TE OGH 1982/3/18 13Os24/82

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Veröffentlicht am 18.03.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Payrhuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Karl-Heinz A wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 10.November 1981, GZ 26 Vr 2490/81-30, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, auch soweit sie verfehlt als 'Berufung wegen des Privatbeteiligtenzuspruches' bezeichnet wurde, zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Der am 11.Dezember 1956 geborene Tischlergeselle Karl-Heinz A wurde des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 StGB schuldig erkannt. Darnach hatte er am 1.Jänner 1981 in Pfunds fahrlässig, obgleich es für ihn auf Grund der zeitlichen und örtlichen Verhältnisse vorhersehbar war, daß durch seine Handlung jemand am Körper verletzt werden konnte, Mathias B dadurch, daß er ihn mit beiden Händen erfaßte, umklammerte und auf der Tanzfläche der Bar des Hotels Post an sich zog, wodurch beide infolge Ausrutschens und übergewichts zum Sturz kamen, hiebei B mit dem rechten Auge gegen ein Glas stieß und sich eine Schnittwunde zuzog, die in der Folge den Verlust des rechten Auges, sohin eine an sich schwere Verletzung, zur Folge hatte, am Körper verletzt (S. 212, 213).

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte aus den Z. 4 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Eine relevante Verkürzung seiner Verteidigungsrechte (§ 281 Abs 1 Z. 4 StPO) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung der Anträge (seines Verteidigers) in der Hauptverhandlung auf 1. Einholung eines ärztlichen Sachbefunds dazu, welcher Alkoholisierungsgrad nach den angegebenen Alkoholmengen (gemeint Trinkmengen) bei Mathias B im Zeitpunkt des Sturzes vorlag und 2. Vornahme eines Lokalaugenscheins unter Beiziehung sämtlicher Zeugen, des Beschuldigten sowie der zwei mit den Erhebungen befaßten Gendarmeriebeamten 'zur gründlichen Klärung des Sachverhalts' (S. 206). Das Schöffengericht motivierte sein abweisliches Zwischenerkenntnis (in der Hauptverhandlung und im Urteil) damit, daß die Alkoholisierung des - angesichts der Verteilung der Trinkmenge auf sieben Stunden keinesfalls volltrunkenen - B an sich unerheblich und im übrigen erwiesen sei, daß niemand Beteiligter einen Vollrausch hatte und durch die aufgenommenen Beweise der Hergang (der Tat) hinreichend geklärt werden konnte. Von einem Augenschein unter Zuziehung aller Zeugen und der bei den Tätlichkeiten gar nicht gegenwärtig gewesenen Gendarmen sei keine weitere Aufklärung zu erwarten, zumal nur das Benehmen des Angeklagten zur Tatzeit entscheidungswesentlich sei (S. 207, 218, 219).

Rechtliche Beurteilung

Dieser Argumentation ist beizupflichten.

Nach den auf freier Würdigung der aufgenommenen Beweise beruhenden, mängelfreien Feststellungen des Schöffengerichts stürzte der Angeklagte zu B auf die Tanzfläche und erfaßte ihn. Als hierauf B seinerseits den Angeklagten ergriff und wegschieben wollte, umklammerte der Angeklagte B am Oberkörper und zog ihn zu sich, sodaß ihn B nicht mehr wegdrücken konnte. Der Angeklagte rutschte nun, rückwärtsgehend und B mit sich ziehend, wobei B ins übergewicht geriet und beide zum Sturz kamen, bei dem sich B die festgestellte schwere Verletzung zuzog (S. 214, 215).

Daß der Sturz durch die Umklammerung und das Rückwärtsgehen des Angeklagten (zumindest auch mit-) verursacht wurde, brachte das Erstgericht (abgesehen vom Urteilsspruch S. 212: wodurch ... beide ... zum Sturz kamen) durch die unmißverständliche Wendung, daß es daher zum Sturz kam, klar zum Ausdruck (S. 217). Angesichts des allseits unbestrittenen, ununterbrochenen Körperkontakts des Angeklagten und des Zeugen B vor und beim gemeinsamen Sturz war der vom Angeklagten (erst inhaltlich seiner Beschwerdeschrift) angestrebte Nachweis, daß B - hier allein relevant - ausschließlich infolge seiner Trunkenheit, ohne jede Einwirkung des Angeklagten, zu Fall gekommen sein könnte, durch die beantragte Beweisführung überhaupt nicht zu erbringen, denn kausal für einen Erfolg ist jedes Tun, das auch nur eine seiner Bedingungen hervorgerufen hat, das also nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß nicht auch der Erfolg in seiner ganz konkreten Gestalt entfiele. Angesichts der aktuellen körperlichen Einwirkung (auch) des Angeklagten auf B in der entscheidenden Phase des Geschehens kann demnach - ungeachtet einer mehr oder minder starken Trunkenheit des B, die als Mitursache des Sturzes durchaus denkbar wäre - an der Ursächlichkeit (auch) des Tuns des Angeklagten am Eintritt des Erfolgs in seiner konkreten Gestalt (Leukauf-Steininger2, RN. 19 bis 22 zu Vorbem. § 1 StGB) kein Zweifel bestehen.

In seiner Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO) geht der Beschwerdeführer davon aus, daß Reinhold C einem gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff des B auf seine Freiheit und körperliche Integrität ausgesetzt war, das Eingreifen des Beschwerdeführers zugunsten des angriffenen C demnach als Nothilfe (§ 3 StGB) gerechtfertigt sei. Hier ignoriert die Beschwerde die Konstatierungen des Erstgerichts, wonach B den C, als dieser ihn wieder 'anging', lediglich gegen die Wand 'weggeschupft' hat (S. 216), was angesichts des ihn angehenden C als angemessene Abwehr nicht rechtswidrig war. Damit aber lag schon objektiv eine Notwehr- (und damit auch Nothilfe-) Situation nach § 3 StGB nicht vor, die das Eingreifen des Angeklagten hätte rechtfertigen können (S. 217, 218). Zudem wurde eine Zwangslage des Täters, die ihn unter dem Gesichtspunkt einer Unzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens entschuldigt hätte, vom Schöffengericht unter Anführung eines zumutbaren Alternativverhaltens, nämlich der Einschaltung des Hotelpersonals zur Streitschlichtung, zutreffend negiert (S. 218). Die Rechtsrüge, die nicht von allen diesen Feststellungen ausgeht, ist demnach nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.

Ungeachtet der rechtzeitigen Anmeldung (auch) einer 'Berufung wegen des Privatbeteiligtenzuspruches' - von 1.000 S - (S. 229, 230) geht aus dem der Rechtsmittelausführung gewidmeten Schriftsatz, in dem unter der Rubrik 'Berufung' wörtlich bloß vorgebracht wird: 'Wird dieser Nichtigkeitsbeschwerde Folge gegeben, so ist der Privatbeteiligte Mathias B auf den Zivilrechtsweg zu verweisen' (S. 240), unmißverständlich hervor, daß der Angeklagte mit dieser Berufungsanmeldung lediglich eine Entscheidung im Sinn des § 366 Abs 1 StPO für den Fall einer Stattgebung seiner Nichtigkeitsbeschwerde im Auge hatte, womit sich aber seine diesbezügliche Rechtsmittelerklärung in Wahrheit als bloßer Bestandteil der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde erweist.

Anmerkung

E03615

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0130OS00024.82.0318.000

Dokumentnummer

JJT_19820318_OGH0002_0130OS00024_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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