TE Vwgh Erkenntnis 2005/5/24 2003/18/0168

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Veröffentlicht am 24.05.2005
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E2A Assoziierung Bulgarien;
E2A E11401030;
E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E6J;
000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
35/02 Zollgesetz;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
59/04 EU - EWR;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

11997E039 EG Art39 Abs3;
11997E046 EG Art46 Abs1;
21994A1231(24) AssAbk Bulgarien Art45 Abs1;
21994A1231(24) AssAbk Bulgarien Art45;
21994A1231(24) AssAbk Bulgarien Art54 Abs1;
21994A1231(24) AssAbk Bulgarien Art59 Abs1;
61999CJ0235 Kondova VORAB;
62002CJ0327 Panayotova VORAB;
ABGB §1152;
ARB1/80 Art14;
ASVG §111;
ASVG §33;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AuslBG §3 Abs2;
EURallg;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8 idF 2002/I/069;
FrG 1997 §36 Abs4 idF 2002/I/069;
KonjunkturbelebungsG 2002 Art5;
VwRallg;
ZollRDG 1994 §6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der A, geboren 1968, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. April 2003, Zl. SD 18/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. April 2003 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine bulgarische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 iVm Abs. 4 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei seit 2. Jänner 2002 im Bundesgebiet polizeilich gemeldet und habe noch nie einen Aufenthaltstitel besessen. Am 25. (richtig: 5.) Februar 2002 sei sie von Organen der Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) im "Cafe W." dabei betreten worden, wie sie mit einer weißen Kellnerschürze bekleidet anwesende Gäste bedient habe. Sie habe den Beamten der Erstbehörde einen Tisch angeboten und sich nach deren Konsumationswünschen erkundigt. Sie habe zugegeben, seit Jänner 2002 regelmäßig in diesem Lokal als Serviererin zu arbeiten und dafür ca. EUR 600,-- pro Monat als Entgelt zu erhalten.

Im Zeitpunkt ihrer Betretung sei die Beschwerdeführerin beschränkt haftende Gesellschafterin (Kommanditistin) der das Cafe W. betreibenden B. KEG gewesen. Zur Vertretung der Gesellschaft sei die persönlich haftende Gesellschafterin, Galina B., allein und selbständig befugt gewesen. Die Beschwerdeführerin sei ohne Einfluss auf die Geschäftsgebarung bzw. die Unternehmungsführung gewesen und sei daher trotz ihrer Stellung als Gesellschafterin einer Handelsgesellschaft als abhängige Arbeitnehmerin anzusehen. Galina B. sei mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 12. April 2002 gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig mit einer Geldstrafe von EUR 2.100,-- belegt worden, weil sie die Beschwerdeführerin vom 2. Jänner 2002 bis zum 5. Februar 2002 im Cafe W. als Kellnerin beschäftigt habe, obwohl für sie weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch eine Anzeigebestätigung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin sei somit - und dies sei vom Hauptzollamt Wien mit Schreiben vom 26. August 2002 bestätigt worden - einer Beschäftigung nachgegangen, die sie nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 8 iVm Abs. 4 FrG sei erfüllt.

Im Hinblick darauf, dass dem öffentlichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zukomme, seien die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - gegeben.

Auf Grund des kurzen inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und im Hinblick auf das Fehlen familiärer Bindungen könne von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben der Beschwerdeführerin keine Rede sein. Aus ihrer Arbeitstätigkeit sei insofern keine Integration ihrer Person abzuleiten, als diese gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz verstoßen habe. Es sei daher weder zu prüfen, ob die gegen die Beschwerdeführerin gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, noch sei eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. vorzunehmen.

Vor diesem Hintergrund und da keine besonderen, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände gegeben seien, habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können. Die Beschwerdeführerin könne sich auch nicht zugute halten, dass sie seit 26. September 2002 als persönlich haftende Gesellschafterin der B. KEG fungiere. Vielmehr erweise sich der Aufenthalt der Beschwerdeführerin als unrechtmäßig, weil sie auf Grund ihrer ausgeübten Beschäftigung einen entsprechenden Aufenthaltstitel benötigen würde.

Im Hinblick auf das dargelegte Gesamtfehlverhalten der Beschwerdeführerin könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen des für das Aufenthaltsverbot festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Nach § 36 Abs. 2 FrG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 69/2002 hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 8) von einem Organ der Arbeitsinspektorate, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nicht hätte ausüben dürfen.

Nach § 36 Abs. 4 FrG in der genannten Fassung kommt einer Betretung gemäß Abs. 2 Z. 8 leg. cit. die Mitteilung eines Arbeitsinspektorates oder einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Unzulässigkeit der Beschäftigung nach dem AuslBG gleich, sofern der Fremde bei dieser Beschäftigung von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreten worden ist.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie am 5. Februar von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Cafe W. bei der beschriebenen Tätigkeit betreten worden ist. Am 26. August 2002 hat das Hauptzollamt Wien bestätigt, dass es sich bei der Tätigkeit der Beschwerdeführerin um eine bewilligungspflichtige Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gehandelt hat und dass dafür keine arbeitsmarktbehördliche Genehmigung vorgelegen ist.

§ 36 Abs. 4 in der ab 1. Juli 2002 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 69/2002 lautet:

"Einer Betretung gemäß Abs. 2 Z 8 kommt die Mitteilung einer Zollbehörde oder einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Unzulässigkeit der Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gleich, sofern der Fremde bei dieser Beschäftigung von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreten worden ist."

Die Betrauung der Zollbehörde mit Aufgaben, die bisher dem Arbeitsinspektorat zukamen, durch § 36 Abs. 2 Z. 8 und Abs. 4 FrG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 69/2002 trat mit 1. Juli 2002 in Kraft (vgl. die gleichzeitig in Kraft getretene Neuzuordnung von Aufgaben im Rahmen des AuslBG, die bisher in den Zuständigkeitsbereich der Arbeitsinspektion fielen, an die Zollbehörden durch Art. 5 des Konjunkturbelebungsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 68, sowie § 6 Abs. 1 letzter Gedankenstrich Zollrechts-Durchführungsgesetz idF BGBl. I Nr. 124/2003).

In Ermangelung entsprechender Übergangsbestimmungen im Bundesgesetz BGBl. I Nr. 69/2002 war ab dem 1. Juli 2002 für eine Mitteilung gemäß § 36 Abs. 4 FrG auch in den Fällen, in denen der Fremde schon vor dem 1. Juli 2002 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreten worden ist, nicht mehr das Arbeitsinspektorat, sondern die Zollbehörde zuständig. Die Mitteilung des Hauptzollamtes Wien vom 26. August 2002, dass von einer bewilligungspflichtigen Beschäftigung nach dem AuslBG auszugehen sei und dass keine arbeitsmarktbehördliche Genehmigung vorliege, entspricht den Erfordernissen des § 36 Abs. 4 FrG.

2.1. Trotz des Vorliegens einer Mitteilung iSd § 36 Abs. 4 FrG ist die Frage, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich eine Beschäftigung ausgeübt hat, die sie nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen, von der Fremdenpolizeibehörde ohne Bindung an diese Mitteilung zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. November 2004, Zl. 2001/18/0129).

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde sei auf ihre Berufungsausführungen nicht eingegangen. Sie sei zunächst als Kommanditistin an der B. KEG beteiligt gewesen, weil ein vorsichtiger Kaufmann niemals die "Katze im Sack" akzeptieren könne. Sie habe sich einen Überblick verschaffen wollen, um danach als persönlich haftende Gesellschafterin in die KEG einzusteigen. Sie habe nicht, wie ihr das vorgeworfen worden sei, seit Jänner 2002 regelmäßig in dem Lokal gearbeitet. Es habe sich am 5. Februar 2002 vielmehr um einen (einmaligen) Notfall gehandelt, weil Frau Galina B. erkrankt sei und die Beschwerdeführerin deshalb im Lokal ausgeholfen habe. Das werde von der belangten Behörde völlig ignoriert. Der Umstand, dass Frau Galina B. rechtskräftig wegen eines Delikts iSd § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG bestraft worden sei, diene der belangten Behörde nunmehr als Grundlage für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes. In diesem Verwaltungsverfahren sei der Beschwerdeführerin aber keine Parteistellung zugekommen. Zu den Feststellungen über ihre Beschäftigung am 5. Februar 2002 im Cafe W. sei der Beschwerdeführerin kein Parteiengehör gewährt worden. Die belangte Behörde sei ihrer Verpflichtung, zwei in der Berufung genannte Personen (S. und Galina B.) zu vernehmen, nicht nachgekommen.

2.2. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Feststellungen über die Tätigkeit der Beschwerdeführerin bereits von der Erstbehörde getroffen worden sind und es daher nicht zutrifft, dass der Beschwerdeführerin hiezu kein rechtliches Gehör eingeräumt worden wäre. Richtig ist, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung darauf hingewiesen hat, sie habe den guten Glauben gehabt, dass sie als Gesellschafterin dieser KEG in ernsten Fällen (zB Krankheit oder Tod) helfen dürfe, ohne dafür Geld zu beziehen. Daraus lässt sich aber weder die erst in der Beschwerde vorgetragene und insofern neue Behauptung ableiten, dass sie (nur) am 5. Februar 2002 ausnahmsweise als Kellnerin gearbeitet hätte, noch ein auf die Vernehmung zweier Zeugen gerichtetes Beweisanbot entnehmen.

Die belangte Behörde hat sich bei ihren Feststellungen auf die Angaben der Beschwerdeführerin gegenüber den Organen der Erstbehörde gestützt. Nach der Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. Februar 2002 hat die Beschwerdeführerin ua angegeben, seit Jänner 2002 regelmäßig im Lokal als Serviererin zu arbeiten und dafür EUR 600,-- pro Monat zuzüglich Trinkgeld zu verdienen. In Anbetracht dieser von der Beschwerdeführerin nie konkret bestrittenen Darstellung war die belangte Behörde nicht gehalten, die allgemein gehaltenen Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Berufung zum Anlass für weitere Ermittlungen zu nehmen und S. und Galina B. von Amts wegen als Zeugen zu vernehmen. Der auf Vernehmung dieser Personen als Zeugen gerichtete Beweisantrag der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde ist nicht zielführend, weil der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalts zu treffen hat (§ 41 Abs. 1 VwGG). Der Umstand, dass Galina B. mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 12. April 2002 gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes mit einer Geldstrafe von EUR 2.100,-- rechtskräftig bestraft worden ist, ist - anders als die Beschwerdeführerin meint - nicht Grundlage für das vorliegende Aufenthaltsverbot, ihm kommt vielmehr Bedeutung allein im Rahmen der Beweiswürdigung zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat gegen die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen seiner diesbezüglichen Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keine Bedenken.

2.3. Der Begriff der Beschäftigung ist durch § 2 Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, idF BGBl. I Nr. 78/1997, ua in der Weise bestimmt, dass die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird, als Beschäftigung gilt. Maßgebend für diese Einordnung in den genannten Beschäftigungsbegriff ist, dass die festgestellte Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeübt wird. Der Begriff des Arbeitsverhältnisses iSd § 2 Abs. 2 AuslBG ist mit dem des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertragsrecht ident. Als (der Bewilligungspflicht unterworfenes) Beschäftigungsverhältnis iSd § 2 Abs. 2 AuslBG ist ua auch eine kurzfristige oder aushilfsweise Beschäftigung anzusehen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2001/18/0129). Von daher kann die Beschwerdeführerin auch bei Zutreffen ihres nunmehrigen Vorbringens, sie hätte nur am 5. Februar 2002 aushilfsweise gearbeitet, nichts gewinnen. Das Bedienen von Gästen in einer Gaststätte unter Verwendung einschlägiger Arbeitskleidung deutet nach der Lebenserfahrung auf ein Arbeitsverhältnis hin. Die Behörde ist, auch ohne weitwendige Überlegungen anzustellen, zu Recht von einem Arbeitsverhältnis im üblichen Sinn ausgegangen, zumal im Verfahren nicht atypischen Umstände dargelegt wurden, die einer solcher Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. wiederum das Erkenntnis Zl. 2001/18/0129).

Gemäß § 3 Abs. 2 AuslBG darf ein Ausländer, soweit nichts anderes bestimmt ist, eine Beschäftigung nur antreten und ausüben, wenn für ihn eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde oder wenn er eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt. Die Beschwerdeführerin erfüllt unstreitig keine dieser Voraussetzungen. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 8 iVm Abs. 4 FrG ist daher erfüllt.

3. Auf Grund ihrer unerlaubten Tätigkeit hat die Beschwerdeführerin das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von gegen die Regelungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erbrachter Arbeit erheblich beeinträchtigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. November 2004, Zl. 2001/18/0079). Im Hinblick darauf begegnet auch die Ansicht der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerin nach dem gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG ergangenen Feststellungsbescheid vom 24. Juli 2002 Komplementärin der B. KEG sei und einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausübe. Auch dieser Umstand bietet nämlich keine Gewähr dafür, dass die Beschwerdeführerin nicht neuerlich in Österreich (außerhalb der B. KEG) einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, die dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliegt, nachgehen könnte, bzw. dass eine Beurteilung nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der von der Beschwerdeführerin in einem künftigen Zeitpunkt im Cafe W. ausgeübten Tätigkeit ergibt, dass sie abhängig beschäftigt ist.

4.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei bulgarische Staatsangehörige. Sie habe am 9. Juli 2002 die Änderung ihres Gesellschafterstatuts beantragt. Seit 26. September 2002 sei sie im Firmenbuch eingetragene persönlich haftende Gesellschafterin der B. KEG und selbständig erwerbstätig. Die belangte Behörde habe den Feststellungsbescheid des Arbeitsmarktservice vom 24. Juli 2002 negiert, wonach sie als Komplementärin der B. KEG einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausübe und daher nicht den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes unterliege. Art. 45 des Europa-Abkommens mit Bulgarien räume der Beschwerdeführerin Niederlassungsfreiheit ein. Diese Bestimmung sei unmittelbar anwendbar. Sie gewähre dieselben Rechte wie Art. 43 EG. Das Niederlassungsrecht beinhalte auch ein Aufenthaltsrecht. Gemessen an den Regelungen des Europa-Abkommens sei das der Beschwerdeführerin auferlegte Aufenthaltsverbot unverhältnismäßig. Es mache die sich aus dem Abkommen ergebenden Rechte zunichte und stelle eine diskriminierende Maßnahme zur Verhinderung ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet dar.

4.2. Art. 45 und 59 des Europa-Abkommens vom 19. Dezember 1994 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Bulgarien andererseits, Amtsblatt Nr. L 358 vom 31. Dezember 1994 (Europa-Abkommen), befinden sich unter "Titel IV" des Abkommens, wo Vereinbarungen betreffend die "Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsrecht und Dienstleistungsverkehr" getroffen wurden.

Sie lauten:

"Artikel 45

(1) Die Mitgliedstaaten gewähren vom Inkrafttreten dieses Abkommens an für die Niederlassung bulgarischer Gesellschaften und Staatsangehöriger und für die Geschäftstätigkeit der in ihrem Gebiet niedergelassenen bulgarischen Gesellschaften und Staatsangehörigen eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung ihrer eigenen Gesellschaften und Staatsangehörigen, mit Ausnahme der in Anhang XVa aufgeführten Bereiche.

...

(5) Im Sinne dieses Abkommens

a)

bedeutet 'Niederlassung'

i)

im Falle der Staatsangehörigen das Recht auf Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie auf Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften, die sie tatsächlich kontrollieren. Die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit und einer Geschäftstätigkeit umfasst nicht die Suche oder Annahme einer Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt der anderen Vertragspartei und verleiht nicht das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt der anderen Vertragspartei. Die Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht für diejenigen, die nicht ausschließlich eine selbstständige Tätigkeit ausüben;

              ii)      ...

...

Artikel 59

(1) Für die Zwecke des Titels IV werden die Vertragsparteien durch keine Bestimmung dieses Abkommens daran gehindert, ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Einreise und Aufenthalt, Beschäftigung, Beschäftigungsbedingungen, Niederlassung von natürlichen Personen und Erbringung von Dienstleistungen anzuwenden, sofern sie dies nicht in einer Weise tun, durch die die Vorteile, die einer Vertragspartei aus einer Bestimmung des Abkommens erwachsen, zunichte gemacht oder verringert werden. Diese Bestimmung berührt nicht die Anwendung von Artikel 54."

Artikel 54 lautet:

"Artikel 54

(1) Dieses Kapitel gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind.

(2) Es gilt nicht für Tätigkeiten, die im Gebiet einer Vertragspartei dauernd oder zeitweise mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse verbunden sind."

Das Kapitel, auf das sich Art. 54 Abs. 1 bezieht, ist das Kapitel II des Titels IV des Abkommens und betrifft das "Niederlassungsrecht".

Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, kommen ihr als bulgarische Staatsangehörige die Begünstigungen des Europa-Abkommens zugute. Der EuGH hat sich im Urteil Kondova vom 27. September 2001, Rs C 235/99, Slg. 2001, S. I-6427, ausführlich mit diesem Abkommen und seinem Inhalt auf Grund eines Vorabentscheidungsantrages des High Court of Justice (Vereinigtes Königreich) befasst und folgende entscheidende Aussagen getroffen:

"91 ...

-

Das Niederlassungsrecht im Sinne des Artikels 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens setzt als Nebenrechte ein Einreise- und ein Aufenthaltsrecht des bulgarischen Staatsangehörigen voraus, die gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten in einem Mitgliedstaat ausüben wollen. Jedoch ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens, dass dieses Einreise- und Aufenthaltsrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, seine Ausübung gegebenenfalls vielmehr durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung bulgarischer Staatsangehöriger beschränkt werden kann.

-

Artikel 45 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens steht grundsätzlich einer Regelung vorheriger Kontrolle nicht entgegen, nach der die Erteilung einer Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung voraussetzt, dass der Antragsteller seine wirkliche Absicht nachweist, eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen, ohne zugleich auf eine unselbstständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel zurückzugreifen, und dass er von Anfang an über hinreichende Mittel und vernünftige Erfolgsaussichten verfügt. ..."

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, das ihr auferlegte Aufenthaltsverbot sei unverhältnismäßig und stelle eine sie diskriminierende Maßnahme dar, nicht gefolgt werden. Zunächst ergibt sich insbesondere aus Rz 54 des zitierten EuGH-Urteiles und aus Art. 59 Abs. 1 des Europa-Abkommens, dass dieses Abkommen das Einreise- und Aufenthaltsrecht als Nebenrechte des Niederlassungsrechtes nicht schrankenlos gewährleistet. Ihre Ausübung kann durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaates beschränkt werden. Für die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist ein (diesen Aufenthaltszweck deckender) Aufenthaltstitel erforderlich, welcher durch die zuständige Behörde nach den nationalen (europarechtskonform anzuwendenden) fremdenrechtlichen Vorschriften zu erteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2004/04/0037, mwN). Das Erfordernis der Erlangung eines (auch) den Erwerbszweck deckenden Aufenthaltstitels verstößt nach den Ausführungen des EuGH im Urteil Kondova, Rs C-235/99, Rz 83 ff, auch nicht gegen das im Art. 45 Abs. 1 des Europa-Abkommens normierte Gleichbehandlungsgebot. Ebenso wenig steht Art. 45 Abs. 1 iVm Art. 59 Abs. 1 des Europa-Abkommens dem Gebot einer Auslandsantragstellung entgegen (vgl. die Ausführungen des EuGH im Urteil Panayotova, Rs C-327/02, Rz 24 ff, vom 16. November 2004).

Das aus dem Abkommen für bulgarische Staatsangehörige ableitbare Niederlassungsrecht steht zudem unter dem Geltungsvorbehalt des Art. 54 Abs. 1 des Europa-Abkommens. Bei der Auslegung dieses auf Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gestützten Geltungsvorbehalts ist darauf abzustellen, wie der gleiche Vorbehalt im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 Abs. 3 EG), im Bereich des Niederlassungsrechts (Art. 46 Abs. 1 EG) in Bezug auf Angehörige der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft oder etwa im Bereich des für türkische Staatsangehörige anwendbaren Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB) ausgelegt wird. Demnach können einem bulgarischen Staatsangehörigen die ihm unmittelbar aus Art. 45 des Europa-Abkommens zustehenden Rechte nur dann im Weg eines Aufenthaltsverbotes abgesprochen werden, wenn diese Maßnahme dadurch gerechtfertigt ist, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet (vgl. die zu Art. 14 ARB ergangenen hg. Erkenntnisse vom 14. Februar 2002, Zl. 2002/18/0002, und vom 18. März 2003, Zl. 2003/18/0053).

Der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet stellt eine gravierende Beeinträchtigung des einen hohen Stellenwert aufweisenden öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2004, Zl. 2001/18/0134). Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit gravierend beeinträchtigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 98/18/0167). Diese Beeinträchtigungen maßgeblicher öffentlicher Interessen rechtfertigt das Aufenthaltsverbot auch unter dem Blickwinkel des Art. 54 Abs. 1 des Europa-Abkommens.

              5.       Die Beschwerde war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

              6.       Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. Mai 2005

Gerichtsentscheidung

EuGH 61999J0235 Kondova VORAB
EuGH 62002J0327 Panayotova VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003180168.X00

Im RIS seit

30.06.2005

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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