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65 Pensionsrecht für BundesbediensteteNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Quasianlassfall; Anlassfallwirkung der Aufhebung ua des Art3 Z2, Z4, Z28 und Z36 des PensionsreformG 2000 mit E v 16.03.01, G150/00.Spruch
1. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
2. Der Bescheid wird aufgehoben.
3. Die Telekom Austria Aktiengesellschaft ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit ATS 29.500,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer wurde mit seiner Zustimmung mit Bescheid des beim Vorstand der Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 23. Oktober 2000 mit Ablauf des 30. November 2000 in den Ruhestand versetzt, da ihm aus gesundheitlichen Gründen die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben nicht mehr möglich wäre.
Mit Bescheid des Personalamtes Innsbruck der Betriebsstellen der Telekom Austria Aktiengesellschaft in Tirol und Vorarlberg vom 30. Oktober 2000 wurde daraufhin der dem Beschwerdeführer gebührende monatliche Ruhegenuss bemessen. Dabei wurde die Bemessungsgrundlage gemäß §4 Abs3 iVm §62j PensionsG in der Weise ermittelt, dass für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monats liegt, in dem der Einschreiter frühestens seine Versetzung in den Ruhestand hätte bewirken können (nämlich mit 61,5 Jahren), die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80% um 0,1667 Prozentpunkte (somit auf 51,49 %) gekürzt wurde.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung, in der der Beschwerdeführer vorbringt, dass er dauernd erwerbsunfähig sei und daher eine Kürzung der Bemessungsgrundlage für den ihm gebührenden Ruhebezug nicht stattzufinden habe, wurde mit dem vorliegenden Bescheid des beim Vorstand der Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 28. Dezember 2000 abgewiesen. Die belangte Behörde führt dazu im Wesentlichen aus, dass "der Gesetzgeber ... mit dem am 1. Oktober 2000 in Kraft getretenen Pensionsreformgesetz 2000, BGBl. Nr. 95, verfügt (habe), daß eine Kürzung der Ruhegenußbemessungsgrundlage nur dann nicht mehr stattfindet, wenn der Beamte im Dienststand verstorben ist oder wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall in Ausübung des Dienstes zurückzuführen ist"; die Bemessung des Ruhegenusses sei daher gesetzeskonform erfolgt.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde, in der unter anderem die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des Art3 Z2 (betreffend §4 Abs3 und 4 PG), Z4 (betreffend die Aufhebung des §4 Abs7 und 8 PG), Z28 (betreffend die Inkrafttretensbestimmung des §58 Abs35 PG) und Z36 (iW betreffend die Übergangsbestimmung des §62j PG) des Pensionsreformgesetzes 2000 behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift allerdings Abstand genommen.
4. Mit Erkenntnis vom 16. März 2001 G150/00 hat der Verfassungsgerichtshof ua. Art3 Z2, Z4, Z28 und Z36 des Pensionsreformgesetzes 2000 als verfassungswidrig aufgehoben.
II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
2. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 1. März 2000. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 14. Februar 2001 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
4. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides u.a. die oben unter Pkt. I.4. bezeichneten, mit dem dort genannten Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
5. Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985, 10515/1985). Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. 1. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. Die Verpflichtung der Telekom Austria Aktiengesellschaft zum Ersatz der Prozesskosten ergibt sich aus §17 Abs8 Z1 iVm der Verfassungsbestimmung des §17a Abs2 PoststrukturG (sva. 2025 BlgNR, 20. GP, 2f.). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von Schilling 4.500,- enthalten.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B239.2001Dokumentnummer
JFT_09989373_01B00239_00