Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Skreinig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A u.e.a. wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG. und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Berndt B und die Berufung des Angeklagten Walter A gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 24.März 1981, GZ. 12 Vr 199/81-27, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, teils in Stattgebung dieses Rechtsmittels, teils gemäß § 290 Abs. 1 StPO, in den Schuldsprüchen nach § 12 Abs. 1 SGG., und zwar sowohl zu dem beide Angeklagten betreffenden Punkt I 1 als auch zu dem sich nur auf A beziehenden Punkt I 2 sowie teilweise im Schuldspruch des letzteren Angeklagten (allein) nach § 16 Abs. 1 SGG. lt. Punkt III 1, nämlich soweit ihm (dort) das wiederholte Rauchen von Cannabis im Herbst 1980 in Wolfsberg angelastet wird, demgemäß überdies im (gesamten) Strafausspruch (einschließlich des - davon abhängigen Ausspruches gemäß § 38 StGB) - nicht jedoch im Ausspruch über die Einziehung der Waffe gemäß § 26 StGB - aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang dieser Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Der Angeklagte Walter A wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 8.April 1961 geborene (damals) beschäftigungslose Walter A und der am 4.Juni 1961 geborene Bodenleger- und Tapeziererlehrling Berndt B des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG. sowie des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z. 2 (dritter und vierter Fall) SGG., Walter A auch nach § 16 Abs. 1 Z. 1 SGG. und überdies des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG. schuldig erkannt.
Nach den angeführten Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes wird den Angeklagten im Schuldspruch angelastet, I.) vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in solchen Mengen aus den Niederlanden (nach Österreich) eingeführt und in Wolfsberg teilweise (schon) in Verkehr gesetzt zu haben, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, und zwar 1. Walter A und Berndt B im einverständlichen Zusammenwirken als Mittäter Anfang Jänner 1981 mindestens 175 Gramm Cannabis, 2. Walter A (allein) am '30.10.1980' - in den Entscheidungsgründen richtig: am 30.August 1980 (S. 463 in übereinstimmung mit S. 127) - mindestens 12 Gramm Cannabis; II.) Walter A im Sommer 1980 in Hamburg einer nur mit dem Vornamen 'Christine' bekannten Person drei Gramm Cannabisharz, sohin ein Suchtgift überlassen zu haben, zu dessen Bezug sie nicht berechtigt war;
III.) unberechtigt ein Suchtgift erworben und besessen zu haben, und zwar 1. Walter A im Sommer 1980 in Lübeck 'dadurch, daß er fünf- bis achtmal Cannabis rauchte' und im Herbst 1980
in Wolfsberg 'durch wiederholtes Rauchen von Cannabis', 2. Berndt B im Herbst 1980 in Wolfsberg 'dadurch, daß er wiederholt mit Walter A Cannabis rauchte'.
Dieses Urteil wird von Berndt B im Schuldspruch wegen Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG. (Punkt I 1 des Urteilssatzes) mit Nichtigkeitsbeschwerde aus der Z. 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO, der Sache nach jedoch nur aus dem letzteren Nichtigkeitsgrund, von Walter A hingegen (nur) im Strafausspruch mit Berufung angefochten.
Soweit der Angeklagte B behauptet, niemals an irgendeine Weitergabe des von ihm (gemeinsam mit A) nach Österreich eingeführten Suchtgiftes gedacht zu haben, geht er nicht von den (diesbezüglich gegenteiligen) Urteilskonstatierungen in ihrer Gesamtheit aus und bringt deshalb die von ihm angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründe insoweit nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.
Rechtliche Beurteilung
Zu Recht macht er aber - mit dem Ziel einer Wertung seines Tatverhaltens bloß als Vergehen nach § 16 SGG. -
mit Bezug auf den Schuldspruch wegen Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG. Feststellungsmängel geltend.
An der abstrakten Eignung der vom Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Angeklagten A nach Österreich eingeführten Suchtgiftmenge, die im § 12 Abs. 1 SGG. umschriebene Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in größerer Ausdehnung herbeizuführen, kann zwar - der in keiner Weise begründeten Ansicht des Beschwerdeführers zuwider - nicht mit Fug gezweifelt werden. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, beträgt die für die Annahme einer Gemeingefahr im Sinne des § 12 Abs. 1 SGG. wesentliche sogenannte (Mindest-) Grenzmenge bei Cannabisharz 100 Gramm (S. 464) und zwar - wie zur Verdeutlichung beizufügen ist - im unteren Bereich mittlerer Qualität (d.h. mit einem Wirkstoffgehalt von 2 %
Tetrahydrocannabinol /THC /) hingegen an der Obergrenze bei mittlerer Qualität (d.h. bei einem Wirkstoffgehalt von 5 % THC) sogar nur 40 Gramm (vgl. Machata/Maurer in RZ. 1981 S. 47; dem zustimmend die in Anlage I zum Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 8.September 1981, JABl. Nr. 21, mitgeteilte gutächtliche Äußerung des beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz eingerichteten Beirates zur Bekämpfung des Mißbrauches von Alkohol und anderen Suchtmitteln; 12 Os 189/80). Nun handelt es sich bei der tatgegenständlichen Menge von (mindestens) 175 Gramm des im Schuldspruch zu Punkt I 1 als 'Cannabis', an einer Stelle der Entscheidungsgründe (S. 464 oben) hingegen als 'Cannabisharz' bezeichneten Suchtgiftes nach dem übrigen Urteils- und Akteninhalt teils um Cannabisharz, teils um Cannabiskraut, und zwar nach den Aufzeichnungen der Angeklagten um 70 Gramm Cannabiskraut und (ansonsten mindestens) 105 Gramm Cannabisharz verschiedener Sorten (S. 137, 141); die Untersuchung der bei ihnen sichergestellten Restmengen ergab bei 98,81 Gramm Cannabisharz (A) gute, bei 14 Gramm Cannabisharz (B) teils sehr gute, teils gute und nur beim Cannabiskraut (46 bzw. 7 Gramm) eine mittlere Qualität (S. 175 bis 180). Allein schon im Hinblick auf die mindestens gute Qualität des noch vorhanden gewesenen Quantums an Cannabisharz steht demnach - selbst unter Berücksichtigung des (relativ) geringeren Wirkstoffgehaltes von Cannabiskraut (bei mittlerer Qualität 0,2 % THC /Machata/Maurer a. a.O., S. 45 /) -
außer Zweifel, daß die 'Grenzmenge' im Sinne des § 12 Abs. 1 SGG. vorliegend deutlich überschritten worden ist.
Irrig ist aber die (dem in Rede stehenden) Schuldspruch zugrundeliegende Rechtsansicht, daß die (abstrakte) Gefährdungseignung der Tat nach § 12 Abs. 1 SGG. 'immer' (schon) dann gegeben sei, wenn das den Tatgegenstand bildende Suchtgiftquantum die sogenannte 'Grenzmenge' übersteigt. Vielmehr muß - wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt (vgl. ÖJZ-LSK. 1979/384, 271; SSt. 49/56; EvBl. 1978/74;
SSt. 45/10 u.a.m.) klargestellt hat - die Eignung einer bestimmten Tat zur Herbeiführung einer Gemeingefahr nach den konkreten Umständen des Einzelfalles geprüft werden.
Außer auf die Suchtgiftmenge kommt es demnach wesentlich darauf an, ob - sofern es sich nicht ohnedies um eine entsprechend breit gestreute Verteilung schon durch den Täter selbst handelt - nach der von ihm für den nächsten Verwertungsschritt in concreto in Aussicht genommenen (oder bei der Begehungsform 'Inverkehrsetzen' bereits erfolgten) Disposition über das Rauschgift real zu besorgen ist, daß es durch weitere Verbreitung letzten Endes doch wenigstens 30 bis 50 Menschen erreicht und damit eine solche Anzahl von Personen der Sucht zuzuführen oder darin zu bestärken vermag.
Bei einer (in Aussicht genommenen oder schon geschehenen) Weitergabe an einen kleineren Personenkreis muß demnach, sofern die betreffende Suchtgiftmenge nicht von vornherein außerhalb jeder realistischen Relation zum Eigenbedarf einer die bezeichnete Dimension nicht erreichenden Anzahl von Menschen für einen aktuellen Vorsorgezeitraum steht, durch sachdienliche Konstatierungen über alle für die tatbestandsrelevante Breite der im konkreten Fall objektiv zu besorgenden Suchtgiftstreuung maßgebenden Umstände - wie insbesondere über die Zahl der (vorgesehenen) Erstabnehmer und über deren real in Betracht zu ziehendes Folgeverhalten (in bezug auf eine Weiterverbreitung der jeweils zu ihrer Verfügung gelangenden Rauschgiftmengen) - klargestellt werden, ob daraus letzten Endes eine Gemeingefahr entstehen konnte. Nur bei einer überlassung von Suchtgift an Unbekannte trifft dies regelmäßig schon dann zu, wenn der Täter nach den konkreten Tatumständen (Größe der im Einzelfall jeweils abgegebenen Teilmengen in Verbindung mit der Art ihrer Weitergabe) außerstande ist, einen zur tatbildlichen Gefahrenlage führenden Streueffekt auszuschalten, also die aus seiner Tat resultierende Gefahr jederzeit so weit zu begrenzen, daß eine damit (allenfalls) verbundene Gefährdung späterer zusätzlicher (Sub-) Abnehmer im Falle einer (teilweisen Weiterverbreitung den mehrfach bezeichneten Umfang nicht zu erreichen vermag. Auf der subjektiven Tatseite muß der (zumindest bedingte) Vorsatz des Täters alle solcherart für die Entstehung einer in der dargelegten Bedeutung abstrakten Gemeingefahr (Gefährdungseignung) im jeweiligen Einzelfall bedeutsamen Aspekte umfassen (vgl. zu alldem u.a. die oben bereits zitierte Judikatur).
Im vorliegenden Fall hat sich nun das Erstgericht, von der unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, daß die abstrakte Gefährdungseignung allein schon aus Art und Menge des von den Angeklagten eingeführten Suchtgiftes abzuleiten sei, mit der (weiteren) Konstatierung begnügt, daß beim Eintreffen in Wolfsberg der Angeklagte Walter A das eingeführte Suchtgiftquantum vorerst zur Gänze an sich nahm, um 'den' Weiterverkauf gegen spätere Verrechnung mit dem Angeklagten Berndt B in die Wege zu leiten, und einen Teil davon zu diesem Zweck auch tatsächlich weitergab (S. 464). Mit Rücksicht auf den von beiden Angeklagten angegebenen Eigenverbrauch wären aber genauere Feststellungen darüber erforderlich gewesen, wieviel von dem tatgegenständlichen Suchtgift bei der Einfuhr zur Weitergabe bestimmt war und unter welchen (nach dem dazu Gesagten für die abstrakte Gefährdungseignung relevanten) Umständen der in Aussicht genommene Verkauf konkret vonstatten gehen sollte; dies umsomehr, als nach der Aktenlage zu erkennen ist, daß das Vorhaben eines Weiterverkaufs von den Angeklagten tatsächlich (erst) in einem, schon allein quantitativ betrachtet, zur Herbeiführung der geforderten Gemeingefahr (noch bei weitem) nicht ausreichenden Maß verwirklicht worden ist (siehe dazu insbes. S. 103, 105, 131, 133, 139, 155 und 161).
Die aufgezeigten, vom Angeklagten Berndt B im Kern zutreffend gerügten Feststellungsmängel des Urteils (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO) zur Frage der Gemeingefahr und des Gefährdungsvorsatzes wirken sich auch zum Nachteil des Mitangeklagten Walter A aus, der keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen hat, und zwar nicht nur hinsichtlich des ihn gemeinsam mit dem Angeklagten B betreffenden Faktums I 1, sondern auch bezüglich des ihm allein zur Last liegenden Faktums I 2; hinzu kommt noch, daß die das Urteilsfaktum I 2 bildende Einfuhr und teilweise Weitergabe von 12 Gramm Haschisch (Cannabisharz) schon, von der gegenständlichen Suchtgiftmenge her betrachtet, für sich allein den Tatbestand des § 12 Abs. 1 SGG. (noch) keineswegs erfüllen würde und mit dem - wie dargetan, noch nicht abschließend beurteilbaren - Faktum I 1 nur unter der Voraussetzung zu einer rechtlichen (tatbestandlichen) Handlungseinheit zusammengefaßt werden könnte, daß beide Einzelakte objektiv durch eine am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierte Kontinuität verbunden sind und auf der subjektiven Tatseite der mindestens bedingte Vorsatz des Täters jeweils auch den an die bewußt kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfaßt (vgl. ÖJZ-LSK. 1979/287 = RZ. 1979/73 = EvBl. 1980/20 =
JBl. 1980, 164 u.a.), worüber es aber ebenfalls an den hiefür nötigen Konstatierungen sowohl in objektiver als auch in subjektiver Beziehung fehlt.
Von dem zu Punkt I 2 des Urteils ergangenen Schuldspruch wegen Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG. ausgehend war es andererseits auch verfehlt, dem Angeklagten Walter A im Punkt III 1 als Vergehen nach § 16 Abs. 1 (Z. 2) SGG. - u.a. - das Rauchen von Cannabis (Haschisch) in Wolfsberg anzulasten, dessen vorangegangene Einfuhr (nach Österreich) - wie sich aus den Urteilsfeststellungen ergibt (S. 463) - bereits von Punkt I 2 des Urteilssatzes erfaßt ist. Unterliegt nämlich die Einfuhr von Suchtgift - wie dies hier vom Erstgericht angenommen wurde - dem § 12 Abs. 1 SGG., so ist eine zusätzliche Beurteilung des anschließenden Konsums eines Teiles des eingeführten Suchtgiftes durch den Täter nach § 16 Abs. 1 Z. 2 SGG. im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel des § 16 Abs. 2 erster Satz SGG. rechtlich ausgeschlossen (ÖJZ-LSK. 1978/257). Da wegen der dem Urteil anhaftenden Feststellungsmängel die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war gemäß § 285 e StPO über die Rechtsmittel teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde B, teils auf Grund des § 290 Abs. 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung spruchgemäß zu entscheiden.
Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht gegebenenfalls zu beachten haben, daß die Vorhaft gemäß § 38
StGB auf (alle) Freiheits- und Geldstrafen (einschließlich solcher nach § 12 Abs. 4 SGG.) auch dann anzurechnen ist, wenn über einen Angeklagten mehrere dieser Strafen nebeneinander verhängt werden (Leukauf-Steininger, Kommentar2 § 38 RN. 10; EvBl. 1981/117). Weiters wird zu berücksichtigen sein, daß der Geldstrafe nach § 12 Abs. 2 SGG. einerseits und jener nach § 12 Abs. 4 SGG. andererseits völlig unterschiedliche - vom Gesetzgeber in den zitierten Gesetzesstellen unmißverständlich zum Ausdruck gebrachte - Intentionen zugrunde liegen, die jeweilige Bildung von 'Gesamtstrafen' durch Zusammezählung sowohl der Beträge der Geldstrafen (auf der einen Seite) als auch der der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen (auf der anderen), wie sie dem angefochtenen Urteil entnommen werden kann, daher nicht angängig ist. Die Geldstrafe nach § 12 Abs. 2 SGG. hat sich am Nutzen, die (Verfallsersatz-) Geldstrafe nach Abs. 4 am Wert der nicht ergriffenen Suchtgifte oder an deren Erlös (soferne dieser ebenfalls nicht sichergestellt werden konnte) zu orientierten. Dementsprechend bedarf es bei der Festsetzung der betreffenden Geldstrafen einer - bisher verabsäumten - Bedachtnahme auf diese gesetzlichen Kriterien und auch hiezu - einer überprüfung in einem (allfälligen) Rechtsmittelverfahren zugänglicher - auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abgestellter Ausführungen.
Anmerkung
E03777European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0100OS00094.81.0323.000Dokumentnummer
JJT_19820323_OGH0002_0100OS00094_8100000_000