Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer, Dr. Kralik, Dr. Melber und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Engelbert K*****, vertreten durch Dr. Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagten Parteien 1.) Rudolf H*****, 2.) Magdalena H*****, beide vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 29. Jänner 1982, GZ 5 R 21/82-9, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 21. Dezember 1981, GZ 4 C 446/81-6, abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger stellt das Urteilsbegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf einem bestimmten Teil ihres an das Grundstück des Klägers grenzenden Grundstückes 106/1 KG ***** zu unterlassen. Hiezu bringt er vor: Auf dem Grundstück der beklagten Parteien werde eine Tankstelle betrieben, hinsichtlich welcher in den gewerbebehördlichen Bewilligungsbescheiden zu seinem Schutze vor Lärm- und Geruchsbelästigungen bestimmte Park- und Abstellverbote erlassen sowie Absperrmaßnahmen aufgetragen worden seien. Entgegen diesen Bescheidauflagen duldeten die beklagten Parteien jedoch seit einiger Zeit das Abstellen von Fahrzeugen und sperrten die bezüglichen Grundflächen auch nicht mehr ab. Wegen der dadurch gegebenen Geruchs- und Geräuschimmissionen sei die Nachtruhe des Klägers und seiner Familie empfindlich gestört. Er habe einen nachbarrechtlichen Anspruch darauf, dass die beklagten Parteien derartige unzulässige Einwirkungen auf sein Grundstück unterließen. Die beklagten Parteien erhoben die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und beantragten Klagsabweisung.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Betrieb der Tankstelle der beklagten Parteien gewerbebehördlich genehmigt worden sei. Der Kläger müsse daher die mit dieser Anlage verbundenen Immissionen dulden, auch wenn sie das ortsübliche Maß überschritten. Es stünde ihnen nur ein allfälliger Entschädigungsanspruch nach § 364a ABGB zu.
Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschluss auf, wies die von den beklagten Parteien erhobenen Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges ab und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Zur Begründung führte es aus, dass es bei der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges entscheidend darauf ankomme, ob der Streitgegenstand nach privatrechtlichen oder nach öffentlichrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sei. Maßgeblich sei daher in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und die aus dem Klagssachverhalt sich ergebende Natur des geltendgemachten Anspruches. Im vorliegenden Falle habe der Kläger einen Unterlassungsanspruch nach § 364 ABGB erhoben, welcher nach privatrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Parteien mit dem Antrage auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.
Die Rechtsmittelwerber bringen vor, der Kläger gehe selbst von einer behördlich bewilligten Anlage im Sinne des § 364a ABGB aus und stütze seinen Klagsanspruch außer auf § 364 ABGB auch auf diese Gesetzesstelle, welche vorgehe. Im Hinblick darauf sowie auf den Umstand, dass sich das Verbot der Abstellung von Kraftfahrzeugen aus den Bewilligungsbescheiden selbst ergebe, der Kläger also bei Zuwiderhandeln der beklagten Parteien alle Möglichkeiten des Verwaltungsverfahrens offen habe, sei der Zivilrechtsweg unzulässig. Dieser Standpunkt ist rechtsirrig.
Der vorliegende Klagsanspruch wird ausdrücklich darauf gestützt, dass die beklagten Parteien unter Missachtung der ihnen in Verwaltungsbescheiden erteilten Auflagen die Herstellung von Geruchs- und Geräuschbelästigungen auf ihrem Grundstück duldeten und der Kläger einen diesbezüglichen nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruch habe. Damit wird aber eindeutig ein privatrechtlicher Anspruch geltendgemacht. Der Oberste Gerichtshof hat im Übrigen in seiner Entscheidung 6 Ob 772/79 auch bereits ausgesprochen, dass ein solches Untersagungsrecht nach § 364 Abs 2 ABGB besteht, wenn sich der Inhaber einer genehmigten Anlage nicht an die im Genehmigungsbescheid erteilten Auflagen hält. Der Umstand, dass Abhilfe allenfalls auch im Verwaltungswege geschaffen werden könnte, steht entgegen der Meinung der beklagten Parteien der Verfolgung dieses privatrechtlichen Anspruches nicht entgegen.
Das Rekursgericht hat somit aber die Zulässigkeit des Rechtsweges zutreffend bejaht.
Dem unberechtigten Rechtsmittel war demnach nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.
Anmerkung
E74009 2Ob512.82European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0020OB00512.82.0323.000Dokumentnummer
JJT_19820323_OGH0002_0020OB00512_8200000_000