Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Februar 1982
unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Kliment als Schriftführer in der Strafsache gegen Hugo A und andere wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach § 15, 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Gerhard B, Peter C und Günther D gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 16. Jänner 1981, GZ 23 Vr 517/79-35, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen sowie über die vom Angeklagten Hugo A gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, nach Verlesung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A und nach Anhörung der Ausführungen der Verteidiger Dr. Hofer, Dr. Hahmann und Dr. Golla sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten A, B, C und D auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 6. Dezember 1962 geborene Gelegenheitsarbeiter Hugo A, der am 4. März 1962 geborene Elektrikergehilfe Günther D und der am 9. Juli 1961 geborene Sattler- und Riemergeselle Dieter E des Vergehens des versuchten Diebstahls nach § 15, 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 StGB (Punkt A des Urteilssatzes), der am 25. Februar 1962 geborene Fliesenleger Gerhard B und der am 3. August 1961
geborene Verkaufsfahrer Peter C des Vergehens des teils vollbrachten (gemeint: vollendeten), teils versuchten Diebstahls nach § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und § 15 StGB (Punkte A und B des Urteilssatzes), B und E außerdem des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§ 15, 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1) StGB (Punkt C) und B überdies des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 StGB (Punkt D) schuldig erkannt.
Während E das Urteil unangefochten ließ, bekämpfen es die übrigen Angeklagten mit gesondert ausgeführten, von B und D ziffernmäßig auf die Z 5
des § 281 Abs. 1 StPO, von D überdies ebenso wie jene von A und C auf die Z 10 dieser Gesetzesstelle gestützten Nichtigkeitsbeschwerden im Schuldspruch zu Punkt A, wonach ihnen zur Last liegt, am 9. Dezember 1978 in Rum bei Innsbruck in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) versucht zu haben, drei Flaschen Rum im Gesamtwert von S 209,70 einem Verfügungsberechtigten des Kaufhauses 'X' mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Nach den hiezu getroffenen Urteilsfeststellungen hatten die Angeklagten in Begleitung des Zivildieners Friedrich F das Kaufhaus 'X' aufgesucht, um für die von ihnen gemeinsam verwaltete Bar eines Jugendzentrums in Innsbruck vier Kisten Bier und einige Flaschen Rum zu kaufen. Im Kaufhaus kamen sie auf die Idee, den Rum anstelle von Bierflaschen in den Bierkisten verdeckt ohne Bezahlung aus dem Geschäft zu bringen; damit waren alle fünf Angeklagten einverstanden. E entnahm einer Kiste drei Flaschen Bier und ersetzte sie durch drei Flaschen mit Rum;
über die betreffende Kiste wurden die drei anderen auf den Einkaufswagen gestellt, mit dem sodann C, der vier Kisten Bier, nicht aber den Rum bezahlte, zusammen mit D und E sowie mit F, der (als einziger) von dem Diebstahl nichts wußte, die Kassa passierte. Der Abteilungsleiter Günther G hatte jedoch die beschriebene Manipulation beobachtet und hielt die vier vorgenannten Personen an; indessen hatten A und B das Kaufhaus bereits verlassen.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) des Angeklagten B, der unter Hinweis auf die zuletzt erwähnte Tatsache bestreitet, mit den anderen den beladenen Einkaufswagen zur Kassa geschoben zu haben, geht ins Leere, weil eine dahin lautende Annahme dem Ersturteil nach dessen (richtig verstandenen) Entscheidungsgründen gar nicht zu entnehmen ist. Der weitere Einwand Bs, sein bloßes (im Urteil festgestelltes) Einverständnis mit den übrigen Tätern über die Begehung des Diebstahls - ohne tätige Mitwirkung an der Tatausführung seinerseits - bedeute keine 'Mittäterschaft im Sinne des § 12 StGB', worin der Sache nach die Geltendmachung einer Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO erblickt werden kann, ist aber rechtlich verfehlt:
Beteiligter im Sinne des § 12 StGB ist nicht nur der unmittelbare Täter, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, die strafbare Handlung auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt; dazu genügt psychische Unterstützung. Die Qualifikationsbestimmung des § 127 Abs. 2 Z 1 StGB ist auch nicht auf Fälle der Mittäterschaft beschränkt; unter der Voraussetzung des (zur Begehung der Tat 'in Gesellschaft') erforderlichen räumlichen Naheverhältnisses erfaßt sie vielmehr darüber hinaus jede sonstige Beteiligung im Sinne des § 12 StGB Daher macht sich des Gesellschaftsdiebstahls schuldig, wer - auch ohne selbst eine für den (Grund-)Tatbestand (des Diebstahls) typische Ausführungshandlung zu setzen - als Begleiter eines Ladendiebes an Ort und Stelle diesen im Tatentschluß bestärkt (Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, § 127, RN 75 und 76; Steininger in RZ 1981, 26). Gerade dies trifft aber auf den Angeklagten B zu, der den insoweit unbekämpften Urteilsannahmen zufolge am Tatort sich mit dem dortselbst sofort auszuführenden Diebstahl (den Tatentschluß der Diebsgenossen solcherart bestärkend) einverstanden erklärt hat, mag er sich auch anschließend - wie der Angeklagte A - vom unmittelbaren Tatort entfernt und (in dessen Nähe) vor dem Kaufhaus auf die anderen Diebsgenossen gewartet haben (S 37 in ON 2).
Der Angeklagte D wirft dem Erstgericht vor, die Feststellung, daß er mit der Verübung des Diebstahls einverstanden gewesen sei, unvollständig begründet, nämlich ihn diesbezüglich entlastende Angaben des Mitangeklagten E mit Stillschweigen übergangen zu haben. Soweit sich diese Rüge (ausdrücklich) auf die Aussage Es vor dem Untersuchungsrichter (ON 6) bezieht, scheitert sie schon daran, daß das betreffende Protokoll nach der Aktenlage in der Hauptverhandlung nicht vorgelesen worden ist (§ 258 Abs. 1 StPO). Eine Erörterung dieser Angaben sowie des von dem Angeklagten E in der Hauptverhandlung bekundeten Umstands, der Diebsplan sei besprochen worden, während ein Einkaufswagen geholt wurde (S 103), war zudem deshalb nicht notwendig, weil der Angeklagte D selbst zugegeben hatte, trotz kurzzeitiger Entfernung von den anderen beim (gemeinsamen) Hinausschieben des beladenen Einkaufswagens schon davon gewußt zu haben, daß sich Rumflaschen (verdeckt) in einer der Bierkisten befanden, die ohne Bezahlung aus dem Laden verbracht werden sollten, er habe aber 'die Kollegen nicht verpfeifen wollen' (S 102).
Daraus läßt sich zwanglos ableiten, daß D dem Tatentschluß seiner Komplizen, sollte dieser tatsächlich während seiner kurzzeitigen Abwesenheit zustande gekommen sein, jedenfalls noch im Ausführungsstadium beigetreten ist, demnach also im Einverständnis mit den übrigen Diebsgenossen gehandelt hat, sodaß die bekämpfte Urteilsannahme mit dem Hinweis auf ein (Tatsachen-)Geständnis des Angeklagten D einwandfrei begründet erscheint; die in der Beschwerde noch angeführte Wahrnehmung des Zeugen G steht ihr in keiner Weise entgegen.
Der Auffassung des Angeklagten D zuwider war es nicht erforderlich, die Differenz zwischen dem Preis der urteilsgegenständlichen drei Flaschen Rum und dem der drei Flaschen Bier festzustellen, welche die Täter gegen den Rum ausgetauscht und im Laden zurückgelassen, ihrem Tatplan gemäß aber an der Kassa (mit-)bezahlt hatten. Denn das aufgezeigte Preisverhältnis vermag den deliktsspezifischen Bereicherungsvorsatz der Täter an sich nicht in Frage zu stellen und berührt im vorliegenden Fall auch keine rechtlich relevante Wert- oder Schadensqualifikation.
Verfehlt ist schließlich auch die den Rechtsrügen (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO) der Angeklagten A, C und D (übereinstimmend) zugrunde gelegte Auffassung, die von ihnen versuchte Tat sei nicht als Gesellschaftsdiebstahl, sondern als nicht weiter qualifizierter Betrug zu beurteilen, weil sie die Kassierin des Supermarkts über den wahren Inhalt der an der Kassa vorgewiesenen Bierkisten zu täuschen versucht hätten:
Maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung zwischen Diebstahl und Betrug ist, daß die Beeinträchtigung des fremden Vermögens beim Diebstahl durch eine Handlung des Täters ('Fremdschädigungsdelikt'), beim Betrug hingegen durch eine Handlung des Getäuschten ('Selbstschädigungsdelikt') herbeigeführt werden soll (Kienapfel, BT II § 127 RN 223 sowie die dort angeführte Literatur und Judikatur). Daher ist Betrug anzunehmen, wenn ein Repräsentant des betreffenden Unternehmens durch Täuschung dazu veranlaßt werden soll, einerseits die fragliche Ware bewußt in den Alleingewahrsam des Täters zu übertragen und andererseits eben dadurch unbewußt das Unternehmen am Vermögen zu schädigen. Dagegen liegt Diebstahl immer dann vor, wenn der Täter - sei es auch unter Einsatz von Täuschungen - danach strebt, eine Ware von Kontrollorganen ungesehen aus dem Machtbereich eines Selbstbedienungsladens zu entfernen. Dabei ist es gleichgültig, wo und wie die Ware verborgen wird: Hierher gehören demnach auch jene Fälle, in denen der Täter - wie hier die Angeklagten - das Tatobjekt in einem mit regulär gekaufter Ware beigestellten Behältnis verborgen aus dem Laden schmuggeln will, denn der entscheidende Faktor für die Vermögensschädigung ist auch bei solcher Vorgangsweise der vom Täter durch Sachwegnahme bewirkte Gewahrsamsverlust und nicht (erst) ein (schädigendes) Verhalten des Getäuschten (Burgstaller, Der Ladendiebstahl und seine private Bekämpfung im österreichischen Strafrecht, H 1981, 22; ähnlich auch Steininger in RZ 1981, 29). Dem Urteil haftet daher der geltend gemachte Subsumtionsirrtum nicht an.
Aus den dargelegten Erwägungen war somit allen Nichtigkeitsbeschwerden der Erfolg zu versagen.
Das Jugendschöffengericht verhängte über die Angeklagten Gerhard B und Günther D Geldstrafen, und zwar über Gerhard B gemäß § 11 JGG, 28, 37 und 164
Abs. 2 StGB 150 Tagessätze zu 40 S und über Günther D gemäß § 11 JGG, 37, 127 Abs. 2 StGB 80 Tagessätze zu 50 S, wobei es die jeweiligen Ersatzfreiheitsstrafen mit der Hälfte der Anzahl der Tagessätze bestimmte und die über den Angeklagten D ausgesprochene Geldstrafe gemäß § 43 Abs. 1
StGB unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Bei Peter C schob das Jugendschöffengericht den Ausspruch über die Strafe und den Vollzug gemäß § 13
JGG für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig auf. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend bei Gerhard B das Zusammentreffen von drei Vergehen, die Wiederholung der Diebstähle, zwei einschlägige Vorverurteilungen und die Begehung einer neuerlichen Straftat unmittelbar nach einer Hauptverhandlung, bei Peter C die Wiederholung der diebischen Zugriffe und bei Günther D eine (einschlägige) Vorstrafe, während es als mildernd bei den genannten drei Angeklagten das Teilgeständnis und den Umstand, daß die Tat-(en) (teilweise) beim Versuch geblieben war(en), bei D das lange Zurückliegen der Tat und das seitherige Wohlverhalten sowie bei C die bisherige Unbescholtenheit in Betracht zog. Gerhard B strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze, die Reduzierung der Höhe des einzelnen Tagessatzes und die Gewährung bedingter Strafnachsicht an. Der Angeklagte D begehrt die Anwendung des § 13 JGG, Peter C dagegen die Erteilung einer Ermahnung nach § 12 JGG.
Keine der Berufungen ist begründet.
Angesichts der vom Erstgericht im wesentlichen vollständig erfaßten Strafzumessungsgründe erscheint die über Gerhard B verhängte Anzahl der Tagessätze als durchaus tat- und tätergerecht und namentlich seinem beträchtlich belasteten Vorleben angemessen. Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 4.000 S ist aber auch der einzelne Tagessatz von 40 S keineswegs überhöht, so daß auch diesbezüglich eine Reduktion nicht in Betracht kam. Der von ihm des weiteren begehrten bedingten Strafnachsicht standen seine einschlägigen Vorverurteilungen aus spezialpräventiven Erwägungen zwingend entgegen.
Analoges gilt für den Angeklagten D, bei dem die einschlägige Vorstrafe (aus dem Jahre 1977) eine (nochmalige) Anwendung des § 13 JGG verhindert. Beim Angeklagten C schließlich, dem unter anderem ein am 16. Oktober 1979, also nach Vollendung seines 18. Lebensjahrs, begangener Diebstahl zur Last liegt (B), kam die von ihm begehrte Erteilung einer Ermahnung nach § 12 Abs. 2 JGG grundsätzlich nicht in Betracht, weil eine derartige Maßnahme auf Jugendstraftaten beschränkt ist. Aus diesem Grunde erfolgte auch die Anwendung des § 13 JGG zu Unrecht, was aber mangels einer Anfechtung durch die Staatsanwaltschaft nicht mehr korrigiert werden kann. Es mußte sohin sämtlichen Berufungen ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03529European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0090OS00143.81.0209.000Dokumentnummer
JJT_19820209_OGH0002_0090OS00143_8100000_000