Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 1982 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schlögl als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs. 1, 143 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 19. März 1981, GZ 7 Vr 1521/80-49, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Emberger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23. April 1948 geborene Walter A, ein österreichischer Staatsbürger, auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs. 1, 143
StGB (Punkt 1./ des Urteilssatzes) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt 2./ des Urteilssatzes) schuldig erkannt und nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung der § 28, 41 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Ihm liegt nach dem Inhalt dieser Schuldsprüche zur Last 1./ am 16. März 1971 in St. Gallen, Schweiz, in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Josef B als Beteiligten (§ 12 StGB) der Ute C unter Vorhalt einer Flobertpistole, sohin durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (unter Verwendung einer Waffe), und anschließend durch Einschließen in einem Zimmer, sohin auch mit gegen sie gerichteter Gewalt, fremde bewegliche Sachen, nämlich etwa sfr 600,-- in bar und (verschiedene) Schmuckstücke im Gesamtwert von sfr 41.620,--, mit dem Vorsatz abgenötigt bzw weggenommen zu haben, sich und Josef B durch die Zueignung des Geldes und der Schmuckstücke unrechtmäßig zu bereichern; 2./ am 6. Jänner 1980 in Oberdorf, Gemeinde St. Urban (im Rückfall) im bewußten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Ewald A, Christian A und Otto A als unmittelbare Täter (Mittäter) vorsätzlich den Johann D, Albert E und Johann F durch Versetzen von Schlägen gegen den Kopf jeweils am Körper (dem Grade nach leicht) verletzt zu haben.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 12 und 13 - der Sache nach lediglich auf die Z 13 -
des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Unterliegt der Täter einer im Ausland begangenen strafbaren Handlung gemäß § 65 StGB der österreichischen Gerichtsbarkeit, dann hat das Gericht nach dem Absatz 1
dieser Gesetzesstelle österreichisches Recht sowohl bei der Subsumtion der Tat unter das Gesetz als auch bei der Strafbemessung anzuwenden. Es muß allerdings gemäß § 65 Abs. 2
StGB die (für die Auslandstat verwirkte) Strafe so bestimmen, daß der Täter in der Gesamtauswirkung nicht ungünstiger gestellt ist als nach den Gesetzen des Tatortes.
Die aus der letztgenannten Gesetzesstelle resultierende Verpflichtung des Gerichtes zur Hintanhaltung einer Benachteiligung des Täters durch Anwendung einer gegenüber dem Tatortrecht strengeren österreichischen Strafbestimmung kommt auch zum Tragen, wenn der deswegen Verurteilte im Ausland (nicht nur eine, sondern) mehrere Straftaten gesetzt hat, für deren Ahndung das österreichische Gericht gemäß § 65 StGB zuständig ist; denn auch in diesem Fall bestraft das Gericht in Ausübung der sogenannten stellvertretenden Strafrechtspflege, bei der es das im § 65 Abs. 2 StGB normierte Benachteiligungsverbot zu beachten hat. Konkurriert jedoch ein im Inland begangenes Delikt - das gemäß § 62 StGB grundsätzlich nach den österreichischen Strafgesetzen zu bestrafen ist - mit einer Auslandstat, dann kann sich die aus § 65 Abs. 2 StGB ergebende Verpflichtung, den Täter einer Auslandstat bei der Strafbemessung nicht ungünstiger zu stellen, als dies bei seiner Bestrafung nach dem Recht des Tatortes der Fall gewesen wäre, nicht auswirken, wenn der Täter im Inland eine (gegenüber der ausländischen Strafdrohung für das Auslandsdelikt) mit strengerer Strafe bedrohte Inlandstat begangen hat (ähnlich 12 Os 29/76, 9 Os 85/77 = SSt 48/51, 13 Os 48/78); bei einer solchen Fallgestaltung wird nämlich die sich aus der stellvertretenden Gerichtsbarkeit ergebende Beschränkung der Strafbefugnis durch den (uneingeschränkten) Strafanspruch des Staates aus der im Inland begangenen strafbaren Handlung (bis zur Obergrenze der dafür geltenden Strafdrohung) aufgehoben.
So besehen zeigt sich, daß dem Erstgericht bei der Ausmessung der Strafe insoweit ein Rechtsirrtum unterlaufen ist, als es unter Berufung auf die unter ÖJZ-LSK 1976/
172 nur gekürzt wiedergegebene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 20. April 1976, AZ 12 Os 7/76 (vollständig abgedruckt in ZfRV 1976, 306 ff) die Anwendbarkeit des § 65 Abs. 2 StGB bloß aus der Erwägung verneinte, daß der Angeklagte auch im Inland eine strafbare Handlung begangen hat. Dieser Irrtum macht das Urteil allerdings nach Lage des Falles nicht nichtig.
Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Durch § 65 Abs. 2 StGB wird der vom Gericht in concreto anzuwendende Strafsatz des österreichischen Rechtes - mit dem die entsprechende ausländische Strafnorm zwecks Vermeidung einer Benachteiligung des Täters zu vergleichen ist (EvBl 1977/222, SSt 48/51) - nicht im Sinne einer der ausländischen Strafnorm angepaßten Verkürzung der Obergrenze oder/und Herabsetzung der Untergrenze verändert. Es beschränkt diese Gesetzesstelle vielmehr - wie sich aus den Worten 'Die Strafe ist so zu bestimmen, ...' unzweideutig ergibt - lediglich die Strafbefugnis des Gerichtes, indem sie dieses (zugunsten des Täters) verpflichtet, den zur Verfügung stehenden (höheren) Strafrahmen des inländischen Rechtes höchstens bis zur Obergrenze der ausländischen Strafdrohung zu nützen, bzw berechtigt, die Untergrenze der Strafdrohung nach österreichischem Recht auch ohne die sonst hiefür erforderlichen Voraussetzungen bis zu der für das abgeurteilte Delikt geltenden Strafdrohung des Rechtes des Tatortes zu unterschreiten (siehe dazu Dokumentation 114, Leukauf-Steininger2 RN 21 zu § 65 StGB, Foregger-Serini Erl. III zu § 65 StGB, Liebscher im Wiener Kommentar, RN 18 zu § 65 StGB). Daraus ergibt sich, daß ein Strafausspruch, der über eine gemäß § 65 StGB der österreichischen Gerichtsbarkeit unterliegende Tat ergeht, nur dann mit Nichtigkeit im Sinne der Z 11 des § 281 Abs. 1 bzw der Z 13 des § 345 Abs. 1
StPO behaftet ist, wenn das Gericht die ihm durch § 65 Abs. 2 StGB gezogene Schranke der Strafbefugnis überschreitet. Dies aber lag in Ansehung des gegen den Beschwerdeführer ergangenen Strafausspruches nicht vor.
Nach dem vorliegend (unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 1 StGB) zur Anwendung gelangenden - gegenüber der Strafdrohung
nach dem Recht des Strafgesetzes 1945 (§ 192 StG : schwerer Kerker von zehn bis zwanzig Jahren) milderen (§ 61 StGB) - ersten Strafsatz des § 143 StGB ist ein unter Verwendung einer Waffe begangener schwerer Raub mit Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren zu bestrafen.
Das Recht des Tatortes (St. Gallen), hier also das Schweizerische Strafgesetzbuch sieht im Art 139 für (einfachen) Raub eine Strafdrohung mit Zuchthaus (gemäß Art 35 in der Dauer von einem bis zwanzig Jahren) oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten (gemäß Art 36 bis zu drei Jahren) vor (Z 1) und bedroht (in der Z 2) unter anderem den Räuber mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren, wenn er seine besondere Gefährlichkeit bei der Tat auf andere Weise als durch die Begehung des Raubes als Mitglied einer Bande offenbart, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat.
Ein Vergleich des angefochtenen Strafausspruchs (selbst) mit der günstigeren - nach der Aktenlage (siehe dazu S 423) vom Bezirksgericht St. Gallen im Urteil vom 26. November 1980, AZ SA III 80/24, Proz.Nr. 31' 343, gegen Josef B, den Mittäter des Angeklagten, angewendeten -
Strafdrohung des Art 139 Z 1 Schweizer Strafgesetzbuch zeigt, daß die über den Angeklagten verhängte zweijährige Freiheitsstrafe nicht einmal über der am Tatort für einfachen Raub wahlweise angedrohter Gefängnisstrafe (mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis drei Jahren) liegt, weshalb von einer Verletzung der dem Gericht gemäß § 65 Abs. 2, 143 StGB eingeräumten Strafbefugnis keine Rede sein kann. Die Nichtigkeitsbeschwerde war mithin als unbegründet zu verwerfen. Das Geschwornengericht nahm bei der nach § 143 StGB unter Anwendung der § 28 und 41 StGB erfolgten Strafbemessung die einschlägigen Vorstrafen, die mehrfache Qualifikation der Tat zum schweren Raub, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Wiederholung der Körperverletzung als erschwerend an; als mildernd wertete es hingegen das volle reumütige Geständnis, die Verleitung durch den Mittäter Josef B, die Zustandebringung eines gewichtigen Teiles des geraubten Gutes und den Umstand, daß der Angeklagte aus dem Raub keinen wesentlichen Vorteil gezogen hat.
Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung die Herabsetzung der über ihn verhängten Strafe und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an. Die Staatsanwaltschaft dagegen begehrt die Erhöhung des Strafmaßes.
Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Davon, daß die Raubtat nach Schweizer Recht lediglich einen 'einfachen Raub' darstellt, kann - dem Vorbringen des Angeklagten zuwider - auch bei der Strafbemessung nicht ausgegangen werden, weil die rechtliche Beurteilung der Tat nach dem oben Gesagten nach österreichischem Recht zu erfolgen hat. Dieser Umstand kann lediglich in Anwendung der allgemeinen Strafzumessungsgrundsätze Berücksichtigung finden.
Der Einwand des Angeklagten, die Annahme des Erschwerungsgrundes der Wiederholung der Körperverletzung sei gesetzlich nicht fundiert, ist im Hinblick auf die Bestimmung der Z 1 des § 33 StGB unverständlich. Die Tatsache, daß das zuständige Schweizer Gericht über den Mittäter des Angeklagten nur eine neunmonatige Gefängnisstrafe ausgesprochen hat, ist bei der Ausmessung der über den Angeklagten zu verhängenden Strafe schon deswegen nicht relevant, weil das Gericht die einzelnen Angeklagten nach dem Gesetz (§ 32 Abs. 1 StGB) jeweils nach Maßgabe ihrer Schuld zu bestrafen hat. Im übrigen sind - wie die Berufung dazu selbst zutreffend vermerkt - die österreichischen Gerichte an die Beurteilung der Schuld eines anderen Angeklagten durch ein ausländisches Gericht, das unter Umständen nach ganz anderen Gesichtspunkten abspricht, keineswegs gebunden.
Zu Unrecht reklamiert der Berufungswerber den Milderungsgrund der Z 18 des § 34 StGB für sich. Es sind zwar seit der Begehung des Raubes in der Schweiz mehr als zehn Jahre vergangen, doch hat sich der Angeklagte während dieser Zeit keineswegs wohlverhalten (siehe dazu die unter den Punkten 9 bis 16 der Strafregisterauskunft aufscheinenden Verurteilungen wegen Delikten gegen die körperliche Integrität).
Die (als mildernd gewertete) Verleitung durch Josef B hat das Geschwornengericht ersichtlich auf Grund der Einlassung des Angeklagten angenommen, der (im Widerspruch zu den Angaben des Josef B; siehe dazu S 51 d.A) behauptete, erst am Tatort von B zur Mitwirkung an der Tat verführt worden zu sein. Insofern hat das Geschwornengericht durch die Annahme des oben bezeichneten Milderungsgrundes ohnedies dem Umstand Rechnung getragen, daß der Angeklagte (nach seinen Angaben) die Tat mehr durch die verlockende Gelegenheit verleitet, als mit vorgefaßter Absicht begangen hat. Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen, deren Richtigkeit und Vollständigkeit in der Berufung der Staatsanwaltschaft gar nicht bezweifelt wird, entspricht die vom Geschwornengericht verhängte Strafe dem Verschulden des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der von ihm begangenen Straftaten. Der Einwand der Staatsanwaltschaft, es sei die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 StGB vorliegend nicht möglich, weil die insgesamt sechzehn Vorstrafen des Angeklagten die Annahme eines weiteren Wohlverhaltens nicht gerechtfertigt erscheinen lassen, geht insoweit ins Leere, als der Oberste Gerichtshof im Hinblick auf die Strafdrohung nach Schweizer Recht in Anwendung des § 65 Abs. 2 StGB die Strafe auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 41 StGB unter dem in der österreichischen Strafnorm vorgesehenen Mindestmaß festsetzen kann. Wohl aber war dieser von der Anklagebehörde hervorgekehrte Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Frage maßgeblich, ob dem Angeklagten die über ihn verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachzusehen ist. Das war allerdings vor allem mit Rücksicht darauf zu verneinen, daß der Angeklagte innerhalb der letzten Jahre nicht weniger als achtmal einschlägig abgeurteilt worden ist und auch seit der letzten Verurteilung durch das Landesgericht Klagenfurt am 6. Juli 1977 wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe wieder die aus dem Punkt 2 des angefochtenen Urteils ersichtlichen, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Straftaten begangen hat. Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03520European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0090OS00087.81.0112.000Dokumentnummer
JJT_19820112_OGH0002_0090OS00087_8100000_000