Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Dezember 1981
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Franz als Schriftführers in der Strafsache gegen Werner A und Reinhard B wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1 StGB über die vom Angeklagten Reinhard B gegen das Urteil des Kreisgerichts Krems als Jugendschöffengerichts vom 25.März 1981, GZ. 8 Vr 62/81-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung und die Beschwerde dieses Angeklagten gegen den am selben Tag gefaßten Beschluß gemäß § 17 Z. 1 JGG. nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Foglar-Deinhardstein und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und es werden das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Reinhard B, ferner gemäß § 290 Abs 1 StPO
in dem Ausspruch, der Angeklagte Werner A habe den ihm angelasteten Diebstahl in Gesellschaft des Reinhard B begangen, in der Unterstellung der dem Angeklagten Werner A zur Last fallenden Tat unter die Bestimmung des § 127 Abs 2 Z. 1 StGB und demzufolge auch in dem beide Angeklagten betreffenden Ausspruch nach § 13 Abs 1 JGG., desgleichen der Beschluß gemäß § 17 Z. 1 JGG. aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Reinhard B ist schuldig, am 13.September 1980
in Sieghartsles, Gemeinde Groß-Siegharts, und Raabs an der Thaya den Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen nach der Tat dabei unterstützt zu haben, die Sache, die dieser durch sie erlangt hatte, zu verheimlichen, indem er Werner A samt dem von diesem durch Diebstahl erlangten Werkzeugkoffer im Wert von rund 1.000 S auf dessen Moped von Sieghartsles nach Raabs an der Thaya befärderte.
Reinhard B hat hiedurch das Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z. 1 StGB begangen; hiefür wird ihm gemäß § 12 Abs 2 JGG. eine Ermahnung erteilt.
Gemäß § 13 Abs 1 JGG. werden der Ausspruch und die Vollstreckung der über Werner A wegen des aufrecht gebliebenen Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1
StGB zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte Reinhard B auf die vorstehende Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Reinhard B auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Das Erstgericht erkannte die Jugendlichen Werner A, geboren am 4.Mai 1964, und Reinhard B, geboren am 28.Juli 1964, des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1 StGB schuldig. Den Genannten liegt zur Last, am 13.September 1980 in Gesellschaft einen Werkzeugkoffer samt Inhalt im Gesamtwert von etwa 1.000 S der Straßenmeisterei Raabs an der Thaya mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, Werner A unrechtmäßig zu bereichern. Gemäß § 13 Abs 1 JGG. wurden bei beiden Angeklagten der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe aufgeschoben. Zugleich wurde mit Beschluß jedem der Angeklagten gemäß § 17 Z. 1 JGG.
ein Bewährungshelfer bestellt.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die beiden Angeklagten waren am Abend des 13.September 1980 mit dem Motorfahrrad des Reinhard B (richtig, wie sich auch aus einer späteren Urteilsannahme ergibt, des Werner A: ON. 2 S. 11, 19 f., 21, ON. 16
S. 73 f., ON. 17 S. 82) unterwegs. Um etwa (gemeint: ab etwa) 19,00 Uhr hielten sie sich eine Stunde lang zusammen mit einem Mädchen vor dem Feuerwehrdepot in Sieghartsles (im Gemeindegebiet Groß-Siegharts) auf. Während sich B mit dem Mädchen unterhielt, erkletterte A eine etwa seit dem 11.September 1980 nächst dem Feuerwehrdepot abgestellt gewesene Straßenwalze der Straßenmeisterei Raabs an der Thaya, wobei er in einem unversperrten Werkzeugkasten einen Werkzeugkoffer (im Ausmaß von ca. 40 x 20 x 20 cm) wahrnahm. In der Folge fuhren A und B mit dem vom letzteren gelenkten Moped in Richtung Raabs an der Thaya, dem Wohnort beider Angeklagten, weg. Infolge Aufforderung A kehrte B jedoch um, fuhr zum Feuerwehrdepot zurück und blieb mit dem Moped, ca. 30 bis 40 m von der Straßenwalze entfernt, bei einer Brücke stehen, von wo aus er Sicht zur Straßenwalze hatte. A begab sich zu diesem Gerät, nahm dort in 'Bereicherungsabsicht' den Werkzeugkoffer an sich und ging mit diesem zu B zurück, der von dem Vorhaben A zunächst keine Kenntnis gehabt hatte. Als er den Werkzeugkoffer in der Hand des A bemerkte, nahm B an, A habe den Koffer gestohlen und forderte ihn auf, das Diebsgut zurückzustellen. Obwohl dies nicht geschah, lenkte B das Moped auf Verlangen A, der auf dem Rücksicht Platz nahm und den Werkzeugkoffer in den Händen hielt (S. 20), nach dem etwa 7 km entfernten Raabs an der Thaya, wo A zunächst den gestohlenen Koffer in einem Gebüsch nächst dem Wohnhaus seiner Eltern versteckte. Das Angebot A, ihm einen Teil des gestohlenen Werkzeuges zu überlassen, lehnte B ab. Erst am 29.Oktober 1980 konnte der Werkzeugkoffer in der Wohnung des A von der Gendarmerie sichergestellt werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte Reinhard B bekämpft das Urteil im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit a und b sowie 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung; gegen die Bestellung eines Bewährungshelfers erhob er die Beschwerde. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist insoweit begründet, als sie unter der Z. 10 des § 281 Abs 1 StPO auf die Subsumtion des Verhaltens des Beschwerdeführers unter den Tatbestand der Hehlerei nach § 164 (Abs 1 Z. 1) StGB abzielt.
Gesellschaftsdiebstahl setzt zwar keine vorherige Verabredung, wohl aber einen gemeinsamen Tatentschluß, ein wenn auch nur in schlüssiger Weise, vor Beginn oder erst während der Tatausführung, spätestens aber bis zur Vollendung des Vergehens zustandegekommenes Einverständnis der Täter voraus. Vollendet ist der Diebstahl, wenn die Sache 'weggenommen' ist, d.h. mit dem Gewahrsamsübergang, das ist die Begründung des neuen Gewahrsams durch den Täter. Der strafrechtliche Gewahrsam ist die tatsächliche unmittelbare, nicht durch das Medium einer anderen Person vermittelte Sachherrschaft. Dabei kommt es auf die Anschauungen des täglichen Lebens an, ob ein solches Herrschaftsverhältnis besteht. Demnach ist der Gewahrsam jene Zugehörigkeit einer Sache zu einer Person, die auch ein Außenstehender nicht nur als eine räumliche Beziehung, sondern als eine auf sozialen Gepflogenheiten beruhende Verbindung von Sache und Person zu erkennen vermag (sogenannter sozialer, soziologischer, subjektivierter oder täterbezogener Gewahrsamsbegriff: Roeder, Der strafrechtliche Gewahrsamsbegriff, ÖJZ. 1966 S. 373 ff., namentlich S. 375; ihm folgend SSt. 42/58, LSK. 1975/20
und EvBl 1981 Nr. 174).
Angewendet auf den vorliegenden Fall ergibt diese Begriffsbestimmung, daß A den Diebstahl schon vollendet hatte, als er sich mit dem Werkzeugkoffer bei seinem etwa 30 bis 40 m von der Straßenwalze entfernt stehenden Moped einfand. In diesem Zeitpunkt waren nämlich in räumlicher Beziehung und der verständigen Verkehrsauffassung entsprechend die Zugehörigkeit des Koffers zum Angeklagten A und sohin dessen Gewahrsam daran bereits hergestellt. Im gegebenen Zusammenhang ist auch von Bedeutung, daß sich der Werkzeugkoffer weder in seinen Ausmaßen (40 x 20 x 20 cm) noch in seinem äußeren Erscheinungsbild in einer ungewähnlichen Relation zu seinem Träger befand. Die Argumentation des Erstgerichts, Diebstahlsvollendung sei nicht vor jenem Zeitpunkt anzunehmen, ab welchem die Beute wenigstens einer unverzüglichen Wahrnehmung durch den Bestohlenen entzogen ist, stellt nur auf eines von mehreren möglichen Anzeichen für den Gewahrsamswechsel ab, nicht aber auf ein dafür entscheidendes Kriterium. Es braucht darauf nicht eingegangen werden, weil nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens eine solche Wahrnehmbarkeit für irgendeinen Bediensteten der Straßenverwaltung nicht bestand (siehe dazu auch S. 15).
Die Zeugin C machte ihre Wahrnehmung (S. 84) nicht zur Tatzeit, sondern ersichtlich schon vordem, während der B sich mit dem Mädchen unterhielt (S. 17).
Den Urteilsannahmen zufolge kann das Einvernehmen der Angeklagten über das Wegschaffen des Werkzeugkoffers mit dem von B zu lenkenden Moped nicht vor der Vollendung des Diebstahls (siehe oben) zustandegekommen sein;
hatte doch B den mit dem Koffer bei ihm einlangenden A zunächst, also vor dem Antritt der Rückfahrt nach Raabs, zur Rückstellung der Beute - wenn auch vergebens -
aufgefordert. Somit stellt sich der Transport des Täters samt dem gestohlenen Koffer auf dem Moped durch dessen Lenker B vom Tatort bis zu einem fern von diesem gelegenen Versteck rechtlich als ein dem Tatbestand der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z. 1 StGB entsprechendes Unterstützen des Diebs beim Verheimlichen der Beute dar.
Auf der inneren Tatseite genügt hiefür die festgestellte Kenntnis der Herkunft der Sache aus einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen zur Zeit der Unterstützungshandlung. Dies verkennt der Beschwerdeführer, insoweit er unter dem § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO auch einen Mangel am Tatbestand des § 164 Abs 1 Z. 1 StGB mit dem behaupteten Fehlen seines Vorsatzes, A bei der Bergung der Beute zu unterstützen, geltend macht.
Für die Sachhehlerei ist im Gegensatz zum Diebstahl und zur Ersatzhehlerei (§ 164 Abs 1 Z. 3 StGB) ein Bereicherungsvorsatz nicht erforderlich. Auf die den Mangel einer derartigen subjektiven Feststellung relevierenden Beschwerdeausführungen braucht darum nicht eingegangen werden.
Das gesamte übrige Beschwerdevorbringen geht gleichfalls fehl. Soweit, der Sache nach aus der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO eingewendet wird, dem Nichtigkeitswerber sei ein rechtmäßiges Verhalten nicht zumutbar gewesen, weil er nach dem Diebstahl durch A keine andere Möglichkeit der Rückkehr nach Raabs als mit dessen Moped gehabt habe, ist ihm zu erwidern, daß auf Grund der Verfahrensergebnisse besondere Feststellungen über eine erst in der Beschwerde sinngemäß behauptete Notstandssituation (§ 10 StGB) nicht erforderlich waren.
Der Beschwerdeführer hat sich nämlich bisher gar nicht dafür verantwortet, die Fahrt mit dem Moped des Mitangeklagten wäre für ihn die einzige Möglichkeit zur Rückkehr an seinen Wohnort gewesen. Außerdem wäre ihm - in Ermangelung öffentlicher Verkehrsmittel - als Landarbeiter in einem Alter von mehr als 16 Jahren und bei gegebener Ortskenntnis ein Fußmarsch von 7 km durchaus zuzumuten gewesen, was überhaupt keiner Erärterung bedarf.
Letztlich versagt die Nichtigkeitsbeschwerde auch insofern, als unter der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO mangelnde Strafwürdigkeit nach § 42 StGB reklamiert wird. Im Hinblick darauf, daß die Diebsbeute einen Gesamtwert von rund 1.000 S hat, sind die Folgen der Tat nicht mehr unbedeutend (§ 42 Abs 1 Z. 2 StGB;
Leukauf-Steininger2 S. 376 RZ. 12 am Ende).
Infolge der Subsumtion der Tat des Angeklagten B unter § 164 Abs 1 Z. 1 StGB fällt die Qualifikation des Gesellschaftsdiebstahls nach § 127 Abs 2 Z. 1 StGB
beim Mitangeklagten Werner A weg. Die gemäß der Z. 10 des § 281 Abs 1 StPO nichtige Beurteilung der Tat dieses Angeklagten nach § 127 Abs 2 Z. 1 StGB war von Amts wegen gemäß § 290 Abs 1 StPO wahrzunehmen.
Die zufolge § 46 Abs 1 JGG. die Strafaussprüche wertenden Aussprüche nach § 13 JGG. und der damit in untrennbarem Zusammenhang (§ 17 Z. 1 JGG.) stehende Beschluß auf Bestellung von Bewährungshelfern mußten auf Grund der Aufhebung bzw. Teilaufhebung der Schuldsprüche gleichfalls aufgehoben werden. Damit ist die vom Angeklagten B ergriffene Beschwerde gemäß § 498 Abs 3 StPO gegenstandslos.
Bei der vorzunehmenden Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof gleich dem Erstgericht in Ansehung beider Angeklagter das Geständnis, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, die Aufbringung des Diebsguts, den geringen Wert desselben und die vernachlässigte Erziehung als mildernd. Ein Erschwerungsgrund liegt nicht vor.
Auf der Basis dieser (besonderen) Strafzumessungsgründe und der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Normen (§ 32 StGB) erweist sich beim Angeklagten B eine Ermahnung gemäß § 12 Abs 2 JGG. als ausreichende (Ehren-)Strafe. Hinsichtlich des Angeklagten A konnte - wie auch das Erstgericht zutreffend darlegte - unter Setzung einer Probezeit von zwei Jahren von der Bestimmung des § 13 Abs 1 JGG. Gebrauch gemacht werden. Zur Vermeidung eines Nachteils des am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligten und lediglich von Amts wegen begünstigten Angeklagten A wird bei Berechnung der Probezeit auf den Tag der Rechtskraft des in erster Instanz gefällten Urteils abzustellen sein.
Über die sonach weiterhin mögliche Bestellung eines Bewährungshelfers für Werner A (§ 17 Z. 1 JGG.) wird der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts zu beschließen haben (§ 494 StPO).
Anmerkung
E03478European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00064.81.1203.000Dokumentnummer
JJT_19811203_OGH0002_0130OS00064_8100000_000