TE OGH 1982/2/9 9Os191/81

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Veröffentlicht am 09.02.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Februar 1982

unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Kliment als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1, 129

Z. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 14.Oktober 1981, GZ. 12 Vr 1270/81-21, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mirecki und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird der Ausspruch des Erstgerichtes über die Anrechnung der Vorhaft nach § 38 Abs. 1

StGB dahingehend ergänzt, daß dem Angeklagten auch die Vorhaft vom 10. Juli 1981, 23,15 Uhr, bis 11.Juli 1981, 23,15 Uhr, auf die Strafe angerechnet wird.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.August 1953 geborene Franz A des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 10.Juli 1981 in Vöcklabruck fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld im Betrag von mindestens 124 S durch Einsteigen durch ein Fenster in das Haus Linzerstraße Nr. 57 der Christine B mit Bereicherungsvorsatz wegnahm.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen stieg der Angeklagte, der bei einem Gasthausbesuch vom Schankraum aus in der Küche die Handtasche der Gastwirtin Christine B erblickt hatte, über einen an der Rückseite des Hauses geschlichteten Ziegelstapel durch das ca. 1,7 m über dem Erdboden gelegene Fenster in die Küche ein, bemächtigte sich der Handtasche und verließ dann wieder den Raum. Aus der Handtasche nahm er einen Bargeldbetrag von rund 124 S an sich und warf sodann die Tasche samt sonstigem Inhalt unter das Planenverdeck eines abgestellten LKWs.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer der Sache nach auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde in Ansehung der Qualifikation durch Einsteigen nach § 129 Z. 1 StGB Das Ersteigen eines Ziegelstapels und das Durchkriechen oder Durchsteigen durch ein 1,7 m hoch gelegenes (offenes) Fenster stelle nicht die Bewältigung eines Hindernisses unter körperlicher Anstrengung dar.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Rechtsansicht kann jedoch nicht gefolgt werden: Unter 'Einsteigen in einen geschlossen Raum' ist das (allenfalls unter Verwendung von hiefür nicht vorgesehenen Hilfsmitteln erfolgende) Benützen einer zum 'Eintreten' nicht bestimmten Öffnung (oder sonstigen Zutrittsmöglichkeit) zu verstehen, die ein normales Hineingehen nicht gestattet, sodaß es zum Hineingelangen einer nicht ganz unerheblichen Veränderung der gewöhnlichen Körperhaltung oder doch einer gewissen Anstrengung bedarf, durch die der Täter ein höheres Maß von verbrecherischer Energie an den Tag legt als ein anderer Dieb (vgl. jüngst 12 Os 121/81; Kienapfel, BT II, RN. 33, 34 zu § 129 StGB; LSK. 1976/299). Nicht entscheidend ist, daß der Dieb auch auf bequemere Weise zum Tatobjekt hätte gelangen können, was vorliegend übrigens nicht zutrifft (LSK. 1977/41; vgl. auch Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB2, RN. 12, 13 zu § 129).

Alle diese Kriterien sind nach den erstgerichtlichen Feststellungen erfüllt: Daß ein Fenster, mag es auch geöffnet sein, nicht zum ordnungsgemäßen Betreten eines Raumes bestimmt ist, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Auch wenn vorliegend das Einsteigen durch das immerhin 1,7 m über dem Erdboden gelegene Fenster deshalb nicht besonders schwierig gewesen sein mag, weil an der Hausrückseite 'stufenförmig' Ziegel gestapelt waren, die ein Hingelangen zum Fenster erleichterten, so handelte es sich dabei doch keineswegs um ein bloßes 'Hinaufgehen' - etwa wie über eine Treppe -, sondern um ein nur unter Veränderung der normalen Körperhaltung mögliches Klettern;

betrug doch der Höhenabstand der Stufen dieses Ziegelhaufens 43 cm (S. 104 oben), was wesentlich über einer normalen Stufenhöhe liegt. überdies hatten die aus Ziegeln gebildeten 'Stufen' (nur) eine Breite von 12,5 bis 13 cm, sodaß die Bewältigung des Höhenunterschiedes zum Fenster eine nicht unerhebliche Geschicklichkeit und Vorsicht des Täters verlangte, wie dies einem - vermehrten Energieaufwand erfordernden - Klettern entspricht. Die vom Täter zu bewältigenden Schwierigkeiten waren nicht wesentlich anders, als wenn er sich einer Leiter bedient hätte. Daß aber bei der Benützung einer Leiter, mag sie auch nicht vom Dieb herbeigeschafft worden, sondern schon am Tatort befindlich gewesen sein, wie nach dem üblichen Sprachgebrauch so auch im Sinne der in Rede stehenden Qualifikation ein 'Einsteigen' gegeben ist, unterliegt keinem Zweifel (sh. Bertel, 'Die Vermögensdelikte im StGB' /1980 / S. 25 unten).

Das Erstgericht hat die Qualifikation des Diebstahls durch Einsteigen nach dem § 129 Z. 1 StGB daher zu Recht angenommen, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde vermochte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon zu überzeugen, daß das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung mit dem vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO, sohin einer materiellrechtlichen, sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden und daher im Sinne des § 290 Abs. 1 (1. Fall) StPO von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit, behaftet ist:

Dem Angeklagten wurde nämlich die Vorhaft erst vom 11.Juli 1981, 23,15 Uhr, an angerechnet, wiewohl seine Festnahme tatsächlich schon am 10.Juli 1981, 23,15 Uhr, erfolgte (S. 21, 23).

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO war daher die Anrechnung der Vorhaft nach § 38 Abs. 1 StGB dahin zu ergänzen, daß dem Angeklagten diese schon ab dem 10.Juli 1981, 23,15 Uhr, auf die Strafe angerechnet wird. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr.

Es nahm bei der Strafbemessung die zahlreichen einschlägigen und teilweise gravierenden Vorstrafen als erschwerend, das teilweise Geständnis hingegen als mildernd an.

Der Angeklagte begehrt in seiner Berufung die Herabsetzung der Strafe. Der Berufung kommt jedoch keine Berechtigung zu. Richtig ist, daß der Schaden zum Teil durch Zustandebringung des Diebsgutes gutgemacht worden ist und daß der Wert des Diebsgutes an sich gering war. Das Gericht hat jedoch bei der Ausmessung der Strafe nicht nur auf den vom Täter verursachten Schaden zu sehen (§ 32 Abs. 3

StGB), sondern gemäß § 32 Abs. 1 StGB (auch) die Schuld des Angeklagten als Grundlage für die Strafbemessung zu nehmen. Diese wiegt - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - im Hinblick auf die sieben einschlägigen Vorstrafen besonders schwer. Es besteht demnach kein Anlaß zur Minderung des Strafmaßes.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E03584

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0090OS00191.81.0209.000

Dokumentnummer

JJT_19820209_OGH0002_0090OS00191_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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