Norm
GenG §3 Abs2Kopf
SZ 55/38
Spruch
Ein dem Gesetz entsprechender schriftlicher Beitritt zu einer Genossenschaft ist ungeachtet eines Verstoßes gegen das Statut grundsätzlich wirksam. Eine dort vorgesehene besondere Form der Beitrittserklärung ist im allgemeinen nur als Ordnungsvorschrift anzusehen. Mundliche Vorbehalte können die Wirksamkeit des schriftlich erklärten Beitritts zur Genossenschaft nicht hindern
OGH 18. März 1982, 7 Ob 673/81 (LGZ Graz 1 b R 29/81; BGZ Graz 26 C 798/80)
Text
Die klagende Genossenschaft mit beschränkter Haftung in Liquidation begehrt vom Beklagten, der Höhe nach außer Streit gestellt, den restlichen Geschäftsanteil und die Haftungssumme gemäß § 76 GenG. Im Rechtsmittelverfahren ist nur strittig, ob der Beklagte der klagenden Genossenschaft wirksam als Mitglied beigetreten ist. § 3 Abs. 2 ihres Statutes lautet:
"Voraussetzung und Erwerb der Mitgliedschaft ... Die Aufnahme
erfolgt auf Grund einer schriftlichen Beitrittserklärung durch
Beschluß des Vorstandes ... In der Beitrittserklärung sind Name,
Beruf, Geschäfts- und Wohnadresse physischer Mitglieder, Firma, Rechtsform, Sitz, Vertretungsbefugnis sowie die zur Vertretung befugten Personen von juristischen Personen und Personengesellschaften anzuführen. Die Beitrittserklärung muß die ausdrückliche Erklärung enthalten, daß sich der Beitretende den Bestimmungen der Satzung und den Beschlüssen der Generalversammlung unterwirft."
Der neue Aufsichtsrat der klagenden Partei beabsichtigte im Jahre 1978 eine Änderung der Organisation der Genossenschaft durch ein "neues Konzept", das durch die Gewährung von günstigen Einkaufsbedingungen, Rabatten und Warenproben neue Genossenschaftsmitglieder ansprechen sollte. Der Beklagte, der damals neun Jahre Kunde der klagenden Partei, aber nicht Mitglied gewesen war, ließ sich am 23. 10. 1978 zur Unterfertigung folgender Erklärung bewegen:
"Unter der Voraussetzung der Annahme des neuen Konzeptes durch die Generalversammlung am 4. 11. 1978 bin ich bereit, der ... (klagenden Partei) beizutreten und verpflichte mich, den Genossenschaftsanteil (von 12 000 S) in zwölf Monatsraten ab 1. 12. 1978 mittels Bankeinzug oder Postauftrag zu bezahlen."
Das geschilderte neue Konzept wurde in der Generalversammlung vom 4. 11. 1978 tatsächlich beschlossen, in dem Protokoll über die Generalversammlung beurkundet und dem Handelsgericht mitgeteilt. Aus einem von der klagenden Partei in der Folge übermittelten Formular einer Beitrittserklärung ersah der Beklagte, daß er sich mit der Unterfertigung den Satzungen und Beschlüssen der Generalversammlung zu unterwerfen habe. Er besorgte sich die Statuten und konnte daraus feststellen, daß er bis zu einem weiteren Betrag von 12 000 S hafte. Deshalb unterfertigte der Beklagte diese Beitrittserklärung nicht. Er bemerkte später, daß nicht auf alle Waren der angekundigte Bonus gewährt wurde und die klagende Partei in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Dennoch ließ der Beklagte die monatlichen Mitgliedsbeitragsraten weiter von seinem Bankkonto abziehen, weil er der Meinung war, daß diese Beträge gegen Warenlieferungen rückverrechnet werden könnten.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Die schriftliche Beitrittserklärung des Beklagten genüge den Erfordernissen des § 3 Abs. 2 GenG. Unerheblich sei, daß sie nicht auch dem § 3 Abs. 2 der Statuten der klagenden Partei entspreche, weil es von vornherein klar sei, daß sich ein Mitglied eines Verbandes dessen Statuten unterwerfe. Die fehlende Kenntnis und Information über die Haftungsbestimmungen könne daran nichts ändern.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil iS der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß das Gesetz ein Mindesterfordernis der Schriftform aufstelle, die klagende Partei aber auch an ihr Statut gebunden sei, so daß mangels der dort geforderten Form der Beitritt des Beklagten nicht wirksam erfolgt sei. Überdies könne die vom Beklagten zulässigerweise gestellte Bedingung der Annahme des neuen Konzepts nicht bloß auf den formalen Akt der Annahme in der Generalversammlung bezogen werden, sondern müsse auch die - in der Folge nicht erfolgte - volle Verwirklichung dieses Konzeptes erfüllen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und stellte das Ersturteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In ihrer Rechtsrüge geht die klagende Partei so wie schon die Vorinstanzen zutreffend von der Vorschrift des § 3 Abs. 2 GenG aus, wonach der Beitritt der einzelnen Genossenschafter durch schriftliche Erklärung geschieht. Diesem Erfordernis wurde hier durch die Beitrittserklärung entsprochen, die zulässigerweise (AC 2874; HS 7517/44) eine Bedingung enthielt. Unbestrittenermaßen entsprach andererseits die Beitrittserklärung des Beklagten nicht dem § 3 Abs. 2 des Statuts der klagenden Partei.
Der Meinung der Revisionswerberin, daß es sich bei dieser Statutenbestimmung nur um eine deklarative Formvorschrift handle, weil die Statuten selbstverständlicher Bestandteil jeder Mitgliedschaft seien, so daß schon der Beitritt auch die Unterwerfung beinhalte, kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Wohl kann die Genossenschaft ihre Bereitschaft, Beitrittserklärungen anzunehmen, in ihrem Statut an bestimmte Bedingungen des Eintrittes der Genossenschafter knüpfen (§ 5 Z 4 GenG). Auch richten sich die Rechte und Pflichten der Genossenschafter in erster Linie nach dem Genossenschaftsvertrag (Kastner, Grundriß des österr. Gesellschaftsrechts[3] 299). Während aber die zwingende Vorschrift des § 3 Abs. 2 GenG über die Schriftform der Beitrittserklärung aus Gründen der Rechtssicherheit jede schlüssige Mitgliedschaft ausschließt (AC 2237; HS 2274/42 ua.), ist der dem Gesetz entsprechende Beitritt zur Genossenschaft ungeachtet eines Verstoßes gegen den Genossenschaftsvertrag grundsätzlich wirksam (ZBl. 1915/262; JBl. 1932, 224). Das gilt zwar in erster Linie für die im Statut vorgesehenen Aufnahmserfordernisse. Aber auch die hier vorgesehene besondere Form der Beitrittserklärung kann nur als Ordnungsvorschrift angesehen werden, die einer wirksamen Annahme durch die Genossenschaft nicht entgegenstand. Klar ist das jedenfalls beim Erfordernis der genauen Angabe von Name, Geschäftssitz und Vertretungsbefugnis. Nach der zutreffenden Ansicht des Erstrichters ist aber auch im strittigen Punkt nicht erkennbar, daß die Vorschrift des Statuts einen Schutzzweck gegenüber den Aufnahmewerbern erfüllen soll. Die Unterwerfung unter das Statut und unter die (gesetzmäßig zustande gekommenen) Generalversammlungsbeschlüsse ergibt sich schon aus dem Gesetz; überdies würde der Schutz des Statuts gerade dem zugute kommen, der es nicht kennt. Schließlich wäre der Zweck der grundsätzlichen Bestimmung des Gesetzes (§ 3 Abs. 2), den Kreis der nach § 2 GenG haftenden Genossenschaftsmitglieder in einer tunlichst jeder Anfechtung entrückten Weise zu fixieren und wechselnde Standpunkte des fraglichen Mitgliedes zu verhindern (HS 2274/42 ua.), in Fällen wie dem vorliegenden in Frage gestellt, wenn nämlich die schriftliche Beitrittserklärung bloß besonderen Formen des Statuts nicht entsprach, dennoch vom zuständigen Organ der Genossenschaft angenommen wurde und beide Parteien in der Folge den Aufnahmewerber tatsächlich als Mitglied betrachteten, wie es hier auch der Beklagte durch die laufende Zahlung der vereinbarten Raten des Geschäftsanteiles unzweifelhaft getan hat. Dem Zweck des Gesetzes wird also die Beurteilung am ehesten gerecht, daß die vorgeschriebene Schriftform im Fall der Annahme der Beitrittserklärung den Ausschlag gibt, zusätzliche Statutenbestimmungen aber bloß eine für das Zustandekommen des Vertrages unbedeutende Ordnungsvorschrift darstellen.
Auch der Eventualbegründung des Berufungsgerichtes kann nicht gefolgt werden. Die in der Beitrittserklärung enthaltene Bedingung war zwar nach dem oben Gesagten zulässig, sie hat aber in eindeutiger Weise nur die Annahme des neuen Konzepts durch die bevorstehende Generalversammlung beinhaltet und geht über eine bloße Absichtserklärung hinaus. Mit der tatsächlichen Annahme dieses Konzepts wurde die Bedingung erfüllt. Selbst eine spätere Nichtbeachtung des beschlossenen Konzepts durch die Genossenschaft könnte am wirksamen Beitritt nichts ändern, zumal ausschließlich der Inhalt der schriftlichen Erklärung, nicht aber mündliche Vorbehalte oder gar Motive über die Wirksamkeit des Beitritts zur Genossenschaft entscheiden (AC 2874).
Anmerkung
Z55038Schlagworte
Beitrittserklärung (Genossenschaft), mündliche Vorbehalte zu, schriftlicher -, Beitrittserklärung, Wirksamkeit trotz Verstoßes gegen, Genossenschaftsstatut, Genossenschaft, mündliche Vorbehalte zu schriftlicher Beitrittserklärung, Genossenschaft, Wirksamkeit des Beitrittes trotz Verstoßes gegen das, StatutEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0070OB00673.81.0318.000Dokumentnummer
JJT_19820318_OGH0002_0070OB00673_8100000_000