider Feststellungen und reicht seine Feststellungen gleichzeitig dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer ein."

Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 210 000 S samt Anhang. An dem versicherten Sägegatter sei am 24. März 1976 ein Schaden am Hauptlager aufgetreten. Ursache dieses Schadens sei wahrscheinlich eine kurzzeitige übermäßige Beanspruchung des Gatters gewesen, die durch ein gewaltsames Stoppen des Gatterrahmens aufgetreten sei. Es liege daher ein Versicherungsschutz genießender Maschinenbruchschaden vor. Im Zuge der außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen sei ein Sachverständigenverfahren durchgeführt worden, das jedoch keine Klärung der Schadensursache gebracht habe. Die vom Sachverständigen Dipl.-Ing. Franz P getroffene Feststellung, daß der Schaden an den Hauptlagern durch vorzeitige Abnützungserscheinungen verursacht worden sei, weiche offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich ab. Außerdem habe die Bestellung des Sachverständigen nicht den Bestimmungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (ABS und AMB) entsprochen.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und wendet Verjährung des Klagsanspruches ein, weil der Schaden bereits im Jahre 1975 eingetreten sei. Der behauptete Schaden falle auch nicht unter das versicherte Risiko der Maschinenbruchversicherung, weil der Lagerschaden auf normale Abnützungserscheinungen zurückzuführen sei. Die Beklagte sei aber auch deshalb leistungsfrei, weil der Kläger das Gatter nach dem Auftreten des Schadens weiter benützt und dadurch eine Obliegenheitsverletzung nach Art. 5 AMB begangen habe. Durch dieses Verhalten des Klägers sei nämlich der Schaden vergrößert und eine Schadensfeststellung erschwert worden. In einem durchgeführten Sachverständigenverfahren sei außerdem für die Streitteile bindend festgestellt worden, daß der Schaden am Hauptlager des Sägegatters durch Ermüdungserscheinungen des Materials aufgetreten sei. Schließlich sei das Gatter auch unterversichert gewesen, weshalb die Beklagte lediglich im Verhältnis der Unterversicherung zu einer Entschädigungsleistung verpflichtet sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen ergab eine in der Zeit vom 10. November bis 13. November 1975 durch einen Monteur der Firma L durchgeführte Überprüfung des Gatters, daß dessen Hauptlager zu viel Luft aufweisen (0.3 mm, anstatt der normalen 0.06 bis 0.08 mm Lagerluft). Der Monteur verständigte hievon den Betriebsleiter des Klägers. Er teilte ihm mit, daß die Lagerluft sehr kritisch erscheine und im Falle eines Weiterbetriebes des Gatters die Gefahr eines größeren Maschinenschadens bestehe, weshalb unverzüglich eine Reparatur durchzuführen sei. Nach einer im November 1975 durchgeführten genauen neuerlichen Prüfung der Hauptlager des Gatters wurde zwischen dem Kläger und der Firma L die Durchführung der Reparatur in der Zeit zwischen 20. Dezember 1975 und 12. Jänner 1976 vereinbart. In der weiteren Folge entschloß sich jedoch der Kläger, die Reparatur nicht durchzuführen, sondern das Gatter weiterzubenützen und zu einem späteren Zeitpunkt von der Firma L ein weiterentwickeltes und leistungsfähigeres neues Gatter zu kaufen. Von dieser wurde der Kläger angewiesen, die Hauptlager des Gatters in kürzeren Zeitabständen zu schmieren, es zu beobachten und die Temperatur zu überprüfen. Es sollte auch kein starkes, krummes, altes oder morsches Holz geschnitten und die Maschine laufend überwacht werden. An diese Anweisungen hielt sich der Kläger, der im Einvernehmen mit der Firma L die Reparatur des Gatters auf den Sommer 1976 verschob. Mit Fernschreiben vom 25. November 1975 verständigte der Kläger erstmals die Beklagte, daß ein Schaden am Hauptlager des Sägegatters eingetreten sei, und teilte außerdem mit, daß das Hauptlager zuviel Luft habe und möglicherweise von den Kugelrollen im Hauptlager Teile ausgebrochen seien. Die Firma L empfehle die sofortige Reparatur des Sägegatters. Dem von der Beklagten beauftragten Ing. Helmut M teilte der Kläger am 26. November 1976 mit, daß im Zuge der Reparatur eine Demontage des Hauptlagers vorgesehen sei. Ing. Helmut M gab hierauf dem Kläger bekannt, daß im Zuge der Reparatur der Schwungsatz des Gatters demontiert, bei der Firma L zerlegt und hiebei die Schadenursache festgestellt werden soll. Weitere Weisungen wurden dem Kläger nicht erteilt. Am 15. Dezember 1975 gab der Kläger der Beklagten fernmündlich bekannt, daß die Reparatur erst im Sommer 1976 erfolgen und bis zu diesem Zeitpunkt das Gatter im Betrieb bleiben werde. Ing. Helmut M erklärte hierauf dem Kläger namens der Beklagten, daß die Haftung für einen Folgeschaden aus dem Weiterbetrieb des Gatters abgelehnt werde.

Bei einer neuerlichen Überprüfung des Gatters durch die Firma L am 4. Feber 1976 wurde festgestellt, daß im Lagerbereich der linken Lagerstelle Brüche oder Ausbrüche vorliegen. Am 10. März 1976 gab der Kläger der Beklagten die voraussichtlichen Reparaturkosten des Gatters bekannt und verwies darauf, daß die Reparatur ehestens durchzuführen sei. Zugleich äußerte er jedoch bereits die Absicht, das schadhafte Gatter gegen ein neues Modell auszutauschen. Am 2. April 1976 ließ die Beklagte das Gatter durch einen Techniker besichtigen, der jedoch zu dem Schlusse kam, daß die Schadenursache und die Reparaturkosten erst nach einer Demontage feststellbar seien. Der Kläger verwendete daraufhin das Gatter bis August 1976, das zu diesem Zeitpunkt von der Firma L gegen ein neues Modell SE 700 ausgewechselt wurde. Im Werk der Firma L wurden die schadhaften Hauptlager des Gatters von Beauftragten der Beklagten besichtigt. Ing. Helmut M kam hiebei für die Beklagte zu dem Schluß, daß weder eine altersbedingte Abnützung noch ein Bruchschaden, sondern eine Materialermüdung die Ursache des Schadens sei. Mit Schreiben vom 19. Oktober 1976 lehnte daher die Beklagte ihre Deckungspflicht mit der Begründung ab, daß kein Bruchschaden vorliege. Der Kläger beauftragte hierauf den Sachverständigen Roland P mit der Feststellung der Schadensursache. Dieser vermutete, daß durch eine hohe Stoßbelastung Brüche entstanden seien und Material hievon in die Laufbahnen der Rollen eingedrungen sei, sodaß Bruchstücke in die Lager gekommen seien. Eine Entstehung des Schadens durch Erreichung der Lebensdauer der Lager sei hingegen nach Ansicht dieses Sachverständigen nicht anzunehmen. Auf Grund dieses Privatgutachtens forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 7. November 1977 neuerlich auf, in den Schadensfall einzutreten. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 9. Dezember 1977 ab, schlug aber die Bestellung eines Obmannes im Sinne des vereinbarten Sachverständigenverfahrens vor, dessen Entscheidung für beide Streitteile bindend sein sollte. Die Streitteile einigten sich schließlich auf Dipl.-Ing. Franz P als Obmann, der von den Parteien mit der Erstattung von Befund und Gutachten über die Schadensursache beauftragt wurde. Der Sachverständige kam zu dem Schluß, daß der Schaden am Hauptlager des Gatters auf eine vorzeitige Abnützungserscheinung zurückzuführen sei. Das Erstgericht konnte die Ursache des Lagerschadens nicht ausreichend klären. Ungeklärt blieb auch, welche Schäden am Hauptlager des Sägegatters im November 1975 entstanden sind. Der Schadensumfang im November 1975 war jedoch nicht annähernd so groß wie im Zeitpunkte der Demontage des Gatters. Der Schadenseintritt erfolgte zwischen dem 12. August und dem 10. November 1975. Die verwendeten Hauptlager waren für die üblicherweise auftretenden Beanspruchungen des Gatters geeignet und ausreichend dimensioniert. Auch für einen Einbaufehler als Schadensursache ergab sich kein Hinweis. Werkstoff- oder Fertigungsfehler als Schadensursache sind mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Der Schmierzustand des Gatters war nicht feststellbar. Wenig wahrscheinlich, jedoch nicht auszuschließen ist, daß der Schaden durch die normale betriebsmäßige Abnützung oder den Bruch eines Wälzkörpers oder eines Laufkäfigs eingetreten ist. Mit Sicherheit ist der schwere Lagerschaden nicht auf eine nur kurzzeitige Spitzenbelastung in der Dauer einiger Sekunden oder Minuten zurückzuführen. Wahrscheinlichste Schadensursache ist eine zunächst eingetretene Beschädigung von Laufflächen oder Wälzkörpern als Folge von stoßartigen Belastungen etwa durch Bruch von Stämmen während des Schnittvorganges mit nachfolgendem Auf- und Niederreißen dieser Stämme und nachfolgender weiterer Beanspruchung der beschädigten Lager über mehrere Monate, wodurch der Schaden progressiv zugenommen haben dürfte. Nicht sicher nachweisbar ist aber, daß die Primärbeschädigung als Folge stoßartiger Belastungen der Lager entstanden ist. Die Primärschädigung der Lager als Folge von Stoßbelastungen ist aber immerhin wahrscheinlicher als das Auftreten von Primärschäden in den Lagern als Folge des Erreichens der normalen Lebensdauer. Der Schaden kann aber auch durch Unzulänglichkeiten in der Schmierung oder Wartung entstanden sein. Auch eine Materialermüdung ist eine mögliche Schadensursache. Eine solche kann sowohl durch eine Stoßbelastung als durch eine übergroße Betriebsbelastung auftreten. Lagerschäden nehmen erfahrungsgemäß progressiv zu; es ist möglich, daß der Schaden im Zeitraum vom August bis November 1975 infolge normaler Abnützung aufgetreten ist. Derartige Lager haben eine übliche Lebensdauer von 8000 bis 10 000 Betriebsstunden, sofern sie ordnungsgemäß geschmiert werden. Durch den Weiterbetrieb des Gatters von November 1975 bis August 1976 wurde der Schadensumfang vergrößert, jedoch wurde der zur Reparatur erforderliche Aufwand hiedurch nicht erhöht. Durch den Weiterbetrieb des Gatters wurde die Schadensfeststellung durch die beklagte Partei mit Sicherheit erschwert.

Nach Ansicht des Erstgerichtes habe der Kläger nicht beweisen können, daß an seinem Sägegatter ein Bruchschaden aufgetreten sei. Außerdem habe der Kläger durch grob fahrlässigen Weiterbetrieb des Gatters die Schadensfeststellung erschwert sowie das Schadensbild vergrößert und dadurch eine Obliegenheitsverletzung begangen. Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede sei allerdings nicht berechtigt. Der Klagsanspruch bestehe schon dem Gründe nach nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es war der Ansicht, daß den Versicherungsnehmer die Beweislast für den Eintritt des Versicherungsfalles treffe. Der Kläger hätte daher einen Maschinenbruchschaden im Sinne des Art. 2 Abs. 1 AMB beweisen müssen. Ein solcher habe eine unvorhergesehen und plötzlich eintretende Beschädigung oder Zerstörung der versicherten Sache zur Voraussetzung. Im Versicherungs- und Schadenersatzprozeß werde ein sicherer und strikter Beweis der Kausalität häufig unmöglich sein. Es genüge daher ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit. Eine bloß überwiegende Wahrscheinlichkeit genüge jedoch in der Regel für den Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen einem Schaden und einem Ereignis oder für den Nachweis des Eintrittes des Versicherungsfalles dann nicht, wenn eine Reihe anderer, wenn auch weniger wahrscheinlicher Möglichkeiten offen geblieben sei. Auch der Anscheinbeweis beruhe auf Erfahrungen bei typischen Geschehensabläufen. Habe daher die beweispflichtige Partei nur den Anscheinsbeweis erbracht und gelinge es ihrem Gegner, den Beweis der Möglichkeit eines anderen Schadensablaufes zu erbringen, dann bleibe es bei der vollen Beweislast der beweispflichtigen Partei. Der Kläger habe jedoch nur beweisen können, daß ein von außen einwirkendes Ereignis eine wahrscheinlichere Schadensursache gewesen sei. Dies reiche jedoch für den Beweis des Eintrittes des Versicherungsfalles aus der strittigen Maschinenbruchversicherung nicht aus. Ob der Kläger auch grob fahrlässig eine Obliegenheitsverletzung im Sinne des Art. 5 AMB begangen habe und die Beklagte aus diesem Gründe leistungsfrei sei, könne dahingestellt bleiben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Unter das versicherte Risiko der vom Kläger mit der Beklagten abgeschlossenen Maschinenbruchversicherung fällt nach Art. 2 Abs. 1 AMB die unvorhergesehen und plötzlich eintretende Beschädigung oder Zerstörung des Sägegatters des Klägers durch eine der in den Punkten

a) bis k) der vorerwähnten Versicherungsbedingung angeführten Schadensursachen. Eine solche Schadensursache (Beschädigung durch von außen mechanisch einwirkende Ereignisse nach Art. 2 Abs. 1 lit. k AMB) wird vom Kläger ausdrücklich behauptet. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß den Versicherungsnehmer grundsätzlich die Beweislast für den Eintritt des Versicherungsfalles trifft (Prölss - Martin, VVG[22], 275). Ob der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit einen solchen Beweis erbracht hat, kann jedoch dahingestellt bleiben.

Die Beklagte hat nämlich behauptet, daß in einem im Sinne des Art. 11 ABS durchgeführten Sachverständigenverfahren als Ursache der Lagerschäden des Sägegatters des Klägers vorzeitige Abnützungserscheinungen bzw. eine Materialermüdung festgestellt worden sei. Ein derartiges Sachverständigenverfahren konnte von den Parteien nach Art. 11 Abs. 1 ABS zur Feststellung der hier strittigen Schadensursache sowie zur Höhe des Schadens beantragt werden. Nach den Feststellungen der Untergerichte wurden bei Abführung des Sachverständigenverfahrens wohl nicht die im Art. 11 Abs. 2 ABS festgelegten Verfahrensregeln (der Obmann der Sachverständigen wurde von den Parteien selbst bestellt, die von deren Sachverständigen erstatteten Privatgutachten wurden nicht nach Art. 11 Abs. 2 lit. b ABS eingereicht) eingehalten. Die nicht bedingungsgemäß (hier unter Mißachtung der in den ABS festgelegten Verfahrensregeln) erfolgte Feststellung durch Sachverständige kann zur Folge haben, daß sie für die Parteien nicht bindend ist (Bruck - Möller, Komm. zum VVG[8] II, 700 f.). Die Parteien können sich jedoch auf von den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (hier Art. 11 Abs. 2 ABS bzw. Art. 7 AMB) abweichende Verfahrensregeln für das Sachverständigenverfahren einigen. Wird in einem solchen Fall das Sachverständigenverfahren unter Beachtung dieser Verfahrensregeln durchgeführt, so ist die von den Sachverständigen im Rahmen ihrer Zuständigkeit getroffene Feststellung für die Parteien verbindlich, wenn sie dies vereinbart haben (Prölss - Martin, VVG[22], 380; Bruck - Möller[8] II, 683; vgl. auch SZ 52/64). Hier schlug die Beklagte dem Kläger in ihrem Schreiben vom 9. Dezember 1977 vor, im Hinblick auf das Vorliegen widersprechender Privatgutachten der von den Streitteilen bestellten Sachverständigen einen Obmann im Sinne des Sachverständigenverfahrens zu bestellen, dessen Entscheidung (über die Schadensursache) auch für den Kläger bindend sein soll. Damit hat sich der Kläger dadurch einverstanden erklärt, daß er zunächst seinerseits Sachverständige vorschlug und sich schließlich mit der Beklagten auf Dipl.-Ing. Franz P als Obmann der Sachverständigen einigte. Es kam daher zwischen den Streitteilen zu einer von Art. 11 Abs. 2 ABS abweichenden Vereinbarung über die Verfahrensregeln für das abzuführende Sachverständigenverfahren und die Anerkennung der Verbindlichkeit der vom bestellten gemeinsamen Sachverständigen festgestellten Schadensursache für den Eintritt der Lagerschäden (vgl. Bruck - Möller[8] II, 683). Dipl.- Ing. Franz P gelangte aber zu dem Ergebnis, daß der Schaden an den Hauptlagern des Sägegatters auf vorzeitige Abnützungserscheinungen zurückzuführen sei.

Die von den Sachverständigen im Rahmen ihrer Zuständigkeit getroffenen Feststellungen über die Schadensursache sind nach Art. 11 Abs. 1 ABS bzw. § 64 Abs. 1 VersVG für die Parteien dann nicht verbindlich, wenn nachgewiesen wird, daß sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen. Offenbar weicht jedoch eine Sachverständigenfeststellung von der Wirklichkeit nur dann ab, wenn sich deren Unrichtigkeit dem Sachkundigen aufdrängt. Es muß zwar der Fehler nicht schnell erkennbar sein, aber offen zutagetreten, so daß er sich bei einer durch Sachkundige vorgenommenen Prüfung mit Deutlichkeit ergibt (Bruck - Möller[8] II, 700/13; Prölss - Martin a. a.O., 386; BGHZ 9, 195; OGH in VersR 1967, 592 u. a.). Der Umstand, daß das erstattete Gutachten von anderen Gutachten abweicht, beweist noch nicht dessen offenbare Unrichtigkeit. Im vorliegenden Rechtsstreit konnte die Ursache des Lagerschadens des Sägegatters des Klägers nicht eindeutig geklärt werden. Auch der vom Erstgericht bestellte Sachverständige Dipl.- Ing. Ernst S hält eine Materialermüdung für eine mögliche Schadensursache. Von einem offenbaren Abweichen der vom Sachverständigen Dipl.-Ing. Franz P festgestellten Ursache des Lagerschadens von der wirklichen Sachlage kann somit keine Rede sein.

Die von diesem Sachverständigen getroffene Feststellung über die Schadensursache der Lagerschäden ist somit für beide Streitteile verbindlich. Im Hinblick auf die prozessuale Bedeutung des Schiedsgutachtervertrages hat das Gericht die von den Sachverständigen im Rahmen ihrer Zuständigkeit getroffenen Feststellungen zu übernehmen. In diesem Umfange hat daher eine Beweiserhebung wie auch eine Beweiswürdigung des Gerichtes zu unterbleiben (Bruck - Möller[8] II, 682). Die Untergerichte hätten daher davon ausgehen müssen, daß der Lagerschaden des Sägegatters des Klägers durch vorzeltige Abnützungserscheinungen eingetreten ist. Eine derartige Schadensursache fällt aber nicht unter das versicherte Risiko der vom Kläger mit der Beklagten abgeschlossenen Maschinenbruchversicherung (s. Risikoausschluß nach Art. 2 Abs. 2 lit. e AMB). Die Klage ist daher schon aus diesem Gründe nicht berechtigt. Ob der Kläger im vorliegenden Fall einen Maschinenbruchschaden im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. k AMB bewiesen hat, kann dahingestellt bleiben, weil ihm im Hinblick auf die Ergebnisse des Sachverständigenverfahrens eine solche Beweisführung versagt war. Auch die Frage der von der Beklagten behaupteten Unterversicherung des Klägers ist daher nicht mehr zu prüfen.

Anmerkung

Z54167

Schlagworte

Sachverständigenfeststellung, Beweiswürdigung durch Gericht, (Versicherungsrecht), Sachverständigenfeststellung, offenbare Abweichung von der Wirklichkeit, (§ 64 Abs. 1 VersVG), Sachverständigenverfahren (allgemeine Versicherungsbedingungen)„ offenbare Abweichung der Feststellungen von der Wirklichkeit, Sachverständigenverfahren (allgemeine Versicherungsbedingungen)„ Einigung auf abweichende Regeln: Bindungswirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0070OB00046.81.1112.000

Dokumentnummer

JJT_19811112_OGH0002_0070OB00046_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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