Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 1982 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Kliment als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 14. Oktober 1981, GZ 29 Vr 913/79-51, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mayrhofer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, daß der durch die zu Punkt II des Urteilsspruches bezeichnete Tat herbeigeführte Schaden S 100.000,-- übersteige, und demzufolge im Ausspruch über die Unterstellung dieser Tat (auch) unter § 156 Abs 2 StGB und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25. Mai 1932 geborene Fleischhauermeister Alois A des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB (Punkt I. des Urteilsspruches), des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB - im erstgerichtlichen Urteil irrig: § 156 Abs 1 Z 1 und 2 StGB - (Punkt II. des Urteilsspruches), des Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB (Punkt III. des Urteilsspruches) und des Vergehens nach § 114 Abs 1 ASVG (Punkt IV. des Urteilsspruches) schuldig erkannt. Im Punkt II. des Urteils wird ihm angelastet, als Schuldner mehrerer Gläubiger 1.) am 29. November und 15. Dezember 1977 durch die Verpachtung des Detailgeschäftes samt Abholmarkt, Wursterei, Selchkammer, sowie des Schlachthauses samt Büroräumlichkeiten gegen einen monatlichen Pachtzins von S 45.000,-- und des Hotels 'D' gegen einen Pachtschillig von 6 % des Umsatzes an die protokollierte Firma 'E-A GesmbH', 2.) am 5. November 1977 durch die Vermietung seines Hauses in St. Johann in Tirol, Bahnhofweg Nr 7, an seine Ehegattin Barbara A gegen einen monatlichen Mietzins von S 7.000,--, mithin jeweils gegen einen unangemessenen, teilweise nicht einmal die (von ihm übernommenen) Betriebskosten deckenden Bestandzins sein Vermögen wirklich verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines Teiles von ihnen vereitelt oder geschmälert zu haben, wobei der durch die Tat herbeigeführte Schaden insgesamt S 100.000,-- überstiegen habe.
Nur in diesem Schuldspruch bekämpft der Angeklagte das Urteil mit einer die Z 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO anrufenden Nichtigkeitsbeschwerde. Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Strafausspruch mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Mit Beziehung auf den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund macht der Angeklagte geltend, das Erstgericht hätte aus den getroffenen Feststellungen in rechtlicher Hinsicht nicht ableiten dürfen, daß durch die von ihm in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Bernhard B über dessen Anraten (in statu cridae knapp vor Einleitung des Ausgleichsverfahrens) abgeschlossenen Bestandverträge sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und eine Befriedigung seiner Gläubiger vereitelt worden sei.
Das Schöffengericht gelangte ganz unabhängig von der von der Beschwerde in den Vordergrund gerückten Frage, daß Dr. B zum Abschluß der Verträge geraten habe, auf Grund der Verfahrensergebnisse, insbesondere auf Grund des (von Widersprüchen und Mängeln im Sinne der § 125, 126 StPO freien) Gutachtens des Sachverständigen Dr. Martin C zur überzeugung, daß der Angeklagte die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines Teils von ihnen vereitelte oder schmälerte, indem er (längerfristig unkündbare) Bestandverträge abschloß, bei denen eine Verwertung der vermieteten und verpachteten Betriebe erschwert war und zwischen tatsächlich vereinbartem und wirtschaftlich angemessenem Pachtzins bei Berücksichtigung der vom Bestandgeber übernommenen Verpflichtung, sämtliche (den vereinbarten Bestandzins zum Teil sogar übersteigende) Betriebskosten zu übernehmen, ein krasses Mißverhältnis bestand (vgl Band II, S 61 ff d.A), und daß der Angeklagte sich bei Abschluß der Verträge dessen bewußt war, daß sie eine Vermögensverringerung und damit eine Beeinträchtigung der Befriedigungsrechte der Gläubiger bedeuteten (Band II, S 65 d.A). Geht man aber von diesem festgestellten Sachverhalt aus, so erweist sich dessen Subsumtion unter den Tatbestand der betrügerischen Krida rechtlich unbedenklich. Das Wesen dieses Delikts besteht zum einen in der wirklichen oder scheinbaren Verringerung des zur Befriedigung der Gläubiger bestimmten Vermögens durch den Gemeinschuldner, zum anderen in der dadurch (kausal) bewirkten Beeinträchtigung der Befriedigungsrechte der Gläubiger oder wenigstens eines Teiles von ihnen (vgl SSt 47/47). Die Tätigkeiten, durch welche das Vermögen eines Gemeinschuldners (wirklich oder zum Schein) verringert werden kann, werden im § 156 Abs 1
StGB nur demonstrativ aufgezählt. Diesen Tatbestand verwirklicht daher nicht nur, wer der Befriedigung seiner Gläubiger unterliegende Vermögensbestandteile deren tatsächlichem Zugriff entzieht, sondern auch jeder, der den Wert seines Vermögens 'sonst' verringert, indem er seine Aktiven ohne entsprechenden Gegenwert verkürzt oder die Passiven ohne angemessene Aufstockung der Aktiven erhöht (vgl Liebscher im Wiener Kommentar, RN 13 zu § 156 StGB). Eine solche Vermögensverringerung kann folglich auch dann eintreten, wenn der Gemeinschuldner, ohne die Vermögenssubstanz selbst zu beeinträchtigen, durch den Abschluß von langfristig unkündbaren, nach den vereinbarten Bedingungen für den Vermieter ertragslosen Bestandverträgen die Verwertung von Vermögensobjekten wesentlich erschwert und bewirkt, daß bei deren allfälliger Verwertung nur ein verminderter Verkaufserlös erzielt werden kann (vgl auch SSt 45/2; Leukauf-Steininger, Komm z StGB2 RN 5, 11 zu § 156; Liebscher im Wiener Kommentar, RN 11 zu § 156).
Diese Voraussetzung trifft insbesondere dann zu, wenn wie im vorliegenden Fall zufolge eines Kündigungsverzichtes für die Dauer von drei bzw fünf Jahren dem Bestandgeber - im Konkursverfahren dem in bestehende Bestandverträge eintretenden und an diese zunächst gebundenen Masseverwalter (§ 24 Abs 1 KO) - die Möglichkeit einer alsbaldigen Auflösung des Bestandverhältnisses genommen ist (vgl Band II, S 61 in Verbindung mit ON 6 des Aktes 10 Cg 754/78 des Landesgerichtes Innsbruck und ON 39 und 79 des Aktes S 77/78 des Landesgerichtes Innsbruck). Im übrigen steht die Tatsache, daß der Masseverwalter von der Möglichkeit Gebrauch machte, die Bestandverträge im Prozeßweg erfolgreich anzufechten, der Annahme einer Vermögensverminderung nicht entgegen, weil bei betrügerischer Krida ebenso wie beim Betrug der Schaden kein dauernder sein muß. Desgleichen wird die Strafbarkeit des Gemeinschuldners vom Gesetz nicht davon abhängig gemacht, ob dieser zahlungsunfähig ist oder über sein Vermögen das Konkurs- oder Ausgleichsverfahren eröffnet wird (vgl SSt 45/2), sodaß es den Angeklagten auch nicht exkulpieren würde, wenn der Abschluß der Bestandverträge, wie er - von den erstgerichtlichen Feststellungen abweichend - behauptet, darauf abgezielt hätte, ein Insolvenzverfahren hintanzuhalten. Von den Feststellungen des Erstgerichtes weicht ferner der Beschwerdeeinwand ab, der Abschluß der Bestandverträge sei 'einem geordneten Plan' entsprungen und hätte daher auch durch den Masseverwalter vorgenommen werden können: Denn nach Annahme des Erstgerichtes handelte es sich um Gefälligkeitsverträge zugunsten der Ehefrau des Angeklagten und einer GesmbH (deren Geschäftsführer Verwandte des Angeklagten waren), die dem Angeklagten keine nennenswerten Erträge brachten. Die vereinbarten Miet- und Pachtzinse entsprachen bei weitem nicht den aus Vermietungen und Verpachtungen erzielbaren Entgelten und dieses Mißverhältnis wurde noch dadurch weiter verschärft, daß der Angeklagte als Bestandgeber die - unübliche - Verpflichtung zur Tragung sämtlicher Betriebskosten übernahm, deren Höhe seine Ansprüche aus dem Bestandverhältnis (zumeist) überstieg, auf die zudem von den Bestandnehmern tatsächlich keine Zahlungen geleistet wurden. Die vom Angeklagten vorgenommene Verwertung von Vermögensbestandteilen durch Vermietung und Verpachtung war demnach bei der vorhandenen Angebotslage, die sich regelmäßig am ortsüblichen Bestandzins orientiert, eine eklatant ungünstige, weshalb die hiedurch bewirkte Vermögensverminderung auch dadurch nicht aufgewogen werden konnte, daß die Bestandobjekte auf diese Weise betriebsbereit gehalten wurden. Vielmehr erwuchs durch das Tatverhalten des Angeklagten den Gläubigern an ihren Befriedigungsrechten ein Schaden (zumindest) in der Differenz zwischen den dem Angeklagten auf Grund der getroffenen Vereinbarungen (allenfalls) zustehenden Einkünften und den wirtschaftlich angemessenen Erträgen aus einer Vermietung und Verpachtung.
Auf der inneren Tatseite verlangt der Tatbestand der betrügerischen Krida, daß der (zumindest bedingte) Vorsatz des Täters sowohl auf die Vermögensverringerung, als auch auf die Vereitelung oder Schmälerung eines Befriedigungsanspruches in der Form gerichtet sein muß, daß Gläubiger im Endergebnis einen Ausfall ihrer Forderungen erleiden sollen; das Motiv selbst ist dabei gleichgültig (vgl abermals SSt 47/47). Auch diese Voraussetzungen wurden vom Erstgericht in Lösung der Tatfrage bejaht (vgl Band II, S 64 f d.A). Der Beurteilung des Tatverhaltens des Angeklagten als Verbrechen der betrügerischen Krida haftet demnach ein Rechtsirrtum nicht an. Zum geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO führt der Beschwerdeführer ins Treffen, es hätte ihm im Hinblick darauf, daß die Vertragsabschlüsse auf Rat und unter Mitwirkung eines Rechtsanwaltes erfolgt seien, ein Rechtsirrtum (§ 9 StGB) oder die irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes zugebilligt werden müssen.
Damit geht die Nichtigkeitsbeschwerde nicht von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt aus, unterstellt vielmehr die Annahme eines mangelnden Unrechtsbewußtseins des Angeklagten. Das Erstgericht bezog sich nur unter Zitierung der Aussage des Rechtsanwaltes Dr. B darauf, daß dieser Zeuge zum Abschluß der Verträge geraten habe und diese in dessen Kanzlei abgeschlossen worden seien (Band II S 60 d.A), konstatierte aber hiezu, daß der Angeklagte wußte, 'daß die Verträge angesichts der vereinbarten Bestandzinse für ihn und damit für seine Gläubiger eine Vermögensverringerung bzw Vereitelung oder Verringerung der Befriedigungsrechte bedeuten' (Band II S 65 d.A). Auf ein durch den Rat des Rechtsanwaltes bewirktes Fehlen eines Unrechtsbewußtseins berief sich der Angeklagte in seiner Verantwortung gar nicht und ein Mangel in der Urteilsbegründung im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO wurde vom Angeklagten nicht geltend gemacht. Worin die irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes gelegen sein soll, wurde gar nicht dargetan, sondern der Sache nach allein Rechtsirrtum behauptet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Aus deren Anlaß war jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Urteil mit einer vom Angeklagten nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeit behaftet ist, weil die Entscheidungsgründe zum Ausspruch, der durch die zu Punkt II. des Urteils bezeichnete Tat herbeigeführte Schaden übersteige S 100.000,--, keinerlei Feststellungen tatsächlicher Art enthalten. Voraussetzung für die Anwendung des - hier strafbestimmenden - § 156 Abs 2 StGB ist aber, daß der Ausfall, den die Gläubiger durch die Verminderung des zu ihrer Befriedigung bestimmten Schuldnervermögens erleiden, mehr als S 100.000,-
beträgt und dieser Umstand vom (zumindest bedingten) Tätervorsatz umfaßt ist. über die Höhe dieses Schadens, der den Gläubigern des Angeklagten durch den Abschluß der gegenständlichen Bestandverträge - wären diese nicht erfolgreich angefochten worden - erwachsen konnte, läßt das Urteil indes jegliche Konstatierungen vermissen. Es war daher gemäß § 290 Abs 1 StPO das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, wonach der durch die zu Punkt II. des Urteilsspruches bezeichnete Tat herbeigeführte Schaden S 100.000,-- übersteige, sowie demgemäß im Ausspruch über die Unterstellung dieser Tat (auch) unter die Bestimmung des § 156 Abs 2 StGB und im Strafausspruch aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu nochmaliger Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03653European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0090OS00190.81.0309.000Dokumentnummer
JJT_19820309_OGH0002_0090OS00190_8100000_000