Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Dezember 1981
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hoch als Schriftführer in der Strafsache gegen Alexander A und Harald B wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 (erster und zweiter Fall) StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten B sowie die Berufungen des Angeklagten A und der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich beider Angeklagten) gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 20. Juli 1981, GZ 2 a Vr 604/81-44, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Verlesung der Berufungsschrift der Staatsanwaltschaft sowie Anhörung der Ausführungen der Verteidiger Dr. Scheed und Dr. Fialka sowie des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Alexander A und Harald B (A.) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 (erster und zweiter Fall) StGB sowie der Vergehen (B.) des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2 StGB, (C.) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und (D.) der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB sowie B überdies (E.) des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 3 StGB schuldig erkannt.
Darnach liegt ihnen unter anderem zur Last, (zu A.) am 30. März 1981 in Unterwaltersdorf in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anderen unter Verwendung einer Waffe, und zwar einer geladenen Gaspistole, 75.920 S Bargeld mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, (zu C.) in der Nacht zum 14. März 1981 Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, und zwar zwei LKW-Kennzeichentafeln der Firma C, mit dem Vorsatz zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, unterdrückt zu haben, indem sie die Tafeln abmontierten, um sie für sich zu verwenden; und (zu E.) B überdies allein gegen Mitte März 1981
unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit geschaffen worden war, fremde bewegliche Sachen, und zwar eine Gaspistole Marke SM sowie ein Paket Munition im Wert von zusammen 750 S, seinem Auftraggeber Josef D mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Rechtliche Beurteilung
Der nur diese Urteilsfakten betreffenden, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B kommt keine Berechtigung zu.
Die zum Raub (Faktum A.) verwendete Gaspistole wurde (als Gegenstand, der seinem Wesen nach dazu bestimmt ist, die Angriffsoder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen) vom Erstgericht zutreffend als 'Waffe' im Sinn - des § 1
lit a WaffG und (jedenfalls) damit auch - des § 143 StGB beurteilt (vgl ÖJZ-LSK 1978/47, 1976/56 ua; zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung sieht sich der Oberste Gerichtshof auch auf Grund einer erst jüngst im Schrifttum vertretenen abweichenden Meinung - Krückl, ÖJZ 1981 S 566
ff - nicht veranlaßt). Für eine Konstatierung aber, daß etwa die Angeklagten die für diese Beurteilung maßgebende Bestimmung (und Eignung) der Gaspistole nicht gekannt haben könnten, bietet die Aktenlage keinerlei Anhaltspunkt;
darin, daß die Täter (auch) deshalb (nur) jene Waffe verwendeten, um eine mit dem Gebrauch einer Faustfeuerwaffe verbundene (noch) größere Gefährdung der Bedrohten auszuschalten (S 328), ist ein Hinweis auf einen derartigen (insoweit vorsatzausschließenden Tatbild-) Irrtum ihrerseits nicht zu erblicken. Nähere Feststellungen zur angenommenen Verwendung einer 'Waffe' waren daher, der - irrig als Mängelrüge (Z 5) deklarierten - Rechtsrüge (inhaltlich Z 10) zuwider, weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht erforderlich.
Zu der den Angeklagten angelasteten Urkundenunterdrückung (Faktum C.) hat das Jugendschöffengericht unmißverständlich - und mit der Bezugnahme auf die (nach den Verhältnissen der Gesellschaft von heute) allgemeine Lebenserfahrung zureichend begründet - als erwiesen angenommen, daß der (bedingte) Vorsatz der Angeklagten beim Abmontieren der Kennzeichentafeln von dem fremden Lastkraftwagen auch auf die damit zwangsläufig verbundene Konsequenz gerichtet war, ihren Gebrauch durch den Berechtigten zum Beweis seines Rechtes zu verhindern, mit jenem Fahrzeug unter dem betreffenden Kennzeichen am öffentlichen Verkehr teilzunehmen (S 338 f). Soweit der Beschwerdeführer darüber - zum Teil abermals im Rahmen der Mängelrüge -
Feststellungsmängel (Z 9 lit a) behauptet, läßt die Beschwerde demnach eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen. Ein über eine Verhinderung der Urkundenverwendung zu dem bezeichneten Beweiszweck hinausgehender Vorsatz der Angeklagten aber - dahin, den Berechtigten am Nachweis der erfolgten Zulassung des Kraftfahrzeugs zur Verkehrsteilnahme überhaupt zu hindern - war zur Tatbestandsverwirklichung, entgegen dem darauf bezogenen Beschwerdeeinwand (Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), nicht erforderlich.
Neuerlich nicht prozeßmäßig ausgeführt ist die Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich mit dem weiteren Argument, den Angeklagten sei es beim Abmontieren der Kennzeichentafeln darum (und zwar sinngemäß nur darum) gegangen, diese später verfälschten und so zur Irreführung ihrer (potentiellen) Verfolger verwenden zu können, weshalb bloß ihre Verurteilung wegen Urkundenfälschung (§§ 223 Abs 2, 224 StGB) gerechtfertigt sei. Denn das Erstgericht hat (wie schon gesagt) ausdrücklich festgestellt, daß sich der (bedingte) Vorsatz der Angeklagten nicht bloß auf das vom Beschwerdeeinwand relevierte primäre Vorhaben beschränkte, sondern daneben - mit jenem faktisch und rechtlich durchaus vereinbar (10 Os 155/79) - außerdem auch auf die erörterte Gebrauchsverhinderung gerichtet war.
Den Schuldspruch wegen Diebstahls (Faktum E.) ficht der Beschwerdeführer (in sich widersprüchlich) mit der Behauptung einerseits von Feststellungsmängeln (sachlich nur Z 9 lit a) über den tatbestandsessentiellen Bereicherungsvorsatz, anderseits aber von Begründungsmängeln (Z 5) in Ansehung eben dieser (angeblich gar nicht vorgenommenen) Konstatierung an, indessen in beide Richtungen hin gleichfalls zu Unrecht.
Daß das Jugendschöffengericht davon ausging, der Angeklagte B habe bei der Wegnahme der Gaspistole mit dem Vorsatz gehandelt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, kann nach Spruch und Gründen des Urteils (S 322, 330, 340), im Zusammenhang verstanden, mit Fug nicht bezweifelt werden. Zu einer speziellen Begründung dieser Konstatierung jedoch war es nach Lage des Falles umso weniger verhalten, als der Beschwerdeführer niemals behauptet hat, er habe die heimlich und ohne Bezahlung weggenommene Waffe etwa nur vorübergehend benützen und nicht in sein eigenes Vermögen überführen wollen, sondern sich ganz im Gegenteil - nach anfänglichem Leugnen der Tat (S 185) letzten Endes doch - ausdrücklich des Diebstahls schuldig bekannte (S 199, 293, 309); mit seinen nunmehrigen Gegenargumenten ficht er - im wesentlichen mit dem Hinweis, daß eine Reihe anderer Raub-Utensilien nicht gestohlen, sondern gekauft worden seien - bloß unzulässigerweise die erstgerichtliche Beweiswürdigung an, ohne formelle Begründungsmängel des Urteils (Z 5) aufzeigen zu können.
Mit dem Vorwurf eines 'Feststellungsmangels hinsichtlich § 35 StGB' schließlich, weil sich das Erstgericht auch mit der Frage hätte auseinandersetzen sollen, ob und inwieweit durch den dem Raub vorangegangenen Alkoholgenuß eine Minderung der Zurechnungsfähigkeit und eine gewisse Enthemmung der Angeklagten eingetreten seien, wird - wie im Gerichtstag auch der Verteidiger eingeräumt hat - lediglich ein die Strafzumessungsgründe betreffender Mangel behauptet, der nur mit Berufung geltend gemacht werden kann und dementsprechend bei deren Erledigung zu erörtern ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte beide Angeklagten nach § 11 Z 1 JGG, §§ 28, 41 Abs 1 Z 3, 143 (erster Strafsatz) StGB zu je zwei Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es ihren bisher tadellosen Lebenswandel, zu dem ihr Tatverhalten in auffallendem Widerspruch steht, ihr offenes, reumütiges und rückhaltloses Geständnis sowie die fast vollständige Schadensgutmachung, bei A außerdem seine beim Raub erlittene eigene Verletzung und bei B überdies seine nur untergeordnete Tätigkeit bei dieser Tat als mildernd, hingegen die besondere Hartnäckigkeit und Intensität ihres Vorsatzes, mit dem sie ihr verbrecherisches Ziel verfolgten, das Hinzukommen eines qualifizierten unbefugten Fahrzeuggebrauchs, einer Urkundenunterdrückung und einer Fälschung besonders geschützter Urkunden sowie bei B auch eines qualifizierten Diebstahls zu dem mit einem hohen Schaden verbundenen schweren Raub und bei A zusätzlich noch seine freiwillig übernommene Rolle als alleiniger unmittelbarer Täter bei der Ausführung des bewaffneten Raubes sowie die Tatbegehung knapp vierzehn Tage vor Vollendung seines achtzehnten Lebensjahres als erschwerend.
Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten eine Herabsetzung der Strafdauer und - B nur in Ansehung der noch zu vollziehenden Freiheitsstrafe - die Gewährung bedingter Strafnachsicht, die Staatsanwaltschaft aber in Ansehung beider Angeklagten eine Straferhöhung an.
Sämtlichen Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Dem Angeklagten A als erschwerend anzulasten, daß er den Raub nur vierzehn Tage vor jenem Termin ausführte, bis zu dem für ihn die Strafrahmenverkürzung durch § 11 Z 1 JGG wirksam blieb, war allerdings völlig verfehlt, weil dieser zeitliche Aspekt weder für das Maß seiner persönlichen Schuld noch für den Unrechtsgehalt seiner Tat von Bedeutung ist; umgekehrt kann dem Angeklagten B in Ansehung des Raubfaktums keineswegs schlechthin eine deliktische Tätigkeit in bloß untergeordneter Weise zugute gehalten werden, sondern höchstens der Umstand, daß er daran nicht als unmittelbarer Täter beteiligt war. Ferner ist beiden Angeklagten die zweifache Qualifikation des Raubes nach § 143 StGB als weiterer Erschwerungsgrund zuzurechnen. Mit gutem Grund hat das Erstgericht beim Angeklagten A einerseits seine nicht unerhebliche Schußverletzung (ein bei der Tat erlittenes Übel) als mildernd und andererseits eine (ungeachtet seiner Nervosität) beachtliche Kaltblütigkeit bei der Ausführung des Raubes als erschwerend angenommen.
Für eine alkoholbedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit eines der beiden Angeklagten (§ 35 StGB) bietet die Aktenlage keinerlei Anhaltspunkt. Ebensowenig kann ihnen Abenteuerlust, ein Bestreben, nicht als feig zu gelten, eine Motivierung ihres Tatentschlusses durch Massenmedien, durch Dritte, wobei von einer Anstiftung nach den Urteilsfeststellungen keine Rede sein kann, oder durch eine Angst vor Verspottung und Repressionen von Seiten ihres Bekanntenkreises oder ein sonstiger Mangel an Verbundenheit mit den rechtlich geschützten Werten der Gesellschaft als Milderungsgrund zugebilligt werden; gleiches gilt für ihr Bemühen, beim Raub immerhin niemanden zu verletzen. Die Erziehungsverhältnisse beim Angeklagten A schließlich, mag er auch unter der familiären Situation gelitten haben, waren durchwegs gut.
In zusammenfassender Würdigung der vorliegenden (wie eingangs korrigierten) Strafzumessungsgründe ist der Staatsanwaltschaft einzuräumen, daß der Unrechtsgehalt der von den Angeklagten begangenen Straftaten, und zwar hauptsächlich des Raubes, sowie dementsprechend und im Hinblick auf die außergewÄhnliche Intensität ihrer deliktischen Energie auch ihre Tatschuld insgesamt sicherlich sehr hoch zu veranschlagen sind. Nichsdestoweniger kann aber mit Rücksicht auf ihr bisher tadelsfreies Vorleben sowie insbesondere auf ihr reumütiges und in zahlreichen Details gewiß autonomes Geständnis, welches überhaupt erst ein vollständiges Ausloten des Sachverhalts in allen sie belastenden Einzelheiten ermöglicht hat, doch noch der Auffassung des Jugendschöffengerichts beigepflichtet werden, daß die Erschwerungsumstände von den Milderungsgründen im Sinn des § 41
StGB überwogen werden. In Verbindung mit der ihre Persönlichkeitsentwicklung betreffenden günstigen Prognose ist demnach die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung letztlich nicht zu beanstanden, um die Chance ihrer zu erhoffenden Resozialisierung nicht zu beeinträchtigen; für Belange der Generalprävention ist insoweit (§ 41 StGB) kein Raum. Die Höhe der verhängten Freiheitsstrafen wird demzufolge der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld beider Angeklagten (§ 32 StGB) gerecht.
Zuzustimmen ist aber auch jenen (durch die Berufungsausführungen nicht in Frage gestellten) Erwägungen des Erstgerichts, nach denen es aus Gründen sowohl der Spezial- als auch der Generalprävention der Strafvollstreckung bedarf, sodaß eine - im übrigen bloß in Ansehung eines Strafrestes im Gesetz gar nicht vorgesehene - Gewährung bedingter Strafnachsicht nicht in Betracht kommt (§ 43 StGB iVm § 11 Z 3
JGG).
Sämtlichen Berufungen mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
E03477European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0100OS00152.81.1201.000Dokumentnummer
JJT_19811201_OGH0002_0100OS00152_8100000_000