TE Vfgh Beschluss 2001/6/27 V49/01 ua

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.2001
beobachten
merken

Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Flächenwidmungsplan der Gemeinde St. Johann i.T, vom 09.11.99
Örtliches Raumordnungskonzept der Gemeinde St. Johann i.T, vom 24.11.98
Tir BauO 1998 §26
Tir RaumOG 1997 §35 Abs1
Tir RaumOG 1997 §71
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf teilweise Aufhebung eines Flächenwidmungsplanes mangels genauer Umschreibung des Prüfungsgegenstandes; Zurückweisung des Individualantrags auf teilweise Aufhebung eines örtlichen Raumordnungskonzeptes mangels unmittelbarer Betroffenheit des Antragstellers

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit seinen auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Anträgen begehrt der Antragsteller:

"1. das mit Beschluß des Gemeinderates der Antragsgegnerin vom 24.11.1998 beschlossene, mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19.7.1999, GZ: VeI-546-416/55-26, genehmigte und durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 4.8.1999 bis 19.8.1999 kundgemachte örtliche Raumordnungskonzept hinsichtlich seiner Festlegungen für das Gst 2791/1 KG St. Johann (mit den derzeitigen Grenzen sowie dem derzeitigen Ausmaß) als gesetzwidrig auf(zu)heben;

2. den mit Beschluß der Antragsgegnerin vom 9.11.1999 beschlossenen, mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6.11.2000, GZ: VeI-546-416/148-10, genehmigten und durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 13.11.2000 bis 28.11.2000 kundgemachten Flächenwidmungsplan hinsichtlich der Festlegung der Widmung als Freiland für das Gst 2791/1 KG St. Johann (mit den derzeitigen Grenzen und dem derzeitigen Ausmaß) als gesetzwidrig auf(zu)heben."

2. Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor, Eigentümer der Liegenschaft EZ 2461, Grundbuch 82114 St. Johann i.T., bestehend ua aus dem Grundstück Nr. 2791/1, KG St. Johann i.T., zu sein. Dieses Grundstück sei von Bauland in Freiland rückgewidmet worden. Die angefochtenen Verordnungen seien für ihn ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden. Die Verordnungen würden unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen, da durch das örtliche Raumordnungskonzept das Grundstück Nr. 2791/1 von jeglicher Bebauung mit Ausnahme der nach §41 Abs2 und 3 TROG 1997 im Freiland zulässigen Gebäude und sonstigen baulichen Anlagen freizuhalten sei und durch den angefochtenen Flächenwidmungsplan dieses Grundstück als Freiland gewidmet worden sei. Es stehe kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, sich gegen die Verordnungen zur Wehr zu setzen. Die Einleitung eines oder mehrerer Bauverfahren sei im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten unzumutbar. Außerdem könne sich ein allfälliges Bauverfahren nur auf einen Teil des insgesamt 16987 m² großen Grundstückes beziehen. Es sei durch die angefochtenen Verordnungen auch unmöglich, das Grundstück insgesamt als Bauland zu verkaufen.

Der Antragsteller bringt zu den Bedenken ua. vor:

"Das in meinem Eigentum stehende Gst 2791/1 in der derzeitigen Gestaltung und mit dem derzeit gegebenen Flächenausmaß setzte sich früher aus den Gst 2782/1, 2782/7, 2785/2, 2791 und 6003/2 bzw. aus Teilflächen dieser Grundstücke zusammen. Sowohl in dem mit Gemeinderatsbeschluß vom 3.6.1981 beschlossenen Flächenwidmungsplan als auch in dem mit Gemeinderatsbeschluß vom 24.11.1998 beschlossenen örtlichen Raumordnungskonzept sowie auch in dem mit Gemeinderatsbeschluß vom 9.11.1999 beschlossenen Flächenwidmungsplan finden sich noch die vorgenannten Grundstücksnummern, zumal die entsprechenden Grundstücksteilungen bzw. Grundstücksvereinigungen erst vor kurzem erfolgten. Die gesamte Fläche des Gst 2791/1 in den heutigen Grenzen sowie im heutigen Ausmaß von 16987 m2 war bereits in dem mit Gemeinderatsbeschluß vom 3.6.1981 beschlossenen Flächenwidmungsplan als Mischgebiet und damit als Bauland enthalten, und zwar konkret als Mischgebiet nach §14 Abs1 des damals geltenden TROG. Dies entspricht der Widmung als Mischgebiet nach §40 des derzeit geltenden TROG."

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Zum Antrag auf Aufhebung des Flächenwidmungsplanes:

1.1. Im Erk. VfSlg. 11.592/1987 hat der Verfassungsgerichtshof die amtswegige Prüfung der Gesetzmäßigkeit eines Flächenwidmungsplanes nicht nur auf das aus Sicht des Anlassfalles relevante Grundstück beschränkt, sondern in einem durch Straßenzüge umgrenzten weiteren Gebiet vorgenommen. Dies wurde damit begründet, dass der in Prüfung gezogene Flächenwidmungsplan zwar Parzellengrenzen ausweise, nicht aber die Nummern der einzelnen Grundstücke enthalte; es sei somit nicht möglich, einzelne Parzellen herauszugreifen und die allfällige Aufhebung auf die maßgebliche Parzelle zu beschränken. Der Gerichtshof könne, so wird in diesem Erkenntnis ausgeführt, nur die im Plan bezeichneten (im Einzelnen genannten) öffentlichen Verkehrsflächen zur Abgrenzung des in Prüfung stehenden Teils der Verordnung heranziehen.

Der Verfassungsgerichtshof übertrug diese Grundsätze sinngemäß im Erk. VfSlg. 11.807/1988 auch auf das Antragsverfahren:

"In allen Fällen muß der Prüfungsgegenstand zureichend genau umschrieben, d.h. so beschaffen sein, daß der Rechtsunterworfene die durch ein allfälliges aufhebendes Erkenntnis des VfGH herbeigeführte neue Rechtslage aus der Zusammenschau von planlicher Darstellung und der Aufhebungskundmachung (Art139 Abs5 B-VG) eindeutig und unmittelbar (also ohne das Heranziehen etwaiger technischer Hilfsmittel wie z.B. des Grenzkatasters) feststellen kann."

1.2. Auf dem Boden dieser Vorjudikatur erweist sich der Antrag auf Aufhebung des vom Gemeinderat der Marktgmeinde St. Johann i.T. am 9. November 1999 beschlossenen Flächenwidmungsplanes hinsichtlich der Festlegung der Widmung als Freiland für das Grst. Nr. 2791/1, KG St. Johann (mit den derzeitigen Grenzen sowie dem derzeitigen Ausmaß), als unzulässig: Aus dem Vorbringen und der Formulierung des Aufhebungsbegehrens des Antragstellers ergibt sich, dass das Grundstück Nr. 2791/1 KG St. Johann mit "den derzeitigen Grenzen und dem derzeitigen Ausmaß" im Flächenwidmungsplan nicht erkennbar ist. Daher könnte die - im Falle eines aufhebenden Erkenntnisses - herbeigeführte neue Rechtslage aus der Zusammenschau von planlicher Darstellung und der Aufhebungskundmachung (Art139 Abs5 B-VG) nur unter Heranziehen weiterer technischer Hilfsmittel festgestellt werden.

1.3. Der Antrag entspricht daher nicht dem Erfordernis des §57 Abs1 VerfGG 1953 und war daher schon aus diesem Grunde zurückzuweisen (vgl. VfGH, Beschluss vom 11. März 2000, V153/97; VfGH Beschluss vom 11. Oktober 2000, V30-32/99, G81,82/99).

2. Zum Antrag auf Aufhebung des örtlichen Raumordnungskonzeptes:

2.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsberechtigung zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn er nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 8009/1977, 10.511/1985, 11.317/1987, 12.395/1990).

2.2. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die bekämpfte Verordnung selbst unmittelbar in die Rechtssphäre des antragstellenden Grundeigentümers eingreift.

2.3. Gemäß §29 Tiroler Raumordnungsgesetz 1997, LGBl. Nr. 10/1997 (idF TROG 1997) hat jede Gemeinde durch Verordnung ein örtliches Raumordnungskonzept, einen Flächenwidmungsplan, allgemeine Bebauungspläne und ergänzende Bebauungspläne zu erlassen. Gemäß §31 TROG 1997 sind im örtlichen Raumordnungskonzept grundsätzliche Festlegungen über die geordnete räumliche Entwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung zu treffen. Jedenfalls sind gemäß Abs1 lita dieser Bestimmung die Gebiete und Grundflächen festzulegen, die insbesondere im Interesse der Ziele der örtlichen Raumordnung nach §27 Abs2 litg, h und i von einer diesen Zielen widersprechenden Bebauung oder von jeglicher Bebauung mit Ausnahme der nach §41 Abs2 und §42 im Freiland zulässigen Gebäude und sonstigen baulichen Anlagen freizuhalten sind. Der Flächenwidmungsplan ist zwar insbesondere unter Berücksichtigung der Ziele des örtlichen Raumordnungskonzeptes zu erstellen; insoweit entfaltet also das örtliche Raumordnungskonzept Bindungswirkungen gegenüber der Gemeinde. Die Festlegung des Verwendungszweckes für alle Grundflächen hat jedoch gemäß §35 Abs1 leg. cit. erst im Flächenwidmungsplan zu erfolgen. Das örtliche Raumordnungskonzept entfaltet also gegenüber dem Antragsteller keine unmittelbaren Auswirkungen auf seine Rechtssphäre.

Dies zeigt auch §26 Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998 (idF TBO 1998), gemäß dem eine Baubewilligung nicht schon deswegen versagt werden darf, weil das Bauvorhaben dem örtlichen Raumordnungskonzept widerspricht. Zur Versagung der Baubewilligung kommt es vielmehr erst dann, wenn die bauliche Maßnahme der durch den Flächenwidmungsplan festgelegten Widmung oder den Festlegungen eines Bebauungsplans oder örtlichen Bauvorschriften (§26 Abs3 lita TBO 1998) widerspricht.

2.4. Aus all dem folgt, dass dem Antragsteller schon wegen fehlender unmittelbarer Betroffenheit iSd. Art139 B-VG die Legitimation zur Stellung eines Antrages auf Aufhebung des vom Gemeinderat der Marktgemeinde St. Johann i.T. am 24. November 1998 beschlossenen örtlichen Raumordnungskonzeptes hinsichtlich seiner Festlegungen für das Grst. 2791/1, KG St. Johann (mit den derzeitigen Grenzen sowie dem derzeitigen Ausmaß) nach Art139 Abs1 B-VG fehlt.

3. Auf das Vorbringen der Verfassungswidrigkeit des §71 TROG 1997 ist nicht näher einzugehen, da diese Bestimmung allenfalls in einem Verfahren über die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs anzuwenden ist. Auch von Amts wegen kann das Vorbringen gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung nicht aufgegriffen werden, weil der Antrag auf Aufhebung des örtlichen Raumordnungskonzeptes unzulässig ist.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Baubewilligung, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:V49.2001

Dokumentnummer

JFT_09989373_01V00049_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten