TE OGH 1982/1/28 13Os191/81

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Veröffentlicht am 28.01.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Jänner 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Franz als Schriftführers in der Strafsache gegen Fritz A wegen des Verbrechens des Betrugs nach § 146 ff. StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 15.Oktober 1981, GZ 7 d Vr 9266/81-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Adelsberger, der Ausführungen des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Amhof und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und der Ausspruch, daß der Angeklagte schuldig sei, gemäß § 369 Abs 1 StPO der Privatbeteiligten B-Krankenkasse für Arbeiter und Angestellte einen Betrag von 2,800.000 S zu bezahlen, teilweise, nämlich im Zuspruch eines Teilbetrags von 300.000 S, aufgehoben und die Privatbeteiligte auch in diesem Umfang mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 24.November 1944 geborene Fritz A wurde (zu 1) des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach § 146, 147 Abs 1 Z. 1, Abs 3, 148 StGB

und (zu 2) des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Inhaltlich des Schuldspruchs hat er von Ende 1979 bis Ende August 1981

in Wien in zahlreichen Angriffen (zu 1) als Schaltergruppenleiterstellvertreter der B-Krankenkasse mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte dieses Sozialversicherungsträgers durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher Urkunden, nämlich durch Fälschung von Anträgen auf Gewährung von Mutterschaftshilfe, lautend auf fingierte weibliche Personen, durch deren Genehmigung sowie durch Fälschung der Genehmigungsparaphe seines Vorgesetzten zur Anweisung der entsprechenden Geldbeträge auf die von ihm bei der C-Bank, bei der D-Bank sowie bei der E-Sparkasse eröffneten Girokonten verleitet, die die B-Krankenkasse und die Republik Österreich um 4,134.782,59 S am Vermögen schädigten, wobei er den schweren Betrug in der Absicht begangen hat, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sowie (zu 2) durch die soeben beschriebene Vorgangsweise als Beamter mit dem Vorsatz, dadurch die B-Krankenkasse und die Republik Österreich an ihren Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen einer Person des öffentlichen Rechts als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht. Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf Z. 5 und 9 lit a (wegen der Idealkonkurrenz richtig Z. 10) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, insoweit er zu 2 schuldig erkannt wurde, in Tateinheit (LSK. 1976/318; auch JBl. 1980, 436) mit dem Verbrechen des Betrugs das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt begangen zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Er behauptet, die Feststellung, daß er sich seiner Rechtsstellung als Beamter bewußt war, sei unvollständig und unzureichend begründet (§ 281 Abs 1 Z. 5 StPO). Dies trifft nicht zu. Der Angeklagte hat im Verfahren niemals behauptet, der Meinung gewesen zu sein, nicht die Beamteneigenschaft zu besitzen. Er hat sich im vollen Umfang der (ihm auch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt vorwerfenden) Anklage (ON. 9) schuldig bekannt (S. 227, 236) und bei seiner Einvernahme in der Hauptverhandlung (wie sogar auch noch in seiner Berufungsschrift: S. 272, 273) seine (gleichartige Tätigkeiten ausübenden) Kollegen selbst mehrfach als Beamte bezeichnet (S. 233). Es reichte daher der Hinweis auf seine eigene Verantwortung zur Begründung seines Wissens um seine Beamtenstellung aus. Die Beschwerdebehauptung, das Schuldbekenntnis des Angeklagten habe nicht den Amtsmißbrauch umfaßt, erweist sich demnach bloß als im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässiger und daher unbeachtlicher Versuch, dem Geständnis eine andere Deutung als das in freier Beweiswürdigung erkennende Gericht zu geben. Im übrigen muß sich der Vorsatz des Täters nicht auf Tatbildmerkmale als abstrakte gesetzliche Begriffe, sondern (§ 5 StGB: vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht) auf die in der Außenwelt vorhandenen Gegebenheiten, die diesen Begriffen entsprechen, beziehen. Die gegenteilige Ansicht liefe darauf hinaus, 'das Verbrechen zum privilegium odiosum der Juristen (zu) machen' (Rittler2 I, 201, FN. 3).

Jene Beschwerdeausführungen, mit denen teils unter Bezugnahme auf Z. 5, teils auf Z. 9 lit a des § 281 Abs 1

StPO geltend gemacht wird, das Schuldbekenntnis des - im tatsächlichen Bereich voll geständigen - Angeklagten, dem 'als Nichtjurist' nicht bewußt gewesen sei, daß seine Handlungen 'neben Betrug als Mißbrauch der Amtsgewalt gewertet' werden könnten, habe sich nicht auf 'die rechtliche Qualifikation' erstreckt, betreffen sohin keinen entscheidenden Gesichtspunkt.

Soweit der Grund des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO

dahin ausgeführt wird, daß das angefochtene Urteil an Feststellungsmängeln zur subjektiven Tatseite, insbesondere zum wissentlichen Befugnismißbrauch leide, genügt zur Entkräftung dieses Einwands erneut der Hinweis auf das volle (auch die Wissentlichkeit des Befugnismißbrauchs umfassende) Geständnis des Angeklagten, welches das - damit auch die zur inneren Tatseite (LSK. 1981/172) nötigen Konstatierungen treffende - Erstgericht seinem Urteil zu Grunde legte (S. 253).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem höchsten Strafsatz des § 148 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Bei ihrer Bemessung waren erschwerend die Tatbegehung durch längere Zeit und die Höhe des Schadens, mildernd hingegen das Geständnis des Angeklagten, sein (zuvor) ordentlicher Wandel und die teilweise objektive Schadensgutmachung durch Sicherstellung von Sparbüchern (mit einem Einlagenstand von 1,228.373,96 S) in Verbindung mit der Erklärung des Angeklagten, diese Sparbücher der Privatbeteiligten (B-Krankenkasse) zu übergeben.

Ferner verpflichtete das Erstgericht den Angeklagten gemäß § 369 (Abs 1) StPO zur Zahlung des Betrags von 2,800.000 S an die Privatbeteiligte; mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen verwies es diese gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg. Den Umfang des Adhäsionszuspruchs motivierte das Schöffengericht damit, daß von der feststehenden Schadenssumme der auf den (mit Zustimmung des Angeklagten der Privatbeteiligten auszufolgenden) Sparbüchern erliegende Geldbetrag einschließlich aufgelaufener Zinsen in noch ungewisser Höhe abzuziehen sei. Darnach sei der Privatbeteiligten zumindest ein Betrag von 2,800.000 S zuzusprechen, der auf jeden Fall noch ein ungedeckter Schaden sei (S. 256, 257). Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes und die Reduzierung des der Privatbeteiligten zugesprochenen Betrags auf 2,500.000 S.

Der Berufung gegen das Strafmaß ist kein Erfolg beschieden. Zwar trifft es im allgemeinen zu, daß bei gewerbsmäßiger Tatbegehung (wie hier) die Länge des Deliktszeitraums nicht gesondert erschwerend wirkt. Wenn des weiteren auch nicht von einer mangelnden Kontrolle gesprochen werden kann, weil ja administrativ eine solche vorgesehen war, die der Angeklagte erst umgehen mußte, so kann die Kontrolle doch immerhin, weil einfach zu umgehen, als mangelhaft bezeichnet werden; dies schuf eine Situation, die der Angeklagte ausnützte (S. 228, 232, 235); indes bedarf wohl jedes Verbrechen solcher Umstände, die seine Verübung ermöglichen. Angesichts der Umsicht bei der Tatbegehung, der Wiederholung der Angriffe, des langen Deliktszeitraums und des exorbitanten Deliktserfolgs kann keine Rede davon sein, daß der Angeklagte die Tat mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit vorgefaßter Absicht begangen hat, sodaß der reklamierte Milderungsgrund des § 34 Z. 9 StGB nicht zum Tragen kommt.

Der Angeklagte konnte sich auch niemals über eine Ungunst seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beklagen.

Schon vor seiner Eheschließung hatte er mit elterlicher Unterstützung eine Genossenschaftswohnung bezogen und durch seine Anstellung bei der B-Krankenkasse ein sicheres Einkommen erzielt (S. 113), das ihm sogar Ersparnisse gestattete (S. 118, 232). Er konnte bei der Versorgung seiner zwei Kinder auch auf die Mithilfe seiner berufstätigen Ehefrau zählen, die die finanzielle Situation selbst als angemessen bezeichnete (S. 111). Es geht nicht an, unter solchen Umständen - wie in der Berufung ausgeführt (S. 272) - von einem 'achtenswerten Beweggrund' oder gar einem 'anständigen Motiv' zur Tatbegehung zu sprechen, weil der Berufungswerber seiner Familie, die er nach der Scheidung seiner bereits weitgehend zerrütteten (S. 112, 113) Ehe am 4.November 1980 verlassen hatte, um zu seinen Eltern zu ziehen, angeblich mehr Wohnraum schaffen wollte (S. 113, 231). Bedenkt man, wie viele Menschen unter beengteren wirtschaftlichen Verhältnissen ein rechtschaffenes Leben führen und dazu noch außergewöhnliche Schicksalsschläge zu meistern haben, dann wird die Unhaltbarkeit des Berufungsvorbringens besonders augenfällig.

Mag sein, daß im konkreten Fall der Spezialprävention gegenüber der Generalprävention keine vorrangige Bedeutung zukommt. Es kann jedoch nicht außer acht bleiben, daß die ungewöhnlich erfolgreichen Verfehlungen des Angeklagten beinahe unentdeckt blieben (S. 9, 21), womit der Anreiz zu ähnlichen Manipulationen für andere naheliegt. Schon nach den im § 32 Abs 3 StGB normierten Grundsätzen für die Strafbemessung war daher eine empfindliche, auch den Bedürfnissen der Generalprävention ausreichend Rechnung tragende Freiheitsstrafe geboten, wie sie vom Erstgericht verhängt wurde.

Das Adhäsionserkenntnis bekämpft der Angeklagte insoweit, als der B-Krankenkasse mehr als 2,500.000 S zugesprochen wurden (S. 274 unten, Punkt 3); dies aus dem Grund, daß die Privatbeteiligte unter Bedachtnahme auf eine 10 3/4 prozentige Verzinsung der ihr durch übergabe von Sparbüchern zur Schadensgutmachung verfügbar gemachten Sparguthaben mehr erhalte, als ihr gebühre.

Das Adhäsionserkenntnis verfällt im Umfang der Anfechtung schon deshalb der Aufhebung, weil der Angeklagte zu dem Antrag des Privatbeteiligtenvertreters auf Zuspruch eines Betrags von 4,134.782,59 S nicht vernommen wurde (S. 236), was unabdingbare Voraussetzung hiefür gewesen wäre (§ 365 Abs 2 StPO). Der Berufung gegen den Zuspruch eines Teilbetrags von 300.000 S war daher stattzugeben und die Privatbeteiligte mit ihren Ansprüchen auch in diesem Umfang gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Anmerkung

E03555

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0130OS00191.81.0128.000

Dokumentnummer

JJT_19820128_OGH0002_0130OS00191_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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