Norm
ABGB §880aKopf
SZ 54/189
Spruch
Der Anspruch des Garantieauftraggebers gegen den Begünstigten auf Widerruf einer Bankgarantie kann durch einstweilige Verfügung (Zahlungsverbot an den Garanten) nur gesichert werden, wenn der Nichteintritt des Garantiefalles liquide und eindeutig nachgewiesen ist; ein Bescheinigungsverfahren ist nicht durchzuführen
OGH 16. Dezember 1981, 1 Ob 789/81 (OLG Wien 2 R 170/81; HG Wien 10 Cg 101/81)
Text
Die nun vom klagenden Masseverwalter repräsentierte Gemeinschuldnerin prot. Firma S war als Subunternehmerin der beklagten Partei beim Bau eines neuen Flughafens in A tätig und hat der beklagten Partei zur Sicherstellung für erhaltene Anzahlungen, Erfüllung des Bauauftrages und Deckungsrücklässe mehrere Bankgarantien der G-Bank AG beschafft, die von der beklagten Partei unmittelbar vor dem Ablauf am 30. Juni 1981 abgerufen wurden. Der Kläger behauptet, die Gemeinschuldnerin sei nach Maßgabe des von der beklagten Partei zu vertretenden Baufortschritts ihrer Leistungspflicht voll nachgekommen; er sei wegen Annahmeverzuges der beklagten Partei vom Vertrag zurückgetreten; aus der Abrechnung stehe ihm eine Forderung zu, sodaß der Abruf der Bankgarantien durch die beklagte Partei einen Rechtsmißbrauch darstelle. Die beklagte Partei behauptet hingegen, infolge Verzuges der Gemeinschuldnerin eine Forderung gegen sie in Höhe mehrerer Millionen Schilling zu besitzen und die Bankgarantien mit Recht abgerufen zu haben.
Das Erstgericht wies den Antrag des Klägers, zur Sicherung des Klagsanspruches auf Widerruf des Abrufes der Bankgarantien dem Drittschuldner G-Bank mit einstweiliger Verfügung die Auszahlung der Garantiebeträge oder sonstige, zur Vereitelung oder erheblichen Erschwerung des Anspruches des Klägers geeignete Handlungen zu verbieten, auf Grund des beiderseitigen Parteivorbringens im Zusammenhalt mit den vorgelegten Urkunden mit der Begründung ab, daß diese einstweilige Verfügung in unzulässiger Weise das Prozeßergebnis vorwegnehmen würde und mit Rücksicht auf den möglichen Geldersatz auch eine Gefährdung des Anspruches nicht vorliege.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und hob den erstgerichtlichen Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf. Die zweite Instanz vertrat die Ansicht, daß der zu sichernde Anspruch keine Geldforderung im Sinne des § 379 EO sei und daß ohne die begehrte einstweilige Verfügung die gerichtliche Verfolgung und Verwirklichung des Anspruches auf Widerruf des Abrufes der Bankgarantie durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes vereitelt würde (§ 381 Z. 1 EO). Die beantragte einstweilige Verfügung nehme auch den Prozeßerfolg nicht vorweg, sodaß der Anspruch geprüft werden müsse. Im fortgesetzten Verfahren seien auf Grund der vorgelegten Urkunden und der Aussagen der Auskunftspersonen Feststellungen darüber zu treffen, zu welchem Zwecke nach Abmachung der Parteien die Bankgarantien ausgestellt wurden, ob den von der beklagten Partei geleisteten Anzahlungen in der Tat Werkleistungen der Gemeinschuldnerin in mindestens der gleichen Höhe gegenüberstehen, ob der Kläger zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt war und demnach Erfüllungsansprüche der beklagten Partei nicht mehr in Frage kommen oder ob die Gemeinschuldnerin in Verzug geraten sei und ob durch die Bankgarantien abgesicherte Gewährleistungsansprüche der beklagten Partei noch offen oder bereits verfristet seien. Es werde auch auf das Vorbringen der beklagten Partei einzugehen sein, daß sie mit einer Verlängerung der Bankgarantien einverstanden gewesen wäre, der Kläger aber diese Verlängerung trotz angeblicher Bereitschaft der Bank hiezu abgelehnt habe. Bei Mangel der völligen Bescheinigung käme eine Sicherheitsleistung in Betracht.
Über Revisionsrekurs der beklagten Partei ändert der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Rekursgerichtes dahin ab, daß er die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherstellte.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Den Rekursausführungen, daß ein Anspruch auf Widerruf von Bankgarantien, durch deren Bestellung die Gemeinschuldnerin in den Genuß von Vorauszahlungen gelangt sei, überhaupt nicht durch einstweilige Verfügung gesichert werden könne, weil der Kläger dadurch eine ungerechtfertigte Besserstellung erreiche, kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Die Befürchtung des Klägers, im Falle der Auszahlung der Garantiebeträge in eine schwierige Beweislage oder in (weitere) Liquiditätsschwierigkeiten zu geraten, ist nicht schutzwürdig, weil es im Wesen der Bankgarantie liegt, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen (SZ 50/66 u. a.) und seinen Vertragspartner auf den Weg einer Rückforderungsklage zu verweisen (Canaris in Großkomm. HGB[3] III/3, RZ 1125, 1138, 1016). Der für die Bankgarantie typische Ausschluß von Einwendungen aus dem Valuta- und Deckungsverhältnis (Canaris a.a.O., RZ 1134) darf auch nicht auf Umwegen umgangen werden (vgl. SZ 50/32). Deshalb dürfen Ansprüche des Vertragspartners gegen den Begünstigten aus dem Valutaverhältnis grundsätzlich nicht dazu führen, daß über eine einstweilige Verfügung die Leistung aus der Garantie doch wieder vom Grundverhältnis abhängig gemacht wird (Koziol, Garantievertrag, 65 mwN). Der Garantieauftraggeber kann nur Bedingungen vereinbaren, die erfüllt sein müssen, damit der Begünstigte die Garantie in Anspruch nehmen kann (Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3] II, 309), Voraussetzungen, die im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Sonst darf aber der Garant nur ausnahmsweise die Zahlung verweigern, wenn der Begünstigte die Garantie rechtsmißbräuchlich oder arglistig in Anspruch nimmt und der Garant dies liquide und eindeutig nachweisen kann (Koziol a.a.O., 56, 63 f.; Canaris a.a.O., RZ 1138, 1017; SZ 50/66, EvBl. 1980/178 u. a.). In einem solchen Fall ist auch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch Verbot an den Garanten, die Garantiesumme auszuzahlen, ausnahmsweise zulässig, weil einerseits ein zu sichernder Anspruch dessen vorliegt, der die einstweilige Verfügung begehrt, und andererseits ohnehin nur Einwendungen berücksichtigt werden, die auch dem Garanten gegen den Begünstigten zustunden (vgl. Koziol a.a.O., 65; ähnlich schon 1 Ob 551/76). Zu fordern ist aber auch hier der liquide und eindeutige Nachweis des Nichteintrittes des Garantiefalles, weil dem Begünstigten noch kein arglistiges oder rechtsmißbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden kann, wenn nicht eindeutig feststeht, daß der Begünstigte keinen Anspruch hat (Koziol a.a.O., 64). Die Sicherheit des geschäftlichen Verkehrs erfordert es, daß die mißbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie geradezu evident ist (vgl. wieder SZ 50/66; ebenso 3 Ob 577/81). In diesem Sinne könnte ein Rechtsmißbrauch etwa dann sofort und eindeutig bescheinigt werden, wenn (wie im Fall der Entscheidung 3 Ob 577/81) die Bankgarantie für ein Ereignis (dort: Abdeckung einer Kreditschuld) in Anspruch genommen wird, für das sie nicht übernommen wurde (sondern bloß zur Sicherstellung einer Werklohnforderung).
Im vorliegenden Fall kommt schon nach dem Vorbringen der gefährdeten Partei eine liquide und eindeutige Bescheinigung des Nichteintrittes des Garantiefalles nicht in Betracht. Wie der Erhebungsauftrag des Rekursgerichtes zeigt, müßten im Bescheinigungsverfahren Feststellungen nicht nur darüber getroffen werden, zu welchem Zweck die Bankgarantien ausgestellt wurden, sondern auch darüber, ob den von der Beklagten geleisteten Anzahlungen Werkleistungen der Gemeinschuldnerin in mindestens der gleichen Höhe gegenüberstehen, ob der Kläger zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt war und demnach Erfüllungsansprüche der Beklagten nicht mehr in Frage kommen, oder ob die Gemeinschuldnerin schuldhaft in Verzug geraten ist und ob durch die Bankgarantien abgesicherte Gewährleistungsansprüche der Beklagten noch offen oder bereits verfristet sind. Über alle diese Fragen müßten mehr als zehn von den Parteien beantragte Zeugen vernommen werden. Es liegt auf der Hand, daß damit ein wesentlicher Teil der für den Prozeß erforderlichen Beweisaufnahmen schon im Bescheinigungsverfahren zur einstweiligen Verfügung durchgeführt werden müßte, ohne daß eine Aufklärung der Frage des Eintrittes oder Nichteintrittes des Garantiefalles rasch und eindeutig erwartet werden kann. Auch die inzwischen erfolgte Beweissicherung durch Lokalaugenschein kann daran nichts ändern, weil weiter strittig ist, wer Ersatzvornahmen der der klagenden Partei obliegenden Arbeiten durchgeführt und finanziert hat. Dann muß aber der jeder Bankgarantie innewohnende Zweck durchschlagen, zur Sicherung des geschäftlichen Verkehrs wie eine Bargeldzahlung zu dienen und den Begünstigten so lange in den Besitz der Garantiesumme zu setzen, bis allenfalls im Prozeß der Nichteintritt des Garantiefalles bewiesen werden kann.
Da der Anspruch auf die bezeichnete Weise demnach nicht in der erforderlichen Weise bescheinigt werden kann (die Urkunden geben darüber keine Klarheit), kommt auch eine Sicherheitsleistung für bloß teilweise Nichtbescheinigung nicht in Betracht. Eine Gefährdung der späteren Geldforderung auf allfälligen Rückersatz macht die klagende Partei nicht geltend.
Anmerkung
Z54189Schlagworte
Bankgarantie, Widerruf: Sicherung durch einstweilige Verfügung, Bankgarantie, Widerruf: Zahlungsverbot an den Garanten, Bescheinigungsverfahren bei Sicherung des Widerrufs einer Bankgarantie, (einstweilige Verfügung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0010OB00789.81.1216.000Dokumentnummer
JJT_19811216_OGH0002_0010OB00789_8100000_000