Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Fabrizy als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang A wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 30. September 1980, GZ 14 Vr 383/80-42, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 2. des Urteilssatzes wegen des Finanzvergehens der vorsätzlichen Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG. und demgemäß auch in dem diesbezüglichen Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. über die Berufung des Angeklagten wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22. Februar 1955 geborene, zuletzt beschäftigungslose kaufmännische Angestellte Wolfgang A zu
1.) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und zu 2.) des Finanzvergehens der vorsätzlichen Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG. schuldig erkannt und hiefür einerseits nach der ersten Strafstufe des § 12 Abs 1 SuchtgiftG. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres, andererseits nach § 37 Abs 2 FinStrG. unter Bedachtnahme auf § 22 Abs 1
FinStrG. zu einer Geldstrafe von 10.000 S (Schilling zehntausend), im Falle der Uneinbringlichkeit zu 14 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.
Das Erstgericht legt dem Angeklagten zur Last, er hat in Bad Ischl oder in anderen Orten Österreichs 1.) im Sommer 1979 dadurch vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr gesetzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, in dem er von dem abgesondert verfolgten Siegfried B ein halbes Kilogramm Haschisch zum Preis von 20.000 S erwarb und dieses Suchtgift in der Folge an einen oder mehrere bislang unbekannte Abnehmer veräußerte;
2.) dadurch den zu Punkt 1.) beschriebenen Erwerb von einem halben Kilogramm Haschisch vorsätzlich ein eingangsabgabepflichtiges Suchtgift ausländischer Herkunft (darauf entfallende Eingangsabgaben 10.475 S), hinsichtlich welchem wegen des bestehenden Einfuhrverbotes das Finanzvergehen des Schmuggels im Sinne des § 35 Abs 1
FinStrG. von dem abgesondert verfolgten Aziz C begangen worden ist, an sich gebracht.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 3, 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1
StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise und zwar in Ansehung des Schuldspruches wegen des Finanzvergehens nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG. Berechtigung zukommt, welche aber im übrigen unbegründet ist.
Eine Verletzung der mit Nichtigkeit bedrohten Bestimmung des § 260 Abs 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer darin, daß das Erstgericht das für beide Tatbilder essentielle Vorsatzelement im Schuldspruch nicht aufgenommen habe. Insbesonders fehle die Umschreibung des für den Tatbestand nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. erforderliche Gefährdungsvorsatz sowie beim Finanzstrafgesetz eine Anführung über die Kenntnis der Vortat. Diesen Einwänden ist zu erwidern, daß das Erstgericht die vom Beschwerdeführer vermißte Umschreibung der Schuldform angeführt und die jeweiligen Taten so weit individualisiert und konkretisiert hat, daß sie mit anderen strafbaren Handlungen nicht verwechselbar sind (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO Nr. 21). Die in der Beschwerde zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes betrifft einen völlig anders gelagerten Fall und ist vorliegend nicht anwendbar.
Aber auch die nur in Ansehung des Schuldspruches nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. erhobene Verfahrensrüge schlägt nicht durch. Eine Verletzung von Verteidigungsrechten erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seines Antrages auf Beischaffung der Strafakten 2 U 400/80 des Bezirksgerichtes Ischl gegen den Zeugen Matthias D wegen § 9
(nunmehr 16) SuchtgiftG. zum Nachweis dafür, daß dieser in dem betreffenden Verfahren (gemeint offenbar im Gegensatz zu seiner im gegenständlichen Verfahren abgelegten Aussage) kein Geständnis abgelegt habe und auch nicht im Sinne des erhobenen Strafantrages verurteilt wurde. Wenn dies der Fall wäre, so könnte (seiner gegenteiligen) Aussage kein Glauben beigemessen werden. Abgesehen davon, daß aus den (nunmehr vorliegenden) Akten des Bezirksgerichtes Ischl hervorgeht, daß sich der Zeuge gleichlautend zu seiner Aussage im gegenständlichen Verfahren verantwortete und auch rechtskräftig verurteilt wurde, handelt es sich - wie schon aus dem Beschwerdevorbringen hervorgeht - um einen reinen Erkundungsbeweis, sodaß der diesbezügliche Antrag vom Erstgericht zu Recht auch ohne Kenntnis des Urteilsinhaltes ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden konnte.
In Ausführung der Mängelrüge wirft der Angeklagte dem Urteil eine unzureichende und unvollständige Begründung vor. So habe sich dieses nicht mit der Aussage der Lebensgefährtin des Angeklagten Ulla E (vor der Gendarmerie, S. 169, 170 d.A.) auseinandergesetzt, nach welcher der Beschwerdeführer seit dem Beginn der Lebensgemeinschaft im Jahre 1977 nicht mehr Suchtgifte konsumiert oder mit diesen gehandelt habe. Einer Erörterung dieser Aussage bedurfte es aber nicht, weil das Erstgericht von der zureichend begründeten Annahme ausging, daß der Angeklagte an eigenem Konsum von Haschisch nicht interessiert war (siehe S. 251 d.A.), der Weiterverkauf aber nicht unter den Augen oder mit Wissen der Zeugin erfolgt sein muß, weil diese selbst von einem nachgewiesenen Konsum im Jahre 1979 (S. 167 d. A.) keine Ahnung hatte oder haben wollte (S. 171 d.A.). Ebensowenig bedurfte es einer Erörterung der Aussage des Zeugen Alfred F (ON. 19 d.A.), weil diese inhaltlich nicht ausschließt, daß dieser Zeuge zwar dem Zeugen Siegfried B zum Hause des Angeklagten mit seinem PKW. (wiederholt) gebracht hat, bei der übergabe des Haschisch aber selbst nicht anwesend gewesen sein muß. Soferne der Beschwerdeführer ferner rügt, das Erstgericht habe für die Annahme einer durch seine Tathandlung bewirkten Gemeingefahr und eines auf deren Herbeiführung gerichteten Vorsatz keine oder nur unzureichende Gründe angeführt, zumal jeglicher Beweis, daß das Suchtgift an einen größeren Personenkreis verteilt wurde, fehle, vermag er keinen, den Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen betreffenden, formale Begründungsmangel (im Sinne des angeführten Nichtigkeitsgrundes) aufzuzeigen.
Das Erstgericht hat auf Grund der für glaubwürdig erachteten Aussage des Zeugen Siegfried B und der übrigen Verfahrensergebnisse, daß nämlich der Angeklagte selbst nicht süchtig war, bei ihm kein Rauschgift mehr vorgefunden wurde und er überdies bereits einmal in ähnlicher Weise straffällig geworden ist, den denkfolgerichtigen und den Lebenserfahrungen entsprechenden Schluß gezogen, daß er das Suchtgift an einen oder mehrere unbekannt gebliebene Abnehmer in einer Weise weitergegeben hat, daß damit ein unbestimmter, jedenfalls aber größerer Personenkreis (30 bis 50 Personen) versorgt wurde, wobei er die dadurch bewirkte Gemeingefahr nicht nur ernstlich für möglich hielt, sondern auch sich mit dieser abgefunden hat (S. 253, 255, 257 d.A.).
Alle in der Beschwerde aufgezeigten, für den Beschwerdeführer möglicherweise günstigeren Schlußfolgerungen, wie etwa, daß die Nichtauffindung von Suchtgift bei der Hausdurchsuchung die Aussage des Zeugen Siegfried B unglaubwürdig erscheinen lassen, daß der Angeklagte - was nie behauptet wurde - das Suchtgift selbst verbraucht haben könnte oder daß er bei seiner günstigen finanziellen Lage den Handel mit Haschisch nicht notwendig gehabt hätte, laufen letztlich auf eine Bekämpfung der dem Erstgericht gemäß § 258 Abs 2 StPO allein überlassenen Beweiswürdigung hinaus und vermögen demgemäß einen formalen Begründungsmangel nicht darzustellen.
In Ausführung der Rechtsrüge im Sinne der Z. 9 lit a StPO bringt der Beschwerdeführer vor, daß das Urteil mit Feststellungs- (auch Begründungs-)mängel in Beziehung auf die subjektive Tatseite behaftet sei, zumal das Erstgericht keine oder nur unzureichende Konstatierungen hinsichtlich des Verteilungsmodus getroffen habe. In Erwiderung darauf genügt aber der Hinweis, daß das Erstgericht im Spruch sowie in den (mit diesem eine Einheit bildenden) Gründen angenommen hat, daß der Angeklagte bei der Weitergabe des Haschisch ernstlich bedacht und sich damit positiv abgefunden hat, daß als Folge seines Handelns Suchtgifte in solchen Mengen in Verkehr gesetzt werden, daß daraus in größerer Ausdehnung (in Beziehung von 30 bis 50 Personen) eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, wobei er voraussah (ihm bewußt war), daß er die Folgen seiner Handlung nicht beliebig bestimmen und begrenzen konnte (siehe S. 253 und 257 d.A.). Damit hat das Erstgericht die für die subjektive Tatseite erforderlichen Feststellungen mit zureichender Begründung des (Gefährdungs-)Vorsatzes im Sinne des § 5 Abs 1 StGB getroffen, sodaß weder ein Feststellungs- noch Begründungsmangel erkennbar ist.
Die unter der Z. 10 des § 281 Abs 1 StPO weiter erhobene Rechtsrüge, das Tatverhalten sei nicht dem Tatbestand des § 12 Abs 1 SuchtgiftG., sondern jenem des § 16 SuchtgiftG. zu unterstellen, erweist sich nicht als gesetzmäßig ausgeführt, weil sie den festgestellten Sachverhalt negierend, von anderen, urteilsfremden Prämissen ausgeht und demgemäß nicht diesen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz in Vergleich setzt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher, soweit sie sich gegen den Schuldspruch nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. richtet, teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z. 1 der angeführten Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Berechtigt hingegen ist die Nichtigkeitsbeschwerde, soferne sie sich unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 3 (richtig: 5) und 9 lit a, im Ergebnis auch 11 des § 281 Abs 1 StPO gegen den erfolgten Schuldspruch nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG. richtet. Die gerichtliche Zuständigkeit zur Ahndung der verfahrensgegenständlichen Abgabenhehlerei unterliegt allerdings nach Rechtskraft der - wenngleich gesondert erfolgten - Verurteilung des Aziz C wegen gewerbsmäßigen Schmuggels (Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 5. August 1980, GZ 14 Vr 1527/79-79) keinem Zweifel (§ 53 Abs 4 FinStrG.). Unzutreffend ist auch die Auffassung des Beschwerdeführers, daß ihm als Hehler die Vortat in allen Einzelheiten bekannt sein mußte; es genügt, wenn er beim Erwerb des Haschisch wußte oder es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich auch damit abfand (§ 8 Abs 1 FinStrG.), daß hinsichtlich des Rauschgiftes bei seiner Einfuhr ein Schmuggel begangen worden ist.
Gerade aber zur subjektiven Tatseite läßt das angefochtene Urteil jede Feststellungen vermissen (siehe S. 257 d.A.). Darüber hinaus ist die Beschwerde aber auch begründet, soweit sie sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 11 des § 281 Abs 1 StPO gegen die gemäß § 37 Abs 2 FinStrG. verhängte Geldstrafe gerichtet ist.
Nach § 35 Abs 4, 37 Abs2 FinStrG. sind die Finanzvergehen des Schmuggels und der Abgabenhehlerei mit Geldstrafe bis zum Zweifachen des auf die Ware entfallenden Abgaben- bzw. Verkürzungsbetrages zu ahnden.
Aus diesen Gründen kommt dem (sogenannten) strafbestimmenden Wertbetrag für das zulässige Höchstmaß der Geldstrafe und damit für den im Einzelfall anzuwendenden gesetzlichen Strafrahmen entscheidende Bedeutung zu, dessen unrichtige oder ohne ausreichenden tatsachenmäßigen Grundlagen getroffene Feststellung auch dann Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z. 11 StPO begründet, wenn die verhängte Geldstrafe im Ergebnis die Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens nicht überschreitet (vgl. SSt. 38/40).
Im vorliegenden Fall ist jedoch den Urteilsgründen weder zu entnehmen, welcher Verkürzungsbetrag dem Angeklagten angelastet wird, noch welche Berechnungen das Erstgericht zur Ermittlung derselben angestellt hat.
Sollte von dem vom Zollamt Linz dem Gericht bekanntgegebenen Verkürzungsbetrag ausgegangen worden sein (vgl. S. 127 d. A.), so ist den Urteilsgründen gleichfalls nicht zu entnehmen, ob das Erstgericht bei Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages auch die für die Einfuhrumsatzsteuer und für den Außenhandelsförderungsbeitrag ausgeworfenen Ansätze dem hinterzogenen Zoll hinzugerechnet hat, was nach der zum Zeitpunkt der Tat geltenden Rechtslage nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht durch das Gesetz gedeckt war (vgl. EvBl 1981/8 = ÖJZ-LSK. 1980/93 u.a.).
Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung infolge der aufgezeigten Begründungs- und Feststellungsmängel nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war - nach Anhörung der Generalprokuratur - gemäß § 285 e StPO das angefochtene Urteil wegen des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei und demgemäß auch im zugehörigen, selbständigen (§ 22 FinStrG.) Strafausspruch aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfange an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Zur Entscheidung über die Berufung, die sich lediglich gegen den an dieser Aufhebung nicht betroffenen Strafauhspruch wegen § 12 Abs 1 SuchtgiftG. richtet, wird ein Gerichttag zur öffentlichen Verhandlung anberaumt werden (§ 296 Abs 3 StPO).
Anmerkung
E03506European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0120OS00089.81.1126.000Dokumentnummer
JJT_19811126_OGH0002_0120OS00089_8100000_000