Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr.Payrhuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Alfred A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den §§ 15, 202 Abs. 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengerichtes vom 18. Jänner 1982, GZ 9 Vr 1.519/81-38, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28. Februar 1956 geborene Hilfsarbeiter Alfred A des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den §§ 15, 202 Abs. 1 und 2 StGB sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und nach dem ersten Strafsatz des § 202 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt.
Dem Angeklagten liegt zur Last, daß er am l. Juli 1981 in Prebl, Gemeinde Wolfsberg, versuchte, 1. Monika B dadurch mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen, daß er sie zu Boden warf, festhielt und ihr die Strumpf- sowie die Unterhose herunterriß, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung der Genannten, nämlich einen Bruch des rechten Mittelhandknochens, Rißquetschund Kratzwunden sowie Hautabschürfungen und Prellungen, zur Folge hatte;
2. Monika B durch die Äußerung, wenn sie (davon) zu Hause erzähle, werde er sie sicher 'kriegen', wenn er aus dem Gefängnis herauskomme, somit durch gefährliche Drohung zur Unterlassung einer Anzeigenerstattung zu nötigen.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher aus dem letztbezeichneten Nichtigkeitsgrund (teilweise) Berechtigung zukommt. Der Beschwerdeführer wendet gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf (Punkt 1. des Urteilssatzes) ein, daß ihm das Erstgericht zu Unrecht nicht den Strafaufhebungsgrund eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch (dieses Verbrechens) im Sinn des § 16 Abs. 1 StGB zubilligte (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO), und daß seine Tat rechtsrichtig bloß als eine dem § 99 Abs. 1 StGB zu unterstellende Freiheitsentziehung zu beurteilen sei (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO).
Gemäß dem § 16 Abs. 1 StGB wird der Täter wegen des Versuches einer strafbaren Handlung nicht bestraft, wenn er die (Tat-)Ausführung freiwillig aufgibt; der Annahme der Freiwilligkeit des Rücktritts steht nicht entgegen, daß der Täter vom Opfer auf Grund von Bitten oder Versprechungen oder aus Mitleid abläßt; Freiwilligkeit ist jedoch dann nicht mehr gegeben, wenn er nicht zur Gänze aus freien Stücken, aus autonomem Motiv, sondern (auch) durch wirkliche oder angenommene Hinderungsgründe zur Aufgabe der geplanten (im Sinn des § 15 Abs. 2 StGB bereits 'ausführungsnahen') Tat veranlaßt wurde, so etwa im Hinblick auf die besondere Eigenart des Tatbildes nach dem § 202 Abs. 1
StGB infolge mangelnder sexueller Erregung (vgl Pallin, WK, RN 24 zu § 201 StGB).
Nach den insoweit maßgebenden Urteilsannahmen warf Alfred A Monika B zu Boden, riß ihr die Strumpf- und die Unterhose herunter und hielt sie in der Folge 'mit seinem Körpergewicht am Boden fest'. Dann streifte er seine Ober- und die Unterhose ab und 'lag längere Zeit mit seinem Körpergewicht auf Monika B und machte auch die Bemerkung, daß er sie einmal wolle'.
Als es dem Mädchen gelungen war, seinen Mund frei zu bekommen, 'redete es auf den Angeklagten ein' und fragte ihn, warum er dies mache. A sagte, daß er schon lange darauf gewartet habe, daß er sie 'einmal erwische'.
Er gab zu verstehen, daß er dies aus Rache tue, weil er seinerzeit wegen Monika B habe 'sitzen müssen'. 'Nach weiterem Einreden' zog sich der Angeklagte an und und sagte zu Monika B, daß sie ihn aber trotzdem 'einmal lassen' müsse. Als sie dies ablehnte, versuchte er sie wieder zu Boden zu reißen. Durch weiteres Zureden konnten sie ihn jedoch wieder beruhigen, worauf er zu ihr sagte, daß er sie auslasse, wenn sie daheim davon nichts sage, er 'werde sie sicher kriegen, wenn er aus dem Gefängnis komme' (Urteilsfeststellungen S 162, 163 d.A).
Diese Feststellungen lassen unter Umständen den (vom Beschwerdeführer gezogenen) Schluß zu, er habe von Monika B auf Grund des 'Zuredens', sohin freiwillig im Sinn des § 16 Abs. 1 StGB, abgelassen; doch ist nach Lage des Falls auch die Annahme denkmöglich, daß der Angeklagte nur mangels sexueller Erregung von weiteren Einwirkungen auf B Abstand nahm (wofür /neben den unerörterten Aussagen des Tatopfers (S 37 und 104 d.A)/ die Urteilsannahme 'Er lag längere Zeit mit seinem Körpergewicht auf Monika B und machte /ehe es zum Gespräch zwischen Opfer und Täter kam/ auch die Bemerkung, daß er 'sie einmal wolle' Anhaltspunkte liefert), in welchem Fall nach dem Gesagten Freiwilligkeit des Rücktrittes nicht gegeben sein könnte. Da das Erstgericht eine Prüfung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes unter dem Gesichtspunkt eines freiwilligen Rücktrittes des Angeklagten vom Versuch des Verbrechens nach dem § 202 StGB im Urteil unterließ und die tatsächlichen Feststellungen nicht ausreichen, um abschliessend beurteilen zu können, ob die durch Punkt 1. des Urteilssatzes erfaßte Tat mit Recht dem angewendeten Strafgesetz (§§ 15, 202 StGB) unterstellt wurde oder - allenfalls als sogenannter 'qualifizierter Versuch' - einem anderen Strafgesetz hätte subsumiert werden müssen (§§ 99 Abs. 1; 83, 84 Abs. 1 bzw 88 Abs. 1 und Abs. 4 StGB) liegt insoweit Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 10 StPO vor, die im Sinn der §§ 288 Abs. 2 Z 3, zweiter Satz, (285 e) StPO - zufolge des im Hinblick auf die Verantwortung des Angeklagten zu bejahenden untrennbaren Zusammenhanges auch wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1
StGB (§ 289 StPO) - die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung erfordert. Es war daher, ohne daß es eines weiteren Eingehens auf die Nichtigkeitsbeschwerde bedurfte, spruchgemäß zu erkennen. Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E03606European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0110OS00042.82.0324.000Dokumentnummer
JJT_19820324_OGH0002_0110OS00042_8200000_000