Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Kliment als Schriftführer in der Strafsache gegen Eveline A und einen anderen wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach § 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z. 1 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ernst B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 30.September 1981, GZ. 7 Vr 1329/81-38, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem den Angeklagten Ernst B betreffenden Teil (II) aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte B auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.Februar 1948 geborene Hausbesorger Ernst B des Verbrechens der schweren Erpressung als Beteiligter nach § 12, 144
Abs. 1, 145 Abs. 1 'Z. 2' (richtig: Z. 1) StGB schuldig erkannt. Hiebei ging das Erstgericht im wesentlichen von folgenden Annahmen aus:
Am 4.Februar 1981 kam es zwischen dem Postbeamten Walter C und der am 14.Mai 1962 geborenen Prostituierten Eveline A im Personenkraftwagen des C zu einem einverständlichen Geschlechtsverkehr. Vorher hatte C wahrheitswidrig damit renommiert, einer in Graz wegen ihrer Gewalttätigkeit berüchtigten Familie anzugehören und gerade erst aus dem Gefängnis entlassen worden zu sein; ferner war A zunächst nicht damit einverstanden gewesen, daß C den Geschlechtsverkehr ohne Schutzgummi vollzog, hatte aber gegen Bezahlung eines höheren Entgelts ihre Einwände zurückgezogen. Nach dem Verkehr wollte Walter C die Eveline A dazu überreden, für ihn auf den Strich zu gehen und für ihn 'Transporte' von Deutschland nach Österreich durchzuführen, wobei er Andeutungen machte, daß es sich hiebei um Suchtgift handeln würde. Auch hatte C der A zwischenzeitPg den Liebeslohn von 300 S weggenommen, ihr ihn dann wieder zurückgegeben. Eveline A bauschte ihrem Freund, dem abgesondert verfolgten Roland D gegenüber den Vorfall auf und behauptete (wahrheitswidrig), sie sei von C durch Bedrohung mit einer Pistole zum Geschlechtsverkehr genötigt worden. Nach Ausforschung des C (er hatte Telefonnummer und Vornamen der Mitangeklagten A mitgeteilt), kam es zwischen diesem einerseits und Roland D, dem - gleichfalls abgesondert verfolgten - Heinz E und Eveline A andrerseits zu einem Treffen im Klosterkeller in Graz. Heinz E erklärte gegenüber C, er müsse wissen, was ihn das koste. Eveline A sei bereits bei einem Arzt gewesen und es werde nunmehr eine Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet werden. A bestätigte dies, indem sie unrichtigerweise erklärte, sie sei tatsächlich bereits bei einem Arzt gewesen und werde ihn - C - zur Anzeige bringen. C fragte daraufhin, ob man die Sache nicht anders regeln könne und warf ein, daß er in einer Staatsstellung sei und ihm eine Anzeige seine Position kosten könne. Inzwischen war auch der Angeklagte B zu den vier Personen hinzugekommen und hatte das Gespräch teilweise mitangehört. Während der Verhandlungen über die Höhe des an Eveline A zu zahlenden Schmerzengeldes - bezüglich welchen dann eine Einigung auf 10.000 S zuzüglich 3.000 S Arztkosten erfolgte - mengte sich der Angeklagte B insofern ein, als er gegenüber E die Bemerkung machte, er habe in einer ähnlichen Sache schon einen Schmerzengeldbetrag von 50.000 S gefordert und auch erhalten. Nach dem Inhalt des Urteilsspruchs (S. 221) wirkte B auch wiederholt auf E ein, er möge von dem von Walter C verlangten Geldbetrag nicht abgehen.
Rechtliche Beurteilung
Während Eveline A den deswegen gegen sie ergangenen Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach § 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 'Z. 2' (richtig: Z. 1) StGB unangefochten ließ, bekämpft Ernst B seine Verurteilung mit einer auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt:
Die Erpressung ist ihrem Wesen nach Vermögensverschiebung durch Nötigung mit Bereicherungsvorsatz. Dieser muß bereits bei Vornahme der Nötigungshandlung vorliegen und sich zudem auf die Unrechtmäßigkeit der Bereicherung richten. Hat der Täter einen fälligen Anspruch auf Vermögensvermehrung liegt kein unrechtmäßiger Bereicherungsvorsatz vor. Dies gilt auch für den, der an das Bestehen eines solchen Anspruchs glaubt (Kienapfel BT II RN. 7, 67 und 79; Leukauf-Steininger2, RZ. 13 zu § 144 StGB). Hievon ausgehend und angesichts dessen, daß der Angeklagte B vor dem Untersuchungsrichter (ON. 12) deponiert hatte, von Eveline A einen Tag nach dem Vorfall gehört zu haben, sie sei von C mit vorgehaltener Pistole zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden, erweist sich das Ersturteil mit Feststellungsmängeln behaftet, die es jedenfalls nach der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO nichtig machen. Insbesondere läßt es jedwede Konstatierungen darüber vermissen, inwieweit der Beschwerdeführer den Behauptungen der Eveline A Glauben geschenkt und deren Forderungen aus den Titeln des Arztkostenersatzes und des Schmerzengeldes für berechtigt erachtete. Darüber hinaus vermittelt das Urteil auch keine Aufschlüsse darüber, welche Teile des Gespräches zwischen C, D, E und A und insbesondere welche gefährlichen Drohungen der letztangeführten drei Personen gegen C der Angeklagte B mitangehört hatte, was für die Tatbestandlichkeit seines Verhaltens nach § 144 StGB, aber auch für die Frage, inwieweit es nach § 145 StGB qualifiziert ist, von Relevanz ist. Da die aufgezeigten Gebrechen vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich machen, war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B gemäß § 285 e StPO schon in nichtöffentlicher Beratung spruchgemäß zu erkennen, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E03533European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0090OS00012.82.0209.000Dokumentnummer
JJT_19820209_OGH0002_0090OS00012_8200000_000