Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Dezember 1981 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schlögl als Schriftführer in der Strafsache gegen Horst A wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 9.April 1981, GZ. 16 Vr 1369/80-22, erhobenen Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, nach Verlesung der Berufung der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mardetschläger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 290 Abs 1 StPO. wird das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft dahingehend ergänzt, daß die erlittene Verwahrungsund Untersuchungshaft gemäß § 38 Abs 1 StGB. auch auf die verhängten Geld- und Wert-(Verfalls-)ersatzstrafen angerechnet wird.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.Februar 1957 geborene beschäftigungslose Horst A des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG., des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG., des Vergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG. und des Vergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG. schuldig erkannt und nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG.
unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe, nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG. (in Verbindung mit §§ 35 Abs 4 und 37 Abs 2 FinStrG.) zu einer Geldstrafe und nach § 12 Abs 4 SuchtgiftG. zu einer Wertersatzstrafe verurteilt. Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde bereits mit dem in nichtöffentlicher Sitzung ergangenen Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 3.November 1981, GZ. 9 Os 156/81-8, zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß dem erstgerichtlichen Urteil im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft eine ungerügt gebliebene Nichtigkeit nach der Z. 11 des § 281 Abs 1 StPO. anhaftet: Die Vorhaft wurde vom Erstgericht nämlich nur auf die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe angerechnet, nicht aber auch, wie es geboten gewesen wäre (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.z.StGB.2, RN. 10 und 11 zu § 38), auf die Geldstrafe und die Wertersatzstrafe. Es war daher zur Behebung dieser dem Erstgericht zum Nachteil des Angeklagten unterlaufenen Nichtigkeit gemäß § 290 Abs 1 StPO.
in Ergänzung des erstgerichtlichen Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung die Vorhaft auch auf die verhängten Geld- und Wertersatzstrafen anzurechnen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1
StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, den langen Begehungszeitraum und die über die im Tatbild des § 12
(Abs 1) SuchtgiftG. umfaßte Personenzahl hinausgehende Gefährdung von (mehr als 30 bis 50) Menschen, als mildernd das ursprünglich abgelegte reumütige Geständnis, das durch das nachträgliche uneinsichtige, vom Bestreben die Wahrheitsfindung zu erschweren getragene Verantwortung doch wesentlich entwertet wird. Allein gegen das Ausmaß der nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. verhängten Freiheitsstrafe wendet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Begehren um Herabsetzung dieser Strafe. Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung - die weiteren Strafaussprüche gleichfalls unbekämpft lassend - nur die Erhöhung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe an.
Keiner der beiden Berufungen kommt Berechtigung zu. Der Hinweis des Angeklagten auf den Erlag eines Geldbetrages von 5.000 S zur Sicherung der Zahlung hinterzogener Eingangsabgaben muß angesichts des Berufungsbegehrens unbeachtlich bleiben, denn dieser Erlag stellt allenfalls den Milderungsumstand einer teilweisen Schadensgutmachung in bezug auf die dem Angeklagten zur Last fallenden Finanzvergehen dar. Der für diese Finanzvergehen ergangene gesonderte Strafausspruch (§ 22 Abs 1 FinStrG.) wurde aber vom Angeklagten gar nicht angefochten.
Von einem ordentlichen Lebenswandel, den der Angeklagte für sich als mildernd in Anspruch nehmen will, kann nicht gesprochen werden, denn der Angeklagte hatte bereits eine - wenngleich nicht einschlägige - gerichtliche Verurteilung erlitten, die nach ihrem Strafausmaß von einem Monat Freiheitsstrafe nicht als geringfügig angesehen werden kann.
Der Behauptung, der Angeklagte habe bereits Monate vor seiner Verhaftung sein strafbares Verhalten eingestellt, ist vorerst entgegenzuhalten, daß bei einem Zeitraum von mehreren Monaten - nach dem Vorbringen im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung von Mai bis Oktober 1980 - keineswegs schon vom Verstreichen längerer Zeit in der Bedeutung der Z. 18 des § 34 StGB. die Rede sein kann. Davon abgesehen ist darauf zu verweisen, daß der Angeklagte bei seiner Vernehmung durch den Untersuchungsrichter am 22.Jänner 1981 (S. 47 a verso d.A.) eingestanden hatte, (noch) süchtig zu sein und an Schlafstörungen wegen der (durch die schon rund drei Monaten dauernde Haft bedingten) Entwähnung vom Suchtgift zu leiden, sodaß es auch wegen des augenscheinlich bis zur Verhaftung andauernden Suchtgiftmißbrauches an einem als mildernd in Gewicht fallenden Wohlverhalten nach der Tat mangelt.
Das vor der Sicherheitsbehörde und dem Untersuchungsrichter abgelegte Geständnis, auf das der Angeklagte nun Nachdruck legt, und der damit verbundene Beitrag zur Wahrheitsfindung wurden vom Erstgericht ohnedies als mildernd in Betracht gezogen; es wurde allerdings angesichts der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu Recht beachtet, daß diesem Milderungsgrund nur mehr eingeschränktes Gewicht zukommt.
Insgesamt konnten keine Umstände aufgezeigt werden, die zu einer milderen Beurteilung der dem Angeklagten zur Last fallenden Suchtgiftdelikte führen könnten. Der Berufung des Angeklagten war daher ein Erfolg zu versagen.
Aber auch der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt keine Berechtigung zu. Die Anklagebehörde zeigt keine nicht bereits vom Erstgericht berücksichtigten Erschwerungsumstände auf; sie vermeint nur, daß den Erschwerungsumständen nicht das entsprechende Gewicht beigemessen worden wäre.
Wenngleich nicht verkannt wird, daß der Angeklagte als Suchtgiftverteiler nicht unerheblichen Einfluß auf die regionale Suchtgiftszene hatte, so erscheint doch seine kriminelle Tätigkeit nicht so hervorstechend, daß über ihn, der noch keine einschlägige Vorstrafe erlitten hat, eine höhere Strafe zu verhängen wäre. Die vom Erstgericht bemessene Freiheitsstrafe steht vielmehr in guter Relation zu in vergleichbaren Fällen verhängten Strafen. Aus den angeführten Gründen war daher beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03466European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0090OS00156.81.1201.000Dokumentnummer
JJT_19811201_OGH0002_0090OS00156_8100000_000