Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18.März 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Steininger, Dr. Walenta und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Nemec als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert A wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269
Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26.November 1981, GZ. 5 e Vr 6573/81- 34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Kunz und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.April 1936 geborene Gelegenheitsarbeiter Robert A der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB, der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er in Wien am 25.Mai 1981 den Polizeibeamten Franz B durch Versetzen von Schlägen mit einer Fahrradpumpe und mit der Faust sowie von Fußtritten an seiner Festnahme und Eskortierung zum Streifenwagen zu hindern versucht (A/1 des Schuldspruches) und durch diese Tätlichkeiten, die bei Franz B Abschürfungen am linken Knie und an der Stirne sowie Kratzeffekte am linken Unterarm zur Folge hatten, den genannten Beamten während und wegen der Erfüllung seiner Pflichten vorsätzlich am Körper verletzt hat (A/2 des Schuldspruches) und am 18.Mai 1981 dem Johann C durch einen Faustschlag gegen das linke Auge vorsätzlich eine Schwellung, einen Bluterguß und eine Rißquetschwunde im Augenbereich zugefügt hat (B des Schuldspruches).
Dieser Schuldspruch wird in seinem gesamten Umfang vom Angeklagten mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a (der Sache nach 9 lit. b) und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. In Ausführung des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes behauptet der Angeklagte zunächst, die Urteilsbegründung zu den Fakten A/1 und A/2 des Schuldspruches übergehe die Aussage der Zeugin Margarete D (S. 132), wonach er auf dem Boden gelegen sei und daher die amtshandelnden Polizisten gar nicht habe angreifen können.
Rechtliche Beurteilung
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die Zeugin die Frage des Vorsitzenden des Schöffensenates, ob sie gesehen habe, 'wie das mit dem Polizisten war', verneint hat (S. 132). Hieraus erhellt, daß Margarete D über die Position des Angeklagten gegenüber dem Polizeibeamten B während der hier allein maßgeblichen Phase des Vorfalls vom 25.Mai 1981 nichts auszusagen vermochte. Sie hat vielmehr nur beobachtet, daß der Angeklagte nach Beendigung der Auseinandersetzung mit den Polizeibeamten blutverschmiert am Boden lag.
Einen weiteren Begründungsmangel des angefochtenen Urteils erblickt der Beschwerdeführer in der Unterlassung einer Erörterung seiner beim erwähnten Vorfall erlittenen eigenen Verletzung (S. 23). Das Erstgericht kam jedoch auch in diesem Zusammenhang seiner Begründungspflicht hinreichend nach, indem es - von den in der Hauptverhandlung (S. 148) verlesenen Angaben des Polizeibeamten B in der Anzeige (S. 20) ausgehend - annahm, der Angeklagte habe sich die Kopfverletzung durch einen während der Auseinandersetzung erlittenen Sturz zugezogen (S. 158 vorletzter Absatz). Denn damit stellte es auf eine mit den Denkgesetzen in Einklang stehende Weise auch klar, daß diese Verletzung den Angeklagten schon deshalb nicht an seinen einleitenden Tätlichkeiten gegen den Polizeibeamten zu hindern vermochte, weil sie ihm erst später zugefügt worden ist. Es bedurfte daher keiner Erörterung darüber, ob eine Verletzung dieser Art geeignet wäre, die Fähigkeit zu einem tätlichen Angriff entscheidend zu beeinträchtigen.
In der Mängelrüge zu Faktum B des Schuldspruches vertritt der Angeklagte die Ansicht, die Urteilsbegründung übersehe die übereinstimmung der Aussagen der Zeugen Johann und Hermine C mit seiner Verantwortung darin, daß Johann C am 18.Mai 1981 alkoholisiert nach Hause gekommen sei und den Angeklagten 'zunächst angegriffen' habe, welcher Umstand bei richtiger Würdigung und richtiger Feststellung auf Grund der genannten Aussagen dazu hätte führen müssen, dem Angeklagten den Rechtfertigungsgrund der Notwehr zuzubilligen.
Die Aussagen der Zeugen Johann C (S. 134 unten, 135) und Hermine C (S. 141 erster Absatz) stimmen in diesem Zusammenhang jedoch nur insofern mit der Verantwortung des Angeklagten (siehe hiezu insbes. S. 16 in ON. 30) überein, als aus ihnen hervorgeht, daß Johann C den Angeklagten an der Kleidung oder an der Hand ergriffen hat. Dieses Verfahrensergebnis wurde vom Erstgericht zudem keineswegs übergangen, sondern zur Grundlage seiner Feststellung gemacht, wonach Johann C den Angeklagten anläßlich der an diesen gerichteten Aufforderung, die Wohnung zu verlassen, beim Arm genommen hat (S. 160). Wenn der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, bei 'richtiger Würdigung und richtiger Feststellung' hätte das Erstgericht auf Grund der erwähnten Verfahrensergebnisse zu seiner Notwehrversion entsprechenden Feststellungen gelangen müssen, offenbar auch zum Ausdruck bringen will, daß seiner Verantwortung auch in ihren von den Zeugen C nicht bestätigten, sondern dazu im Widerspruch stehenden Teilen zu folgen gewesen wäre, so ist hierin keine gesetzmäßige Darstellung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO, sondern lediglich eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffensenates zu erblicken.
Ausgehend von der oben erwähnten Urteilsfeststellung, wonach der Zeuge Johann C den Angeklagten beim Arm genommen hat, macht der Beschwerdeführer in der nur zu Faktum B des Schuldspruches ausgeführten Rechtsrüge geltend, ihm sei zu Unrecht weder der Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 3 StGB) noch der Entschuldigungsgrund der irrtümlichen Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes (§ 8 StGB) zugutegehalten worden. Bei rechtsrichtiger Beurteilung des Urteilssachverhalts wäre er freizusprechen, höchstens aber (wegen auf Fahrlässigkeit beruhender irriger Annahme eines rechtswidrigen Angriffs, also strafbarer Putativnotwehr) der fahrlässigen Körperverletzung schuldig zu erkennen gewesen. Auch die Rechtsrüge versagt.
Die festgestellte Handlungsweise des Johann C (Ergreifen des Angeklagten beim Arm unter der Aufforderung, die Wohnung zu verlassen) ist noch nicht als rechtswidriger Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut des Angeklagten zu werten. Daß dieser Griff des Zeugen besonders intensiv und schmerzhaft gewesen wäre oder zu der vom Amtsarzt am folgenden Tag festgehaltenen Verletzung des Angeklagten (Schwellung am rechten Handgelenk, insbesondere am Daumengrundgelenk; siehe S. 17 in ON. 30) geführt habe, wurde vom Erstgericht nicht festgestellt. Daß dies vom Schöffensenat auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden ist, vermag einen Feststellungsmangel im Sinne der Z. 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO umsoweniger zu begründen, als die Verfahrensergebnisse gar keinen Anlaß zu einer derartigen Negativfeststellung boten (27 zu § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO und 14 zu Z. 10 der zitierten Gesetzesstelle in Mayerhofer/Rieder2); war doch nicht einmal der Verantwortung des Angeklagten selbst, der überhaupt nur ein Ergreifen seiner Kleidung durch Johann C erwähnte und seine eigene Verletzung nicht auf diesen Griff, sondern auf Schläge des C zurückführte (S. 16 in ON. 30), ein Anhaltspunkt für die Annahme einer besonderen Intensität dieses Griffes zu entnehmen. Durch das demnach mängelfrei festgestellte Verhalten des Zeugen C ist mithin weder die körperliche Integrität des Angeklagten noch - mangels einer ins Gewicht fallenden Behinderung der Bewegungsfreiheit - dessen Freiheit beeinträchtigt worden; die allenfalls hiedurch beeinträchtigte Ehre des Angeklagten stellt kein notwehrfähiges Rechtsgut dar.
Schließlich hat C in Ausübung seines Hausrechtes, somit rechtmäßig gehandelt, wenn er den Angeklagten aus seiner Wohnung wies und diesem Verlangen in angemessener Weise dadurch Nachdruck verlieh, daß er den Angeklagten beim Arm nahm. Notwehr gegen eine rechtmäßige Handlung ist jedoch ausgeschlossen (Leukauf-Steininger2, RN. 4 zu § 3 StGB).
Nach dem Urteilssachverhalt kann dem Angeklagten aber auch nicht zugebilligt werden, in Putativnotwehr gehandelt zu haben. Die Feststellung, wonach er noch vor seinem Faustschlag gegen Johann C auf dessen Aufforderung zum Verlassen der Wohnung (sinngemäß) erwiderte, er werde dann gehen, wann er selbst es wolle, und unter einem seinen tätlichen Angriff ankündigte (S. 160), schließt im Zusammenhang mit der - im Rahmen der Rechtsausführungen deutlich vom Erstgericht zum Ausdruck gebrachten - Ablehnung der (wenigstens) in Richtung der Putativnotwehr gehenden Verantwortung des Angeklagten als tatsachenwidriger Schutzbehauptung (S. 170 unten) auch aus, daß der Angeklagte in der irrigen Annahme gehandelt haben könnte, er müsse sich gegen einen gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Angriff zur Wehr setzen.
Die zur Gänze unberechtigte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Robert A war daher zu verwerfen.
Robert A wurde nach §§ 269 Abs. 1, 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt. Bei der Strafbemessung waren erschwerend die Vorstrafen des Angeklagten, die die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllen und darüber hinausgehen, das Zusammentreffen mit drei Vergehen und der rasche Rückfall, mildernd, daß es bezüglich des Faktums A 1 beim Versuch geblieben ist.
Auch die Berufung mit der der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe begehrt, ist nicht berechtigt.
Soweit er in seiner Berufung, in der Art einer gegen das Urteil des Schöffengerichtes unzulässigen Schuldberufung, die Richtigkeit des Schuldspruches im Faktum B bezweifelt, waren diese Ausführungen unbeachtlich, weil bei der Strafbemessung vom Inhalt des Schuldspruches auszugehen war. Daß der Angeklagte von Anklagepunkten freigesprochen wurde, vermag keinen Milderungsgrund darzustellen. Das Schöffengericht hat die Strafbemessungsgründe im wesentlichen zutreffend festgestellt und gewertet.
Als erschwerend ist allerdings nicht das Zusammentreffen mit drei Vergehen, sondern vielmehr (nur) das Zusammentreffen mehrerer (insgesamt drei) strafbarer Handlungen anzunehmen.
Das Vorleben des Angeklagten, der bereits insgesamt siebzehn Mal und zwar überwiegend wegen Gewalttätigkeitsdelikten verurteilt wurde und der weniger als zwei Monate nach Verbüßung der letzten Freiheitsstrafe von vierzehn Monaten rückfällig wurde, zeigt, daß eine strenge Strafe notwendig ist, um die Begehung weiterer Straftaten durch den Angeklagten zu verhindern.
Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03604European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00007.82.0318.000Dokumentnummer
JJT_19820318_OGH0002_0120OS00007_8200000_000