TE Vwgh Erkenntnis 2005/5/23 2004/06/0198

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Veröffentlicht am 23.05.2005
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;

Norm

BauO Tir 2001 §2 Abs7;
BauO Tir 2001 §2 Abs8;
BauO Tir 2001 §2 Abs9;
BauO Tir 2001 §21;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde 1. des SW, 2. des CW, 3. des EH, alle in B, und 4. des HH in K, Deutschland, alle vertreten durch Mag. Gerhard Mader und Dr. Christian Tschiderer, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 6600 Reutte, Claudiastraße 8, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 11. Oktober 2004, GZ. Ve1-8-1/106- 4 vA, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. HS in B, 2. TS in B, und 3. Gemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit einem bei der Baubehörde am 13. Juni 2002 eingelangten Baugesuch vom 1. November 2001 beantragten die Erst- und der Zweitmitbeteiligte die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für den Umbau der "Alten Sensenschmiede" in eine Arztpraxis, Konstruktionsbüro und einen Wohnbereich auf dem Grundstück Nr. 1286, KG B.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. November 2003 wurde dieser Antrag abgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass gemäß § 3 Abs. 1 Tir. BauO bauliche Anlagen nur auf Grundstücken errichtet werden dürften, die u.a. eine dem Verwendungszweck entsprechende rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche hätten. Nachdem der Zufahrtsweg an seiner engsten Stelle nur 2,40 m breit sei und die Zufahrt, bedingt durch den Um- und Zubau und die Änderung des Verwendungszweckes in Zukunft verstärkt und von ortsunkundigen Personen (Patienten, Kunden) befahren werden solle, könne hier nicht von einer dem vorgesehenen Verwendungszweck entsprechenden rechtlich gesicherten Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche gesprochen werden.

Die dagegen erhobene Berufung der Erst- und des Zweitmitbeteiligten wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Jänner 2004 wegen der nicht entsprechenden Zufahrt als unbegründet zurückgewiesen (nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid sei wohl die Abweisung gemeint gewesen).

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. Februar 2004 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der Erst- und des Zweitmitbeteiligten Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde verwiesen.

Im fortgesetzten Verfahren erteilte der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 27. Juli 2004 die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen.

Den dagegen erhobenen Vorstellungen der Beschwerdeführer als Nachbarn wurde mit dem angefochtenen Bescheid Folge geben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde verwiesen.

Diese Entscheidung wurde insbesondere damit begründet, dass der von den Beschwerdeführern geltend gemachten Verletzung des § 6 Abs. 9 Tir. Bauordnung 2001 (TBO 2001) Berechtigung zukomme. Diese Bestimmung stelle auf ein nach früheren baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehendes Gebäude ab. Es stehe fest, dass mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 6. Juli 1951 eine Baubewilligung zur Errichtung einer Fahrradwerkstätte durch Umbau der "Sensenschmiede" mit einer Länge von 35,25 m und einer Breite von maximal 10,80 m erteilt wurde. Die Einreichunterlagen bzw. der Tekturplan zum Einreichplan vom 1. November 2001 wiesen jedoch eine Gebäudelänge von 36,40 m bzw. 35,51 m auf. Da in der mitbeteiligten Gemeinde offensichtlich für das gegenständliche Gebäude keine Bauakten mehr auffindbar seien, könne nicht mit eindeutiger Sicherheit festgestellt werden, dass das Gebäude ein nach früheren baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehendes Gebäude sei. Ein Zu- bzw. Umbau setze jedoch einen rechtmäßigen Bestand voraus. Die Frage, ob ein konsentierter Bestand vorliege, sei bei der Erteilung der Baubewilligung für einen Zubau als Vorfrage zu beurteilen. Im fortgesetzten Verfahren werde der Gemeindevorstand eine entsprechendes Ermittlungsverfahren zu dieser Frage durchzuführen sowie das Parteiengehör zu wahren haben.

Weiters seien die Beschwerdeführer betreffend das brandschutztechnische Gutachten im Recht auf Wahrung des Parteiengehörs verletzt worden, das den Beschwerdeführern nie zur Kenntnis gebracht worden sei. Diese Verletzung sei auch relevant, da die Nichteinhaltung der Bestimmungen über den Brandschutz ein Nachbarrecht im Sinne des § 25 Abs. 3 TBO 2001 darstelle.

Abschließend merkte die belangte Behörde zu der Behauptung der Beschwerdeführer, das gegenständliche Bauvorhaben sei als ein Neubau zu qualifizieren, an, dem sei entgegenzuhalten, dass gemäß § 2 Abs. 7 TBO 2001 ein Neubau die Errichtung eines neuen Gebäudes sei, auch wenn nach dem Abbruch oder der Zerstörung eines Gebäudes Teile davon, wie Fundamente oder Mauern, weiterverwendet würden. Ein Neubau liege daher nach dieser Definition nicht vor, da projektgemäß kein neues Gebäude errichtet werden solle. Es handle sich um einen Umbau bzw. Zubau sowie um die Änderung des Verwendungszweckes, welcher auf die Zulässigkeit des Gebäudes oder der Gebäudeteile nach raumordnungsrechtlichen Vorschriften keinen Einfluss habe. Gemäß § 40 Abs. 5 Tir. RaumordnungsG 2001 (TROG 2001) seien im landwirtschaftlichen Mischgebiet, so sei das verfahrensgegenständliche Grundstück gewidmet, auch Gebäude zulässig, die neben Wohnzwecken im untergeordneten Ausmaß auch der Unterbringung von Büros, Kanzleien, Ordinationen und dergleichen dienten. Bei einem Gebäude mit einer Arztpraxis, einem Konstruktionsbüro (Orgelbauerwerkstätte) sowie einem Wohnhaus handle es sich jedenfalls um ein im landwirtschaftlichen Mischgebiet zulässiges Gebäude.

Weiters handle es sich bei den geplanten Dachkapfern entsprechend den eingereichten Planunterlagen um solche im Sinne des § 6 Abs. 2 lit. b TBO 2001, die innerhalb der Mindestabstandsflächen errichtet werden dürften. Die Einwendungen der Beschwerdeführer in Bezug auf die Erhöhung der Wandhöhe sowie die Verschlechterung des Zustandes gingen daher ins Leere. In Bezug auf die geänderten Einreichpläne sei jedoch ebenfalls das Parteiengehör verletzt worden. Im fortgesetzten Verfahren würden daher die Einreichpläne bzw. die Tekturpläne den Beschwerdeführern ebenfalls neben dem brandschutztechnischen Gutachten entsprechend zur Kenntnis zu bringen sein.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen geltend, dass die Frage der differierenden Außenmaße (im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens eines rechtmäßig bestehenden Gebäudes) von der belangten Behörde korrekt als Aufhebungsgrund herangezogen worden sei, nicht jedoch die Frage der Wanderhöhung. Hier habe die belangte Behörde ausgeführt, dass auf Grund der Tekturpläne nur untergeordnete Bauteile nach § 2 Abs. 16 TBO 2001 vorlägen und daher keine Wanderhöhung i.S.d. § 6 Abs. 1 TBO gegeben sei. Dem werde entgegengehalten, dass die belangte Behörde der Behauptung der Beschwerdeführer nicht nachgegangen sei, dass die dem Hofraum zugewandte Wand (mit den Dachkapfern) schon vor Errichtung der Dachkapfer erhöht worden sei.

Diesem Vorbringen der Beschwerdeführer kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, weil sie sich dabei nicht gegen einen tragenden Grund der mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Aufhebung des Berufungsbescheides wenden. Im Falle eines aufhebenden Vorstellungsbescheides kommt eine Rechtsverletzung einer Partei nur im Rahmen der die Aufhebung tragenden Gründe, die allein bindend sind, in Betracht (vgl. dazu § 120 Abs. 5 letzter Satz Tiroler Gemeindeordnung - TGO, LGBl. Nr. 36/2001, und u. a. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 99/06/0016, und die in diesem angeführte hg. Vorjudikatur). Tragende Gründe der Aufhebung waren im vorliegenden Fall - wie wiedergegeben -, dass nicht ermittelt worden sei, ob ein rechtmäßig bestehendes Gebäude im Sinne des § 6 Abs. 9 TBO 2001 vorliegt, womit diese Bestimmung überhaupt angewendet werden konnte, und die Verletzung des Parteiengehöres im Hinblick auf das brandschutztechnische Gutachten und die geänderte Pläne.

Die mangelnde Bindungswirkung gilt auch für das weitere Vorbringen der Beschwerdeführer zu den Ausführungen im angefochtenen Bescheid zur Zulässigkeit der Dachkapfer und zur Frage des Vorliegens eines Neubaues. Wenn die Beschwerdeführer meinen, die Ansicht der belangte Behörde, das Bauvorhaben betreffe einen Um- und Zubau und keinen Neubau, wie es die Beschwerdeführer vertreten hätten, stehe im Widerspruch zu ihrer Argumentation, das Vorliegen eines rechtmäßigen Bestandes im Zusammenhang mit der allfälligen Anwendung des § 6 Abs. 9 TBO 2001 müsse erst geklärt werden, ist dem entgegenzuhalten, dass der Gegenstand jedes Baubewilligungsverfahrens durch das jeweilige Bauansuchen und das diesem zu Grunde liegende Projekt bestimmt wird. Gegenstand des vorliegenden Bauansuchens ist ein Um- und Zubau. Daran änderte sich auch nichts, wenn sich im fortgesetzten Verfahren ergeben sollte, dass der in den Plänen eingezeichnete Bestand kein rechtmäßiger ist. Auch in diesem Fall könnte das eingereichte Bauansuchen nicht als Antrag zur Bewilligung eines Neubaues qualifiziert werden. Dieser Umstand stünde aber der baurechtlichen Genehmigung des verfahrensgegenständlichen Um- und Zubaues entgegen, da Voraussetzung jedes Zu- bzw. Umbaues ist, dass der Bestand der baulichen Anlage, von dem dabei ausgegangen wird, ein rechtmäßiger ist.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 23. Mai 2005

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004060198.X00

Im RIS seit

23.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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