Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 1982 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Reisenleitner und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schlögl als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut A und Kolumban B wegen des Finanzvergehens der Hinterziehung von Eingangsabgaben nach den § 35 Abs. 2, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 30. März 1981, GZ 12 a Vr 2248/80-20, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, nach Verlesung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A, nach Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Ringhofer (für den Angeklagten B) und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Strasser zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kolumban B wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch Punkt B 1 (einschließlich dessen rechtlicher Beurteilung als das Finanzvergehen der fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben nach dem § 36 Abs. 2 FinStrG 'in Verbindung mit § 11 FinStrG') sowie demzufolge in dem wegen dieses Finanzvergehens nach dem § 36 Abs. 3
FinStrG gefällten Strafausspruch aufgehoben und es wird im Umfang dieser Aufhebung gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Kolumban B wird von der Anklage, er habe in der Zeit vom 1. Jänner 1975 bis 31. Dezember 1979 beim Zollamt Hub eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich das zu Punkt A der Anklage der Staatsanwaltschaft Feldkirch vom 4. Februar 1981, ON 15 d.A, angeführte Rundholz, fahrlässig unter Verletzung zollrechtlicher Erklärungspflichten, und zwar auch durch das zu Punkt B 2 derselben Anklageschrift angeführte Verhalten, dem Zollverfahren entzogen und hiedurch das Finanzvergehen der fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben nach dem § 36 Abs. '1' (richtig: Abs. 2) FinStrG begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Im übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden verworfen. Die Berufung des Angeklagten Helmut A wird zurückgewiesen. Mit seiner Berufung gegen die gemäß dem § 36 Abs. 3 FinStrG über ihn verhängte Strafe wird der Angeklagte Kolumban B auf diese Entscheidung verwiesen. Im übrigen wird seiner Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Helmut A des Finanzvergehens der Hinterziehung von Eingangsabgaben nach den § 35 Abs. 2, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG (Punkt A des Schuldspruches) und Kolumban B des Finanzvergehens der fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben nach dem § 36 Abs. 2 FinStrG 'in Verbindung mit § 11 FinStrG' (Punkt B 1 des Schuldspruches) sowie des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB (Punkt B 2 des Schuldspruches) schuldig erkannt.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Erstangeklagte Helmut A betreibt seit 1971 ein Sägewerk in Langen bei Bregenz und führte seit dieser Zeit laufend Holz aus der Bundesrepublik Deutschland ein. Anläßlich solcher Einfuhren beim Zollamt Hub in der Zeit vom 1. Jänner 1975 bis 31. Dezember 1979 wurde vom Zweitangeklagten Kolumban B, dem damaligen Leiter dieses Zollamtes, entweder selbst oder zufolge seines Auftrages von nachgeordneten Zollbeamten entgegen der Bestimmung des § 59 Abs. 3 ZollG (eine Berechtigung As zur sogenannten Nachhineinzahlung des Zolles /§ 175 Abs. 4 ZollG BGBl 1955 Nr 129 in der Fassung der Novelle BGBl 1968, Nr 78/ lag nicht vor) von der sofortigen Durchführung des Zollverfahrens abgesehen und eine nachträgliche Verzollung jeweils 'Tage bis Wochen' später vorgenommen, wobei in die Beschau(= Abfertigungs-)befunde, die bei rechtmäßigem Vorgehen zur sofortigen Verzollung der Waren zu den Zeitpunkten ihrer Einfuhr hätten dienen sollen, nicht diese Daten, sondern jene der späteren tatsächlichen Verzollung eingetragen wurden. Insgesamt belief sich die Menge der im genannten Zeitraum auf die beschriebene Weise vom Angeklagten Helmut A beim Zollamt Hub ohne sofortige Durchführung des Zollverfahrens eingeführten Rundholzes auf 29.506,22 Festmeter im Gesamtwert von DM 4,875.624. Tatsächlich verzollt, in 129 Fällen auf Grund vom Zweitangeklagten Kolumban B selbst, in weiteren 32 Fällen auf Grund von in seinem Auftrag verfaßten Vorschreibungen, wurden jedoch nur 23.637,11 Festmeter Rundholz im Gesamtwert von DM 3,882.907,08. Die Differenzmenge von 5.869,11 Festmeter Rundholz im Wert von DM 992.716,92 wurde keinem Zollverfahren zugeführt. Der Angeklagte Helmut A hat die auf diese Differenzmenge entfallenden Eingangsabgaben von insgesamt S 615.056,-- vorsätzlich und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, verkürzt, welches Verhalten ihm im Punkt A des Schuldspruches als Finanzvergehen der vorsätzlichen Hinterziehung von Eingangsabgaben nach den § 35 Abs. 2, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG zur Last liegt. In Ansehung des Angeklagten Kolumban B nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß dieser durch die Ermöglichung der Entrichtung der Eingangsabgaben für 29.506,22 Festmeter Rundholz im nachhinein ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in Kenntnis des Umstandes, daß dem Angeklagten Helmut A die Bewilligung zur Nachhineinzahlung (durch die gemäß dem § 175 Abs. 4 ZollG allein zuständige Finanzlandesdirektion) verweigert worden war, wissentlich seine Amtsbefugnis mißbraucht und dabei mit dem, zumindest bedingten, Vorsatz gehandelt hatte, den Staat an seinem konkreten Recht auf rechtzeitige Entrichtung der Einfuhrabgaben zu schädigen (Schuldspruch Punkt B 2 wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB), und überdies fahrlässig zu der dem Mitangeklagten Helmut A als Vorsatzdelikt angelasteten Verkürzung der Einfuhrabgaben beigetragen hatte (Schuldspruch Punkt B 1
wegen des Finanzvergehens der fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben nach dem § 36 Abs. 2 FinStrG).
Dieses Urteil bekämpfen beide Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die sie auf den Nichtigkeitsgrund der Z 4, der Zweitangeklagte Kolumban B überdies auf jene der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO stützen.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Helmut A:
Gegenstand der Verfahrensrüge dieses Angeklagten ist die Abweisung seines in der Hauptverhandlung zum Beweise dafür, 'daß die in der Anklage angeführte Menge von 5.869,11 Festmeter Rundholz nicht zur Gänze dem Zollverfahren entzogen wurde', gestellten Antrages auf Vernehmung der Zeugen Hermann C, Josef D und Wunibald E, denen überdies die Vorlage der vom deutschen Zollamt Neuhaus abgestempelten Versandausfuhrerklärungen 'hinsichtlich sämtlicher Geschäftsfälle in den Jahren 1975 bis 1979 mit dem Erstangeklagten' hätte aufgetragen werden sollen, sowie der zum selben Beweisthema begehrten Beiziehung eines Sachverständigen 'zur Ermittlung der tatsächlichen dem Zollverfahren entzogenen Holzmenge, die sich auf Grund der Zeugenaussagen C, D und E ergibt' (S 72 bis 74 d.A). Durch das abweisende Zwischenerkenntnis des Erstgerichtes wurden, der Beschwerde zuwider, Verteidigungsrechte des Angeklagten Helmut A nicht beeinträchtigt.
An Verfahrensergebnissen für die Frage der Menge des Rundholzes, welches keinem Zollverfahren unterzogen worden war, lagen dem Erstgericht die Ermittlungen des Zollamtes und die Aussage des Zeugen F vor, denen zufolge sich die Menge von 5.869,11 Festmeter aus einem Vergleich zwischen den dem Zollamt Hub zur Verzollung vorgelegten Rechnungen einerseits und sowohl den, vom Angeklagten A seiner Verantwortung nach jeweils im vollen Rechnungsbetrag beglichenen (S 60 d.A), Rechnungen als auch den Kundenblättern seiner Lieferanten andererseits ergab.
Zur überprüfung der gegenständlichen Beweisanträge des Angeklagten Helmut A auf ihre Berechtigung hin (vgl Mayerhofer/Rieder, E Nr 19, 90 zu § 281 Abs. 1 Z 4 StPO) hätte es nun aber der Angabe des Antragstellers bedurft, aus welchen Gründen erwartet werden könne, daß die Durchführung der beantragten Beweise auch tatsächlich das von ihm behauptete Ergebnis, nämlich ein Abweichen von dem genannten Resultat der Ermittlungen des Zollamtes, haben werde. Gerade dies ist nicht geschehen, zumal auch der Beschwerdeführer in seiner Verantwortung zunächst nur erklärt hatte, er könne 'nicht sagen, ob es wirklich so viel Holz war, das unverzollt hereingekommen ist' (S 59 d.A), sodann die in der Anklage aufscheindende Holzmenge zwar bestritt, sich jedoch, ersichtlich mit Beziehung auf die zur Gänze erfolgte Bezahlung der Rechnungsbeträge, bloß auf die Möglichkeit einer Fehlschätzung durch ihn bzw seine Angestellten berief (vgl S 60 f
d. A, insbesondere: '... daß wir uns um die Hälfte verschätzt haben ...'). Tatsächliche Ausführungen des Beschwerdeführers, aus denen sich indes Indizien für die Unrichtigkeit der erwähnten Rechnungen und der Kundenkontenblätter seiner Lieferanten bzw für die Lieferung geringerer Mengen durch diese, als in Rechnung gestellt, ergeben hätten, lagen dem Erstgericht bei Fällung des Zwischenerkenntnisses nicht vor.
Es hat sohin die Beweisanträge, die sich bloß in der Behauptung einer weiteren Möglichkeit der Wahrheitsfindung erschöpfen und nur auf unzulässige Erkundungsbeweise hinauslaufen (vgl neuerlich Mayerhofer/Rieder E Nr 90 zu § 281 Abs. 1 Z 4 StPO), zu Recht abgelehnt, weshalb die vom Angeklagten A einzig geltend gemachte Nichtigkeit nicht gegeben ist.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kolumban B:
Den Schuldspruch Punkt B 1 wegen des Vergehens der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach dem § 36 Abs. 2
FinStrG bekämpft der Angeklagte B insbesondere aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO Zu Recht wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Zurechnung fahrlässiger Verkürzung von Eingangsabgaben nach dem § 36 Abs. 2 FinStrG, begangen durch fahrlässigen Tatbeitrag zu der vom Mitangeklagten A verübten vorsätzlichen Hinterziehung von Eingangsabgaben (§ 35 Abs. 2 FinStrG).
Bei einer derartigen fahrlässigen Beteiligung an einem Vorsatzdelikt handelt es sich nämlich zufolge des im § 12 FinStrG (in gleicher Weise wie im § 13 StGB) verankerten, die Täterschaftsregelung des § 11 FinStrG (§ 12 StGB) ergänzenden Grundsatzes der selbständigen Strafbarkeit mehrerer Beteiligter je nach ihrer Schuld um nichts anderes als einen Unterfall der fahrlässigen Täterschaft (Kienapfel, JBl 1974, S 188 f). Die Strafbarkeit des Fahrlässigkeitstäters, daher auch eines Beteiligten (Gehilfen) im Sinn eines entsprechenden gesetzlichen Tatbildes, setzt jedoch jeweils den Verstoß gegen eine eigene, unmittelbar ihn selbst treffende, deliktstypische objektive Sorgfaltspflicht voraus (Burgstaller in RZ 1975, S 29, 33 und im Wiener Kommentar zum StGB, RN 119 zu § 6 StGB; RZ 1980/21 mit Anmerkung Burgstallers hiezu).
Im Falle der fahrlässigen Mitwirkung eines Zollbeamten, den nicht selbst eine abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht (§ 119 BAO) trifft und der deshalb und insofern nicht unmittelbarer Täter (§ 11 erste Alternative FinStrG) einer fahrlässigen Hinterziehung von Eingangs-(oder Ausgangs-)abgaben nach dem § 36 Abs. 2 FinStrG (ebensowenig wie jener der vorsätzlichen Begehung dieses Deliktes nach dem § 35 Abs. 2
FinStrG) sein kann (vgl auch EvBl 1964/463 = 11 Os 107/63), fehlt es aber an der Verletzung einer eigenen, ihn unmittelbar selbst treffenden, für die Abgabenhinterziehung spezifischen objektiven Sorgfaltspflicht des Zollbeamten.
Sein Verstoß liegt vielmehr ausschließlich im Zuwiderhandeln gegen seine Amtspflichten, zu denen in concreto die überwachung der Erfüllung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eines anderen, nicht aber deren Erfüllung selbst gehört.
Aus den genannten Gründen ist der Schuldspruch des Angeklagten B wegen des Finanzvergehens der fahrlässigen Hinterziehung von Eingangsabgaben (B 1) mit Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO behaftet.
Insoweit war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B Folge zu geben und in der Sache selbst wie im Spruch zu erkennen. Nicht stichhältig hingegen sind die weiteren, auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützten Beschwerdeausführungen des Angeklagten B zum Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB (B 2 des Urteilssatzes).
Ihrer Behandlung seien folgende Erwägungen vorangestellt:
Dem Schutz des staatlichen Rechtes auf (insbesondere fristgerechte) Entrichtung der Eingangsabgaben dient ua die Bestimmung des § 59 Abs. 3 ZollG (BGBl 1955, Nr 129), deren für die gegenständliche Tatzeit (1. Jänner 1975 bis 31. Dezember 1979) geltenden Fassungen (BGBl 1968, Nr 78 bzw BGBl 1978, Nr 286) zufolge eine Ausfolgung eingeführter Waren, bzw deren Verbringung vom Amtsplatz vor Entrichtung des Zolles (der Eingangsabgaben, vgl § 3 Abs. 1 und 2 ZollG) an die Bewilligung zu dessen (deren) sogenannter Nachhineinzahlung geknüpft ist. Eine solche durfte gemäß dem § 175 Abs. 4 ZollG in der im Tatzeitraum gültigen Fassung (BGBl 1968, Nr 78) nur durch die Finanzlandesdirektion unter allfälliger Festsetzung von Sicherungsmaßnahmen (nach Maßgabe des Zollgesetzes) bei Abfertigung aus offenen Lagern auf Vormerkrechnung für eine Zahlungsfrist von höchstens sechs Wochen und bei Abfertigung im Hausbeschauwege und bei bargeldloser Zollzahlung für eine Zahlungsfrist bis zu höchstens drei Wochen gewährt werden. Der Schutzfunktion der erwähnten Gesetzesbestimmungen hat der Angeklagte B durch die inkriminierte Vorgangsweise zuwidergehandelt, obwohl er seiner eigenen, vom Erstgericht insofern seinen Feststellungen zugrundegelegten, Verantwortung zufolge in Kenntnis war, daß dem Angeklagten A die entsprechende Bewilligung (im Sinne des § 175 Abs. 4 ZollG durch die zuständige Finanzlandesdirektion) verweigert worden war (vgl S 67, 69 d.A).
So gesehen kann aber, in Vorwegnahme der Behandlung einschlägiger Einwände der Mängelrüge des Angeklagten B, weder an dem wissentlichen (§ 5 Abs. 3 StGB) Mißbrauch der Befugnis dieses Angeklagten zur Vornahme seiner Amtsgeschäfte, im Sinn ihrer bewußt rechtswidrigen Ausübung (Leukauf-Steininger2, RN 25, 30 zu § 302 StGB), noch auch an seinem, nicht bloß bedingten, wie dies das Erstgericht als zumindest erwiesen annimmt, sondern direkt auf die konkrete Rechtsschädigung des Staates ausgerichteten Vorsatz (§ 5 Abs. 1 erster Halbsatz StGB), worin sich die subjektive Tatseite des Tatbildes des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB erschöpft, mit Fug gezweifelt werden. Wurde doch vom Angeklagten B, was für seinen Vorsatz auf Schädigung eines konkreten öffentlichen Rechtes von ausschlaggebender Bedeutung ist, durch rechtswidrige faktische Gewährung einer Nachhineinzahlung, für die er als Zollamtsleiter nicht zuständig war und für die ersichtlich auch nicht die genannten materiellen Voraussetzungen des Gesetzes (Abfertigung aus offenen Lagern auf Vormerkrechnung, Abfertigung im Hausbeschauwege oder bargeldlose Zollzahlung /vgl auch die Verantwortung des Beschwerdeführers S 74 d.A/), noch dazu ohne jegliche Sicherungsmaßnahme, die bei der ihm, seiner Verantwortung zufolge, ebenfalls bekannten Fraglichkeit der Zahlungsfähigkeit der Firma A (S 66, 68 d.A) geboten gewesen wäre, dem Zweck, den das Gesetz mit den zitierten Bestimmungen verfolgt, zuwidergehandelt und die konkrete Maßnahme der zuständigen Behörde, die Nachhineinzahlung bei Fehlen der erforderlichen Voraussetzungen zu verweigern, vereitelt (vgl auch Leukauf-Steininger2, RN 32 zu § 302 StGB). Einer näheren Begründung für die Annahme des Verwirklichenwollens (§ 5 Abs. 1 erster Teil StGB) des ein konkretes öffentliches Recht schädigenden Sachverhaltes bedarf es, der Beschwerde zuwider, bei einem solchen auf das Umgehen der (gegenteiligen) Maßnahme der zuständigen Behörde abzielenden Verhaltens des Angeklagten B nicht. Unter Beachtung dieser überlegungen erscheint schon die vom Angeklagten B beantragte zeugenschaftliche Vernehmung zweier Zollbeamter (S 73 d.A), gegen deren Abweisung durch das Erstgericht er sich unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO wendet, überflüssig. Denn sein Unrechtsbewußtsein, dessen Mangel er durch die relevierten Beweisaufnahmen nachzuweisen sucht, ergibt sich doch, wie dargelegt, bereits aus seiner Verantwortung selbst. Davon abgesehen wäre ihm aber selbst ein (Rechts-)Irrtum über die zollrechtlichen Bestimmungen und deren Einhaltung bei der gegebenen Konstellation vorzuwerfen und es bliebe auch in diesem Fall an seiner strafrechtlichen Haftung für das Vorsatzdelikt des Mißbrauches der Amtsgewalt (§ 9 StGB). Ebenso unbeachtlich wäre ein Irrtum über die Strafbarkeit seines Verhaltens (vgl Leukauf-Steininger2, RN 24 zu § 9 StGB), in welche Richtung seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, wonach er nie gedacht habe, daß seine Handlungsweise einen Mißbrauch der Amtsgewalt darstellen könnte (S 66 - 68 d.A), und sein Einwand in der Verfahrensrüge zielt, die beantragten Beweisaufnahmen hätten den Zweck gehabt, darzutun, daß er sich keineswegs bewußt gewesen sei, eine strafbare Handlung zu begehen.
Die Verfahrensrüge dringt daher nicht durch.
Mit seinen Einwendungen aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO, in welchen er die erstgerichtliche Begründung der Annahme des wissentlichen Mißbrauches seiner Amtsbefugnisse und seines Schädigungsvorsatzes als 'undeutlich und unvollständig' rügt, ist der Angeklagte B auf die obigen Erwägungen zu verweisen. Die vom Erstgericht zur inneren Tatseite des Amtsmißbrauches getroffenen Feststellungen sind durch die schon erörterte, dem Urteil zugrundegelegte (vgl S 82 d.A) Verantwortung des Beschwerdeführers selbst vollinhaltlich gedeckt und daher zureichend und frei vom gerügten Mangel begründet.
Angesichts des bewußten und gewollten gesetzwidrigen Verhaltens des Angeklagten ist ferner das von ihm behauptete Motiv, hiedurch für eine Erleichterung der Abfertigung des Grenzverkehrs gesorgt zu haben (S 66 f d.A), weder für die Schuldfrage noch für die rechtliche Unterstellung seines Verhaltens entscheidend. Einer Erörterung dieses angeblichen Beweggrundes bedurfte es daher im Ersturteil, der Beschwerde zuwider, nicht.
Der Einwand der Mängelrüge, der Beschwerdeführer habe sich 'glaubwürdig' dahin verantwortet, es sei 'immer sein Gedanke gewesen, daß keinerlei Nachteil für den Staat entstehe', bzw es sei ihm 'ein Gedanke an eine Schädigung des Staates an seinen Rechten überhaupt nicht gekommen', steht im Widerspruch zur Aktenlage. Denn der Beschwerdeführer hat sich in seiner Verantwortung in subjektiver und objektiver Hinsicht lediglich auf eine Schädigung des Staates am Vermögen, nicht aber an sonstigen (konkreten) Rechten bezogen (S 67 ff d.A). Da dem Beschwerdeführer im Rahmen seines wissentlichen Befugnismißbrauches ja nicht der auf eine Art Verzögerungsschaden infolge verspäteter Abgabeneinhebung, sondern der auf das konkrete staatliche Recht auf rechtzeitige Entrichtung der Einfuhrabgaben gerichtete Vorsatz zur Last liegt, brauchte sich das Erstgericht mit der nur auf die Vermögensschädigung abstellenden Verantwortung des Beschwerdeführers ebenfalls nicht näher zu befassen. Da sohin die Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Amtsmißbrauches mit keinem der geltendgemachten Begründungsmängel behaftet sind, geht auch die Mängelrüge des Angeklagten B fehl. In seinen den Schuldspruch wegen Mißbrauches der Amtsgewalt betreffenden Beschwerdeausführungen unter der Z 9
lit. a des § 281 Abs. 1 StPO schließlich bringt er den materiellen Nichtigkeitsgrund insofern nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, als er in Abweichung vom Urteilssachverhalt davon ausgeht, das Erstgericht erblicke eine Schädigung des Staates (nur) darin, daß durch seine Handlungsweise die Eingangsabgaben 'etwas später' eingehoben wurden.
Die Herbeiführung eines Vermögensschadens liegt ihm aber, wie erwähnt, gar nicht zur Last.
Soweit in der Rechtsrüge die Möglichkeit einer Schädigung des Staates in einem konkreten Recht bezweifelt und von einer bloßen 'unpünktlichen Erfüllung einer Rechtspflicht' gesprochen wird, genügt es, (neuerlich) auf die einleitenden überlegungen zu den Beschwerdeausführungen zu verweisen, die den Schuldspruch wegen Amtsmißbrauches betreffen.
Zufolge Zutreffens sämtlicher subjektiver und objektiver Tatbestandsmerkmale des § 302 Abs. 1 StGB hat das Erstgericht das vom Schuldspruch B 2 erfaßte Verhalten des Angeklagten B sohin rechtsrichtig diesem Tatbestand unterstellt.
Der Nichtigkeitsbeschwerde konnte daher zu diesem Beschwerdepunkt
kein Erfolg beschieden sein.
Zu den Berufungen:
Die Berufung des Angeklagten Helmut A war zurückzuweisen, weil eine Ausführung dieses Rechtsmittels unterblieb und auch bei seiner Anmeldung jene Punkte des Erkenntnisses nicht bezeichnet wurden, durch die sich der Berufungswerber beschwert findet (§ 294 Abs. 4 StPO).
Soweit sich der Angeklagte Kolumban B mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch nach dem Finanzstrafgesetz wendet, war er infolge Beseitigung des bezüglichen Verdiktes auf die Entscheidung über seine Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.
Wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB verhängte das Erstgericht über diesen Angeklagten nach der genannten Gesetzesstelle und unter Bedachtnahme gemäß den § 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 18. August 1980, GZ 12 a Vr 538/80-15, (drei Monate Freiheitsstrafe wegen des § 302 Abs. 1 StGB) eine Zusatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten, die es gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung wurde als erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen verschiedener Art, als mildernd 'das längere Zurückliegen der Straftat und das seitherige Wohlverhalten' gewertet. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte B eine Strafermäßigung an. Sie ist nicht berechtigt.
Zwar war wegen der nach dem § 22 Abs. 1 FinStrG erforderlichen gesonderten Behandlung des Finanzvergehens (auch) in der Straffrage, das Zusammentreffen von Delikten verschiedener Art nicht als erschwerend in Rechnung zu stellen, und es kommt dem Angeklagten auch die Unbescholtenheit zur Tatzeit zusätzlich als mildernd zugute. Dafür muß aber der Berufungswerber einen gewichtigen Erschwerungsgrund, nämlich die vielfache Wiederholung der Straftat während eines Zeitraumes von mehreren Jahren, gegen sich gelten lassen.
So gesehen kann - unter Einbeziehung der bereits an früherer Stelle erwähnten Vorverurteilung in diesen Strafbemessungsvorgang - eine (Gesamt-)Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten keineswegs als überhöht empfunden werden.
Der gegen den Strafausspruch wegen des Amtsdeliktes erhobenen Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenausspruch beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03562European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0110OS00123.81.0120.000Dokumentnummer
JJT_19820120_OGH0002_0110OS00123_8100000_000