Norm
ABGB §1302Kopf
SZ 55/9
Spruch
Regreßansprüche eines ausländischen Haftpflichtversicherers sind nach österreichischem Recht zu beurteilen, wenn die von ihm befriedigten Schadenersatzansprüche des Geschädigten nach österreichischem Recht zu beurteilen waren. Ob und inwieweit ein ausländischer Kaskoversicherer die an seinen Versicherungsnehmer erbrachten Leistungen von einem Dritten ersetzt verlangen kann, bestimmt sich hingegen nach dem Recht des Staates der Niederlassung des Versicherers
OGH 11. Feber 1982, 8 Ob 291/81 (OLG Wien 15 R 103/81; LGZ Wien 30 Cg 723/80)
Text
Am 5. 8. 1979 ereignete sich gegen 23 Uhr auf der Autobahn Korneuburg - Stockerau, Richtungsfahrbahn Korneuburg, bei km 6.780 ein Verkehrsunfall, an dem ua. Franz A als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen N 837.335 und Haakon S als Lenker des aus dem Zugwagen mit dem Kennzeichen EH 93.480 und dem Anhänger mit dem Kennzeichen EB 3.104 bestehenden, in Dänemark zum Verkehr zugelassenen LKW-Zuges beteiligt waren. Die Klägerin, die ihren Sitz in Kopenhagen hat, ist der Kasko- und Haftpflichtversicherer des letztgenannten LKW-Zuges, die Beklagte der Haftpflichtversicherer des erstgenannten PKW. Der von A gelenkte PKW überschlug sich und blieb auf der Autobahn liegen; S fuhr mit dem LKW-Zug gegen ein vor diesem Hindernis angehaltenes Fahrzeug, wodurch dieses gegen ein weiteres angehaltenes Fahrzeug geschleudert wurde. Dabei wurden zwei Personen verletzt und mehrere Fahrzeuge, auch der von S gelenkte LKW-Zug, beschädigt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde gegen A und S zu 12 c E Vr 536/79 des Kreisgerichtes Korneuburg ein Strafverfahren eingeleitet. Mit Urteil dieses Gerichtes vom 31. 8. 1979, das in Abwesenheit des S gefällt wurde, wurden A des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 4 1. Fall StGB und S des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Z 2) StGB und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 2. Fall (§ 81 Z 2 ) StGB schuldig erkannt. Im Spruch dieses Urteiles wurde A zur Last gelegt, er sei infolge Unaufmerksamkeit mit seinem PKW ins Schleudern geraten und gegen die Mittelleitschiene geprallt, sodaß das Fahrzeug sich überschlagen habe und schließlich etwa in Fahrbahnmitte auf dem Dach zu liegen gekommen sei; S wurde zur Last gelegt, er sei als Lenker des LKW-Zuges infolge Unaufmerksamkeit und Einhaltung einer relativ überhöhten Fahrgeschwindigkeit, wodurch er den auf der Fahrbahn liegenden PKW des A und die davor angehaltenen Fahrzeuge zu spät bemerkt habe, gegen den PKW des Johann D gestoßen, wodurch dieser gegen den PKW des Alfred F geschleudert worden sei; dadurch seien Johann D und Gerda Z (die Lenkerin des PKW des F) leicht verletzt worden. S wurde überdies zur Last gelegt, sich vor der Tat fahrlässig durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt zu haben, obwohl er vorhergesehen habe, daß ihm eine Tätigkeit, nämlich die Lenkung eines Kraftwagenzuges, bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei. Eine von A gegen dieses Urteil erhobene Strafberufung blieb erfolglos, sodaß es ihm gegenüber in Rechtskraft erwuchs. Gegen S, der Österreich verließ, wurde das Strafverfahren gemäß § 422 StPO abgebrochen.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin Zahlung von 95 367.34 S und des Schillinggegenwertes von 2 028.44 DKR samt Anhang im wesentlichen mit der Begründung, daß wohl S ein mit zwei Dritteln zu bewertendes Verschulden an dem Unfall treffe, daß aber A ein Mitverschulden in einem Ausmaß von einem Drittel anzulasten sei. A sei nämlich aus Unaufmerksamkeit auf den Pannenstreifen geraten und habe in der Folge seinen PKW bei einer Geschwindigkeit von 110 bis 120 km/h wieder auf die Fahrbahn verrissen. Dabei sei der PKW ins Schleudern geraten, umgestürzt und letztlich auf dem Dach liegend in der Fahrbahnmitte zum Stillstand gekommen. In der Folge sei es einigen nachfolgenden PKW-Lenkern möglich gewesen, ihre Fahrzeuge rechtzeitig vor dem Hindernis auf dem Pannenstreifen anzuhalten. Auch Johann D habe sein Fahrzeug noch rechtzeitig und kontaktfrei anhalten können. Diesem PKW sei S mit dem von ihm gelenkten LKW-Zug in einem Abstand von 100 m gefolgt. S habe den LKW-Zug nicht mehr rechtzeitig anhalten können, habe einige Fahrzeuge beschädigt und sei letztlich, nachdem am LKW-Zug erhebliche Schäden aufgetreten seien, zum Stillstand gekommen. Die Klägerin habe als Haftpflichtversicherer des LKW- Zuges an geschädigte Dritte Leistungen erbracht, und zwar an Johann D den Betrag von 82 240 S (Totalschadenablöse, Schmerzengeld usw.) und an Alfred F den Betrag von 117 299 S (Reparatur- und Mietwagenkosten). Als Kaskoversicherer des LKW-Zuges habe die Klägerin in Österreich 74 113 S (Reparaturkosten) und 12 450 S (Abschleppkosten) bezahlen müssen; die restlichen Reparaturkosten hätten in Dänemark 6 085.30 DKR betragen. Ein Drittel dieser Beträge habe ihr die Beklagte im Hinblick auf den Umfang des Mitverschuldens des A zu ersetzen.
Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß der Unfall des A für den Auffahrunfall des S nicht kausal gewesen sei. Wenn A überhaupt ein Mitverschulden treffe, sei es höchstens mit 10% zu bewerten. Die Beklagte bestritt die von der Klägerin behaupteten Zahlungen und auch die Angemessenheit dieser Beträge.
Das Erstgericht erkannte nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruches mit Zwischenurteil zu Recht, "daß die Beklagte schuldig ist, als Haftpflichtversicherer des an dem Unfall vom 5. 8. 1979 auf der Autobahn Korneuburg - Stockerau beteiligten PKW Audi 80, N 837.335, nach Maßgabe der gesetzlichen Haftpflichtversicherungsdeckungssumme der Klägerin für die von dieser als Haftpflicht- und Kaskoversicherer des gleichfalls am Unfall beteiligten LKW-Zuges mit dem dänischen Kennzeichen EH 93.480 bzw. EB 3.104 zu erbringenden Schadenersatzleistungen dem Gründe nach zu 1/10 Ersatz zu leisten"; das Mehrbegehren, "die Beklagte sei weiters schuldig, der Klägerin nach Maßgabe des Punktes 1 des Urteilsspruches darüber hinaus dem Gründe nach zu weiteren 7/30 Ersatz zu leisten", wies es ab.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Zur Unfallszeit lenkte A seinen PKW mit eingeschaltetem Abblendlicht im 4. Gang mit einer Geschwindigkeit von zirka 110 km/h auf der Autobahn Korneuburg - Stockerau in Richtung Wien. Es herrschte Dunkelheit; die Fahrbahn war trocken. Zufolge Unaufmerksamkeit geriet A von der Fahrbahn nach rechts auf den Pannenstreifen ab. Er korrigierte in der Folge seine Fahrlinie durch Verreißen nach links; sein PKW geriet daraufhin ins Schleudern und stieß gegen die Mittelleitschiene, prallte ab, überschlug sich und kam schließlich auf dem Dach liegend im Bereich der Leitlinie zwischen dem ersten und dem zweiten Fahrstreifen, zum überwiegenden Teil im ersten Fahrstreifen, in leichter Schrägposition zur Fahrbahnachse zum Stillstand.
Dabei blieben in der Unfallsendlage die Abblendscheinwerfer und Decklichter weiterhin eingeschaltet. A erlitt bei diesem Unfall einen Oberkieferbruch und eine offene Wunde am Oberschenkel, doch gelangte er aus seinem Fahrzeug in den Bereich des Pannenstreifens. Durch den auf dem Dach liegenden PKW wurde im wesentlichen der erste Fahrstreifen blockiert.
Der in einem Abstand von etwa 100 bis 110 m hinter A fahrende Leopold Sch. beobachtete den Unfall des A. Er lenkte sein Fahrzeug sogleich auf den Pannenstreifen und schaltete an seinem PKW nach Stillstand auf Höhe des PKW des A (bei Straßenkilometer 6.780 im Gemeindegebiet von Spillern) die Warnblinkanlage ein.
Als nächster Lenker näherte sich in gleicher Fahrtrichtung Josef G mit einem PKW der Unfallstelle. Bereits aus einer Entfernung von 1 km beobachtete er die am Fahrzeug des Sch. in Tätigkeit befindliche Warnblinkanlage. In Annäherung an dieses Fahrzeug verringerte G die ursprünglich eingehaltene Geschwindigkeit im Bereich von 70 bis 80 km/h und blendete ab. Im Zuge der unmittelbaren Annäherung an das Fahrzeug des Sch., der nach dem Anhalten auf Höhe des PKW des A wieder ein Stück zurückgefahren war, blendete G auf und bemerkte den vor ihm im Bereich der Fahrbahnmitte liegenden PKW des A. Daraufhin lenkte er sein Fahrzeug nach rechts in den Pannenstreifen, hielt hinter dem PKW des Sch. an und schaltete an seinem Fahrzeug zur Warnung nachkommender Verkehrsteilnehmer den linken Blinker ein.
Kurz danach näherte sich Gerda Z mit dem von ihr gelenkten PKW (des Alfred F) mit einer Geschwindigkeit im Bereich von 120 bis 130 km/h mit Fernlicht der Unfallstelle. Hinter ihr folgte in einem Abstand von zirka 60 m Johann D mit dem von ihm gelenkten PKW mit gleicher Geschwindigkeit und Abblendlicht. Z und D schenkten, offensichtlich aus Unachtsamkeit, zunächst den am rechten Fahrbahnrand mit eingeschaltetem Blinker bzw. Warnblinkanlage angehaltenen Fahrzeugen keine Beachtung. Als Z im Lichtbereich ihres Fernlichtes den vor ihr auf dem Dach liegenden PKW des A bemerkte, lenkte sie ihren PKW gleichfalls nach rechts auf den Pannenstreifen und konnte noch vor dem PKW des Sch. bzw. des G anhalten. D reagierte erst, als Z vor ihm nach rechts zog und er dann gleichfalls freie Sicht auf den PKW des A hatte. Daraufhin leitete er sogleich eine Notbremsung ein und konnte seinen PKW zirka 10 m vor dem PKW des A zum Stillstand bringen, wobei er mit der linken Fahrzeugflanke die Leitlinie um 40 bis 60 cm nach links überfuhr.
Zur selben Zeit war S mit dem von ihm gelenkten LKW-Zug, der mit 21 t Fracht beladen war, mit einer Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h mit eingeschaltetem Abblendlicht in Richtung Unfallstelle unterwegs. Er war von den von Z und D gelenkten Fahrzeugen weit vor der Unfallstelle überholt worden. Als D seinen PKW zum Stillstand brachte, befand sich S etwa 80 m hinter diesem Fahrzeug und gleich allen anderen Beteiligten im ersten Fahrstreifen in Annäherung an die Unfallstelle. Zufolge Unaufmerksamkeit, die insbesondere auf seine Alkoholisierung und auch auf Übermüdung zurückzuführen war, bemerkte S das Aufleuchten der Bremslichter an den von Z und D gelenkten Fahrzeugen zu spät und die im Bereich des Pannenstreifens mit eingeschalteter Warnblinkanlage bzw. linkem Blinker befindlichen Fahrzeuge von Sch. und G überhaupt nicht. Als S schließlich im Bereich der Reichweite seines 55 m weit leuchtenden Abblendlichtes den PKW des D und den etwa in der Fahrbahnmitte auf dem Dach liegenden PKW des A bemerkte, lenkte er den LKW-Zug nach links und leitete ein Bremsmanöver ein. Seine Reaktion bzw. das Auslenkmanöver erfolgte jedoch so spät, daß er mit der rechten Frontecke des LKW-Zuges unter einer Überdeckung von 40 bis 60 cm den PKW des D nach rechts zur Seite schleuderte, und zwar gegen den von Z gelenkten PKW und schließlich gegen jenen des A. Im Kollisionszeitpunkt befand sich die rechte Flanke des LKW-Zuges im Bereich der Leitlinie in der Mitte der 6.8 m breiten Fahrbahn. Der LKW-Zug stieß unter Beibehaltung des Linkszuges und unter leichter Streifung des PKW des A schließlich gegen die Mittelleitschiene und kam, nachdem er an dieser über 60 m entlanggeglitten war, zum Stillstand. Die von S eingeleitete Vollbremsung wurde etwa im Moment der Kollision wirksam; in diesem Zeitpunkt befand sich der LKW- Zug in einem Linkszug.
Aus einer Geschwindigkeit von 80 km/h beträgt der Anhalteweg des LKW-Zuges bei einer erzielbaren Bremsverzögerung von 6.5 m/sec2, einer Vorbremszeit von einer Sekunde und einer Bremsschwellzeit von 0.6 Sekunden etwa 72 m bei einem Zeitbedarf von zirka 5 Sekunden. Der reine Bremsweg beträgt dabei 38 m bei einem Zeitbedarf von 3.72 Sekunden. Um innerhalb der Sichtstrecke bei Abblendlicht von 55 m anhalten zu können, hätte der LKW-Zug nur eine Geschwindigkeit von 70 km/h einhalten dürfen. Die Sichtverhältnisse zum Unfallszeitpunkt waren jedoch gut; die Brems- bzw. Rücklichter sowie die Warnblinklichter und Blinklichter der Fahrzeuge, die bereits vor S die Unfallstelle erreicht hatten, waren auf eine weitaus größere Distanz als 55 m deutlich erkennbar.
Bei gehöriger Aufmerksamkeit wäre es S ohne weiteres möglich gewesen, bei prompter Reaktion auf das Bremsmanöver der vor ihm fahrenden Lenker Z bzw. D kollisonsfrei zum Stillstand zu kommen. Überdies hätte S die Möglichkeit gehabt, noch innerhalb des zweiten
3.4 m breiten Fahrstreifens neben dem PKW des D anzuhalten, da dieses Fahrzeug nur 40 bis 60 cm in den zweiten Fahrstreifen hineinragte und der LKW-Zug nur 2.4 m breit war. Hätte S den LKW-Zug entsprechend weit links im zweiten Fahrstreifen gelenkt, dann wäre ihm eine um 14 m längere Anhaltestrecke zur Verfügung gestanden, da der über 4 m lange PKW des D 10 m vor dem Fahrzeug des A zum Stillstand gekommen war. Die Benützung des äußerst linken Teiles des zweiten Fahrstreifens wäre S gefahrfrei möglich gewesen, weil der innere Rand der Begrenzungslinie des zweiten Fahrstreifens 40 cm vom tatsächlichen Fahrbahnrand entfernt verlief und sich an die Fahrbahn ein ebenso breiter Grünstreifen bis zur Mittelleitschiene anschloß. Zwischen dem Unfall des A und dem Auffahrunfall des S lag ein Zeitraum von über einer Minute. Infolge des Auffahrunfalles des S erlitten D und Z leichte Verletzungen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, es stehe infolge der im § 268 ZPO normierten Bindungswirkung des gegen A ergangenen Strafurteiles fest, daß diesen ein Verschulden an dem Auffahrunfall des S treffe. A sei durch seine Unachtsamkeit ins Schleudern geraten und habe dadurch, daß er schließlich im Bereich der Fahrbahnmitte auf dem Dach zu liegen gekommen sei, eine Gefahrenlage für den Nachfolgeverkehr geschaffen. S habe den Unfall durch einen groben Aufmerksamkeitsfehler und durch verspätete Reaktion mitverschuldet. Er habe den LKW-Zug mit einem Blutalkoholgehalt von 1.85 Promill und auch übermüdet gelenkt und sei nicht auf Sicht gefahren. Es sei eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 9 zu Lasten des S vorzunehmen, weil dieser besonders schwere Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung begangen habe und für ihn der Unfall leicht vermeidbar gewesen sei.
Das Berufungsgericht gab den Rechtsmitteln beider Parteien Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte im wesentlichen aus, daß unabhängig von der Bindungswirkung des gegen A ergangenen Strafurteiles der Kausalzusammenhang zwischen dem Fehlverhalten dieses Fahrzeuglenkers und dem Auffahrunfall des S zu bejahen sei. Eine Unterbrechung des Kausalzusammenhanges trete nur ein, wenn mit der hinzutretenden Ursache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht als wahrscheinlich gerechnet werden könne. Dies sei nicht der Fall, wenn der Lenker eines Kraftfahrzeuges auf ein verkehrswidriges Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers zu spät reagiere, wie dies S getan habe. Es sei daher auch das Fehlverhalten des A mitursächlich für alle von S verursachten Schäden. Die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung sei nicht zu billigen; bei Abwägung des Verschuldens des A und des S, bei Berücksichtigung der Bedeutung der von ihnen verletzten Vorschriften für den Straßenverkehr, des Grades der ihnen zur Last fallenden Fahrlässigkeit und der Größe und Wahrscheinlichkeit der durch sie herbeigeführten Gefahr erscheine eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten des S angemessen.
Trotzdem müsse die Entscheidung des Erstgerichtes wegen eines Feststellungsmangels aufgehoben werden. Infolge ordnungsgemäß ausgeführter Rechtsrügen sei die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht nach jeder Richtung hin zu überprüfen. Die Frage, ob ein Zwischenurteil gefällt werden könne, sei in erster Linie eine Frage des formellen Rechtes. Ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften könne nur dann wahrgenommen werden, wenn er ausdrücklich gerügt werde. Eine solche Rüge sei nicht erhoben worden. Da aber bei Schadenersatzansprüche zum Grund des Anspruchs gehöre, daß überhaupt in concreto ein Schaden entstanden sei, müsse bereits im Verfahren über den Grund des Anspruchs bei jeder einzelnen von mehreren Forderungen festgestellt sein, ob ein wenn auch noch so geringer Schaden tatsächlich eingetreten sei. Da nicht festgestellt worden sei, ob die Klägerin überhaupt Schadenersatzleistungen erbracht habe, liege ein im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wahrzunehmender Feststellungsmangel vor, der zur Aufhebung des Zwischenurteiles des Erstgerichtes führen müsse.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was zunächst die Frage der Kausalität des schuldhaften Fehlverhaltens des A für die durch das Auffahren des von S gelenkten LKW-Zuges verursachten Schäden betrifft, ist davon auszugehen, daß nach der in Lehre und Rechtsprechung herrschenden Adäquanztheorie (s. dazu Koziol, Haftpflichtrecht[2] I 140 ff; SZ 51/58 und die dort zitierte Rechtsprechung ua.) der Schädiger für alle zufälligen Folgen seines schuldhaften Verhaltens, mit deren Möglichkeit in abstracto gerechnet werden muß, zu haften hat, sofern es sich nicht um einen atypischen Erfolg handelt. Er hat somit nicht nur für den unmittelbaren Erfolg seines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, sondern auch für alle weiteren nachteiligen Auswirkungen einzustehen, soweit sie nicht atypisch sind. Hiebei genügt es, daß die generelle Eignung einer Ursache, den Schaden herbeizuführen, von jedem vernünftigen Menschen erkannt werden kann, mag auch die konkrete Einzelfolge an sich gerade nicht erkennbar sein. Insbesondere ist nicht zu fordern, daß der Schädiger die Einzelfolge voraussehen konnte und daß er sie vorausgesehen hat.
Behindert nach einem Unfall ein am Unfall beteiligtes Fahrzeug den Verkehr auf der Fahrbahn, dann ist das Zustandekommen weiterer Auffahrunfälle (auch auf Fahrzeuge, die infolge des Hindernisses auf der Fahrbahn zum Anhalten veranlaßt werden), zumal auf Autobahnen bei Nacht, eine geradezu typische Folge (ZVR 1970/245; ZVR 1977/238). Daß dazu Aufmerksamkeitsfehler der Lenker auffahrender Fahrzeuge wesentlich mit beitragen, ändert an der grundsätzlichen Verantwortlichkeit desjenigen, der den Primärunfall verschuldet hat, nichts. Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen der ersten Unfallursache und dem schließlich eingetretenen Erfolg kann dadurch nicht berührt werden.
Mit Recht haben daher entgegen dem Standpunkt der Rekurswerberin die Vorinstanzen den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Fehlverhalten des A und den durch das Auffahren des von S gelenkten LKW-Zuges bedingten Folgen bejaht, ohne daß es eines weiteren Eingehens auf die Bindungswirkung des gegen A ergangenen Strafurteiles bedürfte.
Wenn die Beklagte darzutun versucht, daß das Erstgericht berechtigterweise ein Zwischenurteil gefällt habe, weil es festgestellt habe, "daß ein entsprechender Schaden entstanden sei", verkennt sie das Wesen des Klagsanspruches. Es handelt sich hier um keinen Schadenersatzanspruch, sondern um einen Regreßanspruch eines Versicherers bezüglich eines Teiles der von ihm an Dritte und an seinen Versicherungsnehmer erbrachten Leistungen. Voraussetzung eines solchen Anspruches ist somit nicht allein, daß durch das Auffahren des von S gelenkten LKW-Zuges ein Schaden verursacht wurde, sondern daß die Klägerin die von ihr behaupteten Leistungen als Haftpflichtversicherer an geschädigte Dritte bzw. als Kaskoversicherer an ihren Versicherungsnehmer tatsächlich erbracht hat. Dies wurde von der Beklagten bestritten; das Erstgericht hat darüber keine Feststellungen getroffen.
Bei den in der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüchen handelt es sich nicht um Schadenersatzansprüche, sondern um Ausgleichs- bzw. Rückgriffsansprüche der Klägerin, die sie einerseits aus der Behauptung ableitet, als Haftpflichtversicherer des von S gelenkten LKW-Zuges Schäden Dritter in einem Ausmaß ersetzt zu haben, das die von ihr selbst zu tragende Schadensquote übersteige, und andererseits aus der weiteren Behauptung, als Kaskoversicherer aus Anlaß dieses Schadensfalles an ihren Versicherungsnehmer Leistungen erbracht zu haben, die ihr die Beklagte im Hinblick auf ein von ihr zu vertretendes Mitverschulden des A zum Teil zu refundieren habe.
Im Hinblick auf die gegebenen Auslandsbeziehungen - die Klägerin hat ihren Sitz in Dänemark, der Halter und Eigentümer des LKW-Zuges wohnt ebenso wie der Lenker S in Dänemark, der LKW-Zug wurde in Dänemark zum Verkehr zugelassen - ist zunächst zu prüfen, nach welchem Recht derartige Ausgleichsansprüche zu beurteilen sind. Dabei muß grundsätzlich zwischen den für die Beurteilung der Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag maßgeblichen Anknüpfungspunkten und den für die Anknüpfung von Deliktsobligationen maßgeblichen Grundsätzen unterschieden werden (vgl. ZVR 1977/75; ZVR 1979/167).
Der den Klagsansprüchen zugrunde liegende Verkehrsunfall ereignete sich nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (BGBl. 387/1975) und des IPR-Gesetzes (BGBl. 304/1978). Die Frage, nach welchem Recht die Klagsforderungen zu beurteilen sind, ist daher nach der durch diese Vorschriften bestimmten Rechtslage zu lösen.
Da nach Art. 2 Z 4 und 5 des Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht dieses Übereinkommen auf Rückgriffsansprüche zwischen haftpflichtigen Personen und auf Rückgriffsansprüche und den Übergang von Ansprüchen, soweit Versicherer betroffen sind, nicht anzuwenden ist (vgl. Reishofer, Das Haager Straßenverkehrsübereinkommen, ZVR 1977, 33 f.), kann aus den dort normierten Kollisionsnormen für die Beurteilung der Frage, nach welchem Recht die Klagsansprüche zu beurteilen sind, nichts abgeleitet werden.
Die Vorschriften der §§ 35 ff IPR-Gesetz, die die auf dem Gebiet des Schuldrechtes anzuwendenden Kollisionsnormen enthalten, beinhalten keine ausdrückliche Regelung über Rückgriffs- bzw. Ausgleichsansprüche, wie sie Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites sind. Es bleibt daher bei der im § 1 Abs. 1 IPR-Gesetz normierten Regelung, daß Sachverhalte mit Auslandsberührung in privatrechtlicher Hinsicht nach der Rechtsordnung zu beurteilen sind, zu der die stärkste Beziehung besteht.
Zieht man dies in Betracht, dann ergibt sich zunächst, daß zwischen den Ausgleichsansprüchen der Klägerin, die sie daraus ableitet, daß sie als Haftpflichtversicherer Ansprüche geschädigter Dritter befriedigte, und ihren Regreßansprüchen, die sie aus den Leistungen ableitet, die sie als Kaskoversicherer ihrem Versicherungsnehmer erbrachte, unterschieden werden muß.
Für die Beurteilung der Ausgleichsansprüche der Klägerin als Haftpflichtversicherer des am Unfall beteiligten LKW-Zuges erscheint entscheidend, daß sie iS des Art. 3 des Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht nach österreichischem Recht die Schadenersatzansprüche der geschädigten Dritten zu befriedigen hatte, daß sie also ohne Rücksicht auf einen allfälligen weiteren Schädiger für das Verschulden des Lenkers des bei - ihr haftpflichtversicherten LKW-Zuges einzustehen hatte und damit den geschädigten Dritten gegenüber eine Solidarhaftung mehrerer Schädiger bestand. Waren aber die Schadenersatzansprüche der geschädigten Dritten nach österreichischem Recht zu beurteilen und nach den Vorschriften des österreichischen Rechtes zu befriedigen, dann begrundet dies eine so starke Beziehung zur österreichischen Rechtsordnung, daß es iS des § 1 Abs. 1 IPR-Gesetz gerechtfertigt erscheint, auch einen Ausgleichsanspruch eines Schädigers bzw. eines Haftpflichtversicherers, der für einen der Schädiger einzustehen hat, dem Deliktsstatut zu unterstellen und damit nach österreichischem Recht zu beurteilen (so im Ergebnis auch Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts 171; ZVR 1979/167). Zum gleichen Ergebnis gelangt man übrigens, wenn man auf einen derartigen Ausgleichsanspruch, der einem Anspruch iS des § 1042 ABGB zumindest ähnlich ist (s. dazu Koziol, Haftpflichtrecht[2] 302 und die dort zitierte Rechtsprechung), die Vorschriften des § 48 zweiter Satz IPR-Gesetz analog anwendet.
Nach österreichischem Recht hat nun die Klägerin iS der §§ 1302 letzter Halbsatz, 896 ABGB, § 11 Abs. 1 EKHG unter der Voraussetzung, daß sie als Haftpflichtversicherer des LKW-Zuges den geschädigten Dritten Schadenersatzleistungen erbracht hat, die den von ihr letztlich zu tragenden Schadensanteil übersteigen, gegen die Beklagte, die für den Mitschädiger einzustehen hat, einen entsprechenden Ausgleichsanspruch, wobei für die Bestimmung der von beiden Schädigern im Innenverhältnis zu tragenden Schadensanteile die im § 11 Abs. 1 EKHG normierten Zurechnungskriterien maßgebend sind.
Ob und in welcher Höhe die Klägerin derartige Leistungen an geschädigte Dritte erbrachte, wurde nicht festgestellt, obwohl die Erbringung der in der Klage behaupteten Leistungen von der Beklagten bestritten wurde. Damit steht hinsichtlich dieses Klagsanspruches nicht fest, ob der Klägerin überhaupt ein Zuspruch gebührt; es kann daher über diesen Anspruch auch nicht mit Zwischenurteil abgesprochen werden (Fasching, Kommentar III 589; SZ 41/5 ua.).
Dies wird vielmehr - ohne auf die Zweckmäßigkeit einer solchen Vorgangsweise einzugehen - erst möglich sein, wenn feststeht, daß die Klägerin gegen die Beklagte überhaupt einen derartigen Ausgleichsanspruch hat.
Was allerdings die Frage der vom Berufungsgericht in seiner aufhebenden Entscheidung für gerechtfertigt erachteten Verschuldensteilung anlangt, kann den Rekursausführungen nicht gefolgt werden. Die Beklagte verweist durchaus mit Recht darauf, daß der Lenker des LKW-Zuges auf die vor ihm entstandene Gefahrensituation höchst unzureichend reagierte, verkennt aber, daß auch A ein sehr hohes Maß von Nachlässigkeit angelastet werden muß, wenn er - ohne jede äußere Einwirkung - einen solchen Fahrfehler setzte, daß sich auf offener Autobahn sein PKW überschlug und damit die Fahrbahn blockierte. Die Verschuldensabwägung hat sich nicht auf eine zahlenmäßige Gegenüberstellung der von den Beteiligten übertretenen Rechtsvorschriften zu beschränken, sondern das Gewicht ihres Fehlverhaltens zu berücksichtigen. Ließe man im vorliegenden Fall die Alkoholisierung des Lenkers des LKW-Zuges außer Betracht, dann könnte sein Fehlverhalten kaum als gravierender als das des A beurteilt werden. Da aber nach ständiger Rechtsprechung in alkoholisiertem Zustand begangene Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften besonders schwer wiegen, ist nach den Umständen des vorliegenden Falles und nach dem derzeitigen Sachstand die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten des Lenkers des LKW-Zuges zu billigen.
Was aber den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Refundierung eines Teiles der von ihr als Kaskoversicherer an ihren Versicherungsnehmer erbrachten Leistungen betrifft, so ist dieser iS des § 1 Abs. 1 IPR-Gesetz nicht nach österreichischem, sondern nach dänischem Recht zu beurteilen. Denn diese Leistungen der Klägerin wurden wohl durch einen in Österreich stattgefundenen Verkehrsunfall ausgelöst, doch war die Leistungsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihrem Versicherungsnehmer ungeachtet dieses Umstandes iS der Verweisungsnorm des § 38 Abs. 2 IPR-Gesetz ausschließlich nach dänischem Recht zu beurteilen. Damit besteht aber auch hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Regreßanspruches bezüglich eines Teiles der von ihr als Kaskoversicherer erbrachten Leistungen keine so starke Beziehung zur österreichischen Rechtsordnung, die es iS des § 1 Abs. 1 IPR-Gesetz ermöglichen würde, die Entstehung eines solchen Regreßanspruches nach österreichischem Recht zu beurteilen;
hier muß vielmehr nach dänischem Recht beurteilt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Klägerin ein derartiger Regreßanspruch entstand (so im Ergebnis auch Schwimann aaO 130;
EvBl. 1970/178; JBl. 1972/473). Hier wird es daher - mangels einer Rechtswahl der Parteien iS des § 35 IPR-Gesetz - nach § 4 IPR-Gesetz zunächst erforderlich sein, zu ermitteln, ob und inwieweit die Klägerin nach den Bestimmungen des dänischen Rechtes einen Teil der von ihr als Kaskoversicherer ihrem Versicherungsnehmer erbrachten Leistungen von der Beklagten refundiert verlangen kann. Erst dann wird auch über diesen Teil des Klagsanspruches abgesprochen werden können.
Anmerkung
Z55009Schlagworte
Haftpflichtversicherer, Beurteilung der Regreßansprüche nach, österreichischem Recht, Kaskoversicherer (ausländischer), Beurteilung von Ersatzansprüchen nach, dem Recht der NiederlassungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0080OB00291.81.0211.000Dokumentnummer
JJT_19820211_OGH0002_0080OB00291_8100000_000